Ausweitung der Tage

Meine Freunde haben inzwischen so etwas wie einen Lagerkollen; sie verlassen das Haus in der Finsternis, es umfängt sie das künstliche Licht, und dann gehen sie in Finsternis wieder heim in die künstliche Beleuchtung. Ich dagegen entwickle gegenüber dem Winter so eine Art Stockholm-Syndrom: Er ist nicht schön. Aber er gefällt mir.







Meiner generellen Neigung zur Trödelei ist der Winter natürlich nicht zuträglich, kaum hat man gefrühstückt und ein paar zwingend nötige Tätigkeiten verrichtet, ist der Tag schon wieder vorbei. Aber dann trotze ich der Natur eben noch ein paar Stunden ab und mache mich in der Dämmerung auf den Weg, denn ich habe Licht am Rodel und eigentlich mag ich es ja, wenn am Berg nicht gar so viel los ist. Wenn ich komme, sind die meisten, so sie überhaupt da waren, schon wieder an der Abfahrt.







Für 165 Euro, so sagt mir eine Einladung, könnte ich auch etwas ganz anderes machen und mir im Haus der Bayerischen (!) Wirtschaft etwas über Going Global - wie ziehen wir Geschäfte in Lateinamerika auf - anhören. Samba, Rio, Karneval, davon wird mir geschrieben, weil: Die Globalisierung rollt trotz aller Niederlagen weiter, und gerade in meinem Beruf muss ich mir doch die Chancen in den Emerging Markets offen halten. Manchmal wünsche ich mir, man würde nach all den Pleiten und Fehleinschätzungen ein wenig klüger werden, und etwas nachdenken, bevor man sich schon wieder bei Finger Food mit Leuten trifft, die heisse Luft in Grosspackungen anbieten. Es ändern sich einige Worte, der Rest bleibt von der new Economy über die Photovoltaik bis heute, da man über den Atlantik blickt. Man möchte mehr von einer Welt, von der nicht mehr da ist; mir jedoch reicht der immer gleiche Berg und der nie gleiche Blick in die Landschaft.







Ich komme gerade noch rechtzeitig oben an, das Licht reicht gerade eben für ein paar schöne Aufnahmen, und dann warte ich, bis es wirklich finster ist. Es wird hier nicht "jetzt schon" einfach dunkel, es kommt die Dämmerung mit ihrem ganz eigenen Charme und einer Kälte, die einen irgendwann wissen lässt: Jetzt ist der Tag wirklich vorbei. Jetzt kannst Du gehen.







Wie gesagt, meine Freunde packen das alles nicht mehr und werden depressiv, man wünscht sich ein Ende und nach Italien fliehen geht auch nicht, denn die Schneewolken terrorisieren das land bis zur Meeresküste. Man muss das Beste daraus machen, dann muss man auch nicht in der Fremde scheitern. Und trotzdem, ich merke es jedes Mal, wenn ich hier oben bin: Der Tag gewinnt langsam wieder die Oberhand. Diese Gewissheit macht das Leben leichter.

Samstag, 9. Februar 2013, 22:46, von donalphons | |comment

 
Wie Recht du hast!

Bild ganz oben: ein Krapfen speziell für die hiesigen Lustgreise?

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Aufschrei vor Entzücken bei mir, als ich den sah. Aber das ist hier einfach nur Tradition, so einfach.

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Going global nach Lateinamerika ist jetzt aber auch nicht mehr die Spitze der Avantgarde. Selbst das Festkommitee Kölner Karneval hatte letztes Jahr schon eine Rio-de-Janeiro-Connection geschmiedet, die dieser Tage ausgiebig gefeiert wurde.

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Wenn man darauf den Gartner Hype Zyklus anwendet, würde Ihre aussage implizieren, dass man langsam dort investieren kann.

Wobei ich durchaus der Meinung bin, das Land wird weithin unterschätzt. Unstreitig geht es vielen Menschen dort sehr schlecht, und oft wird Raubbau an der Natur getrieben. Aber man hat auch einige ganz interessante Mechanismen gefunden, Staat und Steuersystem vor den allerschlimmsten Angriffen global agierender Konzerne zu bewahren, man denke nur an die schwer zu umgehende Steuer auf Lizenzen.

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bei uns singen die vögelchen schon den frühling herbei. ich muss gestehen, dass dies ziemlich ansteckend ist. auch in der bergwelt, aus der ich kam, sangen sie schon, allerdings etwas weniger intensiv. zeit für den frühjahrsputz.

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