Samstag, 26. August 2006
PR-Frage
Hier lesen und kommentieren ja recht viele Leute, die ihre Brötchen mit PR und Öffentlichkeitsarbeit verdienen. Berufe, die ich gerne als Berufsprostitution, gewerbsmässige Verarscher, Anja-Tanja und Rattenfänger bezeichne, um nur mal die freundlicheren Begriffe vorzustellen. Wie sich dann zeigt, lesen hier eben doch die Vertreter der Zunft, die noch was anderes kennen als Praktificken, Koks und die Namen des käuflichen Medienabschaums. Was sich bei Dotcomtod ja auch schon gezeigt hat.
Warum gibt es eigentlich solche kritischen, intelligenten Leute mit Verständnis für die Lage zwischen Medien, PR, ihrem in die Krise gekommenen Vetrag und den neuen Zeiten, nicht in einem einzigen buchbaren Laden/Netzwerk/Agentur, die sich genau damit konsequent und exklusiv positioniert? So eine Art benediktinische Reformagentur, die wieder Werte und Informationen vermittelt und keine Verarsche und Scharlatanerie? Die in Blogs was anderes als die next big cheap bitch sieht, billiger als freie Mitarbeiter noch? Wäre das Rebellentum ohne Markt, sitzen bei den Unternehmen wirklich nur dumme Arschkrampen, die nicht begreifen, dass die guten alten Zeiten vorbei sind?
Kam mir nur gerade so beim Küchenstreichen und Musik von der CD Buenos Aires Madrigal.
Warum gibt es eigentlich solche kritischen, intelligenten Leute mit Verständnis für die Lage zwischen Medien, PR, ihrem in die Krise gekommenen Vetrag und den neuen Zeiten, nicht in einem einzigen buchbaren Laden/Netzwerk/Agentur, die sich genau damit konsequent und exklusiv positioniert? So eine Art benediktinische Reformagentur, die wieder Werte und Informationen vermittelt und keine Verarsche und Scharlatanerie? Die in Blogs was anderes als die next big cheap bitch sieht, billiger als freie Mitarbeiter noch? Wäre das Rebellentum ohne Markt, sitzen bei den Unternehmen wirklich nur dumme Arschkrampen, die nicht begreifen, dass die guten alten Zeiten vorbei sind?
Kam mir nur gerade so beim Küchenstreichen und Musik von der CD Buenos Aires Madrigal.
donalphons, 18:34h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 21. August 2006
Studenten aus arabischen Ländern
Nun wollen rechte Kreise also die Unis schärfer angehen und die ausländischen, besonders muslimischen Studenten "besser" kontrolieren oder gleich begrenzen. Nehmen wir mal an, der zweite Zugattentäter vom 7. Juli war Pizzabäcker und hat die Gasflaschen besorgt - muss man in Zukunft auch den Zugang muslimischer Köche zu Gasflaschen genau kontrollieren?
Die Debatte ist ebenso verhängnisvoll wie dumm. Denn Studenten aus islamischen Ländern kommen nach Deutschland, weil sie eine gute Ausbildung wollen. Terror könnten sie auch in Afghanistan lernen. Wir dürfen ihnen, egal was später daraus wird, erst mal eine gewisse Bereitschaft unterstellen, sich auf dieses Land, seine Menschen und seine deutlich andere Kultur einzulassen. Sie kommen in ein deutsches Umfeld, das so aufgeschlossen, gebildet und offen ist wie kein Zweites - die Studenten. Wenn ein Ausländer irgendwie die Chance haben kann zu begreifen, was die Vorzüge unserer Freiheit und Offenheit ist, dann als junger Mensch an der Uni.
Wer mit ausländischen Studenten zu tun hat - eines meiner Nebenfächer etwa bildete in Deutschland über Jahrzehnte grosse Teile der Forschungselite der arabischen Welt aus - weiss: Genau das hat funktioniert, zum Vorteil beider Seiten, egal ob menschlich, kulturell oder wirtschaftlich. Diese Studenten bilden in aller Regel intellektuelle Brückenköpfe im arabischen Raum. Wenn es Helfer für unsere Anliegen der Freiheit, Säkularismus und Demokratie in der muslimischen Welt gibt, dann sind es diese Studenten, die die Vorzüge erleben und nutzen können. Vielleicht sind nicht alle prima, manche werden vielleicht korrupte Beamte und wieder andere bauen Bomben, aber das sind Erscheinungen, die man nur an der Wurzel bekämpfen kann und nur mit Leuten, die vor Ort sind und aus ihren guten Erfahrungen mit unserem System unsere Sache vertreten.
Stammtischparolen für die tumben Deppen, die immer nur die Kosten sehen und nie die langfristigen Chancen, die sich daraus ergeben, helfen nicht weiter. Wer in der Welt etwas verändern will, kann sich nicht einfach abschotten, sondern muss Freunde suchen. Mit gegenteiligen Vorschlägen verraten diese Leute den Geist der Universitäten, die selbst in den Zeiten des schlimmsten Religionshasses und Kriege in Europa immer noch in der Lage waren, Verbindendes zu gestalten. Antiwestlicher geht es eigentlich nicht.
Die Debatte ist ebenso verhängnisvoll wie dumm. Denn Studenten aus islamischen Ländern kommen nach Deutschland, weil sie eine gute Ausbildung wollen. Terror könnten sie auch in Afghanistan lernen. Wir dürfen ihnen, egal was später daraus wird, erst mal eine gewisse Bereitschaft unterstellen, sich auf dieses Land, seine Menschen und seine deutlich andere Kultur einzulassen. Sie kommen in ein deutsches Umfeld, das so aufgeschlossen, gebildet und offen ist wie kein Zweites - die Studenten. Wenn ein Ausländer irgendwie die Chance haben kann zu begreifen, was die Vorzüge unserer Freiheit und Offenheit ist, dann als junger Mensch an der Uni.
Wer mit ausländischen Studenten zu tun hat - eines meiner Nebenfächer etwa bildete in Deutschland über Jahrzehnte grosse Teile der Forschungselite der arabischen Welt aus - weiss: Genau das hat funktioniert, zum Vorteil beider Seiten, egal ob menschlich, kulturell oder wirtschaftlich. Diese Studenten bilden in aller Regel intellektuelle Brückenköpfe im arabischen Raum. Wenn es Helfer für unsere Anliegen der Freiheit, Säkularismus und Demokratie in der muslimischen Welt gibt, dann sind es diese Studenten, die die Vorzüge erleben und nutzen können. Vielleicht sind nicht alle prima, manche werden vielleicht korrupte Beamte und wieder andere bauen Bomben, aber das sind Erscheinungen, die man nur an der Wurzel bekämpfen kann und nur mit Leuten, die vor Ort sind und aus ihren guten Erfahrungen mit unserem System unsere Sache vertreten.
Stammtischparolen für die tumben Deppen, die immer nur die Kosten sehen und nie die langfristigen Chancen, die sich daraus ergeben, helfen nicht weiter. Wer in der Welt etwas verändern will, kann sich nicht einfach abschotten, sondern muss Freunde suchen. Mit gegenteiligen Vorschlägen verraten diese Leute den Geist der Universitäten, die selbst in den Zeiten des schlimmsten Religionshasses und Kriege in Europa immer noch in der Lage waren, Verbindendes zu gestalten. Antiwestlicher geht es eigentlich nicht.
donalphons, 20:59h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 13. August 2006
Nachdenkhilfe für Laberer
In meiner Schule gab es einen rabenschwarzen Geschichtslehrer, der, als es im Leistungskurs an die Behandlung von Waffen-SS und SS ging, so eine gewisse Art Oral History betrieb: Er erzählte, dass er Ende des Krieges bei der Waffen-SS war, und wir sollten nicht alles glauben, was da erzählt wurde. Keiner störte sich daran, dass dieser Herr und Geschichte vermitteln sollte, was in Bayern zu Zeiten des kalten Krieges und des nichtwarmen Bruders Strauss noch einen gewissen Indoktrinationsauftrag hatte, da wurde uns "Einsicht" vermittelt und "Verständnis" von Vorgängen, die dem Staat so passten und vielleicht weniger der Realität der jüngsten Geschichte. Dafür war dieser Herr durchaus prädestiniert, inclusive seinem Stolz, dabei gwesen zu sein.
Ehrlichkeit in Bezug auf Extremsituationen ist eher selten, das vereint Opfer und Täter, Mitläufer und Gegner. Vermutlich ist das Leben eines 16-jährigen, der sein ganzes bewusstes Leben der Indokrination der Nazis ausgesetzt war und der die Wahl hat zwischen freiwillig melden und zwangsrekrutiert werden, um sich in einem verlorenen Krieg umbringen zu lassen, so eine Extremsituation. In dieser Zeit war die Waffen-SS nicht mehr der politische Elitekader der kämpfenden Truppe, sondern ein Truppenteil, in den man ungeachtet der politischen Auffassung abgeordnet wurde. Natürlich gab es da nicht weniger Verbrechen; mit Panzern Kriegsgefangene zu überrollen, wie es die Waffen-SS-Abteilung "Hitlerjungend" 1944 bei der Invasion in der Normandie getan hat, ist ein Beispiel dafür, was frisch von der Schulbank kommende Kinder zu tun in der Lage sind.
Aber wie in jedem Fall gibt es keine Kollektivschuld, auch wenn das Wort Waffen-SS hoffentlich auf immer kollektiv Abscheu und Empörung hervorrufen wird. Sollte Günther Grass also jetzt die Wahrheit gesagt haben - in den allerletzten Kriegstagen zur sich auflösenden Waffen-SS-Abteiling Frundsberg abkommandiert und ohne Kampfhandlungen in Gefangenschaft geraten, was ich durchaus zu glauben bereit bin - bleibt allein die Frage, warum er es so spät zugegeben hat. Einerseits muss man es wohl respektieren, dass er hier offen und ehrlich ist, andererseits ist es doch recht spät und nicht wirklich sauber, angesichts dessen, was Grass über Verdrängung und Vergessen gesagt hat. Mir erscheint es weniger als moralisches Dilemma denn als Nullsummenspiel eines Autors, der bereits so über den Niederungen des Gekeifes seiner rechten Feinde steht, dass er sich und allen diese Wahrheit nicht mehr ersparen braucht.
Und sollte doch einer die Stimme erheben wollen aus dem braunschwarzen Sumpf, so sei ihm geraten, sich erst mal mit denen auseinanderzusetzen, die immer noch an den Legenden einer sauberen Wehrmacht stricken.
Ehrlichkeit in Bezug auf Extremsituationen ist eher selten, das vereint Opfer und Täter, Mitläufer und Gegner. Vermutlich ist das Leben eines 16-jährigen, der sein ganzes bewusstes Leben der Indokrination der Nazis ausgesetzt war und der die Wahl hat zwischen freiwillig melden und zwangsrekrutiert werden, um sich in einem verlorenen Krieg umbringen zu lassen, so eine Extremsituation. In dieser Zeit war die Waffen-SS nicht mehr der politische Elitekader der kämpfenden Truppe, sondern ein Truppenteil, in den man ungeachtet der politischen Auffassung abgeordnet wurde. Natürlich gab es da nicht weniger Verbrechen; mit Panzern Kriegsgefangene zu überrollen, wie es die Waffen-SS-Abteilung "Hitlerjungend" 1944 bei der Invasion in der Normandie getan hat, ist ein Beispiel dafür, was frisch von der Schulbank kommende Kinder zu tun in der Lage sind.
Aber wie in jedem Fall gibt es keine Kollektivschuld, auch wenn das Wort Waffen-SS hoffentlich auf immer kollektiv Abscheu und Empörung hervorrufen wird. Sollte Günther Grass also jetzt die Wahrheit gesagt haben - in den allerletzten Kriegstagen zur sich auflösenden Waffen-SS-Abteiling Frundsberg abkommandiert und ohne Kampfhandlungen in Gefangenschaft geraten, was ich durchaus zu glauben bereit bin - bleibt allein die Frage, warum er es so spät zugegeben hat. Einerseits muss man es wohl respektieren, dass er hier offen und ehrlich ist, andererseits ist es doch recht spät und nicht wirklich sauber, angesichts dessen, was Grass über Verdrängung und Vergessen gesagt hat. Mir erscheint es weniger als moralisches Dilemma denn als Nullsummenspiel eines Autors, der bereits so über den Niederungen des Gekeifes seiner rechten Feinde steht, dass er sich und allen diese Wahrheit nicht mehr ersparen braucht.
Und sollte doch einer die Stimme erheben wollen aus dem braunschwarzen Sumpf, so sei ihm geraten, sich erst mal mit denen auseinanderzusetzen, die immer noch an den Legenden einer sauberen Wehrmacht stricken.
donalphons, 18:31h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 11. August 2006
Teil des Systems
Die Familie, so sagt man bei einer Podcastfirma, deren Vortand Schwiegersohn von Edmund Stoiber ist, habe bei der Auftragsvergabe für Filme von das Merkel keine Rolle gespielt. Wahrscheinlich auch nicht bei der immer noch staatsnahen Hypo-Vereinsbank, dem FC Bayern oder dem Verleger Hubert Burda, dem allerbeste Kontakte in die Staatsregierung nachgesagt werden.
Ich glaube denen. Ich glaube denen, dass sie das glauben und auch so empfinden. Weil sie es vermutlich nicht anders kennen, weil das System in bayern und vermutlich auch überall so funktioniert, wo geschlossene Gesellschaftsgruppen definieren, wie die Realität zu sehen ist. Das zuckergestopfte, definitiv nicht entsagende Gebäck da unten heisst bei uns "Gebetbuch", und genauso verlogen ist Bayern, und so sieht es auch aus: Aussen schwarz und innen weiss wie die Seele eines Neugeborenen.

Wer hier in diesen Kreisen zur Welt kommt, kann sich die Unschuld lange bewahren. Es gibt Viertel, in denen man wohnt, es gibt Leute, mit denen man verkehrt, es gibt gewisse Themen und andere gibt es nicht. Im Block wohnen ist kein Thema. Wer keinen Garten hat, kann kein Gartenfest machen und wird auch nicht eingeladen, und so kennt man auch keine anderen Kinder. Man erfährt nichts über den Beruf der Eltern. Ist der Vater etwas, erzählt er wenig über die wirtschaftlichen Aspekte. Kennt er einen Lokalpolitiker, ist es ein Freund der Familie und bleibt es auch, wenn er zum Minister in München oder Berlin aufsteigt. Wenn er jemanden kennen muss, um ein Geschäft zu machen, gibt es sicher einen Nachbarn, der den kennt, und sie vorstellt.
Aber darüber wird nicht geredet. Wichtiger, allein wichtig ist, dass der Nachwuchs das Abitur macht, und wenn man ihn dafür auf die lascheste Schule schicken muss, ist das zwar weniger schön, es muss halt sein. Nachdem viele direkt beruflich ihren Eltern nachfolgen, denn wohin sollten sie auch gehen, nachdem schon die Eltern an der Spitze sind, vererben sich die Netzwerke in kleinen Gruppen, sehr schön zu beobachten bei Klassentreffen, wenn sich gewisse Kreise absondern und ihr Netzwerk einrichten. Es gibt keinen Grund, das System zu hinterfragen. Es funktioniert. Es sichert die Arbeitsplätze, es hält schlechtere Gegner draussen, so hat man es schon am Baggersee beim Kampf um die wenigen Sandflecken gemacht, und so bleibt das auch.
Ich habe, zugegeben, etwas gezögert, dieses Ding zu schreiben. Da sind keine Links drin, ich musste nichts recherchieren, ich bin formal einer von denen, und es ist immer so eine Sache, über Leute zu schreiben, die nicht vom Wesen, aber qua Geburt der gleichen Gruppe angehören. Ich bin der gleichen Auffassung wie diese Leute, dass wir in einer 1/10 Gesellschaft leben, 1/10 sagt was passiert und 9/10 folgen mehr oder weniger meckernd. Denn wie die Gutsherren - oder hier besser Grossbauernmentalität - ist auch die Mentalität der Knechte und Mägde einbetoniert, das sorgt für die Existenz der grossen Parteien, deren Repräsentanten sich beim oberen Zehntel als Mitglieder bewerben, indem sie weiter Privilegien zuschanzen und, wenn sie mal dabei sind, nicht begreifen, dass es nicht ewig so weiter gehen kann. Und tatsächlich steht das Volk den Raubzügen lethargisch gegenüber. Noch. Aber es bröckelt. Das Ende der Volksparteien ist kein Ende des Volkes, sondern das Ende der Geduld des Volkes mit den Parteien und einer Schicht, auf die hinter der Parteienfassade alles wieder zusammenläuft. Der rotrotgrün bekniete Immobilieninvestor in Kreuzberg genauso wie der schwarze Internetfernsehmacher in der Munich Area.
Die Beide, nebenbei erwähnt, beim Tanz im P1 den Umstand negieren, dass es tatsächlich Leute in Deutschland gibt, die an Mangelernährung leiden, und denen sie empfehlen, dann eben nicht mehr zu rauchen.
Ich glaube denen. Ich glaube denen, dass sie das glauben und auch so empfinden. Weil sie es vermutlich nicht anders kennen, weil das System in bayern und vermutlich auch überall so funktioniert, wo geschlossene Gesellschaftsgruppen definieren, wie die Realität zu sehen ist. Das zuckergestopfte, definitiv nicht entsagende Gebäck da unten heisst bei uns "Gebetbuch", und genauso verlogen ist Bayern, und so sieht es auch aus: Aussen schwarz und innen weiss wie die Seele eines Neugeborenen.

Wer hier in diesen Kreisen zur Welt kommt, kann sich die Unschuld lange bewahren. Es gibt Viertel, in denen man wohnt, es gibt Leute, mit denen man verkehrt, es gibt gewisse Themen und andere gibt es nicht. Im Block wohnen ist kein Thema. Wer keinen Garten hat, kann kein Gartenfest machen und wird auch nicht eingeladen, und so kennt man auch keine anderen Kinder. Man erfährt nichts über den Beruf der Eltern. Ist der Vater etwas, erzählt er wenig über die wirtschaftlichen Aspekte. Kennt er einen Lokalpolitiker, ist es ein Freund der Familie und bleibt es auch, wenn er zum Minister in München oder Berlin aufsteigt. Wenn er jemanden kennen muss, um ein Geschäft zu machen, gibt es sicher einen Nachbarn, der den kennt, und sie vorstellt.
Aber darüber wird nicht geredet. Wichtiger, allein wichtig ist, dass der Nachwuchs das Abitur macht, und wenn man ihn dafür auf die lascheste Schule schicken muss, ist das zwar weniger schön, es muss halt sein. Nachdem viele direkt beruflich ihren Eltern nachfolgen, denn wohin sollten sie auch gehen, nachdem schon die Eltern an der Spitze sind, vererben sich die Netzwerke in kleinen Gruppen, sehr schön zu beobachten bei Klassentreffen, wenn sich gewisse Kreise absondern und ihr Netzwerk einrichten. Es gibt keinen Grund, das System zu hinterfragen. Es funktioniert. Es sichert die Arbeitsplätze, es hält schlechtere Gegner draussen, so hat man es schon am Baggersee beim Kampf um die wenigen Sandflecken gemacht, und so bleibt das auch.
Ich habe, zugegeben, etwas gezögert, dieses Ding zu schreiben. Da sind keine Links drin, ich musste nichts recherchieren, ich bin formal einer von denen, und es ist immer so eine Sache, über Leute zu schreiben, die nicht vom Wesen, aber qua Geburt der gleichen Gruppe angehören. Ich bin der gleichen Auffassung wie diese Leute, dass wir in einer 1/10 Gesellschaft leben, 1/10 sagt was passiert und 9/10 folgen mehr oder weniger meckernd. Denn wie die Gutsherren - oder hier besser Grossbauernmentalität - ist auch die Mentalität der Knechte und Mägde einbetoniert, das sorgt für die Existenz der grossen Parteien, deren Repräsentanten sich beim oberen Zehntel als Mitglieder bewerben, indem sie weiter Privilegien zuschanzen und, wenn sie mal dabei sind, nicht begreifen, dass es nicht ewig so weiter gehen kann. Und tatsächlich steht das Volk den Raubzügen lethargisch gegenüber. Noch. Aber es bröckelt. Das Ende der Volksparteien ist kein Ende des Volkes, sondern das Ende der Geduld des Volkes mit den Parteien und einer Schicht, auf die hinter der Parteienfassade alles wieder zusammenläuft. Der rotrotgrün bekniete Immobilieninvestor in Kreuzberg genauso wie der schwarze Internetfernsehmacher in der Munich Area.
Die Beide, nebenbei erwähnt, beim Tanz im P1 den Umstand negieren, dass es tatsächlich Leute in Deutschland gibt, die an Mangelernährung leiden, und denen sie empfehlen, dann eben nicht mehr zu rauchen.
donalphons, 13:42h
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Mittwoch, 12. Juli 2006
Anstiftung zur Todsünde
Man kennt das. Diese Neider, die es an Äusserlichkeiten festmachen. Vielleicht ist es einfach nur das Wissen, dass der andere zwischen acht und zehn tatsächlich irgendwo da oben sitzt, Tee in einer Silberkanne neben sich stehen hat, ein gutes Buch von Ricardo Piglia in der Hand, und ab und zu aufschaut, beeindruckt ist von der Schönheit, zur Kamera greift, um ein paar Bilder zu machen, das manche so verbittert sein lässt. Wäre es anders, wäre ich arm dran und hätte Probleme, wären sie vielleicht höhnisch.


Aber so sind sie verbittert. Nehme ich an. Aber eigentlich ist es mir egal, solange ich tatsächlich hier oben sitze. Und sie nicht.



Aber so sind sie verbittert. Nehme ich an. Aber eigentlich ist es mir egal, solange ich tatsächlich hier oben sitze. Und sie nicht.
donalphons, 01:15h
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Mittwoch, 5. Juli 2006
Deutsche Kickpatrioten und deutsche Kulturgüter
Ich wohne in der Provinz in einer vergleichsweise ruhigen Gegend. Wegen der Kopfsteinpflaster gibt es hier keinen Autocorso, die nächsten Kneipen und Alkoholzapfstellen sind mindestens einen Block entfernt, und Parkplätze, zu denen man kriechen könnte, um nachher seine Innereien an einem Baum zu verteilen, gibt es hier auch kaum. Trotzdem ist das Verkehrsaufkommen hier bei Grossveranstaltungen erheblich, weil die Stadtoberen partout alle Festlichkeiten in der historischen Innenstadt haben wollen.
Die Folgen sind gravierend; nachdem diese Ecke eher ruhig und schlecht beleuchtet ist, werden viele hier das ein oder andere los, was für Eigentümer unschön ist, von Müll über Körperausscheidungen aller Art bishin zum Vandalismus. Es gibt aber ein Gegenmittel: Volle Lüster-Beleuchtung in allen möglichen Zimmern, von denen ich ein paar habe, und offene Fenster bis früh am Morgen. Das vertreibt die Bande, sie suchen sich andere, für ihr Tun besser geeignete Ecken. Gestern Abend wurden sogar die Blumen verschont, dafür randalierten sie in einer Baustelle, und die Strecke entlang einem Studentenwohnheim sieht nicht so aus, als ob man da langlaufen wollte. Es sieht aus wie DOITSCHLAND.

Andere hatten weniger Glück. Dieses Portal wurde erst vor ein paar Jahren mit viel Liebe restauriert und stabilisiert. Es ist ein aussergewöhnlich gut erhaltenes Beispiel für den sogenannten Parlerstil, oder auch internationale Gotik. Es ist ein Zeignis einer hochentwickelten, verfeinerten Epoche, die zwischen der Pest und den aufbrechenden Religionskriegen mit einigem Recht als der goldene Herbst des Mittelalters bezeichnet wird. Weil es so gut erhalten ist, hat man es mit einem Gitter gesichert. Aber ein paar Leute, über deren Patriotismus man sich in der politischen Kaste freut, lassen sich von so etwas nicht abhalten und haben gestern Nacht, nach dem verlorenen Fussballspiel, eine volle Weinflasche gegen den empfindlichen, weissen Kalkstein geschleudert. Für einen Treffer im Figurenfries weiter oben reichte vielleicht die Kraft oder die Koordinationsfähigkeit nicht mehr aus.
Das Glas verletzt die Oberflächen des Steins, fast ein Wunder, dass die nur wenige Zentimer dicken Stäbe nicht gebrochen sind, der rote Wein kann ungehindert in das poröse Material eindringen. Es wird vielleicht Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis die Verfärbung wieder verschwunden ist. Der Ort ist nicht gerade menschenleer, aber soweit ich weiss, hat man die Verursacher nicht erwischt. Es ist der Umgang mit dem eigenen Land, der eigenen Umgebung, mit dem, in dem man lebt, warum ich nicht glaube, dass diese Menschen, dieser Müll, Dreck und Zerstörung verbreitende fahnendeutschaufstehende Abschaum, irgendetwas mit einem positiven Gefühl wie "Liebe" oder "Stolz" auf Deutschland zu tun hat. Es sind Nationalisten im schlechtesten Wortsinn, die Nation ist ihnen gleichgültig, sie brauchen nur was, um sich dran aufzugeilen, und wenn es nicht klappt mit dem Endsieg, macht man halt verbrannte Erde.
Die Folgen sind gravierend; nachdem diese Ecke eher ruhig und schlecht beleuchtet ist, werden viele hier das ein oder andere los, was für Eigentümer unschön ist, von Müll über Körperausscheidungen aller Art bishin zum Vandalismus. Es gibt aber ein Gegenmittel: Volle Lüster-Beleuchtung in allen möglichen Zimmern, von denen ich ein paar habe, und offene Fenster bis früh am Morgen. Das vertreibt die Bande, sie suchen sich andere, für ihr Tun besser geeignete Ecken. Gestern Abend wurden sogar die Blumen verschont, dafür randalierten sie in einer Baustelle, und die Strecke entlang einem Studentenwohnheim sieht nicht so aus, als ob man da langlaufen wollte. Es sieht aus wie DOITSCHLAND.

Andere hatten weniger Glück. Dieses Portal wurde erst vor ein paar Jahren mit viel Liebe restauriert und stabilisiert. Es ist ein aussergewöhnlich gut erhaltenes Beispiel für den sogenannten Parlerstil, oder auch internationale Gotik. Es ist ein Zeignis einer hochentwickelten, verfeinerten Epoche, die zwischen der Pest und den aufbrechenden Religionskriegen mit einigem Recht als der goldene Herbst des Mittelalters bezeichnet wird. Weil es so gut erhalten ist, hat man es mit einem Gitter gesichert. Aber ein paar Leute, über deren Patriotismus man sich in der politischen Kaste freut, lassen sich von so etwas nicht abhalten und haben gestern Nacht, nach dem verlorenen Fussballspiel, eine volle Weinflasche gegen den empfindlichen, weissen Kalkstein geschleudert. Für einen Treffer im Figurenfries weiter oben reichte vielleicht die Kraft oder die Koordinationsfähigkeit nicht mehr aus.
Das Glas verletzt die Oberflächen des Steins, fast ein Wunder, dass die nur wenige Zentimer dicken Stäbe nicht gebrochen sind, der rote Wein kann ungehindert in das poröse Material eindringen. Es wird vielleicht Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis die Verfärbung wieder verschwunden ist. Der Ort ist nicht gerade menschenleer, aber soweit ich weiss, hat man die Verursacher nicht erwischt. Es ist der Umgang mit dem eigenen Land, der eigenen Umgebung, mit dem, in dem man lebt, warum ich nicht glaube, dass diese Menschen, dieser Müll, Dreck und Zerstörung verbreitende fahnendeutschaufstehende Abschaum, irgendetwas mit einem positiven Gefühl wie "Liebe" oder "Stolz" auf Deutschland zu tun hat. Es sind Nationalisten im schlechtesten Wortsinn, die Nation ist ihnen gleichgültig, sie brauchen nur was, um sich dran aufzugeilen, und wenn es nicht klappt mit dem Endsieg, macht man halt verbrannte Erde.
donalphons, 16:58h
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Mittwoch, 5. Juli 2006
AZZUUURRRROOOOO!

Va', pensiero, sull'ali dorate.
Va', ti posa sui clivi, sui coll,
ove olezzano tepide e molli
l'aure dolci del suolo natal!
donalphons, 01:38h
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Brüder im Geiste
Dieser bloggende Herr bekommt einen neuen Stuhl und ein neues Dach über dem Kopf, unter dem er in Zukunft seiner Arbeit nachgehen wird. Director Online Conversations. Sehr schön.
Gratuliere. Aber mein neuer Stuhl

und mein neues Dach,

wo ich meiner Arbeit nachgehe, sind auch nicht zu verachten. Zumal die Anja-Tanja-Quote hier niedriger ist.
Gratuliere. Aber mein neuer Stuhl

und mein neues Dach,

wo ich meiner Arbeit nachgehe, sind auch nicht zu verachten. Zumal die Anja-Tanja-Quote hier niedriger ist.
donalphons, 16:28h
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Montag, 3. Juli 2006
So, nur anders rum
Plötzlich, bei, Prestissimo-Satz von Haydn, ist mir dann eingefallen, was ich gerne im Saal an der Decke haben würde:

Das da in die andere Richtung: Der Sieg von Laster, Wollust und Freigeisterei über Tugend, Enthaltsamkeit und Kadavergehorsam.

Das da in die andere Richtung: Der Sieg von Laster, Wollust und Freigeisterei über Tugend, Enthaltsamkeit und Kadavergehorsam.
donalphons, 01:16h
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Dienstag, 27. Juni 2006
Deutsch als Deppenbegriff
Kommse, kommse, Augen auf und Digitalkamera ein, die Strasse runter, hier wurde deutsche Geschchte geschrieben. Im ersten Haus wohnte der echte Faustus von unserem Goethe, dann kamen die Stadtpaläste der Kapuziner und Jesuiten voller wichtiger deutscher Forscher, hier haben sie alle während der Aufklärung gewirkt, da hinten schaute der deutsche Galileo durch das Fernrohr, der deutsche Feldherr starb hier, die Asams haben das deutsche Rokoko zur Blüte getrieben, dann kommt der berühmte deutsche Klenze, und hinten ist das Münster, Süddeutschlands grösste Hallenkirche mit folgenden altdeutschen Meisterwerken, gleich daneben das Zentrum der deutschen Gegenreformation - mit diesem Müll werden die Touristen vollgeschüttet, die zu früher Stunde, kaum hat sich die Sonne erhoben, hier durch das Viertel gekarrt werden.

Fehlt eigentlich nur noch der deutsche Himmel, und die deutsche Kotze eines deutschen Kulturhistorikers, meine Kotze, genauer gesagt.
Es gehört zu den verlogenen Ritualen jeder Obrigkeit, sich irgendwie eine Legitimation zusammen zu schustern. Griechische Städte wurden von Halbgöttern begründet, Rom entsprang geflohenen Trojanern, durchrasste Völkerwanderungswarlords des frühen Mittelalters sahen sich in der Tradition des Römischen Reiches, das sie gründlich ruiniert haben, das Papsttum und die Orthodoxie logen gewohnheitsmässig Primate zusammen, die Pickelhaube entstand aus einem groben Missverständnis mittelalterlicher Helme, und das 1000-jährige Reich stellte sich als III. auch brav hinten an, wenn es um die Legitimation ging.
Allen gemein ist der Trick für die ahistorischen Deppen, der in etwa so geht: Du dumme, mickrige Wurst, Dein Leben umfasst 70, 80 Jahre, aber ich, der Herrscher, der Staat, das Konstrukt, ich bin schon Zilliarden Jahre da, das war schon immer so, also halt das Maul und zu, was ich Dir sage, Du bist nur ein Fliegenschiss und ich bin ewig. Ich erlaube Dir, mir zu huldigen und mich toll zu finden, Gründe kriegste genug, vom Künstler über den Ballidioten bis zum Ballermanngesöff, und jetzt schrei "Es lebe Deutschland" als zentrale politische Willensäusserung, kein Protest, dann ist es prima.
Man muss eingestehen, dass die Kulturgeschichte lange den Arsch für dergleichen Ansprüche hingehalten hat. Diese elende Pseudowissenschaft, die ursprünglich untrennbar verbunden war mit der obrigkeitsstaatlichen Legitimationssuche, war durchaus flexibel - entstammt der Urgrund noch der devoten Kriecherei für lokale Diktatoren, und wechselte das erst in der Zeit zwischen 1813 und 1871 langsam in Richtung "Deutschland". Das war dann auch die Zeit, in der der unsägliche Begriff "altdeutsch" zur Umschreibung mittelalterliche Kultur aufkam, verbunden mit unausrottbaren Fehlurteilen über das Wesen der Kultur.
Denn tatsächlich gab es zur "altdeutschen" Zeit keinen deutschen Nationenbegriff, weder bei den je nach Laune handelbaren Bauern, noch in den freien Städten, noch bei den Kirchen und Klöstern, noch beim Adel. Alle hatten nur das eigene Wohl im Auge, die formale Zentralmacht war irgendwo weit weg, der Rechtsbegriff war der einer marodierenden Horde Hooligans, und das, bitteschön, bis ins späte 18. Jahrhundert. Nicht umsonst griff das Bürgertum nach der 48er Revolution auf einen ferne, mittelalterliche Deutschlandillusion zurück, man wollte sich den schönen Wahn nicht durch die eigene Erinnerung vermiesen lassen. Und auch heute noch, bei den Stadtführungen, wird genau dieses Bild beschworen - sich mit der tatsächlichen Nation Deutschland auseinandersetzen, wäre architektonisch weitaus weniger reizvoll, von der 1870er Kanonengiesserei über einen ehemaligen Exerzierplatz und die Standorte zweier KZ-Aussenlager mitten in der Stadt bishin zur nach dem Krieg verschandelten Altstadt: Das alles ist tatsächlich Deutschland, aber eben keine Tradition, die man gerne anschaut.
Geht man statt dessen diese Strasse mit ihrer barocken Bebauung heute hinunter, müsste man es als Kulturhistoriker anders erklären: Da ist das Wohnhaus des durch die Lande vagabundierenden und allerorts vertriebenen Forschers Faustus, dann kommen, in italinischer Manier errichtet, die Stadtpaläste zweier italinischer Orden, deren Provinzen bayrisch waren, geforscht und gelehrt haben hier Italiner, Franzosen, Tschechen, Schweizer und ja, auch Deutsche, gesprochen haben sie aber Latein, gewechselt sind sie nach Pavia, Paris oder Prag, so war das damals, keine Ortsbindung der Elite, die Veröffentlichung der hiesigen astronomischen Entdeckungen wurden hier katholisch untersagt, weshalb sie im protestantischen Augsburg erschienen, der "deutsche" Feldherr kam aus Belgien, dieses "deutsche" Rokoko gibt es nur in Bayern, Klenze hat seine Architektur direkt bei Ledoux franzöischer Revolutionsarchitektur abgeschaut, auch die Hallenkirche ist in Deutschland einzigartig, weil ihr Bauherr in Frankreich gelebt hat und explizit eine französische Kirche wollte, und der Gegenreformator war ein Kläffer an kurzer römischer Leine. Wenn man nur etwas genauer hinschaut, wenn man nur ein klein wenig Ahnung hat, wird "Deutsch" zu einer Chimäre, einem Konstrukt für Idioten, die belogen werden wollen, aber es ist weder ein Kriterium noch eine Eigenschaft, und auch nicht legitimiert.
Wirklich deutsch aus kulturgeschichtlicher Sicht, wie gesagt, ist der Exerzierplatz, die Kasernen, die Kanonenfabrik, die Aussenlager, der Stahlbeton. Das können die Deutschlandgröler gern für ihre Legitimation haben, mehr ist da nicht, manche von denen finden das ja auch gar nicht so schlecht, wenn sie mit ihren langen Fahnen und kurzen Hirnen marschieren.

Fehlt eigentlich nur noch der deutsche Himmel, und die deutsche Kotze eines deutschen Kulturhistorikers, meine Kotze, genauer gesagt.
Es gehört zu den verlogenen Ritualen jeder Obrigkeit, sich irgendwie eine Legitimation zusammen zu schustern. Griechische Städte wurden von Halbgöttern begründet, Rom entsprang geflohenen Trojanern, durchrasste Völkerwanderungswarlords des frühen Mittelalters sahen sich in der Tradition des Römischen Reiches, das sie gründlich ruiniert haben, das Papsttum und die Orthodoxie logen gewohnheitsmässig Primate zusammen, die Pickelhaube entstand aus einem groben Missverständnis mittelalterlicher Helme, und das 1000-jährige Reich stellte sich als III. auch brav hinten an, wenn es um die Legitimation ging.
Allen gemein ist der Trick für die ahistorischen Deppen, der in etwa so geht: Du dumme, mickrige Wurst, Dein Leben umfasst 70, 80 Jahre, aber ich, der Herrscher, der Staat, das Konstrukt, ich bin schon Zilliarden Jahre da, das war schon immer so, also halt das Maul und zu, was ich Dir sage, Du bist nur ein Fliegenschiss und ich bin ewig. Ich erlaube Dir, mir zu huldigen und mich toll zu finden, Gründe kriegste genug, vom Künstler über den Ballidioten bis zum Ballermanngesöff, und jetzt schrei "Es lebe Deutschland" als zentrale politische Willensäusserung, kein Protest, dann ist es prima.
Man muss eingestehen, dass die Kulturgeschichte lange den Arsch für dergleichen Ansprüche hingehalten hat. Diese elende Pseudowissenschaft, die ursprünglich untrennbar verbunden war mit der obrigkeitsstaatlichen Legitimationssuche, war durchaus flexibel - entstammt der Urgrund noch der devoten Kriecherei für lokale Diktatoren, und wechselte das erst in der Zeit zwischen 1813 und 1871 langsam in Richtung "Deutschland". Das war dann auch die Zeit, in der der unsägliche Begriff "altdeutsch" zur Umschreibung mittelalterliche Kultur aufkam, verbunden mit unausrottbaren Fehlurteilen über das Wesen der Kultur.
Denn tatsächlich gab es zur "altdeutschen" Zeit keinen deutschen Nationenbegriff, weder bei den je nach Laune handelbaren Bauern, noch in den freien Städten, noch bei den Kirchen und Klöstern, noch beim Adel. Alle hatten nur das eigene Wohl im Auge, die formale Zentralmacht war irgendwo weit weg, der Rechtsbegriff war der einer marodierenden Horde Hooligans, und das, bitteschön, bis ins späte 18. Jahrhundert. Nicht umsonst griff das Bürgertum nach der 48er Revolution auf einen ferne, mittelalterliche Deutschlandillusion zurück, man wollte sich den schönen Wahn nicht durch die eigene Erinnerung vermiesen lassen. Und auch heute noch, bei den Stadtführungen, wird genau dieses Bild beschworen - sich mit der tatsächlichen Nation Deutschland auseinandersetzen, wäre architektonisch weitaus weniger reizvoll, von der 1870er Kanonengiesserei über einen ehemaligen Exerzierplatz und die Standorte zweier KZ-Aussenlager mitten in der Stadt bishin zur nach dem Krieg verschandelten Altstadt: Das alles ist tatsächlich Deutschland, aber eben keine Tradition, die man gerne anschaut.
Geht man statt dessen diese Strasse mit ihrer barocken Bebauung heute hinunter, müsste man es als Kulturhistoriker anders erklären: Da ist das Wohnhaus des durch die Lande vagabundierenden und allerorts vertriebenen Forschers Faustus, dann kommen, in italinischer Manier errichtet, die Stadtpaläste zweier italinischer Orden, deren Provinzen bayrisch waren, geforscht und gelehrt haben hier Italiner, Franzosen, Tschechen, Schweizer und ja, auch Deutsche, gesprochen haben sie aber Latein, gewechselt sind sie nach Pavia, Paris oder Prag, so war das damals, keine Ortsbindung der Elite, die Veröffentlichung der hiesigen astronomischen Entdeckungen wurden hier katholisch untersagt, weshalb sie im protestantischen Augsburg erschienen, der "deutsche" Feldherr kam aus Belgien, dieses "deutsche" Rokoko gibt es nur in Bayern, Klenze hat seine Architektur direkt bei Ledoux franzöischer Revolutionsarchitektur abgeschaut, auch die Hallenkirche ist in Deutschland einzigartig, weil ihr Bauherr in Frankreich gelebt hat und explizit eine französische Kirche wollte, und der Gegenreformator war ein Kläffer an kurzer römischer Leine. Wenn man nur etwas genauer hinschaut, wenn man nur ein klein wenig Ahnung hat, wird "Deutsch" zu einer Chimäre, einem Konstrukt für Idioten, die belogen werden wollen, aber es ist weder ein Kriterium noch eine Eigenschaft, und auch nicht legitimiert.
Wirklich deutsch aus kulturgeschichtlicher Sicht, wie gesagt, ist der Exerzierplatz, die Kasernen, die Kanonenfabrik, die Aussenlager, der Stahlbeton. Das können die Deutschlandgröler gern für ihre Legitimation haben, mehr ist da nicht, manche von denen finden das ja auch gar nicht so schlecht, wenn sie mit ihren langen Fahnen und kurzen Hirnen marschieren.
donalphons, 10:05h
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