Sehr zu empfehlen - Puzzle für Innendekoration

Berlin sollte nur 3 Monate dauern - es dauerte anderthalb Jahre, bis das Projekt wieder auf stabil und sauber lief, und ich die Stadt endlich verlassen konnte. Bilder habe ich kaum mitgebracht, zu unstetig und vorübergehend war der Aufenthalt. In München waren die Wände weitgehend voll mit Moderne, und in der Provinz über der Stadt war an den Wänden mit ihren Schrägen nicht viel Platz. Aber irgendwann, das wusste ich, würde ich genug Wände haben. Bilder gehören zu den Gegenständen, die man bedenkenlos auf Vorrat kaufen kann, solange sie nicht gerahmt sind, bis zum Moment der Hängung reicht ihnen eine weitgehend staubdichte, leicht durchlüftete Kiste aus schädlingsresistenten Holz als Ort der Aufbewahrung. Stiche zumal machen alles klaglos mit, denn ihr Papier, so es vor 1850 geschöpft wurde, kann Jahrtausende überdauern, und selbst die fein schwellenden Linien meines 400 Jahre alten Goltzius haben der Zeit problemlos widerstanden.

Hinweggefegt aber hat die Zeit zumeist die Rahmen, und die nun gilt es nachzukaufen, auszuprobieren und einzufügen. Was im ersten Moment nach einer leichten Aufgabe klingt, erweist sich schnell als nie enden wollende Plage. Denn DIN-Normen kannten die Alten nicht, und neue Rahmen ohne Patina und Macken lassen den ehrwürdigsten Triumpf von Alexis Loir grauenvoll kitschig aussehen. Was bleibt, ist die beschwerliche Suche nach alten Rahmen, und die sind mitunter alles andere als billig. Denn im Wissen um das Problem haben sich Händler gefunden, die Abhilfe schaffen - und zwar in der Form, dass sie am frühen Morgen die Flohmärkte abgrasen und das Erworbene danach mit hohem Gewinn weiterverkaufen. Unsereins muss dagegen lange suchen, bis sich Entsprechendes findet, das einen nicht gleich ruiniert.



Idealerweise hat so ein alter Rahmen ein Glas, ein Passepartout, und eine Rückseite aus stabilem Karton. Perfekt wäre es, wenn der die richtige Grösse hätte, doch da beginnt das Übel: Nachdem man kaum mit Butzenden von Bildmassen die Märkte absuchen kann, kauft man, was man kriegen kann, und versucht dann, die passenden Stiche zu finden. Mitunter fällt der Denker nach Giovanni Barbieri geradezu in den Rahmen, das dunkle Braun der Druckfarbe ergänzt sich fein mit dem hellbraunen Deckblatt - andererseits gibt es da diese römische Statue um 1680, die sich seit nunmehr 8 Jahren jedem Rahmen verweigert. Oder das fränkische Rokokoportal. Oder der Kostümumzug in Amsterdam.

Was zur Folge hat, dass sich zu den unpassenden Stichen irgendwann auch nicht passende Rahmen gesellen. Gesehen, gehofft, gekauft, zu gross, zu klein, zu schmal, nicht harmonisch oder einfach die falsche Farbe, es gibt immer wieder Kombinationen, die einen kapitulieren lassen. Und die Folge? Das nächste Mal sieht man einen Stich und denkt - da hätte ich den passenden Rahmen dafür. Vielleicht gibt es irgendwann eine Grenzmenge an Rahmen und Stichen, bei der man statistisch nichts mehr falsch machen kann, wo so viele Vorräte da sind, dass es keinen Fehlkauf mehr geben kann. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg.

Egal. Ein paar Wände habe ich noch.

Dienstag, 3. Oktober 2006, 00:18, von donalphons | |comment

 
Der einzige Wermutstropfen an Stichen ist, daß die meisten durch mitleidlose grausame Buchmassaker auf den Markt kommen. Ein womöglich wissenschaftliches Werk oder ein Reisebericht vollständig und schön erhalten ist einfach als Ganzes viel weniger wert als die Stiche darin nach dem Rasierklingeneinsatz durch Antiquariatsfledderer.

Irgendwie so ähnlich wie Firmenzerlegungen im Gefolge der gemeinen Kapitalheuschrecke.

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Ich habe nur zwei Bücher, denen das wiederfahren ist; englische Tierbücher um 1810. Der Rest ist wohlauf. Fragmente eines Antiphonars um 1520, gemischt mit späteren Bruchstücken aber zeigen, wie wenig man sich früher um Werktreue scherte.

Tatsächlich aber ist das Zerlegen keine Seuche neuerer Zeit, sondern schon sehr früh gemacht worden, und niemand scherte sich gross darum. Beispiele sind architektonische Abhandlungen, die als Vorlagensammlungen gekauft wurden. Oder all die botanischen Werke, mit denen man Arten und Preise festsetzte - da wurde schnell was rausgerissen, und das mitunter Rustikale der Kräuterbücher ist nur Zeichen eines Wegwerfartikels. Schrecklich wird es bei den Stahlstichen des 19. Jahrhunderts. Dazu kommt, dass der Markt für mässige Stiche - wie sie nun mal in Büchern sind - nicht wirklich ergiebig ist. Letztlich manifestiert sich das auch in den Preisen, die auf dem Flohmarkt und bei Auktionen dafür gezahlt werden. Ist der Stecher keine Berühmtheit, hat es buchtypische Schäden oder Flecken, ist damit kein Geschäft zu machen, das sich lohnen würde.

Zugegeben, die Aquatinta-Radierungen kommen aus einem Buch - kosteten damals aber nur 2 Mark das Stück. Gewinne sehen anders aus, vielleicht ging das Geschäft auch deshalb vor die Hunde.

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Nachdem so ein unberühmter Schinken selten mehr als sagen wir 5 oder 10 Euro bringt, sind zwei Euro pro sztich bei 10 Stichen schon solider Gewinn. Wenn ich mir die Umsätze der normalen Tandler anschau, ist die Entscheidung keine Frage.

Und bloß weil was scho lang gmacht wird, is no lang ned schee.

Aber ich geb auch zu, daß etliche Bücher gibt, bei dene tuts überhaupts nicht weh.

Wiederum andrerseits ist das Geschäft halt ned nur auf der Tandlerebene, sondern es gehen halt auch mal Audubon-Komplettausgaben als Einzelstiche unter den Hammer. Und da iss dann meiner Meinung nach scho a Verbrechen. Ned illegal, aber a Verbrechen.

Und nochamal zum "schon früh": Es ist durchaus zweierlei, ob ich ein zeitgenössisches Buch zerlege, als Äquivalent nehmen wir mal einen typischen Taschen-Bildwälzer vom modernen Ramsch (in Äquivalent zum Kräuterbuch zu seiner Zeit), oder ob ich etwas zerlege von dem es nur noch x Exemplare gibt, und das als Gesamtheit einen kulturellen Wert hat.

Wie gesagt, es gibt Bücher, da mag's vielleicht ned schad drum sein, und es gibt mir trotzdem einen Stich. Vierteilenswert ist es, wenn das mit wirklichen Schönheiten passiert. Und grad die sind anfällig drauf, weil das Buch als Ganzer halt nicht so profitbringend an den Mann zu bringen ist.

Mei. Ich hab ja auch Stiche hängen. Mögen muß ichs trotzdem nicht.

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Nein, natürlich nicht. Irgendwo ist halt eine Grenze - beschwert sich einer, wenn Karikaturen von Daumier aus der Zeitung geschnitten werden? Desto näher es zu uns ist, desto lässiger stehen wir dergleichen gegenüber - wobei ich kein Buch wegwerfen kann, und auch nicht zerreissen.

Diese Fragen sind unvermeidlich, in vielen Bereichen. Darf man einen Barockstuhl neu beziehen? Darf man Empirelampen verkabeln? Noch dazu, wenn unsere konservatorische Einstellung keiner verstände, der das von uns Verehrte geschaffen hat? Ich habe da auch keine Antwort drauf, aber purifizierte Kirchen und Ausrottung von Biedermeier erscheinen uns heute auch nicht mehr als richtig, wenn wir uns die Konservierung des vorletzten Jahrhunderts anschauen.

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Es kann aber auch anders ausgehen.
;-)

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