Finalmente

Ich bin ja eigentlich eher menschenscheu. Mit einem einzigen Menschen, am besten in einem geschlossenen Raum oder auf einer Bank mit Blick auf den See, kann ich noch leidlich umgehen. Und wenn ich - was inzwischen aufgrund meiner vielen Absagen selten ist - dann doch mal wieder auf einer Bühne bin, trete ich gekonnt die Flucht der Rampensau durchs Wortgewitter an. Alles andere - und da ist viel dazwischen - ist schwierig.



Ich mag Museen am liebsten, wenn ich mit den Wärtern allein bin, und besuche lieber eine abseitige Ausstellung, als eine, die jeder gesehen haben muss. Ich versinke im Konzert in der Musik, aber wenn ich zum Ausgang strebe, kommt in mir eine leichte Panik hoch. Die schönsten Bergtouren sind die, bei denen man keinen sieht. Diese Abfahrt vom Jaufenpass in der einbrechenden Dunkelheit war einsam und perfekt. Es ist nicht so, dass ich Menschen nicht mag: Ich ertrage sie nur in kleinen Dosen. Das ist wie sardischer Pecorino, den muss man auch in kleinen Stücken geniessen, dann ist er wunderbar.

Das erklärt aber vielleicht auch, warum die Buchmesse für mich immer eine grosse Belastung ist. Das sind mehrere Tage, auf denen ich mit mehr Menschen in Räumen bin, als sonst im ganzen Jahr. Dazu kommen aber noch zwei andere Aspekte. Der eine ist Frankfurt. Nehmen wir nur einmal diese Bank:



Sie steht in der U-Bahn in einer Station, in der nur selten Züge kommen. 10 Minuten muss man hier manchmal warten. Nun bin ich nicht zart besaitet, ich spule jedes Jahr tausende von Kilimetern auf brettharten Sätteln ab und beklage mich nicht. Aber diese Bank wurde entworfen, damit sich keiner hinsetzt. Sie hat keine Lehne, sie besteht aus Stahlrohren, die nicht nur auf eine absurde Weise drücken, sondern auch nich eisig kalt sind. Ich frage mich, was für eine abartige Stadt das ist, die ihre alten, auf die U-Bahn angewiesenen Leute zwingt, sich auf solche Bänke zu setzen.

Frankfurt ist nicht so verslumt wie Berlin, aber mitunter extrem unhöflich. Es ist nicht einladend. Bei uns haben sie ohne Vorbehalt ein Bankerl an die Schneise gestellt, die jetzt auf halber Höhe der Neureuth einen Blick ins Tal erlaubt; dort sitze ich gern, und es ist bequem. Hier also Stahlrohre und gegenüber ein Display mit Werbung. Man darf das nur dann erdulden, wenn man bereit ist, sich der Vermarktung auszusetzen. Was ist das für eine Welt?



Die Bank war meine drittletzte Station auf dem Heimweg, es folgte der Bahnhof mit dem üblichen Besuch der englischen Magazine (Hunger, The Gentlewoman, Travel Almanac) , der Bahnhof von Nürnberg mit seiner lauten Fragwürdigkeit und seinem Sicherheitspersonal allerorten, und da hatte ich auch viel Zeit zum Nachdenken. Was ich will, ob ich es will, welchen Preis ich eigentlich für dieses Leben zahle, und wie es generell so ist in einem System von Menschen, von denen manche so sind und manche so, und ich nur ganz selten wirklich den Eindruck habe: Es passt. Und alle wollen wirklich mehr als nur Durchschnitt. Weil, wenn man selbst ackert und leistet und bringt und sich um alles kümmert, und im gleichen System wird gefaulenzt, die Pflicht vernachlässigt und noch nicht mal das absolute Minimum getan, um die Kunden zu halten und ihre Äuserungen ernst zu nehmen, dann kann man das auch bleiben lassen.

Dann muss man es in Zukunft eben selbst machen. Das geht, das ist die Grundvoraussetzung für mein Handeln, und ich weiss ja, dass es so ist. Es ist kein Problem, ich nehme das nicht persönlich, aber ich nehme es zum Anlass.

Zum Anlass zu sagen, was ich nicht mehr möchte.

Dienstag, 15. Oktober 2013, 00:34, von donalphons | |comment

 
Zum ersten Bild: Diese Matratze steht womöglich dort so ordentlich an der Hecke, weil der Sperrmülldienst sie im Laufe des Tages kostenfrei abholt. Die fahren größere Touren, deshalb kommen die nicht gleich morgens um sieben.

Was diese Bank angeht, so ist die unbequem, aber immerhin könnte sich ein Obdachloser des Nachts bei Kälte zur Not darauf ausstrecken - was andernorts durch die Auswahl der "Stadtmöbel" gezielt verhindert werden soll. Ohnehin werden die zunehmend von Werbefirmen gestellt - was die Sitzgelegenheiten nicht unbedingt bequemer macht.

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Das war am Samstag um 14 Uhr und weit und breit der einzige Sperrmüll - und am Abend davor stand sie auch schon da.

Die Bank geht nur mit Isomatte und war auch nicht wirklich lang - vermutlich machen sie bald noch einen Trenner hinein. Das Problem, dass bei grösseren Bauten gezielt ohne tote Winkel und Schutzbereiche gebaut wird, gibt es in München schon seit gut 20 Jahren, zumindest war das damals bei uns schon Thema.

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Sperrmüll? Unsinn.
Das war die Schlafgelegenheit eines Messebesuchers, der mit seinem Startup nicht genügend für ein Zimmer im Frankfurter Hof verdient!

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Man beachte nur den roten Streifen!

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Immerhin steht sie ordentlich auf der Seite; in Berlin wäre sie längst ein Hundesofa.

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Oder in einem anderen Wohnloch.

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Nun, es ist nicht ungewöhnlich, dass sich auch die Leute, die ihren Sperrmüll anmelden, nicht ganz genau an die Terminvereinbarung halten (weil sie beispielsweise am Termin doch nicht da sind). Wie Du selbst schon sagtest, sieht wilder Sperrmüll anders aus.

Abgesehen davon funken einem auch andere Leute mitunter dazwischen. Meiner jüngeren Schwester ist es einmal passiert, dass die kaputte Waschmaschschine, die sie pünktlich am Abend zuvor herausgestellt hatte, damit sie die Sperrmüll am nächsten Tag wie vereinbart abholt, in der Nacht verschwand. Das Sperrmüllauto für Weißware kam also vergeblich. Zwei Tage später stand die Waschmaschine plötzlich wieder an der Straßenecke, da hatten die Leute, die die Waschmaschine mitnahmen, gemerkt, dass das alte Ding nicht mehr zu reparieren war. Anstatt selbst einen Termin zu vereinbaren, durfte meine Schwester nochmals da anrufen. So lange stand die Waschmaschine halt auf der Straße, denn wie hätte sie die denn auch alleine wieder in den dritten Stock schleppen sollen - und wieso auch.

Mir selbst ist mal in der Nacht eine alte Matratze von der Straße geholt worden bevor der Sperrmüll kam. Zum Glück blieb die aber weg.

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Prinzipiell habe ich nichts gegen Sperrmüllräubern - meine Mutter hat meinen jetztigen Küchenbeistellschrank - aussen Kirsch und innen Mahagoni - auch schon mal auf die Srasse gestellt, da war dann aber Feuer in der Luft. Bei uns kommt jetzt die Caritas und holt das direkt aus der Wohnung, aber der Direktor sagt, dass die Qualität und Wiederverwertbarkeit enorm nachgelassen hat.

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ja leider richten sich selbst die, die es sich leisten könnten zunehmend mit modischem tand aus spanplatten ein. man sollte die brettigen häksel sofort wieder häkseln und diesem geschmeiß wieder ins müsli kippen.

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Klar, Presspanplattenmöbel von Ik*a & Co. halten nicht so lange wie Vollholzmöbel. Nach ein paar Umzügen lassen die sich nicht mehr ordentlich zusammenschrauben.

Zunehmend stehen Caritas und Sozialkaufhäuser auch in Konkurrenz mit nicht ausgelasteten Müllverbrennungsanlagen und Heizkraftwerken, in denen gern auch Möbelholz verbrannt wird. So las ich es zumindest vor einiger Zeit in der Zeitschrift "enorm".

Nachtrag: Dass diese Matratze "und weit und breit der einzige Sperrmüll" war, halte ich nicht für ungewöhnlich, es gibt in FFM keine festen Termine wie in anderen Städten, wo nur einige Male im Jahr Sperrmüll abgeholt wird und man ansonsten kaum Chancen hat, ihn loszuwerden.

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Korrigiere: Nach einem paar Umzug , insbesondere wenn eine Glasplatte dabei ist oder eine hohe schmale Schrankrückwand in einer umlaufenden Nut gehalten wird.

Idioten
Kaufen
Einfach
Alles

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Nun bin ich wahrlich kein Fan dieser Möbelkette und ihres Sortiments, aber wer eine Glasplatte (egal aus welchem Möbelhaus) beim Umzug beschädigt, hat sie einfach nicht gut verpackt und transportiert.

Die Billy-Regale und etliche Küchenschränke meiner Frau sind zum Teil schon drei oder vier mal umgezogen. Im Übrigen hatte ich so Rückwand-Konstruktionen auch schon bei Schränken oder Regal-Elementen von anderswo, und ich kann mich nicht erinnern, dass mir da je was kaputtgegangen wäre. Ist halt auch immer die Frage, wie das Zeug transportiert wird und wie viel (oder genauer gesagt: wenig) Feinmotorik beim Auf- und Abbauen im Spiel ist.

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Die Caritas hat hier beim Möbelabholen endgültig verschissen. Kommen nach langem Betteln, sehen sich was an, jammern "zu schwer", "zu massiv", "zu robust" und ziehen unverrichtet wieder ab. IKEA hätten sie genommen.

Anders ausgedrückt, die sind satt. Fütterungsversuche zwecklos.

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Sieht irgendwie aus wie bestellt und nicht abgeholt, dieser schwarz-rote Müll.

Eine Beleidigung fürs Auge, so etwas macht keinen guten Eindruck und zieht nur weiteren Müll und weitere Probleme an, weswegen man zügig aufräumen sollte. Solche Anblicke verschandeln die Stadtlandschaft, man muss sich ja direkt schämen, wie soll man solche Zustände beispielsweise Gästen aus aller Welt erklären? Nein, so etwas geht ja gar nicht.

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Mark, auch meine fünfzehn Billy-Regale tun wacker ihren Dienst: Bücher lagern, nach mehr als dreißig Jahren und einigen Umzügen. Hätt' ich das Geld für eigens gezimmerte Regale aus "echtem" Holz, ja, dann ... Ein etwas wohlhabender Freund hat das mal gemacht: einen Tischler beauftragt, zwei seiner kleinen Wohnräume mit passenden Bücherregalen aus irgendeinem mittelteuren Holz auszustatten. Er war dann völlig baff, als er anschließend die Rechnung bekam; die war derart hoch, dass er glaubte, den Tischler verklagen zu müssen (...und prompt verlor. Denn das war und ist wirklich dermaßen teuer).

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Tischlerarbeit ist nun mal nicht billig; meine Regale habe ich mir teilweise selbst gezimmert und die halten auch. Ansonsten kann man sich auf dem Gebrauchtmarkt nach Paschen umtun. Meine alten Bibliotheksschränke haben 100 Mark, 500 Euro für zwei und bei dem, den ich aus der Garage meiner Eltern wieder zog, 0 Euro gekostet. Der Bücherschrank am Tegernsee kostet neu auch 4000 Euro, bei Ebay weniger als 400.

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ja es gibt fraglos auch beim elch eine handvoll produkte, die recht stabil sind (oder mit gutem design glänzen, man denke mal an diesen sessel...)

das ist auch gar nicht der punkt. sondern, dass das zeug so billig ist (und das obwohl billy immer noch das "made in Germany logo trägt), dass pfeffersäcke und pöbel gleichermaßen anreiz haben, selbst noch taugliche möbel an die straße zu stellen, weil das trendmagazin schrob es gäbe nun neuen hot shit.

und bzgl der scheinbaren dauerhaftigkeit der elchmöbel. die werden wohl eher nicht teil der hier rumstehenden erbmasse die sich aus massivholzmöbeln der letzten 200 jahre zusammensetzt (und so lange in Familienbesitz ist).

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Wobei wir immer wieder vergessen; es haben nur die Möbel überlebt, die robust genug zum überleben waren. Das verzehrt unseren Blick auf die Qualitätsarbeiten der Vergangenheit etwas.
Will heißen: natürlich gab es auch vor 200 Jahren Schrott. Man nahm da gerne weiches Kiefernholz, das billig war und nach 20 Jahren so verzogen, dass man es nur noch dem C02 Ausstoß zuführen konnte. Auch der Knecht und die Zofe hatten schließlich ihre Möbel. Nur wurden die nicht vererbt.

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Der Frankfurter als solcher ist Kummer gewöhnt, ist tolerant und hat gute Nerven, also ignorieren Sie doch einfach unbequeme Bänke und Sperrmüll auf der Straße auch. (Als halbe Frankfurterin habe ich ja immer den Verdacht, dass die das absichtlich machen, um die "Meßfremden" ins Bockshorn zu jagen und Touristen zu verscheuchen.)

@whatcrisis: wann hat es Frankfurt je nötig gehabt, einen guten Eindruck zu machen?

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Passt!
Dieser Beitrag passt mir unglaublich gut! Und ich glaube viele fühlen ähnlich.

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Bankerl und Banken
Über sowas wie Stahlrohrbänke für gesteigerten Sitzdiskomfort schreibt ja sonst kaum jemand. Bei uns in Grafing haben sie die Bänke knapp außerhalb der Überdachung aufgestellt. Wie gern ich hier mitlese und mich oft freue, obwohl ich manchmal überfordert bin.

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