: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 23. September 2013

Es sind die Kurven

Kurven unterbrechen die Geraden des Aufstiegs, Kurven ändern den Blickwinkel, Kurven öffnen neue Wege, und an Kurven erkennt man den Fortgang der Dinge. Fällt man dann in sie hinein, kippt das Bild nach rechts oder links und zerren die Fliehkräfte in Richtung Abgrund, lebt man vielleicht ein wenig mehr als sonst. Es sind nur Sekunden. Man vergisst irgendwann vielleicht die langen Geraden und die teilweise enorme Höchstgeschwindigkeit, das Rauschen der Luft und den Druckausgleich in den Ohren, aber nicht die Kurven. Es waren viele Kurven. Und jede einzelne hat den Druck von meinen Gedanken genommen. In der Kurve gibt es nichts anderes. Das ist wie Luftholen nach langer Zeit unter Wasser.





Irgendwann ist es auch gut damit, man hat nicht so viel Adrenalinvorräte im Körper und am Ende schmerzen Arme und Hände, auch wenn es nur 20 Minuten sind. Nach der Aufregung ist das Denken so langsam, als wären die Synapsen in Gelatine eines schweren Obstkuchens, die Heimfahrt allein reicht schon als Belastung aus, mehr braucht man gar nicht, der Rest funktioniert irgendwie über das Rückenmark. Am Brenner, hinter der Grenze dann Totalausverkauf bei einem Laden mit Radkleidung. Warum nicht etwas Belohnung, sagt man sich frohgemut und Trikots kann man schliesslich nie genug haben.





Ich habe übrigens diesmal aus Italien kein Rennrad mitgenommen.

Das möchte ich nur lobend erwähnen. Weder Schuhe noch Rennrad.

Sonst heisst es wieder, ich würde das nur wegen der Belohnung machen. Ich mache das hauptsächlich wegen der Kurven und um auf andere Gedanken zu kommen, ich wäre gern ein wenig dümmer und das geht nicht anders. Ich habe den Körper eines aus einem Stier geklonten Bauerns, ich bin robust und ziemlich unzerstörbar, ich falle in Abgründe und rase durch Stacheldraht und es geht weiter: Leider zieht der Kopf nicht mit. Zumindest manchmal. Dann habe ich dieses unangenehm zersetzende Hirn und kann gar nicht anders, als es mit spitzen Formulierungen gegen mich selbst zu wenden. Und Fragen zu stellen. Da lenken Kurven perfekt ab, viel besser als neue Schuhe und alte Rennräder.





Dass im Schaufenster dieses Ladens aber eines hing und das schnell weg musste, dafür konnte ich nichts. Ich habe eigentlich auch nur nach dem Preis gefragt, sonst hätte ich mich gleich wieder selbst hinterfragt und das kann es ja auch nicht sein. Also, ich war auf österreichischem Boden und habe es hier dann genommen und so kam das eben, dass ich diesmal wirklich kein Rennrad aus Italien mitgebracht habe, sondern nur Sehnsucht nach Kurven und einigen Tagen der angenehmen Denkfaulheit. Wie man ja sieht, wenn ich so etwas behaupte wie "kein Rad aus Italien".

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Montag, 23. September 2013

Penser Joch wieder besucht

Ich schlafe gut und fest, und als ich dann so gegen halb neun aufwache, bewege ich mich erst mal vorsichtig. Man weiss ja nie, ob es am Vortag nicht doch zu viel war, und sollte es so gewesen sein, darf man nicht auch noch übertreiben. Leistung ist nur ein Teil des Bergsiegs, wichtiger ist aber die Einteilung der Kräfte. Und da war ich gestern etwas nachlässig. Fast übermütig. Dabei habe ich trotzdem noch viel Respekt vor dem Berg.







Das ist ein wenig so, als habe man am Vortag etas gemacht, an das man sich nicht wirklich erinnern will und erwartet, im Bad, im Bett oder vor der Tür eine böse Überraschuing zu finden. Aber dann zeigt sich, dass die Maschine läuft, kein Ziehen, keine Schmerzen, keine Verspannung, alles ist gerade und fühlt sich geschmeidig an. Ich gehe beschwingt zu Prenn für Strudel und Torte, ich schlendere durch die Stadt, und als dann das Wetter etwas besser wird, mache ich mich auf zum Penserjoch.







Wenn der Jaufenpass so etwas wie ein Berg der Freude ist, ist das Penserjoch eher sowas wie der Kalvarienberg. Ich halte nichts von Aberglaube, aber einmal wusste ich schon beim Hochfahren, dass eteas passieren würde, bis dann ganz langsam hinunter, habe vor jeder Kurve gebremst - und prompt kam dann einer, der mich beinahe in den Abgrund gerammt hatte. Das prägt. Ich fahre immer noch gerne, aber vorsichtig. Ich glaube nicht an Vorbestimmung und daran, dass man selbst etwas tun kann.







Deshalb habe ich übrigens auch solche enormen Probleme mit jenem Fake-Mercedes-Spot und den Cretins, die so etwas würdigen. Was dieser Spot, in dem Hitler als Kind und "als Gefahr, die erst noch entsteht"überfahren wird, aussagt, ist eigentlich: Du bist keine Bedrohung durch Deine Entwicklung, sondern per se vorbestimmt, eine Bedrohung zu sein. Das ist ziemlich deckungsgleich mit der Argumentation, mit der von Werbern zumeist unterstützte Regimes Völker ausrotten: Nicht der einzelne ist die Gefahr durch das, was er tut, jeder könnte eine Gefahr sein und muss deshalb schon vorher vernichtet werden. Ich würde deshalb auch nicht sagen, dass man jeden Werber mit dem Eisenrohr langsam ins Koma prügeln sollte, aber das Pack, das so etwas in Medien und Werbung propagiert, sollte geächtet werden.







An so etwas denke ich auch, weil dieser Sonntag nicht gerade dazu angetan ist, mein Verhältnis zu Motorradfahrern zu verbessern. Normalerweise fahre ich gerne gute Linien, aber hier bleibe ich hinter den Kurven draussen., damit man mich länger sieht. So ein Motorradfahrer, der mit 80 oder 90 Sachen auf der Ideallinie fährt, könnte in diesen Kurven kaum mehr bremsen, wenn ich dann mit 5 oder 6 Kilometer pro Stunde vor ihm stehe. Es ist eigentlich genug Platz für alle da, man müsste es nicht übertreiben, die Gefahr ist nicht die Strasse, sondern das, was sich in den Köpfen der Menschen entwickelt.







Das Penserjoch ist nochmal ein anderes Kaliber als der Jaufenpass; die eigentliche Strecke mit Steigungen ist etwas kürzer, dafür sind es auch 120 Höhenmeter mehr. Wo am Jaufenpass die Belastungsspitzen sind, ist am Penserjoch der Durchschnitt, und so eine flache Stelle zwischendrin, um etwas Luft zu holen, wäre auch mal nett. Oder nochmal zwei Zähne mehr am Hinterrad. Aber es geht schon, ich will da jetzt einfach hoch und auf die Uhr schaue ich erst gar nicht.







In einem weiten Bogen führt dann die Strasse nach den Serpentinen hinauf über die Hochfläche. Es sieht gar nicht mehr so weit aus, aber es hat manchen gefallen, in diese 2 Kilometer über 2000 Höhenmeter auch noch Stellen mit 15% Steigung einzubauen. Es geht schon, irgendwie, flüstere ich den Blaubeerwiesen in italienischen Farben neben mir zu. Es muss gehen. Es wird gelingen. Tritt für Tritt. Es sind nur 2 Kilometer, das ist nicht so weit. Es ist weit, aber nicht zu weit.







Es ist kalt. Kalt und windig und auch nicht allzu klar. Ich bin hier auch schon mal im Schneesturm hochgefahren, offen, das war auch ein besonderes Erlebnis, man muss für alles dankbar sein, aber diesmal ist es aus eigener Kraft. Und ich habe sie auch gut genug eingeteilt, dass ich nicht einfach vom Rad falle und wie meine eigene Leiche aussehe. Ich komme an. Ich steige ab. Ich bin dankbar, dass ich es geschafft habe. Das ist eigentlich alles.







Nach Süden würde es jetzt ins Sarntal gehen, 50 Kilometer nur bergab nach Bozen und dann weiter nach Italien. Nach Norden geht es zurück nach Sterzing. Ich verteile einen Orden an das Rad, und es dauert ein klein wenig, bis ich das begreife. Ich bin beide Pässe, Jaufenpass und Penser Joch, innerhalb von 24 Stunden gefahren. Dafür, dass ich Sorgen hatte, in diesem Jahr überhaupt über den Brenner zu kommen, ist das gar nicht schlecht. Und da wäre, so vom Gefühl her, auch noch genug Kraft für - nun, vielleicht nicht genug für das Timmelsjoch, das wären nochmal 350 Höhenmeter. 2014 ist aber auch nochmal ein Jahr. Vielleicht ist nach der Buchmesse noch Zeit.







So ganz verstehe ich es ja auch nicht. Das Hochfahren macht keinen Spass. man quält sich und man japst und wäre gern woanders. Aber dann hat man es hinter sich, ist zufrieden, und schon schaut man sich um und überlegt, was denn noch an Strassen da wäre. Wenn man überhaupt etwas denkt. Und dann geht es zurück ins Tal. Davon habe ich auch ein Video, aber das muss ich erst noch hochladen.

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Samstag, 7. September 2013

Das katastrophale Ende der Tour

hätte durchaus so werden können - und davor haben uns dann die Umstände bewahrt. Unsere eigentliche Planung umfasste nämlich neben der Hinfahrt über die Pässe auch jede Menge Unklarheiten bei der Rückreise. Da war etwa die Idee, mit dem Bus bis zum Brenner zu fahren, dann hinunter ins Inntal, mit dr Zahnradbahn zum Achensee hoch und dann nach Hause. Davor war die Idee, das persönliche Umfeld des Begleiters so zu becircen, dass es, zwei Frauen hoch, mit dem Auto als Besenwagen nachkommt, uns in Meran einsammelt und wieder nach Hause bringt - natürlich vor allem, weil es doch schade wäre, nicht in Meran zu sein, wir waren also äusserst altruistisch. Allein, es mangelte an der Zeit und im Nachhinein war das auch ein Glück: Denn nie hätten wir zwei Räder und vier Menschen in dieses eine Auto gebracht. Und vier Räder schon gleich gar nicht.

Denn wir sind zwar mit einem Colnago und einem Scapin ausgezogen, aber mit zwei Colnagos und Scapins heimgekehrt.





Und das kam so: Am Pool meinte ich, dass da doch ein Scapin in Trient stünde, noch eines, und weil sich mein Scapin so gut bewährt hätte, wäre es doch schade, dieses Spitzenprodukt der italienischen Rahmenbaukunst hier einfach vergammeln zu lassen und vielleicht gäbe es ja doch einen Weg, das irgendwie schnell zu machen. Ich will jetzt nicht sagen, dass die Begeisterung grenzenlos war, und ausserdem war der Zeitplan recht eng, die Heimreise mit dem Bus zugunsten eines weiteren Tages in Italien schon gebucht, und stressig ist das natürlich auch. Aber wie sich zeigte, war das Rad noch verfügbar -Räder in meiner Grösse verkaufen sich in Italien so gut wie Schuihe Grösse 45 - eine Abholung wäre möglich und weil ich Bahnfahren hasse, habe ich dann halt ein Auto gemietet, weil: Eh schon wurscht. Und wie es so ist, durfte ich mir dann Klagen anhören, ich sei doch sehr belohnungsfixiert.

Danach fuhren wir schnurstracks zurück nach Meran, so der Plan.

Irgendwelche Touren zu weiteren Radläden an den Gardasse wären zeitlich knapp, sehr knapp geworden.

Und ich brauchte nun wirklich kein Rad mehr.

Aber

schauen kann man ja mal und ausserdem, der Gardasee ist doch so schön!

Undrehen kann man immer noch.





12 Minuten vor Ladenschluss jedenfalls betraten wir einen Laden, in dem noch ein passendes Colnago mit der passenden Ausstattung stand. Es hat einfach gepasst.

Und den Leute beim Busunternehmen, die schon bei der Nachbuchung eines dritten Rades erstaunt waren, hätte ich vielleicht unter Hinweis auf generelle Belohnungsfixiertheit deutscher Männer ohne mitreisende weibliche Vernunft angesichts schöner, italienischer Chancen die Sache erklären können.

Vermutlich hätten sie dann aber gleich kapiert, wie ich ticke, und versucht, mir die unverheiratete Tochter anzudrehen. Man weiss ja, wie das so läuft.

Jedenfalls war es eine logistische Meisterleistung, in dieser Zeit von Meran über Trient nach Lazise und zurück zu fahren, die einen Räder an der Bushaltestelle zu platzieren, das Auto abzugeben, die anderen Räder zu holen, Abschied von Meran zu nehmen und dann festzustellen, dass schon der Kleinbus mit den Rädern sehr voll wurde.





Mit unseren Wunschpartnerinnen für die Heimreise wäre das alles ein Albtraum geworden, und die Schuld wäre bei uns zu finden gewesen. Also nicht nur so aus Prinzip, sondern wirklich. So jedoch haben wir noch einmal gezeigt, wie wir auch unter schwierigsten Bedingungen mit eisernem Willen ungeahnte Ziele erreichen, wie uns kein Weg zu weit und kein Hindernis zu gross ist, und zum Glück lebe ich ja allein, habe einen grossen Speicher und Keller und muss mich, wenn ich das schnell genug verstecke, auch nicht rechtfertigen. Das war die Krönung.

Und ausserdem muss man auch sagen: Gelegenheiten in Italien sind etwas ganz anderes als sich in einem deutschen Radladen ausplündern zu lassen. Das sind eigentlich gar keine Räder. Es sind Souveniers. Und das Versprechen, es nächstes Jahr wieder zu tun, auf Stahl, Aluminium und Carbon, nur mit der eigenen Kraft und über Grenzen, deren Überwindung früher unmöglich schien.





Ich bin ja sonst nicht so mit dem Hinweis auf kommerzielle Dinge, aber ich darf sagen, dass ich das Hotel Aster in Meran/Obermais sehr gut fand, die Übernachtung im Schwarzen Adler in Sterzing sehr schätzte und die Entdeckung, dass man jeden Tag von München nach Meran und wieder zurück mit dem Bus fahren kann, in gerade mal 4 Stunden und das alles für 45 Euro und 10 Euro für das Rad... das ist schon toll.

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Mittwoch, 4. September 2013

Rattenliniert

Sterzing, Bozen, Meran: Das waren übrigens auch die Zwischenhalte der Rattenlinie aus Deutschland am Ende des Krieges. Die Region war deutschsparchig, also sind die Ratten nicht besonders aufgefallen - zumal viele ohnehin Österreicher waren - und dann war Südtirol der einzige deutschsprachige Teil der ehemaligen Achsenmächte, der nicht von den Alliierten besetzt war. Und wer vermutet in so einer verschlafenen Stadt schon Massenmörder?



Insofern ist die Route zwischen dem Tegernsee und unserem Ziel auch eine historische Reise, denn viele dürften es damals auch nicht komfortabler gehabt haben: Alte Berichte erzählen, dass die Täter von einst auch mit eigener Kraft unterwegs waren, um so weniger aufzufallen. Man kann danach gut einschmelzen in diese Stadt und ihr Klima; Niemand würde hier irgendjemanden suchen, es ist ein Ort zum Verschwinden und zum Tun, als wäre nie etwas gewesen.



So leicht ist das natürlich nicht, und während hier die Reise zu Ende geht, geht das Leben entlang der im Internet niedergeschriebenen Geschichte weiter. 10 Jahre wird dieses Blog bald alt, das ist nicht wenig und vor allem sehr beständig, im Gegensatz zu den früheren Formen dieser Figur, die alle längst zusammen mit dem Ärger und den Fehlern verschwunden sind. Was nicht gehen will, bleibt in der Erinnerung, und man lernt ja auch viel dazu: Meran bleibt aber immer, wie ich es schon immer gekannt habe.



Man lässt hier natürlich auch einiges hinter sich, wie auch im echten Leben. Es ist nicht so, dass ich jahrelang Groll hege, ich komme nur manchmal zum Schluss, dass es besser ist, manches bleiben zu lassen, und da kann ich inzwischen auch sehr konsequent sein. Weil ich weiss, dass ich oft eventuell kurzfristig etwas tun, aber langfristig nicht helfen kann und jedes Zeichen von Engagement sofort wieder falsch aufgefasst wird. Das echte Leben hat mir die Grosszügigkeit beigebracht, die mir das Internet teilweise wieder austreiben wird, und nie werde ich verstehen, was manche treibt, öffentlich Dinge zu tun, die das Grössere für belanglose Momente der Selbstgerechtigkeit entwerten. Hatte ich kameraden? Mitläufer? Oppertunisten? Leute, die nur darauf warten, bis sich die Gelegenheit bietet, einen zu hintergehen?



Es ist ganz erstaunlich, was manche zu tun bereit sind, wenn es um eine Position oder einen Vorteil geht. Und was für ein Hass sich dann entlädt, wenn diese Möglichkeiten nicht mehr gegeben sind. Manchmal ist es eben so, dann geht etwas massiv aus eigener Schuld schief, und es sollte dann auch für Linke oder generell Leute, die sich irgendwie unterprivilegiert halten und meinen, sie hätten deshalb ein Recht auf besondere Verlinkungen, Engagements vieler Arten odr Zuwendungen (man denke da etwa an jene Tüpen, die sich darüber lustig machten jetzt meine "Kollegen" zu sein), dann sollten sie vielleicht anfangen, mal wieder ihre eigenen Wege zu gehen. Bei mir gibt es da offen gesagt inzwischen recht wenig Verständnis für diese Art des Nachtragens und Nachhetzens. Das kenne ich so nur aus dem Netz, und daraus habe ich auch gelernt. Ich bin im Internet anders als in echt. In echt lässt man mich in Meran sein.

Im Internet habe ich dagegen gern etwas Distanz, so in etwa wie ein hübsches Eisengitter. Ich meine das nicht persönlich, ich habe nur einen Weg gefunden, wie ich hierher und auch weiter komme.

Danke für das Verständnis, soweit vorhanden.

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Montag, 2. September 2013

Angekommen

Es war gar nicht so furchtbar, wie ich dachte. Ich bin ganz langsam mit Pausen auf den Jaufenpass gekurbelt, mit einem desaströsen Schnitt, aber dann war ich oben und es ging mir gut. So gut, dass ich dann ganz geschmeidig nach Meran radeln konnte. Die ganzen Bedenken waren also umsonst.

In Meran ist das Wetter wie immer schön, das Bett ist weich und irgendwie frage ich mich jetzt, wie es weitergehen soll. Es ist schon seltsam, jeden Tag fährt man am Morgen einen Pass und dann sitzt man auf einmal am Pool und tut gar nichts mehr. Kein Druck, keine Herausforderung, eine seltsame Art der Leere und nur das Wissen, dass man es 2014 vermutlich wieder tun will.



Ich bin an der Hälfte der mir vergönnten Lebenszeit, realistisch betrachtet, angekommen. Ich schaffe es immer noch transalpin und zwar auch über einen wirklich hohen Pass nach Meran, und bin danach gesund und locker und kein verausgabter Krüppel. Es gab 1 Platten bei mir und einen Computerausfall beim Compagnon, sonst nichts. Alles ist gut. Ich denke, ich habe mich ganz gut gehalten. Ob das in 10 oder 20 Jahren immer noch geht, weiss ich nicht; die zwei alten Frauen, die gerade vor dem Balkon vorbeischlurfen, schaffen das nicht mehr, aber bis es dann bei mir so weit ist, werden noch weitere Touren folgen. Solange es geht und solange es hoffentlich so vergleichsweise locker geht. Es ist eine Schinderei an den Rampen, aber es ist machbar und das Gefühl, nach Meran hineinzubrettern, nur mit eigener Kraft und guten Mutes: Das ist nicht schlecht.

Übrigens bin ich mit der Barchetta schon mal 12 mal so schnell den Jaufenpass hoch gefahren, aber das macht mir jetzt, da es vollbracht ist, überhaupt nichts aus.

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Sonntag, 1. September 2013

2006 war ich auch schon hier

Damals war ich aber noch deutlich unter 40 Jahre alt. Ich bin also hier hoch gefahren, habe oben gehalten, und dann kamen ein Vater und ein Sohn hier herauf. Mit den Rennrädern. Und fragten mich, ob ich ein Bild von ihnen machen könnte. Ich fragte mich dabei, wie man das überhaupt schafft und wer auf solche irren Ideen kommt. Nie im Leben würde ich so etwas machen. NIE! Da würde ich ja sterben.



Das ist jetzt siebeneinhalb Jahre her. Und heute stehe ich mit dem Rennrad an genau der Stelle, wo sie standen.

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Kurze Meldung

Wir sind in Sterzing angekommen und die Kraft hat auch noch für einen bösartigen Beitrag in der FAZ gereicht!

Ansonsten ist alles gut, der Brenner war gar nicht so schwer, jetzt ist das Wetter schön und das einzige Problem, das ich habe, ist das vergessene Netzteil für den Rechner.

Weshalb ich das hier auf Mac schreiben muss.

Ehrlich, lieber nochmal die Steigung bei Ampass.

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Transalp 2013/2 - Nach Italien

Oder auch nach Südtirol, ich will ja niemanden irgendwo hin stecken, wohin er nicht gehören will. Ich kann das verstehen, mir wäre es auch überhaupt nicht recht, würde ein anderer über mich sagen: "Hic iacet". Ich will nicht liegen, ich will endlich über den Alpenhauptkamm, koste es, was er wolle, wie etwa von Rentnern aus Bad Tölz im blauen Z3 überholt werden.







Der Brenner ist eigentlich ein Witz der Passgeschichte; Rechts davon höchste, fast unpassierbare Bergketten bis zum Reschenpass, links davon fast unpassierbare Felsketten bis zur Felbertauernstrasse. Daneben ist noch das Ötztal, aber den Pass dort, das Timmelsjoch, erreicht man eben nur durch dieses Tal, gegen das das Zillertal ein touristenfreies Refugium ist. Ausserdem ist das Timmelsjoch mit 2570 Meter nicht wirklich angenehm und vielleicht mal etwas für später. Jedenfalls, der Brenner ist niedrig und so hat man eben statt drei oder vier schönen, fordernden Bergstrecken diesen Schlauch voll mit Autos, denen ich ziemlich torkelnd und schwankend im Weg bin, wenn es mal steiler wird. Besonders dem blauen Z3, den ich beim Tanken und bei der Kaffepause wieder einhole, zeige ich öfters die Verschlüsse meiner Billingham-Tasche.







Ich möchte jetzt nichts darüber sagem, dass mich auf dem steilsten Stück auch noch der braunste aller lebenden Österreicher an Parteienspitzen angeglotzt hat, von einem Plakat tunter - ausser das hier: Sauf Dich in einer Vertriebenenbar, wo die Bedienung wie Erika Steinbach aussieht, voll mit zwei Flaschen Wodka voll und dann schreibe bitte mit 120 Sachen im Auto eine SMS an Dein gschlampertes Verhältnis in der Nähe eines Betonpfeilers - das wirkt auch bei Dir.Auf dem letzten Steilstück habe ich schliesslich viel Zeit und und auch viel Anlass für böse Gedanken. Mal überholen mich andere Radler, mal überhole ich sie, am Ende sind wir alle oben, es ist nicht wirklich schön, aber das kommt jetzt.







Denn hinunter nach Sterzing gibt es auf der alten Bahntrasse jetzt einen Radelweg. Kein einziges Auto. Ganz sanftes Gefälle. Drüben auf Bundesstrasse und Autobahn ist Stau, Stau und nochmal Stau, hier ist alles frei und läuft sehr geschmeidig. Das Wetter ist schön, die Luft schon leicht italienisch und der Himmel nicht blau, sonder azuro. Ein paar verbliebene Signale des Zugverkehrs halten uns nicht auf, als wir hinunter in die grünen Täler preschen. Es läuft richtig gut, ich vergesse alle Schnaufereien, die hinter mir liegen, und als wir dann in Gossensass wieder auf die Strasse kommen und halsbrecherisch an Kolonnen - und, ohai, den Tölzern im Z3, so sieht man sich wieder - auf der Gegenfahrbahn in Richtung Sterzing brennen, da ist es mir viel zu wohl. Zu wohl, dass ich zwischendrin anhalten würde bei einem Radgeschäft, und mein 12-27er Ritzel gegen ein 11-32 austauschen lassen würde. Das geht schon, sage ich mir im Übermut. Und dann sind wir auch schon in Sterzing.







Endlich wieder unter normalen Menschen. Endlich ein riesiges Bad und eine Dusche etwas anderes als Lycra am Leib. Endlich wieder Prenn und ein Stück Apfelstrudel. Endlich gleich wieder Prenn und gleich einen ganzen, anderthalb Kilo schweren Apfelstrudel für morgen. Eine Stunde etwa dauert es, damit aus dem rotglühenden, windzerzausten Geschoss vom Brenner wieder ein zivilierter Mensch wird. Jemand mit anderen Interessen als das nackte Überleben an der Steigung und der Frage, wo der letzte Gang hinverschwuden ist. Endlich wieder jemand sein, der auf eigenen Füssen geht und sich an Kultur erfreut. Und so gehen wir halt noch eine Kirche besichtigen, wir waren ja flott und die Deutschherrenkirche ist noch geöffnet.







Nicht mich, sondern den Tod haut es da drin vom Stangerl, ich kann mich derweilen an Perlenketten ergötzen und was das Rokoko hier sonst noch an Haut und Fleisch hinterlassen hat. Ich habe Lust auf Faulheit und Sinnlichkeit, ich sitze da und schaue mir zufriedene Menschen an, die nicht ahnen, wieviel Müh und Plag der Pass sein kann, und auch ansonsten geht es mir bombig, solange ich nicht an den Jaufenpass danke. Das Wetter ist famos, das Hotel mitten in der Altstadt und genau so gediegen, wie man das haben möchte. Zum Abendessen gibt es etwas mit Fett, so viel Fett, dass ich einfach dorsal iacend einschlafe und weg bin.







Dann wache ich auf, packe meinen Rechner, gehe hinunter in den Salon und schmiere geniehaft in zweieinhalb Stunden schnell einen Beitrag für die FAZ runter. Das geht nicht anders, länger hält mein Akku nicht mehr, aber wenn ich will, dann kann ich das auch. Und was soll so ein Jaufenpass schwerer sein als ein Beitrag, frage ich mich. Und wieso rauscht der Lüfter so laut? Ich höre angestrengt hin. Es ist nicht der Lüfter. Es kommt von draussen es regnet.

Das kann ja heiter werden.

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Samstag, 31. August 2013

Transalp 2013/1,5 - von Hall nach Mühlbachl

Nachträglich kann ich sagen, dass die einzige Stelle, wo wir geschoben haben, der Ortskern von Hall war. Steil, Kopfsteinpflaster und ausserdem auch nicht radtauglich - und obendrein waren wir auf der Suche nach etwas, das den Schlaf versüssen würde. Wir suchten und fanden Marillenknödel.







Über die Eigenheiten der Tiroler Hotelzimmerdekoration möchte ich mich hier übrigens nicht weiter auslassen, und statt dessen sagen, dass ich vermutlich auch auf einem Bachbett lang und gut geschlafen hätte. Am Abend davor habe ich noch ein paar kleine Reparaturen gemacht, Schrauben nachgezogen und alles überprüft, denn heute wurde dann alles weitaus weniger lustig als gestern: Der Patscher Sattel und der Brenner sind nicht gerade Pässe, die zum Scherzen mit Nachlässigen aufgelegt sind. Früher empfand man diese Stecken als gefährlich und dankte seinem Herrgott, wenn man sie überstanden hatte; wir Radler mögen Atheisten sein und kein Kerzerl mehr anzünden, aber auch wir sollten das Schicksal nicht herausfordern.







Nur - warum fahre ich dann überhaupt diese Strecke? In Ampass pflegt sogar mein Auto schon zu keuchen, der Anstieg dort ist steil wie mein Osterberg daheim und vier mal so lang, und die Kirche oben drauf kündet vom Elend der Fuhrknechte, die von hier aus das Salz und Silber über die Berge transportierten. Da schiebe ich, habe ich mir vorher gesagt, aber geschoben habe ich dann doch nicht. Das Elend ist: Man verausgabt sich auf den ersten 10 Kilometern und dann wird der Rest eine Qual. Ampas, Aldans, Lans, Heiligwasser, das sind die Orte, entlang derer man sich vom Inntal auf halber Höhe des Patscher Kofels ins Wipptal schleppt. Und es ist wirklich steil, kraftraubend und nicht wirklich ein Vergnügen. Um ehrlich zu sein: Von Hall bis zur Ellbögenstrecke war der Tiefpunkt dieser Fahrt. Steile Rampen, nicht enden wollende Anstiege, langsames Keuchen und die Erkenntnis, dass 12 Kilo Gepäck mehr schon einen Unterschied machen.







Ungefähr 2 Zähne hinten. Ich fahre immer einen Gang weniger dick als sonst. Oder anders gesagt, einer fehlt mir nach oben hin. 30 vorne 27 hinten war ohne Gepäck gut, jetzt wäre 30/30 nett. Oder 32. Oder ein Pedelec, oder der Alpenbus. Daheim steht eine halbfertige Kiste mit 22/32, das wäre fein. Aber irgendwann bin auch ich oben und dann kommt die Ellbögenstrecke und damit die Erklärung, warum man das macht. Schon mit dem Auto ist die Strecke ein Traum, aber mit dem Rad - man kann überall anhalten und schauen - ist es noch schöner. Drüben im Stubaital grüsst der Gletscher herüber, und ganz tief unter uns sind die Autobahn und die Europabrücke. Die ist sehr hoch, aner wir sind schon sehr viel höher. Es ist noch nicht mal Mittag, aber in der Ferne sieht man schon den Brenner.







Es erwachen die Lebensgeister, wir werden überholt und schiessen hinterher, fahren Löcher zu und bleiben dran; gut, eigentlich nur eine Serpentine, aber immerhin, es läuft, und wir sind gut unterwegs. Man wird schnell übermütig und vergisst, was für eine jämmerliche Figur man vor 10 Kilometern noch abgegeben hat. Und die Strecke ist mehr so wie Wellenreiten; es geht nie so lang und so steil hoch, dass man nicht auch noch ein wenig Schwung mitnehmen könnte. Um ehrlich zu sein, hatte ich befürchtet, dass dieser Teil der Fahrt eine Schinderei wird. Aber in Wirklichkeit war der Wechsel von Abfahrten, Kurven, Ausblicken und kurzen Rampen viel zu schnell zu Ende. Dafür konnte ich wenigstens anhalten und ein Bild machen, das mit dem Auto aufgrund der Stelle über dem Abrund nicht möglich ist:







Pfons bzw. Mühlbachl heissen diese Orte, sie sind versteckt unterhalb von Matrei und werden von der Autobahn aus sowieso vollkommen übersehen. In Mühlbachl quert die östlich glegene Ellbögenstrecke den Fluss und vereint sich leider, leider mit der normalen und viel befahrenen Brennerstrecke. Davor aber ist noch die überaus prächtige Pfarrkirche von Pfons, die Zeugnis vom alten Reichtum dieser Region ablegt, als jeder Seidendamast, jedes Zuckerwerk und jedes Gemälde, das den Brenner passierte, an der Kirche vorbeigekarrt wurde.







Wir haben Glück, denn kaum betreten wir die Kirche, beginnt der Chor auch schon seine Probe und zeigt die famose Akustik des Raumes: So in der Art muss das auch für die Menschen des Rokoko gewesen sein, wenn sie hier nach den Strapazen den Gottesdienst besuchten. Wobei es damals ja auch noch Wölfe und Bären und Wegelagerer und Zollstationen und die Pest und Schneebretter und die Inquisition gab, und der Weg auch keine asphaltierte Strasse war. Da kann man schon mal niedersinken und hochschauen und sich wünschen, man würde auch so leben wie die an der Decke.







In Wirklichkeit war es wohl eher so tödlich, wie es am Eingang gezeigt wird; der Friedhof bei der Kirche ist gross und den brauchte man auch so, denn viele haben den Weg hier hoch nicht überlebt. Wir bekommen davon auf dem Rad, wenn wir uns schinden, allenfalls einen Hauch einer Ahnung, wie das damals gewesen sein muss. Die Alpen sind mörderisch, aber bis hierher habe ich überlebt, und ruhen dürfen nur die Toten. Sie bleiben zurück. Wir machen uns auf zum Brenner und nach Italien.

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Samstag, 31. August 2013

Transalp 2013/1

Es war ein perfekter Tag, und es hat fast gar nicht weh getan.nur nach den 100 Kilometern noh einmal auf den Sattel, das war ein weniug fordernd. Aber sont:







Es gab en erstes Frühstück und ein zweites Spätfrühstück und warme, nicht zu heisse Luft, und wäre da nicht schon nach den ersten 10 Kilometern der erste Platten gewesen, und diese Miesbacherin im schwarzen BMW-Cabrio, die plötzlich ohne zu Blinken abbog, wäre es vielleicht zu schön gewesen.







Der Achenpass ist ja eher niedrig, aber insgesant kommen schon auch durch die kleinen, giftigen Zwischenandtiege einige Höhenmeter zusammen. Aber die Stimmung ist gut, die Luft ist perfekt und ausserdem ist das meiste vollkommen autofrei - und wenn es das nicht ist wie beim Weg vom Achenpass ins Inntal, war ich schnell genug, dass mich nieand überholte.







Morgen wird das leider etwas anders, aber heute wird dann in Hall in Tirol erst mal gefeiert; Dass es so gut lief, dass wir so weit sind, dass das Essen in der Geisterburg vorzüglich ist und dann muss der Körper auch noch viel aufnehmen. denn morgen kommt die Ellbogenstrecke und der Brenner.







Aber wir sind so weit gekommen, jetzt gibt es kein zurück und ob es wirklich schwer ist: Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden. Und den fahren wir.

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