: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 30. April 2006

Date mit Walburga

Ich hatte mit Frau D. nichts zu tun. Frau D. hatte ich – mit einer Ausnahme - nur gesehen, ab und zu geisterten wenig erbauliche Geschichten über sie durch das Klassenzimmer, in dem ich meine ersten beiden Schuljahre durchbrachte. Die anderen lernten sie bald kennen – und auch den Mann, in dessen Auftrag sie unterwegs war.

Denn in dieser Schule im tiefsten Bayern gab es neben der staatlichen Autorität, repräsentiert von Frau G., auch noch eine andere Macht. Für 29 der 30 Schülerinnen und Schüler der Klasse 2b war diese Macht Frau D.. 29 Schüler hatten Erfahrungen gemein, bei denen ich ausgeschlossen war. Im Prinzip war es kein Problem, bedeutete es doch, dass ich 2 Stunden Schule pro Woche weniger hatte als die anderen. Die anderen waren katholisch – ich war es nicht. Ich war ein Treppenwitz der Geschichte, eine Lücke im Heilsplan von Frau D., den zu beheben ihr nicht vergönnt war. Nur einmal, zu Beginn der ersten Klasse, wurde ich mehr oder weniger willenlos in den Religionsunterricht gebracht. Was da von Frau D. erzählt wurde, weiss ich nicht mehr, aber ich habe dann zu Hause erzählt, dass ich eben in diesem Unterricht war. Am nächsten Tag war dann meine Mutter in der Schule, sprach mit dem Direktor, und mir wurde gesagt, dass ich in Zukunft nicht mehr in diesen Unterricht kommen sollte.

Frau D. war in der Folge nicht mehr gut auf mich zu sprechen, schien mir, denn in ihrem Unterricht wurde nicht nur gebetet und gemalt – so komische genagelte Leute auf Balken und Füsse, die aus dem Himmel baumeln, und was da sonst noch in den Malblöcken meiner Kameraden war. Den Kindern wurden auch Geschichten erzählt von gut und böse, von Himmel und Hölle und davon, dass die Evangelen aus der Parallelklasse 1c wohl nicht so leicht in den Himmel kommen würden. Die durften auch keine roten Kerle mit Zipfelmützen und Engel und all so Zeug malen. Die hatte der liebe Gott nicht so lieb. Besonders unlieb aber, so Frau D., hatte der liebe Gott die anderen, die nicht an seinen Sohn glaubten. Und ihn statt dessen umgebracht hatten. Die würden später mal bitter zahlen, in der Hölle. Das waren die Juden. Von denen es durch Zufall einen an der Schule gab. Mich.

Aber wie Kinder nun mal so sind, die Höllenfeuer sind fern: Die Bonanzaräder und die Paninibilder dagegen sehr nah. Hin und wieder auf den Dreckbergen hinter unserer Siedlung, in unseren selbstgegrabenen Burgen, berichtete mancher, was die D. wieder gesagt hatte, über Juden wie mich, die Feinde des HerrGotts. Manchmal erzählten sie auch von dem Mann hinter ihr, den sie in der Folge kennengelernt hatten; den Stadtpfarrer K., der später ins Gerede kam, weil er das Geld der Sammelbüchsen für die kleinen afrikanischen Neger für den Blumenschmuck seiner hässlichen gelben Kirche verwendete, die zu betreten mir aber versagt blieb. Meine Eltern, die ich fragte, ob sie oder Oma denn auch diesen Christus da gekreuzigt hätten, so wie es auf den Zeichnung zu sehen war, mit viel Wasserfarben-Blut und riesigen Kugelschreibernägeln in den Armen, und wie es verkündet wurde vom Stadtpfarrer K. zu St Josef – meine Eltern also intervenierten ein zweites Mal, und danach war Ruhe. Erstmal.

Die erste Klasse ging vorüber, der Winter kam und wieder ein Frühling, die anderen mussten am Ende in einen Gottesdienst, während ich auf der Schaukel im Garten sass und mich des Daseins freute. Dann kamen die Ferien, und dann wieder die Schule. Und der Schulausflug. Frau G. sagte, dass wir in das Altmühltal fahren, und nach Eichstätt, und auf dem Hinweg auch in der Linde einkehrten. Die Linde war ein grandioses Ausflugslokal, in das meine Eltern oft mit mir fuhren, mit fantastischen Kartoffelknödeln, die ich damals gern roh verschlang, aber gleich vier Stück auf einmal. Alles wies auf einen traumhaft schönen Tag mit einem kulinarischen Höhepunkt hin, als wir in den Bus einstiegen. Die Sonne lachte uns unschuldige Kinder an, und als wir sassen und anfingen, die Sunkistbeutel zu tauschen, dachte ich mir nichts böses. Auch als der Bus hinter der Schule anhielt, vor der schwefelgelben St.Josefskirche, keimte kein Verdacht in mir ob des Schreckens, das da kommen sollte. In den Bus stiegen Frau D. und der Stadtpfarrer K.....

Den schaurigen Rest mit der gesamten Wallburgageschichte gibt es dann heute Abend im Twisted Bavarian in der Tengstrasse 20.

Und während der Bus durch das saftige Grün der Juraanhöhen glitt, im warmen Glanz des Spätsommers, das durch die Blätter und Zweige flackerte, während uns die Idylle und Pracht dieser weitgehend unberührten Landschaft umschloss mit ihren weissen Kalkfelsen, den dunklen Äckern und den hohen Bäumen, da trat dann also Pfarrer K. in die Mitte des Buses, und sprach: Dass wir uns nachher bei der heiligen Wallburga ordentlich verhalten sollten, sonst – schebbats. Mitte der 70er Jahre galten Ohrfeigen, zumindest für Herrn K., noch als probates Mittel zur Erziehung.

Der Auftritt vom Pfarrer und die Erwähnung besagter Heiliger hätte mich misstrauisch machen sollen, allein, was soll´s, für mich galt er ja nicht, weshalb ich später in der Hölle sein würde – was mir als durchaus lohnender Tausch erschien angesichts der Angstzustände, die sich wegen dieser Ansprache bei Freund und Feind breit machte. Und Feinde gab es natürlich auch, der dicke Jürgen zum Beispiel, und seine Freunde. Jürgen hatte mich beim Tausch der Schlumpfbilder übers Ohr gehauen, die wir zusammen mit den Wundertüten im Laden hinter der Schule gekauft hatten. Ich hatte mich später damit gerächt, dass ich meiner Mutter das grosse Geodreieck entwendete und bei der nächsten Linealfechterei von der harmlosen Hieb zur ungleich effektiveren, da Wunden verursachenden Stichwaffe überging.

Nach der Ansprache des Stadtpfarrers wurde dann auch mir mitgeteilt, was es denn mit der Wallburga, der D. und dem K. auf sich hatte: In Eichstätt liegt diese Heilige begraben, und irgendwie hatten es die fette Blondine und der kugelrunde Pfarrer mit seinem enormen Nasenhaarwuchs geschafft, den Klassenausflug dorthin umzuleiten. Der Bus fuhr, zum Aussteigen war es zu spät, und ein Handy, mit dem ich meine Mutter hätte anrufen können, gab es damals nicht. Und so glitt der Bus weiterhin seinem Ziel entgegen, immer noch im satten Grün des traumhaft schönen Sommers, aber mit einem etwas unsicheren Kind auf der hinteren Bank, das nicht wusste, ob es sich freuen sollte, jetzt auch mal so eine Kirche zu erleben, oder ob es nicht einfach Angst haben sollte vor dem Ungewissen, das da an einer Flussbiegung, im tiefen Gemäuer vergraben, auf ihn wartete.

Irgendwann kam der Bus auf einem Platz an, wir stiegen aus, und der Pfarrer K. erzählte die Geschichte der heiligen Wallburga: Eine Königstochter aus England, die nach Deutschland kam, um die Heiden zu missionieren und deshalb heilig war. Irgendwann starb sie und wurde hier begraben, aber sie tue immer noch Wunder, besonders durch das Walburgisöl, das wir später kaufen sollten. Keinesfalls aber habe sie etwas mit dem „Heia Walpurgisnacht-wenn der Mond vom Himmel lacht“-Gesängen zu tun, die mir nicht unbekannt waren – im Frühling zuvor hatte ich, dasselbige singend, versucht, beim Hexentanz in Frau Martins Garten den Kirschbaum abzufackeln, an den ich vorher mit Hilfe ihrer Tochter Bettina die andere Tochter Vreni gefesselt hatte.

Das also war es nicht, was uns in der hochaufragenden Kirche erwartete. Über eine Treppe ging es hinauf, dann öffnete sich das Tor, ich ging hinein – und der Sommer war vorbei. Kühl und modrig war es in dem Gemäuer, durch die kleinen Fenster fiel wenig Licht auf die fast schwarzen Wände. Beim genaueren Hinsehen entpuppte sich die Wandfarbe als endlose Fläche von kleinen, dunklen Bildern, auf denen Menschen mit allen möglichen Gebrechen zu sehen waren. Da wurde geschossen, Knochen entzweiht und vom Wagen gefallen, da stürzten Menschen in Schluchten, und alle waren sie unsagbar hässlich, grob gemalt und voller grausamer Details. Wo keine Bilder hingen, waren abnorme Krücken an die Wand genagelt, oder auch Ketten, Handschellen und Halseisen. Das alles, erklärte uns Frau D., seien die Gaben von Leuten, die die heilige Walburga geheilt hatte, auch das da in dem Kasten – und sie wies auf die rechte Wand, wo ein roter Fleck unter all dem Schwarz hervorstach. Wir gingen hinüber. Der rote Fleck erwies sich als mit Samt ausgeschlagener Schaukasten, in dem Knochensplitter, Kugeln, Magensteine, böse Zähne und viele andere Körperteile ausgestellt waren. Ein Magenstein, so gross wie eine Faust, hatte die Form eines Herzens, ein aschfahles, pickliges Herz in einer schwarz angelaufenen Silberfassung. Die Zähne waren braun, abgekaut, zerborsten oder lange, schiefe Missbildung, manchmal noch mit Kochensplittern daran. Menschentrümmer in allen Varianten, zackig, geborsten, morsch und faulig. Was immer in den diversen Glasampullen war – Eiter, Ausfluss, Blut – es war dunkel-klebrig eingetrocknet und verharzt. Frau D. erklärte, welch grosses Leid den Menschen genommen worden war, ich hingegen begann, dasselbige inzwischen im Magen zu verspüren, in den tiefsten Eingeweiden, die seit dem Frühstück auf Knödel, goldgelbe saftige Knödel warteten, und nun vom Anblick dieser Trümmer gepeinigt und aufgewühlt wurden. Jürgen, die Strebersau, und auch einige andere knieten sich auf Frau D.s Kommando hin und sagten ein Gebet auf, während ich mich in Richtung Ausgang drückte. Doch der erwies sich als vom Pfarrer K. blockiert.

Und etzad gemma nunta, sagte der Stadtpfarrer, und wies mir und den Nachfolgenden den Weg eine Treppe hinab in das Erdreich unter diesem schwarzen Saal. Es öffnete sich ein kleiner Raum, wo wir eng zusammengedrängt an einem Gitter standen. Dahinter leuchtete fahl ein grosser, weisser, rechteckiger Streinsarg – und in dem, so erklärte uns der nachgekeuchte Stadtpfarrer, befinde sich die Wallburga, die all die Wunder mache. Und das geht so: Zu einer gewissen Zeit im Frühjahr tropft aus diesem Sarg, in dem Wallburga liegt, ein Öl, das die Nonnen hier auffangen. Das Öl wirkt Wunder, heilt und segnet alles, was damit in Berührung kommt, und wir alle werden dadurch gesegnet. Jetzt. Gleich. Und auf der anderen Seite, über eine zweite Treppe, kam eine finstere Gestalt herunter, über und über schwarz, mit einem Kästchen in der Hand, und trat auf uns zu. Es war eine hässliche, verschrumpelte alte Frau in diesem dunklen, stinkenden Loch unter der Erde, neben uns lag diese Leiche in ihrem Sarg und badete in diesem Verwesungsöl aus ihrem Körper, ich konnte es riechen, dieses saftige, stinkende, schwarz aufgedunsene Kadaver mit wirren Haaren, borstig und abstossend wie das Gewächs aus des Stadtpfarrers Nase, und der gleiche verfaulte Saft war in den Ampullen, die im Kästchen auf uns warteten. Der K. postierte sich neben ihr, zwei alte Fleischklumpen in der Finsternis, und hinter uns machte Frau D. die Räume dicht. Das erste Kind musste vortreten, der Pfarrer tauchte seine Pranke in eine Schale mit diesem Leichenöl, streckte, murmelnd, die Hand aus und machte ein Kreuz auf dessen Stirn. Das Kind musste eine Ampulle nehmen, die schwarze Krähe steckte die Hand aus, um eine Gabe zu nehmen. Es war nicht der Gedanke, dass ich da auch zahlen müsste und deshalb nachher in der Linde einen oder zwei Knödel weniger essen könnte, es war auch nicht die lange Reihe meiner Mitschüler, die sich wie willenlose Zombies für das Ritual einreihten, hier unter der Erde, mit den schwarzen Bildern, den Nierensteinen über und der in Öl eingelegten Wallburga neben uns, es war nicht der K. und das Ritual und auch nicht die massige Figur der D. in dieser Szene – letztlich war es Jürgen, der Schlumpfbildbescheisser, der sich zu mir umdrehte, meine Panik erkannte und sagte: Du bekommst kein Kreuz, du musst das Öl trinken, und meines bekommst Du auch.

Ich drehte mich um, presste mich am Fleischberg von Frau D. vorbei, der ins Wanken geriet, raste die Treppe hoch und rannte, ohne noch einen Blick auf die schwarzen Tafeln, die Gallensteine und Krücken zu werfen, auf die Tür zu, wo ich in eine Gruppe Touristen knallte, an ihnen vornbei hinein in das gleissende Licht, in den unfassbar schönen Sommer, in die klare, reine Luft des Jura, von Helligkeit durchdrungen und gereinigt von all der Verwesung, die mich zu umfangen drohte, unendlich weit weg vom K., der schwarzen Frau und dem Kadaver im fahlen Stein und seinem schleimigen Öl, das meiner im Bauch der Erde harrte.

Kurz darauf war das jüdische Neujahrsfest Rosch ha Schana, an dessen Ende es zu Jom Kippur Geschenke für die Kinder gibt. Meine Mutter war sehr zufrieden mit ihrem mathematisch interessierten Sohn, der von den bislang gewünschten Ritterfiguren Abstand nahm und ein 35 Zentimeter langes, spitzwinkliges Geodreieck haben wollte, lang genug, um notfalls auch einen fetten Stadtpfarrer zu erstechen, falls er ihm mit dem Saft der Wallburga zu nahe kam.

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Donnerstag, 27. April 2006

BR und Zündfunk steigen ins Haifischbecken

oder werden hineingeworfen, je nach Sichtweise. Oh, ist das ein Spass: Als erste deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wagt sich der Bayerische Rundfunk mit einem kombinierten Vollprogramm ins Internet. Kinder, als ich die Pressemitteilung las, dachte ich erst an einenWitz, aber nein, die meinen das wohl ernst. Ich erlaube mir hier, die Pressemitteilung aus dem BR-Dialekt zu übertragen und mit Randglossen zu versehen - während ein gewisser H. Röde auf gute Laune macht und kein Wort über das Anstehende verliert. Dabei sind das - gebe selbst ich zu - Horrorpläne, die wohl kaum jemanden erreichen werden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zündfunk, von Bayern 3, aus der Multimedia-Redaktion und des Bayerischen Fernsehens haben in vier Arbeitsgruppen für Musik, Wort, Multimedia und Marketing Ideen gesammelt, Visionen entworfen und zu einem stimmigen Vorschlag zusammengeführt.

Oh Gott. Bayern Brei plus ein die Macher einer wirklich grottigen Site plus dem linientreuen Staatsfernsehen plus Zündfunk oder was dabei herauskommt, wenn man eine schleimige Tiefseequalle, einen Regenwurm, einen Lemming und eine brennende Motte kreuzt. Und das soll stimmig sein? Na dann.

Ihre Aufgabe dabei: Eine junge Zielgruppe an den Bayerischen Rundfunk zu binden, die sich bislang nur zum Teil von den bestehenden Angeboten angesprochen fühlt und in ihrer aktuellen Mediennutzung auf Radio in der traditionellen Form immer mehr verzichtet.

Warum nicht zu Beginn mal was Leichteres, wie, sagen wir mal, die kalte Kernfusion oder die Weltrevolution? Ist ja schön, wenn sie begreifen, dass sich viele aus dem Radio ausklinken, aber das sind doch genau die Leute, die bislang die Zielgruppe vergrault haben, mit dröger Glotze, dummen Festplattenschleim, kranke Navi und leeres Geschwafel.

Im Blick haben die Macher ein aufgeschlossenes aktives Publikum bis 30 Jahre, das sich durch ein breites Musikinteresse auch außerhalb des Mainstream auszeichnet und an der bayerischen Kulturszene interessiert ist.

Aufgeschlossen passt nicht zu Vernagelt a la BR. Wer aufgeschlossen ist, braucht keine Radiokrücke mehr.

Aktuelle Popmusik mit Einflüssen aus Rock, Black und Elektronik bilden das musikalische Grundgerüst. Wesentlicher Bestandteil ist die breite Förderung junger, unbekannter Musiker vor allem aus Bayern und Deutschland, die gleichberechtigt neben bekannten Stars zu hören sein sollen.

Doitsch und Hinterwaldqoute neben Robiiiieeee und Madonah-ah-ah, prima, da fahren alle Zielgruppen voll drauf ab. Die Mainstreamzielgruppe hat doch schon Bayern Brei, und ähnlich positionierte Jugendwellen haben gerade das Problem, das der neue Laden bekämpfen soll.

Dabei ist geplant, bereits bestehende Elemente des Bayerischen Rundfunks – beispielsweise die Veranstaltungsreihe „Bavarian Open“ und ihre Download-Plattform „Bavarian Open Source“ – auszubauen.

Super! Kozerte, die es schon gibt, und Musik als Download, die man auch bei Kazaa Lite bekommt, und Beiträge als MP3, bei denen die Leute schon im Radio wegschalten! Brandneu und irre!

Auch bei den Wortinhalten setzt die Junge Welle auf die verlässliche Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit seinem weltweiten Korrespondenten-Netz und den zahlreichen Fachredakteuren und Spezialisten. Der journalistische Anspruch des Zündfunks wird auch in der Jungen Welle eine Heimat haben. Regionalität spielt dabei die Hauptrolle.

In meinem früheren Leben sagte man über geschasste Units wie den Zündfunk: Die neue Division wird ihre bewährte Arbeit fortsetzen. Blabla wird unserem Unternehmen auch weiterhin im lokalen Support beratend zur Seite stehen.

Das Team arbeitet mit zeitgemäßen und in der jungen Zielgruppe verbreiteten Elementen aus der Online-Welt wie Videoblogs und Podcasts.

Heisst: Wir haben keine Ahnung, aber wenn es die PR-Agenturen vorplappern, sagen wir das auch.

Das Angebot von jungen Menschen für junge Menschen soll beispielsweise auch über Beteiligungsformen wie „akustische Hörer-Tagebücher“ aus der Region zum Runterladen auf ein mp3-Gerät realisiert werden.

Oh, man wird also Podcastingblog-Plattform. Spannend. Wie 189.442.837 andere Anbieter. Aber wir in Bayern, wir packen das, gell?

Die Grundhaltung der Jungen Welle ist dabei immer: „Bayerisch, selbstbewusst, lebensfroh und nah“ – vier Attribute, die den Umgang mit den Themen und den Hörern on-air, off-air und online bestimmen.

Eigentlich könnte man jetzt aufhören zu lesen. Aber trinken wir es aus bis zur Neige.

Der lineare Programmablauf wird bei der Jungen Welle des Bayerischen Rundfunks bewusst aufgebrochen: Das Publikum ist teilweise selbst Sender und kann zum Beispiel einen Blick in den Audio-Speicher der Programmmacher werfen und online Inhalte vorhören, noch bevor sie von den Moderatoren im Radio ausgestrahlt werden.

Aha, teilweise selbst (!) Sender - also nicht jeder, sondern nur der, der den Machern genehm ist. Beiträge vorhören ist sowieso ein ganz grosses Thema und wird sich bei manchen Zündfunkern allergrösster Beliebtheit erfreuen - besonders der Spezies, die ihre Beiträge prinzipiell erst während der laufenden Sendung - ooops.

Die Junge Welle reagiert damit auf neue Nutzungsgewohnheiten junger Menschen.

Ich kenne mich ja ein bisschen aus in dem Thema, aber ehrlich gesagt kenne ich keinen, der unbedingt Beiträge vor der Ausstrahlung hören will. Vielleicht kenne ich auch nur die falschen "jungen Menschen". Oder man schliesst beim BR von der kleinen Schwester auf die Allgemeinheit.

Interaktivität, Nachhaltigkeit und die Realisation des Community-Gedankens bilden den multimedialen Kern der Jungen Welle.

Manche Zündfunker haben ein intensives Vorleben in der New Economy - man merkt es hier.

Über die klassischen programmbegleitenden Datendienste hinaus können die Hörer und Macher der neuen Welle auch auf Angebote anderer Fernseh- und Radiosendungen des BR zugreifen.

Irre. Jetzt muss man sie nur noch dazu bekommen, zuzugreifen. Ist ganz einfach, echt jetzt. Hauptsache, man hat die technische Lösung, der Nutzer kommt von selbst. War schon immer so bei allen Pleitefirmen des Nemax.

Mit diesem Angebot realisieren wir systematisch eine enge, programmübergreifende Vernetzung“, sagt Hörfunkdirektor Johannes Grotzky. „Professioneller Journalismus auf Augenhöhe mit jungen Hörern, Authentizität in der Präsentation und Vielfalt in der Musikauswahl sind die Wege, mit denen wir junge Menschen für ein anspruchsvolles Programm begeistern können und wollen.“

Das mit dem "können" "wollen" wir sehen. Dazu gehört mehr als das aktuelle IT-New-Media Buzzword Bullshit Bingo.

Die Hörer von Bayern2Radio werden auch nach einem Start der Jungen Welle nicht auf ein breites Angebot aus dem Bereich der „Popkultur“ verzichten müssen. Der Teil der journalistischen und musikalischen Kompetenz des Zündfunks, der ein Publikum jenseits der „30“ erreicht, soll wie bisher ein Bestandteil des Programms Bayern2Radio bleiben.

Übersetzt: Zündfunk ist tot, die Mitarbeiter dürfen sich in einem neuen Umfeld abstrampeln, gegen das Bayern2Radio inclusive Kirchenfunk und bayerische Chöre eine prima Sache war, und auf echtem UKW-Radio bleiben ein paar von den Zündfunkern, die mutmasslich für die Jugendwelle zu alt sind. Das ganze, ohne dass es expressis Verbis gedagt wird, nicht auf UKW, sondern DAB.

Liebe Zündfunker, Unterstützer, Freund und Feind: Ich hätte vielleicht auch Mitleid. Schliesslich ist das seit heute bekannt, und wenn die wirklich so cool und kritisch wären, hätten sie heute das Programm gekippt und sich selbst thematisiert. Rebelliert. Angegriffen, sich gewehrt. Ich weiss, dass viele das so richtig scheisse finden, wenn sie nicht total gebrainwashed wurden. Aber sie sind erwartungsgemäss nicht aufgestanden, die haben es einfach nicht getan, obwohl das Mikro offen war. Kinderstress, Informationsfreiheit, Musik, denen geht´s prima. Klingt zumindest so. Und nachdem alle weiterarbeiten wollen, halten sie offiziell die Klappe.

He Zündfunker, Ihr seid keine Rebellen, und Ihr habt keinen Markt. Nächstes Jahr treffen wir uns wieder - hier im Netz. Ohne Radiomonopol, ohne Netzwerke, ohne Hilfestellungen. It´s a brand new world - aber mit der Denke des neuen Senders ist es ein verdammt lebensfeindliches Umfeld.

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Popetown, die Kirche, ihre CSU und deren Strategie

Viel Spott haben derzeit einige Autoren für das Geschrei der CSU und der katholischen Kirche im Fall "Popetown" übrig. Thomas Knüwers Meinung steht hier für viele andere, die glauben, die CSU würde damit erst die Serie gross machen. Das mag von Nichtbayern aus betrachtet stimmen. Aus bayerischer Sicht und mit etwas Kenntnis der "innenpolitischen" Lage muss man aber der CSU ein ausgesprochen intelligentes Vorgehen zugestehen.

Denn die CSU spielt mit der Kirche perfekte Doppelpässe. Der Popetownskandal ist mit dem leicht zeitversetzten Aufschrei von Kirche und Staatspartei hervorragend abgestimmt, und MTV kommt ausgesprochen schlecht weg. Die Kirche, hier das mit der CSU eng verzahnte Erzbistum München/Freising, legt mit Erklärungen und einer Unterlassungsverpflichtungserklärung gegen MTV inhaltlich vor, und jede folgende Abwehr wird von der CSU mit rechtlichen Konsequenzen angegangen. Dass MTV seine Werbung zurückzieht und jetzt nur eine Folge der Serie zeigt, ist das Ergebnis einer skrupellos eingesetzten Angriffsmaschinerie, deren Motto ist: Unterwirf Dich der Kirche, oder der Staat kommt mit den Folterwerkzeugen.

Neu ist das nicht, die Inquisition und ihre staatlichen Büttel verfuhren genauso. Während also ein Haufen von engagierten Christen über Weikersheimer Rechtsradikalen bis Neonazis (siehe die bei Myblog.de gehosteten und von deren Webmaster auch bei klaren Rechtsverstössen unbehelligten braunen Blogs) gegen die Ausstrahlung mobil machen, gegen die nach Gesetzeslage nichts einzuwenden ist, schraubt die CSU im Hintergrund an Reformen, die solche öffentlichen Meinungen später gesetzlich oder sonstwie mit Mitteln der Obrigkeit ausschliessen sollen. Bayern hat über die BLM mit der Lizenz für 9live zwar das Tor zur Spielhölle aufgeschlossen, aber Kritik am Papst und Institutionen der katholischen Kirche soll mit dem Entzug der Lizenz bestraft werden - fordern nicht nue Hinterbänkler.

Dabei ist es hochspannend zu sehen, wer sich da an die Front wirft. Neben Ede dem Geknickten, der endlich mal wieder Schlagzeilen machen darf, sind es die konservativen Granden der CSU, die Stimmung machen: Söder und Hermann stehen mit Verbalgewalt und Anzeigen an vorderster Front, dazu läuft auch noch Vertriebenenchefin Steinbach auf. Und wie schon 1998 wird der Versuch gemacht, den §166 StGB Gotteslästerung auch auf irdische Einrichtungen der Religionen auszuweiten.

Das zeigt vor allem zwei Dinge: Einerseits weiss die CSU, dass Popetown nur einzelne weltliche Aspekte der Kirche - sanft - angreift. Popetown ist nichts gegen Panizzas Liebeskonzil, um auf einen 112 jahre alten Fall zu verweisen. Dass manche Päpste sozialauffälliges Verhalten an den Tag legten, gegen die die Kindereien in Popetown banal sind, weiss man auch ohne Blick in Marx´Kirchengeschichte. Und über die Darstellung korrupter Kardinäle braucht man sich nicht wundern, wenn man weiss, dass der Vatikanstaat einen italienischen Haftbefehl wegen Mafiaverbindungen gegen den Leiter der Vatikanbank Kardinal Marcinkus ignoriert hat. Gottes- oder Anschauungslästerung wird man in der Serie kaum finden, im Gegenteil, auch die positiven Helden sind Kirchenvertreter. Das ist dann auch der grosse Unterschied zum Konflikt um die Mohammed-Karikaturen, die nicht einzelne Vertreter, sondern den Islam allgemein aufs Korn nahmen. Die CSU weiss also, was sie tut: Es geht nicht um den Glauben, es geht um die knallharte Unterstützung des hiesigen Bodenpersonals.

Zum anderen schweigen auch manche Leute. Erwin Huber etwa, der MTV nach München geholt hatte. Der kann jetzt schlecht lospoltern, sonst sieht es nicht gut aus bei weiteren Gesprächen für Medienansiedlungen in München. Solche Einflussnahmen sind Gift für Medien, die mitunter solche Krawalle brauchen, ohne dass dauernd ein keifender Anstandswauwau angezockelt kommt. Auch von Seehofer hört man nichts. Das ist insofern von Bedeutung, als in Bayern längst über die Ablösung von Stoiber nachgedacht wird. Das Rennen dürfte zwischen dem christlistischen Fraktionschef Hermann, der für die alte CSU steht, und dem beim Wahlvolk beliebten Reformer Seehofer laufen. Hermann hat mit seiner - sinnlosen - Anzeige gegen MTV und Popetown schon mal ein paar Nägel bei der Stammwählerschaft eingeschlagen. Dass man Hermann deshalb in Köln, Berlin und Hamburg für einen knierutschenden Vatikanzögling hält, spielt keine Rolle, denn Hermann muss nur in Bayern gewinnen. Und da hilft das Geschrei aus dem Norden mehr, als es schadet.

Und MTV? Zieht tatsächlich den Schwanz vor der schwarzen Kampagne ein. Nur eine Folge dieser harmlosen Serie wird laufen. So macht man das. Die CSU. Die kann das. Zusammen mit der Kirche. Man hat die Schulkreuze verteidigt, man wird auch mit so ein paar renitenten Amis in Berlin fertig. Tun sie auch. Weil auf der anderen Seite feige Medien sitzen, die in solchen Fällen kuschen. MTV ist halt auch nur eine Geldmaschine, und hat mit Aufklärung so viel zu tun wie jeder andere Renegat, der des Geldes wegen zu Kreuze kriecht.

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Freitag, 21. April 2006

Bayern wie es ist

Ein Kasten, über Jahrhundert prall gefüllt mit schmerzenden Körperausscheidungen, Einschlüssen, Problemteilen.



Abnorme Gallensteine, Knochensplitter, pervers geformte, böse Zähne, Magensteine, Rippenteile, die in Lungen stachen, Bleikugeln, Gelenktrümmer, Kapseln, verkalkte Missbildungen und vieles, vieles mehr, alles was die Jahrhunderte übersteht und irgendwie in Eiter, Ausfluss und Blut den Körper verlassen hat, in lange schwarz gewordenem Silber oder Zinn gefasst und hierher gebracht, zum Altar der Nothelferin. Keine Scham, kein Verstecken, ein Zeichen der Wunder und der nicht zertrümmerten, gigantischen Geschwulstwarze mit Haaren, die die Menschen hier als grösstes Übel auf dem jodmangelnd geschwollenen Kropf tragen.

Ein Hirn, grau, weich und saftig, wird man hier übrigens vergeblich suchen. Das hat seinen guten Grund.

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Dienstag, 18. April 2006

Dieses bestimmte Gefühl

wenn man begreift, dass man schon besser vor Wochen seinem Bauchgefühl gefolgt wäre, wenn sich dann zeigt, dass es so wird, wie man befürchtet hat, dass jeder andere meint, das wird schon gehen, hat doch woanders auch geklappt, warum nicht hier, Erfahrung überflüssig, Planung sowieso. New Economy pur, Tests keine. Outfit aber poppig und da kann man vorher prima erst mal relaxen. Wie Anno 2000. Damals glaubte ich noch. Könnte vielleicht. Risiko. Aber gut.

Heute das Wissen, dass es sinnlos ist, sich noch zum Steuerknüppel durchzuschlagen. Es ist sinnlos, auf dem Platz zu bleiben und auf den Aufschlag zu warten. Es gibt nur eine Sache, die sinnvoll ist. Die Reissleine.

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Dienstag, 11. April 2006

Prodi hat gewonnen

Sowohl die Kammer als auch der Senat gehen an die Mitte-Links-Koalition: Im Senat gewinnt Prodi mit 158 zu 156 Stimmen, in der Kammer mit 341 zu 277. Dabei hatte Berlusconi nach Stimmen den Senat deutlich gewonnen und in der Kammer extrem knapp verloren. Grund für den Sieg Prodis trotz der suboptimalen Ergebnisse: Das von Berlusconi durchgepeitschte neue Wahlrecht, das auch bei einer Minderheit der Stimmen Berlusconi den Wahlsieg bringen sollte.

Eine Opera Buffa, wenn man so will.

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Montag, 10. April 2006

Der österreichische Standard, [UPDATED]

der ohnehin schon seit 7 Jahren zu meinen Lieblingsmedien im Netz gehört, hat eine Art aktuelles Wahlblog zur Lage in Italien eingerichtet. Über die politische Ausrichtung muss man sich keine Illusionen machen, der Standard wird über das Ende von Silvio B. sicher nicht weinen. Allerdings ist der Standard schon seit Monaten an dem Thema weitaus dranner als die deutschen DPA-Tickerlutscher.

Es darf schon mal gefeiert werden: Während bei der RAI und beim Corriere die Server schmoren, sind die Exit Polls da: Prodi 50-54% im Parlament und Senat, die braune Dreckschleuder 45-49%. Ciao Cretino!

Der Senat ist schon eine gmahte Wiesn, wie man in Bayern sagt: 159-170 Sitze für Prodi/Ulivo, 139-150 für die Rechte. Da geht nix mehr für den Glotzengossen-Möchtegernnapoleon. Auf St. Helena wäre vielleicht noch ein Plätzchen frei.

Berlusconis Imperium winselt auf Canale 5 schon um Gnade: "La grande incognita: la legge proporzionale" - Die grosse Unbekannte: Das Proporzwahlrecht. Das dürfte die letzte Chance für Berlusconi sein, das Parlament zu erobern - aber bei den deutlichen Zahlen wird da nichts gehen. Spassigerweise sind die Verluste für den christlich-reaktionär-faschistischen Block vor allem auf die Verluste von Berlusconis Forza Italia zurückuführen, man mutmasslt runter von 29% auf 23%.

Aktuelle (vorsichtige) Hochrechnung v0n 17.45 Uhr - Prozente der Parlamentswahl: Ulivo/Prodi/Union: 55,9%, Katholen/Reaktionäre/Faschisten 43,6% laut (linksliberalen) Corriere.

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Über das Rundmachen eines Staatspräsidenten

Na also. Geht doch. Sogar ohne Abrüben der Führungskräfte. Wobei die jetzt sicher einen schweren Kopf haben. Frankreich halt.

und heute nacht wandert silvio auf den müllhaufen der geschichte, abteilung corleone, mussolini & loge p12

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Sonntag, 9. April 2006

Neukölln

Da war ich erst letzte Woche. Schräg gegenüber von der Rütli-Schule. Dort gibt es tolle Auflöser. Ich war in meiner Zeit oft dort. Und ich kann das hier nur unterschreiben.

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Avanti Amici!

Verpasst dem Silvio heute einen Tritt, dass er bis hinter die Gitter fliegt, und seine Kumpels in Europa Staub fressen!

und ich wieder mit freuden über den brenner fahren kann, die barchetta drängelt schon in richtung süden

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