Wo man bleiben kann - Platz 6: Ingolstadt

Ich bin heute von Au in der Holledau über die Autobahn nach Ingolstadt gefahren, konstant 120 und habe auf den Verkehr geachtet. Auf den 35 Kilometern habe ich exakt einen anderen Wagen überholt; einen altersschwachen VW Bulli. Auf einem Kilometer haben mich zwischen 15 und 25 Fahrzeuge überholt. Bei einem Benzinpreis von 1,40 Euro, und in aller Regel weit über 130 schnell. Unabhängig von Geschlecht, Alter und Herkunft. Das ist das eine, und es ist für mich unbegreiflich.

Im Internet stösst man immer wieder auf diese betrügerischen "Sie sind der 1 Millionste Besucher und gewählter Gewinner"-Anzeigen, denen es nur um das Abzocken geht. Gelockt wird mit Traumgegenständen wie iPods, Weltreisen und Autos. Namentlich Audi TT, was ich so lala verstehe, und der langweiligsten Gurke der Welt, dem A3. Was ich absolut nicht verstehe. Weil ich von da komme, wo man die Dinger baut. Letztes Jahr war ich beim Kauf so eines Wagens dabei - es war schwer, einen zu kriegen, weil sie so begehrt sind. Deutschland ist, was Autos angeht, vollkommen verrückt.

Aber gut. Hier geht es nicht um Autos, sondern um die Frage, wo man mit 120-180.000 Euro ein nettes Plätzchen kaufen kann, um die kommende Krise zu überstehen. Wenn wir nur mal die Rohdaten aller grossen Städte dieses Landes nehmen und mit der Dummheit der Menschen kombinieren, gibt es nur einen Ort, der meilenweit vor allen anderen für das Überdauern der Krise in Frage kommt: Ingolstadt.

Es gibt hier Übervollbeschäftigung, ein paar Weltmarktführer, unabdingbare Rüstungsindustrie, einen noch nicht ganz obszönen Reichtum und sozialen Wohnungsbau, der andernorts als gehobene Wohnlage durchgehen würde. Man kann hier schlecht arbeitslos sein, und das, obwohl die Altstadt durchaus zum müssigen Treiben einladen würde. Die Dynamik hier ist so stark, dass es die Russlanddeutschen in Jobs durchgesaugt hat, und mein Schraubergott seine Firma zugemacht hat, weil er in der grossen Firma im Vertrieb mehr verdient. Die einzige Zukunftsangst, die man hier kennt, ist der Fachkräftemangel, und die einzige Pleite, die der Autohersteller verzeichnen musste, war der spritsparende Stadtflitzer, während die Scheichs schon drängeln, wann sie endlich ihren 560 PS starken Kombi bekommen. Es ist vollkommen verrückt, aber es funktioniert.

Und weil der letzte Wagen erst stehen bleiben wird, wenn der letzte Tropfen Benzin verbrannt ist, wird es weitergehen. Und länger. Denn während General Motors und Ford und andere Firmen in anderen Entwicklungsländern krepieren werden, haben die hier längst einen Plan, wie es ohne Benzin weitergeht. Es gibt hier ein Gymnasium, da werden solche Ingenieure bald in vierter Generation gezüchtet, sie mögen akulturell sein und des norddeutschen Dialekts nicht mächtig, aber sie können Autos bauen. Es wird alle anderen Zentren treffen, Rüsselsheim, Köln, München und Stuttgart, aber nicht das Kaff an der Donau. BMW ist zu proll, Mercedes zu Opa, Opel zu poplig, Ford zu billig, VW zu normal, und Porsche, ach so, Porsche, kennen Sie schon den neuen R8?

Bliebe noch die Frage, ob hier nicht irgendwann eine Nokia-Situation kommt. Nein. Autobau ist nicht eine Sache der rasend schnellen Kapitalmarktstrategen, sondern der Ingenieure und Facharbeiter. Zwei Gattungen, die sich hier enorm schnell einfinden, einrichten und bleiben. Und die grenztotalitär von dem überzeugt sind, was sie tun. leute, die nicht wissen, was das sein soll, Krise. Es gibt hier keine Krise. Krise ist Nürnberg, Berlin, New York und Karatchi. Hier ist Orgelmatinee am Sonntag, Jazzfest, Klassik zwischen Altmühl und Donau, und was es nicht gibt, findet man 23 Minuten südlich in München. 23 Minuten braucht man im R8 oder RS6 bis München Nord, sagt ein Nachbar, der es weiss.

Natürlich sind die Eingeborenen nicht so ganz leicht zu nehmen. Für mich ist das anders, ich komme von hier und bin einer von denen mit der richtigen Familie. Es ist aber nicht unmöglich. Man kaufe eine alte Wohnung in der Altstadt, oder in einem der Viertel aus der Jahrhundertwende, und repariere das. Man gilt dann zwar erst mal als Depp, aber dann wollen sie doch reinschauen, und später behaupten sie, dass es ihre Stadt war, die einen dazu bringt, an ihrer Verschönerung mitzuwirken. Spätestens, wenn sie Bekannte auf dem Wochenmarkrt ausfatscheln, wo man gerade im Urlaub ist, und mit wem, hat man es geschafft, man darf in den Konzertverein und sich vielleicht sogar in den zweiten Heiratsmarkt eingliedern.

Billig ist es nicht. Wenn man sowieso hier lebt, bekommt man das kaum mit, aber die Preise sind inzwischen wirklich hart. Selbst in schlechten Lagen, wo man den Preussen das Primatenfell über die Ohren zieht, geht hier in Neubauten unter 2000 Euro/m² so gut wie nichts. Sehr gute Lagen wären noch erheblich teurer, wenn sie zu verkaufen wären. Die ungetrübte Zukunft und die Sicherheit sind hier eingepreist, aber mit ein wenig Suche und Hilfe durch einen Eingeborenen sollte man schon was finden, und dann selbst Hand anlegen. Billiger wird es eher nicht, schon gar nicht in den zentralen Lagen. Aussenrum ist enorm viel Natur, Gaststätten, Kultur, und wenn es noch immer nicht reicht, geht man halt nach Italien. Ist hier näher als Berlin.

Man kann es also jedem nur empfehlen. Ausser, man kommt von hier. Dann kennt man es eh nicht anders, dafür weiss man um die Schrecken der Provonz, und will weg. Aber da sind ja noch 5 weitere Plätze.

Montag, 18. Februar 2008, 00:15, von donalphons | |comment

 
[Er hat das Piusviertel mal wieder dezent ausgeklammert.]

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[Da geht man auch nicht hin. Obwohl man da auch schon mehr als 1.000 Euro für den meter bezahlt]

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Hallo Don

ich freue mich schon auf das kommende Tempolimit, da ich dann ungestörter langsam fahren kann.

Kennst Du schon den 'LOREMO'? Ich warte schon länger drauf, dass dieser hoffnungsvolle Newcomer endlich in die Hufe kommt.

Hab' mal in meinem Blog etwas darüber geschrieben:

http://www.tube-amp.de/notizen/notizen13.htm#loremo

(ich hoffe, solche Links sind hier nicht verpönt)

Grüße, Jo

(bin froh, dass ich meinen Audi-TT noch gut verkaufen konnte)

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Nein, das passt schon.

Speed ist die Modedroge des 20. jahrhunderts, und die einzige, die immer cool war und blieb. Vielleicht, weil sie die realen Grenzen des Menschen real durchbricht, und nicht wie andere Drogen virtuell. Das wird sich so schnell nicht ändern, denn alle sind süchtig.

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Was soll am A3 langweilig sein, wenn man die Mitbewerber in seiner Klasse - Golf, Astra, Focus, Mégane, Stilo - danebenhält?

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Zu perfekt. Es passt - mit Ausnahme der Fensterheber - fast alles. das Auto beansprucht einen nicht. Und deshalb entwickelt man dafür kein Gefühl.

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Das aktuelle A3-Modell
finde ich eigentlich ganz gelungen, vor allem die Sportback-Variante ist ein interessantes Format. Als ich vor acht Jahren das Angebot an kompakten Fahrzeugen sondierte, hatte ich natürlich auch den damaligen A 3 auf dem Schirm, denn auf Golf, Astra, Focus & Co. hatte ich erst recht keine Lust. Aber der A 3 brachte - auch wenn man ihm sonst eigentlich nichts vorwerfen konnte außer dem hohen Kaufpreis - irgendwie weder beim Fahren noch beim Angucken einen spürbaren Lustgewinn. Der kompakte 3er BMW, den ich dann stattdessen kaufte, mag vielleicht nicht ganz so perfekt sein und von Typen à la Erkan und Stefan als "Tussendreier" gedisst werden - aber die Freude am Fahren hält nach wie vor an.

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Also die Sportback-Version habe ich gerne gefahren - wobei es dem Puristen allerdings sicher seltsam anmutet, wenn da qua Einstellung der Federung in einem Fahrzeug, das Eigenschaften eines Kombis besitzt, ein virtuelles Sportwagen-Sitzgefühl erzeugt werden soll.

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" haben die hier längst einen Plan, wie es ohne Benzin weitergeht"

Hey, immer her mit solchen Infos :)

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Man munkelt, dass die diesen Sommer mit grossen neuigkeiten aufwarten werden. 2 Liter sind fürs erste machbar.

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2 Liter
wer macht das?
Wird Zeit!

Alles andere kommt dann in die Automobile-Nostalgie-Abteilung:
http://www.lebong.de/fulvia/index.htm

Grüße, Jo

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*SABBER*

Das sind so die Gründe, warum 2 Liter lange, lange brauchen wird.

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Heimatliebe halte ich - in Maßen - für etwas Gutes. Dass sie bei Don so groß ist, dass er Ingolstadt in die vorderen Ränge wählt (Konkurrenz: die übrige Welt), das verblüfft mich bei seiner Kraft zur Skepsis dann doch. Aber es enthält ein gutes Stück Wahrheit: Viele Orte auf der Welt taugen für die Hitparade der lebenswertesten Orte, sofern man es sich dort vernünftig einrichtet, mit Freunden und Familie, und das Glück hat, weitgehend ohne größere Sorgen angenehm leben zu können. Ich persönlich plädiere für La Brique.

Billig, gut und zauberhaft.

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Bei nüchterner betrachtung ist die Provinz ganz, ganz vorne; man kann sich das nicht vorstellen, wenn man hier nicht wohnt. Unglaublich reich. Sehr dumm. Ziemlich angenehm.

Und extrem sicher, was Anlagen angeht.

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ach don,
mach doch mal die augen auf! gerade im outback geht meist mehr ab, als dem kleinbürgertum lieb ist. beste grüße aus der schanz! m.

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