E-Paper in der Offlineversion.

Ich möchte hier nur kurz zum Ausdruck bringen, dass gewisse Ideen der Verzahnung von Online und Print meines Erachtens niemals funktionieren werden. Aber nehmen wir einfach mal an, dass die folgende Information über das geplante Online-Portal der WAZ-Gruppe kein Übermittlungsfehler oder Missverständnis ist, sondern zutrifft:

Während die regionalen und überregionalen Nachrichten-Seiten vom Online Team [...] gefüttert werden, sollen die Print-Lokalredaktionen aus ihren Bereichen die digitalen News beisteuern.

Ja macht sich dann der gedruckte Lokalteil so nicht auf lange Sicht überflüssig? [...] Nein, im Gegenteil, versuchte Online-Chefin Borchert einem besorgten Lokal-Redakteur den Wind aus den Segeln zu nehmen. Es sei geplant, nicht mehr wie bisher, die Print-Artikel 1 zu 1 ins Netz zu stellen, sondern lediglich kurze Anreißer mit Hinweis auf die Druckausgabe zu veröffentlichen.


Ah ja. Mhm. Also, immer vorausgesetzt, das stimmt so, wie es beim angeblichen Whistleblower Wazsolls dargestellt wird. Die Vorstellung, dass mir einer sagt, er habe hier und jetzt diese und jene Information, die mich interessiert, und jetzt (oder nach dem Druck) solle ich bitte loslaufen, zum Kiosk latschen und mir die Zeitung mit allen anderen, völlig uninteressanten Themen kaufen und somit an die Information kommen - die Vorstellung empfinde ich als feindlichen Akt. Mit sowas bin ich ruckzuck weg und komme nie wieder. Ich mein, dass es die Zeitung am Kiosk gibt, ist mir durchaus klar.


bei so einem kiosk würde ich kaufen, aber hey, die waz ist im ha esslichen essen

Aber wer ernsthaft glaubt, ich wäre zu doof, mir danach GoogleNews anzuschmeissen und mir die Nachricht woanders zu holen, hat das Spiel hier draussen nicht kapiert. Die Idee einer begrenzten Information als Kaufanreiz funktioniert vielleicht bei hochwertigen Zeitschriften mit exklusiven Bildern - aber da auch nur für den meines Erachtens zu hohen Preis, dass sie keinerlei Internetmarken werden.

Information wants to be free, das ist das Grundgesetz der Internetkommunikation. Die WAZ ignoriert völlig, dass sie die Nachrichten am Tag nach dem Abdruck mangels Zeitung sowieso nicht mehr verkaufen kann. Die einzige Verwertungsmöglichkeit ist zu zeigen, dass man Kompetenz besitzt, und dazu muss der Beitrag online stehen. Nur so kann man Leser binden, alles andere bringt einem null Kunden und treibt alle weg zu demjenigen, der die Information anbietet. Was die WAZ da plant, ist faktisch E-Paper in der Offlineversion. Und das bringt weder den Online- noch den Offlineredakteuren irgendwas.

Man wird irgendwann nicht mehr umhinkönnen, den Leuten ein paar grausame Wahrheiten zu sagen. Jenseits von Special Interest, besonders bei Tageszeitungen gehen die Lichter aus. Nicht weil der Kunde so böse ist, sondern weil sich die Gesellschaft ändert. Zeitungen und allen voran Neoconwürmer wie an mancher WAZ-Stelle haben für die Wirtschaft und ihre Arschkriecher der Politik seit 15 Jahren das Hohelied der Mobilität, Flexibilität und der sozialen Ungerechtigkeit gesungen - jetzt, mit dem Niedergang des klassischen Kleinbürgertums, bekommen sie die Rechnung serviert. Es ist verdammt hart zuzugeben, dass die Redakteure im Internet keine vollwertige Alternative finden weden. Es kostet massenhaft Stellen. Aber es bringt einen um, sich gegen die Entwicklung zu stellen und die Leser in vorgegebene Bahnen zu zwängen. Das geht hier draussen nicht mehr. So verscheucht man die Leute. Wer ficken will, muss nett sein. Wer Leser will, muss erzählen.

Alles andere ist vorbei, Freunde der Blasmusik. 2 cent Beratungsgebühr.

So, und jetzt ganz ruhig, bitte: Keine persönlichen Geschichten in den Kommentaren. Es geht hier um die Strategie der WAZ und nicht um Blogger.

Sonntag, 29. Oktober 2006, 16:32, von donalphons | |comment

 
Es gibt außerhalb der Geheimdienste keine Informationsmonopole mehr - das ist das neue Gesetz. Was in der WAZ online nur angerissen steht, ist zwei Mausklicks entfernt bei SpOn komplett zu lesen. Nun gut - vielleicht nicht in der gewohnten WAZ-Langweiler-Qualität geschrieben. Deswegen rennt aber niemand zum Kiosk.

Paid-Content-Modelle im Journalismus sind doch nun wirklich lange genug durchgekaut worden, um zu wissen, dass man Mücken nicht mit Angelruten fängt.

... link  

 
Ich kapiere einfach nicht, wie man sich als lokaler Anbieter mit Community aufstellen will, wenn man die Informationen, also genau das, was man diesen Leuten anzubieten hat, wegsperrt. Ich kapier´s nicht. Ich weiss durchaus, dass alle Medienleute die "Kostenlosmentalität" (absolutes Scheisswort aus Scheisshirnen) des Netzes hassen, aber mei. Das zu ändern, haben schon viele versucht. Die finanziellen Gewinne stehen in keinerlei Verhältnis zu den Verlusten an Zuneigung, Vertrauen, und all das andere Zeug, ohne das man auch die anderen Säulen das Systems vergessen kann.

... link  

 
Eine der großen internationalen Tageszeitungen, die von Anfang darauf setzte, ihre News als Paid Content zu verbreiten, war El Pais. Was ich sehr bedauert habe, aber da ich pro Tag regelmäßig mindestens 10 internationale Zeitungen durchgehe, war Subskribieren nicht drin.

El Pais fand folgerichtig bei Google News nicht statt, hatte nie genügend Online-Abos, um das gerechnet zu kriegen. Die Leute sind einfach zu anderen spanischen Zeitungen, wenn beim Klicken auf die Schlagzeile immer nur die Abo-Aufforderung kam.

Wenige wussten, wie immens viel Inhalt El Pais online hat.
Aufgegeben haben sie das Konzept noch nicht, aber inzwischen sind viele Artikel frei zugänglich, und erst wenn man in wirklichen "unique content" will (kulturelles z.B.) kostet es.

Paid Content funktioniert (fast) nie. Beim WSJ rechnet es sich, vielleicht noch beim Economist. Die NYT lockt mit umfangreichen Archivzugriff, was vielleicht ein Anreiz ist. Ihre Kommentatoren hinter der Abomauer zu verstecken, war dagegen geradezu klassisch dämlich. Die finden inzwischen in der öffentlichen Debatte kaum noch statt.

Salon.com versuchts neben Abo noch mit Zwangswerbungsfilm anschauen. Ob das viel bringt, weiß ich auch nicht. Während der läuft, lese ich was anderes.

Zugegeben, es ist nicht leicht. Aber dann auch wieder nicht so schwierig. Liefere etwas, was niemand sonst hat, mit Qualität, dann kriegst du auch Geld dafür.

Mit dem Rest, der kostenlos bleiben muss, kannst du nur Marke stärken, Kundenbindung betreiben. Aber die Meldung, dass Schröder ein Buch geschrieben hat, bezahlt heute keiner mehr.

... link  


... comment
 
das hat der Wazsolls
anscheind nich ganz richtig begriffen

... link  

 
Doch, ich kann nur wiedergeben, wie es bei der Betriebsversammlung rüberkam. Ich habe das bewusst nicht kommentierend dargestellt, da ich mir über die Richtung des ganzen noch nicht sicher bin.

... link  


... comment
 
So werden halt die ängstlichen Redakteure beschwindelt. Wenn die blöd genug sind sowas zu glauben … sie sind im Ausverkauf. Wer jahrelang neoliberal zu anderen ist hat es selbst auch nicht besser verdient. Wenn es aber läuft wie angesagt: dann ist auch WAZonline schon fast tot vor der Geburt. Nun ja, für ein paar Jahre mag es noch Gras auf der Wiese geben. Warum die Eigner aber gerade in das Projekt nun viel Geld reinwerfen? Muss eine Heuschrecke die Beratung gemacht haben. Na ja, mein Geld ist es nicht.

... link  


... comment
 
Nicht wirklich sinnig...
... das ganze. Erst wird das Login-Schloß abgeschafft, dann die Inhalte. Oder wie ist das zu verstehen?

Manueller Trackback:
http://www.pottblog.de/2006/10/29/waz-und-das-internet-einen-schritt-vor-zwei-schritt-zurueck/

... link  

 
Very Scary
Das soll Katharina wirklich so gesagt haben? Wird Zeit für eine Neuauflage des Bloggertreffens in Bochum. Vielleicht enttarnt sich dann ja auch WAZsolls.
Manueller Trackback:
http://blog.50hz.de/?p=423

... link  

 
Wie gesagt, ich bin da auch sehr vorsichtig in der Wiedergabe. Weil so ganz kann ich mir das auch nicht vorstellen. Ich weiss, wie blöd es ist, wenn man sowas auf "missverständlich ausgedrückt" zu schieben versucht, aber diesmal bin ich geneigt, sowas anzunehmen.

Oder doch eine Überdosis Valium für das Redakteursvolk?

... link  

 
Ich hab das so schon beim Pottblogger kommentiert, möchte das aber hier auch noch mal loswerden:

Das Zitat ist mißverständlich, weil es unvollständig ist. Ich halte tatsächlich nichts davon, einfach eine Zeitung 1:1 ins Netz zu stellen, weil Print und Internet andere Möglichkeiten haben, die man jeweils unterschiedlich nutzen sollte, will man ihnen gerecht werden. Außerdem wird jedes Medium, von Überschneidungen wie dem Pottblogger und 50hz mal abgesehen, von unterschiedlichen Zielgruppen genutzt.
Daher möchte ich, daß Nachrichten künftig nicht mehr wie bisher erst dann im Netz stehen, wenn der entsprechende Printartikel ins Netz geht. Redakteure sollen erst eine Nachricht fürs Netz schreiben (die ruhig kürzer ausfallen darf, das nehme ich zugunsten der Aktualität gerne hin, dafür aber nach Möglichkeit andere Elemente beinhalten kann - LinksLinksLinks, mehr Fotos oder ein kurzes Video dazu, was immer sich realisieren läßt ... ja, mir ist klar, daß wir hier von Zukunftsmusik reden, die ein Umdenken und andere Ressourcen erfordert und nicht kurzfristig zu schaffen sein wird ... dafür kann die Nachricht im Netz gerne einen Hinweis auf die Berichterstattung in der gedruckten Ausgabe enthalten genauso wie künftig in der Zeitung weit mehr auf das Internet verwiesen werden soll - daß das den Auflagenrückgang im Print nicht rückgängig machen wird, ist keine neue Erkenntnis, auch bei der WAZ nicht). Außerdem möchte ich zusätzlich online andere Themen aufgreifen, die in der Zeitung nicht stattfinden - egal ob nun aus Platzmangel oder weil sie nicht zielgruppengerecht scheinen.
Ich plane also keineswegs ein "E-Paper in der Offlineversion", aber ich halte einen Online-Dump von Printartikeln auch nicht für den ultimativen Kompetenzbeweis.

(So, und jetzt kündige ich aus Erfahrung schlau geworden der Form halber Schweigsamkeit für den Rest des Tages an, weil ich bei einer internen Konferenz bin und es sich nicht mal für die offiziellen Online-Irren eines Unternehmens gehört, während der Diskussion munter mit der Tastatur zu klappern.)

... link  

 
Ich weiss ja nicht, ob die Videos und Links der Essener Hasenzuchtvereine so viel sehenswerter wären als bei uns in Bayern, aber gut. Ob Printer das onlinetauglich können, weiss ich nicht, ist aber auch egal. Danke für die Klarstellung.

weil ich bei einer internen Konferenz bin und es sich nicht mal für die offiziellen Online-Irren eines Unternehmens gehört, während der Diskussion munter mit der Tastatur zu klappern.

Ist aber gut für den Ruf. Und Du hältst es doch ohnehin keine 30 Minuten ohne Kommentare checken aus ;-)

... link  

 
Ist ja gar nicht wahr ;-)

(So, jetzt aber wirklich offline. Versuchsweise bis zur Mittagspause.)

... link  

 
Zeit, dass einer mal die Blognicorette entwickelt.

... link  

 
Um mal einen kleinen Eindruck davon zu geben,
was bei uns lokal mit Links versehen werden müsste - Beispiele anhand eines erbärmlichen, dank Ölindustrie stinkreichen Kaffes der Region:

Hobbyvereine
Bienenzuchtverein
Brieftaubenverein "Auf zur Heimat"
Geschichtsverein Kösching-Kasing-Bettbrunn
Köschinger Kunstkreis
Modellflugclub Kösching e.V.
Patchworkgruppe "Diamond Quilters"
Theatergruppe Kösching-Kasing
Wanderfreunde Kösching-Bettbrunn
Wanderverein Kösching
Krieger- u. Soldatenvereine (Reservisten)
Krieger- u. Soldatenverein Kösching-Kasing
Krieger- u. Veteranenverein Kösching-Bettbrunn
Reservistenkameradschaft
Soldaten-Krieger- und Veteranenverein
Musik
Cheskinga Dradewixpfeiferl
Förderverein Spielmannszug Kösching "Mexicanos"
Gesangsgruppe Voices 4u (die haben´s raus mit der Moderne, Anm. d. Red.)
Gospelchor Kösching e.V.
Männergesangverein Kösching-Kasing
Musik/Gesangverein "Frohsinn"
Politik
Junge Union Kösching-Kasing-Bettbrunn
JUSO AG Kösching-Kasing-Bettbrunn
Religiöse Einrichtungen
Katholische Arbeitnehmerbewegung Kösching
Katholische Arbeitnehmerbewegung Kösching-Kasing
Katholische Kirchenverwaltung Kösching
Katholische Landjugendbewegung Kösching-Kasing
Katholischer Frauenbund
Katholischer Pfarrgemeinderat Kösching
Kolpingfamilie Kösching e.V.
Landjugend Kösching
Pfarrgemeinderat Kösching-Kasing
Sebastiani-Bruderschaft Kösching

Und so weiter. Ich glaub, das will in Wirklichkeit keiner verlinkt haben.

... link  

 
... und kürzer will auch keiner. Lieber ein paar Tage warten, und dann ein schöner Artikel mit ein paar Bildern.

... und ins Internet will auch keiner. Dann könnten ja die Vereinsmitglieder 50+ dies nicht sehen.

Ich stelle mir das gut vor: Anruf bei der Lokalredaktion: "Wo bleibt denn der Artikel von unserem Preisschiessen (das mit den Fleischpreisen)?" Antwort: "Ist doch längst im Internet". Da möchte ich kein Lokalredakteur sein, und auch kein Verantwortlicher für die Abonentenzahlen.

... link  

 
Über die Internetaffinität von sepp_pickl@vorjahrzehnteneingegangenerinternetprovider.de braucht man sich keine Illusionen machen.

... link  

 
Danke für die Klarstellung...
... klang vorher wirklich etwas mißverständlich.

@50hz: Gute Idee!

... link  


... comment