: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 5. November 2008

Yes we can blackmail

Du hast eine Wohnung am Rande der Berge, gleich oberhalb eines traumhaft schönen Sees. Es ist Anfang November und immer noch sehr warm. Das Wetter ist wunderbar, und du entschliesst dich, heute mit einer Bekannten in ein Kloster zu fahren, das eine Wirtschaft mitsamt Sonnenterasse und einen phänomenalen Blick über die Alpenkette vom Chiemgau bis zur Zugspitze hat. Eine Sonnenterasse, auf der sich fette, alte Münchner an Schweinshaxen vollfressen, bis sie nicht mehr können und der Würgerei überdrüssig die Knödel zurück gehen lassen.



Du setzt dich an den äussersten Rand, denn schön ist das reiche Schauspiel nicht, und entscheidest dich für einen Germknödel. Es dauert ein wenig, weil es trotz Werktag voll ist, aber da ist diese Fernsicht mit 100 Kilometern, an der du dich nicht sattgeaffen kannst. Dann kommt der Germknödel und bildet den ersten Hügel in einer langen, grandiosen Reihe von Bergen voller Wald, Fels und Schnee.



Um das alles perfekt zu machen, erlebst du auch noch einen grandiosen Sonnenuntergang; Du würdest Deine Begleiterin jetzt gerne umarmen, in diesem warmen, satten, alles durchdringenden Licht, das dich aufsaugt mit seinem Glanz,



es zieht dich hinein, entreisst dir den italienischen Namen, das Leben, die Wohnung, den See, den Geschmack des Germknödels, du bist nackt in diesem Licht, es wirft dich auf deine Existenz zurück und obendrein in ein Bett in einem Schwellenland. Genauer, das viertgrösste Schwellenland der Erde, dein Kopf dröhnt noch vom Licht und vom Alk gestern Abend, und langsam fällt es dir ein: Du hast keine Wohnung am Tegernsee und keine Bekannte, die wie Romy Schneider aussieht, du bekommst keine Germknödel und das da vor dem Fenster sind auch keine Berge, sondern die von Favelas umschlossene Hauptstadt Washington. Du heisst Obama, bist seit gestern so eine Art künftiger Diktator, kannst aber im Gegensatz zu den drei grösseren Schwellenländern weder Wahlen kaufen wie die Inder, noch einen Volkskongress einschüchtern wie die Chinesen, und Oligarchen verknacken und Firmen erpressen wie der Putin darfst du auch nicht. Kurz, du bist der Boss eines maroden Landes, und du musst jetzt aufräumen, was dein Vorgänger Idi George Amin Bush an Zerstörung hinterlassen hat; ein paar Kriege, eine angekotzte Welt, und einen Quasi-Staatsbankrott, den Leute angezettelt haben, die dummerweise für deine Wahl gezahlt haben. Du beginnst zu begreifen, dass es eigentlich gar nicht so schlecht wäre, wenn jetzt deine besiegten Gegner, die Alte mit den Glubschaugen oder der Tattergreis die Scheisse angehen müssten.

Gestern warst der Held, heute wollen sie schon, dass du ihnen die fetten Arsche auswischst. Es ist der Tag nach dem Sieg, und die Hauskreditversicherer Ambac und MBIA lassen dich wissen, dass sie zusammen im letzten Quartal über 3,3 Milliarden Dollar Verlust verzeichnet haben. Um das in Relation zu setzen: Die einzelne Ambac-Aktie ist 2,01 Dollar wert, und macht einen Verlust von 8,45 Dollar. Sprich, die Läden sind so fertig und windig wie einer ihrer Subprimekunden im Rust Belt. Leider kannst du sie nicht pleite gehen lassen. Ohne Kreditrisikoversicherung werden Banken keine Kredite geben, und die Wirtschaft wird leiden. Also, das heisst: Was von ihr noch da ist, nachdem tausende Banken durch die Pleite der Versicherer gezwungen wären, die von Ambac und MBIA vertriebenen Derivate mit exakt Null anzusetzen, mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft. Das wird teuer. Zumal jetzt auch wieder das für die Refinanzierung so wichtige Rating wackelt.

Du hängst noch kotzend über dem Waschbecken, da stehen auch schon die Jungs des Autofinanzierer GMAC in der Tür. Eine Hälfte gehört General Motor, die andere dem Hedgefonds Cerberus, dem auch Chrysler gehört. Und siehe da, auch sie haben wegen schlecht zahlender Kundschaft 2,5 Milliarden Quartalsverlust. Wenn die keine Kredite mehr geben - wer soll dann noch einen schrottigen US-Wagen kaufen? Da wird der Staat helfen müssen. Sonst bricht der Staat zusammen. All diese Klitschen sind ziemlich tot, und du musst sie jetzt retten, damit sie im Untergang dem Land nicht den Rest geben. Deren Lage ist verzweifelt, aber deine ist auch nicht besser, wenn du solche Verwerfungen mit vielen Steuermilliarden beheben musst.

Also, es ist der 5. November und du hast die Arschlochkarte in diesem Spiel gezogen, gehe in das Oval Office. Gehe direkt dorthin, gehe nicht über den Biergarten von Kloster Reitberg Reutberg und ziehe keinen Germknödel ein.

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Guter Morgen

1985 ging ich in meiner Heimatstadt in die Post, um ein paar englische Bücher abzuholen. Vor dem Gebäude hatten sich ein paar komisch aussehenden Demonstranten aufgebaut, mit antikommunistischen Plakaten, und einer mit offensichtlich amerikanischer Herkunft geiferte mich an: "Wia sin gägen die neue stalinistische Hidler Gorbatschow!" Wie wir erfahren durften, sollte man erst mal abwarten, solange es keine eindeutigen Klogriffe wie Bush, Andropov, Reagan oder Ceaucescu sind.



An dieser Stelle auch ein herzlichen "Fuck you" an die 48% der amerikanischen Wähler, die den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen haben und erneut für die Republikaner, ihren Opa und die bigotte Nachfolgekatastrophe gestimmt haben. Hier am Tegernsee ist es wunderschön, es gibt Föhn und jetzt schon über 20 Grad in der Sonne.



Life´s ok.

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Montag, 3. November 2008

Liebe SPD,

ich hoffe, dass die hinterhältigen Verräter Jürgen Walter, Dagmar Metzger, Silke Tesch und Carmen Everts aus der hessischen SPD so schnell wie möglich ausgeschlossen werden. Bei der Gelegenheit könnte man noch ein paar andere "Sozialdemokraten", die Köche brauner Suppen unterstützen, gleich auch noch rausschmeissen. Dieses Land und diese Partei brauchen keine als "rechte SPD" getarnte Steigbügelhalter der Baureihe "Zentrum 1933".



Ansonsten kann ich ja inzwischen fast froh sein, mit so einem Blick zum Frühstück am Strandbad in Bayern zu leben, wo die CSU noch viel Platz nach unten hat, die Wähler auch nicht dümmer als in Hessen sind und obendrein die Arschlochquote in erträglichen Parteien niedriger als in Hessen ist. Echt. Ich würde in Hessen nicht leben wollen. Nicht mit so einer CDU und solchen Charakteren in der SPD

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Sonntag, 2. November 2008

Updike am See

Als ich noch nicht so viele Bücher und sowas wie eine Ordnung in der Bibliothek hatte, gab es ein einfaches Prinzip der Sortierung: Fachbereiche bei Fachbüchern, und Belletristik nach der Nationalität der Autoren. Jedes System hat bekanntlich seine Lücken und Fehler, der Katalog "Ornamennta Ecclesiae" stand in der Buchmalerei, und der Lemberger Joseph Roth fand sich unter den deutschen Autoren jüdischer Abstammung wieder, wobei ich expressis verbis keine Ecke für österreichische Literatur hatte. Im rechten Bücherschrank oben standen die Amerikaner, viele Amerikaner, unter anderem Poe, Twain, Bierce und die gesamte schwarze Serie von Hammett, Woolrich und Chandler. Auch ohne diese eigentlich unamerikanischen Literaturumtriebe - man denke nur an die Verwendung des Namens Marlowe bei Chandler in Anspielung auf den englischen Dramatiker Christopher Marlowe - übertrafen die US-Amerikaner problemlos die Südamerikaner, wie auch die Italiener, Spanier ohnehin und Russen auch, wobei russische Literatur, nun, also. Wie auch immer, mein Bücherschrank sollte eine gerechte Globalisierung bekommen, meinen Steinbeclk hatte ich schon, und so kaufte ich Amado, Ribeiro, Fuentes und Márquez. Für die Vermehrung der amerikanischen Literatur sorgte dann die Bemusterungsunsitte deutscher Verlage in der Hoffnung auf Rezensionen, der ich einen Haufen angelesener Langeweiler wie D. B. C. Pierre und Siri Hustvedt verundanke; traurige Versuche, die es nach Capote und Maraini nicht mehr gebraucht hätte. Dennoch habe ich heute einen selbstgekauften Amerikaner auf meine bevorzugte Lesebank am See mitgenommen.



Die Erzählungen von John Updike könnten in dieser Welt am See kaum fremdartiger sein. Ich habe mitten im Buch mit der Geschichte "Mein Vater am Rande der Schande" begonnen, bei der man davon ausgehen kann, dass sie autobiographische Züge hat. Ein Sohn, der das Tun und Lassen seines Vaters in den Jahren der grossen Depression betrachtet, den Abstieg der Familie vom provinziellen Bürgertum eines Handelsvertreters vor dem 1929er Crash zum Existenzminimum eines prekären Lehrerdaseins, das durch gelegentliche Griffe in die Schulkasse aufgebessert wird. Keine Geschichte, die in Zeiten wie heute besonders angenehm zu lesen wäre, vor denen der Boom für Wenige schon zu viel Armut und Angst bei den Vielen erzeugt hat, und deren Krise das Problem nochmal verschärfen wird. Als ich Berlin verliess, habe ich noch zu vergleichsweise günstigen BaWAG-Zeiten eine unschöne Überraschung nachgeschickt bekommen; was solche Versorgungsräuber 2008 unter den weniger Glücklichen und schlechter Abgesicherten anrichten werden, mag schon diesen Winter ein unschönes Thema für wirkungslose Leitartikel werden. Die Welt hat viele Sorgen, win paar mehr fallen da nicht auf, wenn der Banker um seine Boni weint und der Kaufstricher der Wirtschaftspresse vor der Einstellung seiner lachsfarbenen Lobbygosse sein Anliegen wortreich mit Verweis auf Leistung, die sich lohnen müsse, unterstützt.



Was Updike erzählt, ist dreierlei: Die Menschen finden sich mit dem Abstieg ab. Sie haben im Abstieg durch den Druck überhaupt keine Chance, sich gegen das System der Krise zu wehren. Und es hilft ihnen keiner, denn sie spielen keine Rolle. Updike schreibt über 20 verlorene Jahre im Leben von Menschen, die für die Katastrophe nicht verantwortlich sind, und dennoch die ganze Härte zu spüren bekommen, bis sie sich notgedrungen, unter Ängsten und Einschnitten arrangieren. Updike beschreibt diese Ambivalenz von Angst und Zuneigung sehr treffend in der Rückschau, und es hilft zu verstehen, warum sich Menschen in Krisen derartig passiv verhalten.

Es gibt in der New York Times einen brillianten und gleichzeitig irrwitzigen Beitrag über die neue Krise, und wie sich die Absicherung von amikanischen Lehrerpensionen über unfähige Berater und skrupellose Banker in Dublin bei einer ehemals und jetzt de facto wieder deutschen Bank zu einer Krise der Bildung in Amerika führt, oder warum diese Finanzkrise die Fahrkartenpreise in New York anheben wird. CDOs waren und sind zwar hochgefährlich, aber ein riesiges Geschäft, dessen Abwicklung einer scheinbar sicheren Welt den Boden unter den Füssen wegzieht. Allen, die von Absicherung und den Kapitalmarkt faseln und Schulen und andere Staatsaufgaben privatwirtschaftlich beteiben wollen, sollte man den Text auf Marmor ausdrucken und um die Ohren hauen. Gleichsam denen, die Lafontaine noch immer pauschal als Demagogen abtun.



Ach, Gewalt. Richtig, das gilt als unfein, wie das Verhaften von Bankmanagern. Das darf man nicht verlangen. Nun, in den USA ist es schon so weit, dass sehr viele Rentner nächstes Jahr sehr wenig Rente bekommen werden, weil ihre Pensionsfonds massive Verluste verspekuliert haben - das wird 2009 ein grosses Thema. Das bedeutet, dass sie sich keine gute medizinische Versorgung leisten können. Und nicht alle, aber im Durchschnitt doch kränker und früher tot sein werden. Wer einen Renter umbringt, der noch eine Woche zu leben hätte, ist ein Mörder. Wer sich grosszügig Boni auszahlt und damit für die Verluste kassiert, deren Folgen andere ausbaden müssne, gilt als Leistungsträger, den man halten muss. Sie können das: Manche wählen ja immer noch FDP und CDU. Manche finden es immer noch niederschreibenswert, wenn sich eine Koalition gegen die Erfüllungsgehilfen der Banker in Hessen findet. Die gleichen, die unfähig sind, Geschichten wie die New York Times zu schreiben; Geschichten, die auch sehr viel über unser Land erzählen, die man hier aber nicht hören will. Man soll sich bittschön mit den Folgen abfinden. In saure Äpfel beissen, und nicht in Kehlen.

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Mittwoch, 29. Oktober 2008

Vom Boom betroffen

Es klingt paradox,aber für Vermieter sind Zyklen der wirtschaftlichen Überhitzung nicht gut. Vermieten ist ein gutes Geschäft,wenn Mieter zumindest ein paar Jahre bleiben, und das tun sie nur, wenn sich ihre Lebensumstände nicht zu sehr ändern. Wenn Firmen an diversen Standorten Ausftiegschancen bieten und hohe Flexibilität und Mobilität verlangen, ist das nicht gut für ein normales Bewohnen. Vier Wochen Abwesenheit ist schlecht für alle sanitären Einrichtungen, und je wichtiger andere Orte werden, desto mehr verwahllost das eigene Heim.

Ist dann erst mal der nächste Gehaltschritt da, kommt der Wunsch nach einer besseren Bleibe, der Mieter wird erst ungeduldig, weil er nicht mehr zufrieden ist, weil die Wohnung nicht mehr seinen Ansprüchen gereicht, und dann geht er. Meist recht schnell und überlässt dem Vermieter das Problem, zu ungünstiger Zeit einen neuen Mieter zu suchen. Nur, wenn in der Zeit die Mietpreise angezogen haben, kann man die durch Auszug, Renovierung und Neuvermietung entstehenden Verluste kompensieren. Die Folge: Vermieter rechnen die Geschichte durch, kalkulieren das Risiko häufiger Mieterwechsel mit ein und setzen bei allen, egal ob bleibend oder auf dem Sprung, die Miete hoch. Mobilität ist daher asozial.

Wenn dagegen die wirtschaftliche Entwicklung massvoll voranschreitet oder gar ein wenig schrumpft, wird der Umzug schnell unattraktiv. Schliesslich kostet der Umzug Geld, man weiss nie, wie neue Vermieter sind, das Risiko wandert in solchen Märkten eher zum Mieter, und es entsteht nicht diese grosskotzige Mentalität des "ich leiste mir das einfach", die globale Spieler so angenehm und freundlich erscheinen lässt, dass sie ein advanced Behaviour Coaching benötigen. Für Vermieter sind das goldene Zeiten: Verlässliche Geschäfte ohne grossen Aufwand. So gesehen sollte es gerade in der anstehenden mittelschweren Rezession eine angenehme Sache werden.

Wären da nicht ein Automobilhersteller und ein Rüstungsproduzent in der Stadt. Letzterer hat Verträge bis zum Tag des jüngsten Atomschlags, und ersterer baut nicht die Autos, die man braucht, sondern die Autos, die man will, wenn man zu der weit verbreiteten Klientel gehört, die mit der "Meine Firma leistet sich einfach einen besseren Dienstwagen"-Attitüde durchs Leben geht. Mit dem Ergebnis, dass die Kreditkrise in dieser Stadt der Vollbeschäftigung nichtexistent ist. Marken wie GM, Ford, Chrysler, BMW, Volvo, Renault und Citroen taumeln zwischen Pleite und Vollbermsung, hier braucht man dringend noch ein paar Hallen, und zwar am besten schon vorgestern. Andernorts streicht man Stellen, hier gründet man Entwicklerteams in Firmen aus, für die vor Ort schlichtweg kein Platz mehr ist. Und schickt die Leute Knall auf Fall nach Norden. Umzugswagen, die Mieten bis zum Ende der Kündigungsfrist, Sonderzahlung, alles kein Problem.



Nun habe ich noch Glück, dass mir die fragliche, betroffene Mitarbeiterin nicht mit einer Kündigung das Frühstück vergällt, sondern angesichts der Wohnungsnot in der Stadt sofort eine Freundin weiss, die hier einziehen möchte. Bei der letzten Wohnung gab es 20 Bewerber. Es ist immer noch angenehm, und besser, viel besser, als wenn man in einer entvölkerten Stadt des Ostens vermieten müsste. Es ist besser als Rüsselsheim, Köln oder Stuttgart. Es ist kein Vergleich zu dem, was ich aus dem Journalismus nebenbei höre, auch wenn ich selbst davon nicht betroffen bin.

Trotzdem fände ich eine gesamtgesellschaftliche Debatte wichtig, in der die negativen Effekte von Mobilität und Flexibilität aufgezeigt werden. Ohne dann Sesshaftigkeit und Vorstadttum ein Ideal ist, wäre zu überlegen, ob man statt Ansiedlungs- und Austauschspolitik nicht eher eine Bleibepolitik machen sollte , die ein kontinuierliches Wachstum fördert. Als Negativbeispiel fälllt mir gerade MTV ein, die erst alles nach München zogen, dann über den Gang nach Berlin die Mitarbeiter austauschten, in Kökn bei Viva rumholzten, jetzt in Berlin erneut auf die Kostenbremse treten und vermutlich längst auf der Suche nach einem neuen politschen Arschauswischer sind, der ihnen andernorts Millionenförderungen zuschiebt. MTV, die als cool gelten und ähnlich asozial wie jeder Hedgefond aus Dublin sind. Leerverkäufe mit Mitarbeitern, Leveraging mit staatlichen Mitteln.

Es wird auch ohne diese Verwerfungen noch genug Mobilität geben. Alte Zentren der überflüssigen Dienstleistungen wie Hamburg, Berlin und Frankfurt werden vergehen, industrielle Kernzonen bleiben bestehen, und die Provinz, das Kleinräumige steht vor einer grossen Wiederentdeckung. Kein Umzugunternehmer wird pleite gehen. Es geht nicht um die Wiedereinführung der Leibeigenschaft und der Dorfgestapo, sondern um die Frage, ob der deregulierte Umsiedlungsverkehr der Menschen für Sozialsysteme und Integration nicht ähnliche Probleme nach sich zieht, wie die unregulierte Zirkulation von Geld, Schulden und Derivaten.

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Dienstag, 21. Oktober 2008

La Cage au Kärnten

1998 war ich mit einem Freund beruflich im Münchner Nachtcafe und führte ein nichtssagendes Interview mit Guido Westerwelle. Mein Bekannter, Mitarbeiter einer schwulen Radiosendung hatte einerseits dieses untrügliche Gefühl, das Schwule zu besitzen glauben, und war andererseits höchst unerfreut, ausgerechnet den da zu erkennen. Mit dem untergründigen und verruchten Sonderstatus der Homosexualität ist es vorbei, wenn so jemand auch dabei sei, sagte er später, als wir im Morizz sassen, weil es für unsere nicht gleichlaufenden Interessen ein vernünftiger Kompromiss zu sein schien. Und er malte sich aus, wenn tatsächlich auch noch andere, von denen es nur Gerüchte gab, auch helfen würden, den Ruf der Homosexualität als irgendwie bessere, coolere und mit angenehmeren Leuten gefüllte Szene zu ruinieren.

Ein paar Wochen später wurde er dann trotz seines Erfolges aus seiner Sendung geputscht, und 10 Jahre später wird bekannt, dass Jörg Haider nicht nur mit mehr als 180 Sachen und 1,8 Promille sein verantwortungsloses Leben mit einem verantwortungslosen Tod beendet hat, sondern auch noch kurz davor ziemlich viel Wodka getrunken hat. Zusammen mit einem jungen Mann. In einer Schwulenbar. Was nichts heissen muss. Trotzdem kotzte mein Bekannter heute Abend ab, als ich ihm diesen Link schickte.

In Österreich werden gerade zwei Dinge dröhnend beschwiegen. Die Schnelligkeit, mit der die 5 grossen Banken das Rettungspaket der Regierung schluckten, ohne genauer auszuführen, wo sie eigentlich ihre Verluste gemacht haben, wenn die nicht in Subprimes spekuliert hatten - die Antwort wäre Osteuropa, die Subprimeregion Balkan. Und was nun eigentlich der "Feschicmus" war, die Männerclique rund um Haider, deren letzte Ausformung in Gestalt seines Generalsekretärs Petzner ziemlich ungeschickt reagiert hat. Man könnte jetzt sehr viele Fragen stellen, über führendes Personal von FPÖ und BZÖ, jenseits der komischen Geschäfte des Landes Kärnten in den letzten Jahren. Und wie der Spagat zwischen Altnazis, christlichen Extremisten, reaktionären Kleinbürgern, bigotten Bankerlrutschern und der Wodkaflasche in der Schwulenbar sowie dem, was da noch an Veröffentlichungen kommen dürfte, zu machen ist.

Vermutlich gar nicht, mit üblen Folgen für Österreichs Rechts- und Rechtsrektalextreme. Und das ist auch gut so.

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Mittwoch, 15. Oktober 2008

Fahren und Frühstücken in Zeiten der äh

wie heisst das Ding da nochmal? Das die strukturellen Analphabeten gerade an den Börsen gerade buchstabieren lernen... Rezession. Ach so. Die gibt es ja auch noch. Wobei man daran nicht glauben will, wenn man auf den Ahornboden fährt, oder andernorts im Voralpenland herumkurvt.



Am Ahornboden, einem Naturdenkmal in Tirol nordöstlich von Innsbruck, gibt es um die 2000 Parkplätze. Ich war an am Montag dort. Und alle Parkplätze waren dicht. Dort oben sind einige nicht billige Gasthöfe. Wir haben eine Stunde auf den Kuchen gewartet. Das meiste hatten uns die Rentner schon weggefressen, an einem Montag, Arbeitstag, wohlgemerkt. Rentner sind die postrezessionären Heuschrecken, die grosse Plage der Umverteilung nach den Hedge Fonds, sagte Susi, deren gut alimentierter Job ohne Verantwortung weniger bringt, als die Rente ihrer Eltern.

Man müsste die Krise irgendwo fühlen, aber tatsächlich ist meine einzige Verbindung bislang das Internet. Ich weiss, dass andernorts kurz gearbeitet wird und die Hauspreise fallen, es sieht wirklich schlimm aus, nur nicht dort, wo ich bin. Es gibt keine Krise.



Es wird alle anderen Zentren treffen, Rüsselsheim, Köln, München und Stuttgart, aber nicht das Kaff an der Donau. BMW ist zu proll, Mercedes zu Opa, Opel zu poplig, Ford zu billig, VW zu normal, und Porsche, ach so, Porsche, kennen Sie schon den neuen R8?

schrieb ich hier, als ich Ratschläge gab, wo man sich einkaufen soll angesichts der kommenden Krise. Nun, heute sind die neuen Absatzzahlen für PKW in Westeuropa da, und sie sind schrecklich. Opel minus 19%, BMW minus 15%, Ford minus 11%, Toyota minus 7%, Mercedes minus 6%, und auch sonst schaut es übel aus. Ausser Audi, von da, wo ich herkomme. Die gewinnen im zweistelligen Bereich und bauen die nächste Auslieferungszone. Keine Krise, nirgends.



Oh, bitte. Ich weiss natürlich, dass es ernst ist. Selbst die sichersten Anlagen bleiben nicht verschont. SAP macht über Weihnachten zwangsdicht. Iris hat tatsächlich einen Onkel, der nach 40 Jahren Zockertum geschworen hat, nie wieder Aktien zu kaufen. Aber um es zu wissen, muss ich das alles hier ausblenden. Denn hier dauert es lange, bis sich die Krise durchsozialisiert hat. Deutschland ist ohnehin kein Land der Aktionäre.

Andere sind natürlich weitaus früher dran. Aber ganz offen: Wenn sich die Wähler in diesem Debakel ausgerechnet der CDU zuwenden und die Linke fürchten, dann haben sie es auch nicht anders verdient. Wenn sie schon zu dumm und zu faul sind, um gegen ihre staatlich verordnete Beraubung zu demonstrieren, sollten sie wenigstens diejenigen in Umfragen unterstützen, die den Krimenellen Angst machen. Wer um die Brosamen des Kapitals bettelt, das ihm das Fressen klaut, muss sich nicht wundern, wenn er demnächst als Schlachtvieh auf dem nächsten Nothilfe-Festbankett der Banken landet. Ich bin dafür, dass man den Wählern von CDU, CSU und FDP eine knallherte, am Rande der Enteignung liegende Idiotensteuer aufbürdet, um den Schaden aufzuräumen.

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Samstag, 11. Oktober 2008

Unheil Haider

In Klagenfurt haben sie mit dem Aufstellen von Betonpfeilern eine ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht.

(Über Tote nichts Schlechtes in der Light-Version)

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Mittwoch, 1. Oktober 2008

Ausgerechnet Gerolfing

Wer jetzt nicht zu Seehofer überläuft, geht mit Beckstein unter.

Ich fahre jetzt nach München, aber wie man so hört, orientiert sich die Staatspartei a.D. an meinen Vorhersagen, und es haben schon jetzt nur sehr wenige Lust gehabt, mit Beckstein unterzugehen. Meine Heimatstadt wird sich demnächst im Glanze des Ministerpräsidenten Seehofers sonnen. (Bis so ein paar Gschichten mit einem Vertrieb eines gewissen Skandalunternehmers die Runde machen, aber das ist wann anders zu erzählen)

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Dienstag, 30. September 2008

Meuterei auf der CSUnty

Siegfried Schneider ging ungefähr 50 Meter von meinem Stadtpalast in die humanistische Schule (Humanismus, der Gegenteil von human, sagte man bei uns). Er wohnt allerdings nicht bei uns in der Provinzstadt, sondern in der Region des tiefschwarzen Nachbarkaffs Eichstätt. Von Eichstätt ging die Sage, dass die CSU dort auch einen Besenstiel nominieren könnte, und er würde zum Bürgermeister gewählt. Als ich im Gymnasium war, versuchten sie es dagegen mit meinem Wirtschaftslehrer, und der verlor dann doch gegen einen Sozialdemokraten. Alles andere hätte meines Erachtens ein sofortiges Strafgericht des Himmels nach sich ziehen müssen. Trotzdem ist Eichstätt so zurückgeblieben wie die Oberpfalz, so kleingeistig wie Schwaben, so beschränkt wie Mittelfranken und wäre heute noch von Schweine- und Schafzucht abhängig, gäbe es nicht nebenan die segensbringende Provinzstadt, die dem dortigen Weltkonzern die Ingenieure stellt, die dann über hirntote Eichstätter befehlen, deren einzige Hobby das sich selbst totrasen auf schlecht frisierten Automobilen und Motorrädern auf der B13 ist, gern mit einer Menge Alkohol intus - denn so ein gestandener Bayer verträgt nach den Worten unseres aktuellen Ministerpräsidenten schon einiges.

Nichts würde man aus Eichstätt weniger erwarten als einen Kultusminister, aber in Bayern war noch nie etwas normal, hier reagiert Regionalproporz und Studentenverbindungsbewusstsein schadet auch nicht, und wer aus Eichstätt kommt, in der Provinz Latein gelernt und dann wieder in Eichstätt an einer katholischen Universität war - der schafft es in der CSU auch in das Jugendnetzwerk von Edmund Stoiber, die sogenannte 94er-Gruppe. Unser Schneider aus Eichstätt (genauer aus Wettstetten hinter Etting bei Echenzell nahe Böhmfeld jenseits des Jura bei Pfünz vor Pietenfeld an der Leithen nahe Eichstätt) machte im Rahmen der 94er unter Stoiber Karriere, erst in seiner Heimatregion und dann auch im fernen München. Dort folgte er der wegen der Münchner CSU-Affäre geschassten Monika Hohlmeier als Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus nach. Die Sorte getreuer Gefolgsmann, auf die sich die Regierung Stoiber stützte und der man auch den Söder, den beckstein und den Huber verdankt.

Der talentierte Herr Schneider aus Wettstetten hinter Etting bei Echenzell nahe Böhmfeld jenseits des Jura bei Pfünz vor Pietenfeld an der Leithen nahe Eichstätt nun ist verantwortlich für das Unterrichtswesen und damit für den wahren Hauptgrund der CSU-Niederlage vom Sonntag: Der verfehlten Schulpolitik des achtstufigen Gymnasiums, das sogar die Tochter der gut situierte Nachbarn meiner Eltern an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit bringt. Bayerische Schulen waren schon immer hart, und deren Verdichtung zur Schaffung von Kanonenfutter für bayerische Allmachtsinteressen in der Globalisierung haben viele der Partei nicht verziehen. Das G8macht aus Müttern Nachhilfelehrerinnen, aus Lehrern Paukern, aus kulturellem Engagement absurde Pflichten, es macht Paukstudios reich und entlastet den Staat zum Schaden der Allgemeinbildung. Schneiders Name ist mit dem G8 zusammengeschweisst, mit dem Protest der Lehrer und der Wut gegen die da oben, die sich einen Dreck um die da unten kümmern.

Schneider war, als es letztes Jahr um den CSU-Vorsitz ging, auch weiterhin Minister unter Beckstein und obendrein Chef des CSU-Bezirks Oberbayern. Als solcher half er in der oberbayerischen Region, die eigentlich die Heimat und Erbhof des Gerolfingers Horst Seehofer ist, den Niederbayern Erwin Huber zum Parteichef wählen zu lassen. Man ahnt es, die geographische Nähe von Gerolfing, das nur ein paar Rinnsale, Felder, Kapellen und Sautröge von Wettstetten entfernt liegt, mochte nicht die Distanz überbrücken, die nun mal entsteht, wenn einer einen wohlfeilen moralischen Grund wie ein gschlampertes Berliner Verhältnis hat, um sich auf die Seite der vermeintlichen Sieger zu schlagen.


Aufschlitzen und Stechen in Weissblau

Nun ist die CSU politisch aber nicht mehr am Drücker, und neben dem schon zurückgetreten Huber und der geborenen Breissin Haderthauer und dem wackelnden Beckstein wäre Schneider als weiterer Hauptverantwortlicher des Debakels auszumachen. Machtposition hin oder her: Als Huberhelfer und G8-Schuldiger ist er eigentlich zu sehr Teil des gescheiterten Systems, als dass er beim grossen Messerstechen nicht auch dem ein oder anderen Machthungrigen ins Feitl laufen sollte - oder in den Hirschfänger oder Opas Schmeisser aus der Zeit bei der Waffen-SS oder was man sonst in der CSU gerade für die adäquaten Mittel auf der Suche nach einem Neuanfang hält.

Und nun passiert das, was typisch ist für die CSU und ihr Personal: Plötzlich spricht sich Schneider wieder vernehmlich für Seehofer aus. Und will auf seinen alten Dienstherren Stoiber, der auch wieder mitmischen will, nichts kommen lassen. Soweit ich gesehen habe, war Schneider einer der ersten, die den Kurswechsel vollzogen. Angesichts seiner Karriere sehr, sehr schnell. Vermutlich denkt sich in der CSU gerade jeder: Rette sich wer kann. Wer jetzt nicht zu Seehofer überläuft, geht mit Beckstein unter. Und das mediokre Personal der CSU, ihre auf Eigennutz und selbstbereicherung und Machterhalt ausgerichteten Machtstrukturen, lassen in dieser Situation gar nichts anderes zu. Man wird dem Huber und dem beckstein ganz schnell ein Austraghäusl hinstellen, in Berlin oder Brüssel oder Landshut, von dem sie hoffentlich nie wieder kommen und alle daran erinnern, dass sie auch dabei waren, erst unter dem Stoiber und dann unter dem Beckstein. Dann werden sie sich neu erfinden und hoffen, dass der Bayer immer noch so brunzdumm ist wie früher, und ihnen das nächste Mal nicht wieder tretenderweise das blede Gschau ins Hiarn betoniat.

Wenn sie sich da mal nicht täuschen. Im Wähler und im Wissen des Seehofers, dass er keinen von denen wird überleben lassen dürfen, um sich zu halten, wenn er der Ministerpräsident ist.

Disclosure: Der Autor hat nichts gegen Eichstätter, Neuburger, Pfaffenhofener oder gar Niederbayern und erkennt an, dass sie nichts dafür können und auch dort Leute leben müssen, wie Blogvermarkter in Berlin und der Papst in Rom.

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