Donnerstag, 25. November 2004
Manuela´s Frischnudelservice
Du stehst dahinter, mit einem einzigen Becher Schmand in der Hand. Schmand ist das einzige, was du zu deiner Seeligkeit noch brauchst, denn alles andere ist schon daheim und wartet auf dich: Die rote Speisezwiebel, der Feldsalat, der zu raspelnde Pecorino, die Pinienkerne, der Salbei und der Rosmarin, und die Steinpilz-Panzerotti von Manuela´s Frischnudelservice.
Einen Moment spielst du mit dem Gedanken, der Elitesse auf die knochige Schulter zu tippen, und ihr zu sagen, dass die Dosenravioli die Inhaltsstoffe der Chemiebetriebe haben, für die sie in den PR-Seminaren Notfallpläne entwickeln. Dass es vielleicht legal ist, das Zeug zu vertreiben, aber legal heisst noch lange nicht gesund. Dass bei dir zu Hause dagegen im Kühlschrank, wenn sie dich besuchen wollte, ganz andere...
mehr zu Elitessen und Panzerotti bei restaur.antville.org
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 18. November 2004
Casa Rustica
Unpünktlich um 9 Uhr, als du dich schon auf einen einsamen Abend eingestellt hast, klingelt das Telefon. Du beschreibst ihr nochmal den Weg, und tatächlich, bald darauf, als du unten wartend noch nicht allzu durchgefroren bist, erscheint die schlanke Silhouette ihres Wagens in den silbrigen Fäden des Donaunebels. Ingolstadts Bewohner pflegen den Nebel hier als romantisch zu betrachten, und tatsächlich hat es was Anheimelndes, wenn man durch die alten Gassen an den verlassenen Lügenpalästen der Jesuiten und Kapuziner vorbei geht, über einem der Mond, und in der Luft das Wabern der kondensierten Feuchtigkeit. Mary Shelley hat einen Volltreffer gelandet, als sie die Erschaffung von Frankensteins Monster in dieser Stadt angesiedelt hat.
Du könntest ihr viel erzählen; die Stadt ist voll von grausigen Geschichten. Hier herrschten tragische Gestalten, die am Ende im Kerker verreckten, hier stritten sich Mönche über die brutalstmögliche Hinrichtung von Hexen, hier herrschte immer der dumpfe Geist der Reaktion, aber du ersparst es ihr, denn sie steigt aus und sagt, dass es hier spooky ist, und du willst ihr die Essenslust nicht verderben. Du führst sie durch die Gassen in Richtung Rathausplatz, und als ihr am unvermeidlichen Sausalitos vorbeikommt, ist sie schon wieder etwas beruhigt. Eine Stadt, in der es bei Sausalitos eine Happy Hour gibt, kann eigentlich keine verfluchte Stadt sein. Dann weiter durch eine dunkle Gasse über altes Kopfsteinpflaster hinunter, und dort, im mittelalterlichen Häusermeer, hell erleuchtet, das Ziel, die Casa Rustica im Cafe Kürzinger.
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Donnerstag, 4. November 2004
Monochrom
Deine Bedingung - auch ein, zwei erotische Bilder, nur mal so zum Ausprobieren - quittiert sie mit einem marzipanweichen "Vielleicht". Du bist froh, dass du viel Geduld und eine russische Kopie der Leica II besitzt. Du brauchst jetzt eigentlich nur noch nicht allzu gutes Filmmaterial, um diese typische 20er-Jahre-Körnung hinzubekommen. Illford ist viel zu gut und scharf, die DDR-Orwo-Filme sind längst vom Markt verschwunden. Aber du hast vor kurzem bei ihr in der Nähe ein Geschäft gesehen, das Monochrom heisst und sich auf Schwarzweiss spezialisiert hat.
Wie es mit ihr ausgeht, steht bei Restaur.antville
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Donnerstag, 21. Oktober 2004
Lass uns Freunde bleiben
Du kommst etwas zu früh, gehst durch den Raum mit der Theke hoch ins zweite Zimmer, und nimmst einen richtigen Tisch. Es gibt zwar auch Sessel mit Couchtischen, aber heute steht eine Verschwörungen auf der Tagesordnung, du willst Köpfe zusammenstecken und Pläne schmieden. Das Ambiente mit einer unverputzten Wand und den gelblichen Farben passt zu den Plänen. Es ist nicht viel los, manche Leute lesen Zeitungen oder reden leise über die Krise in ihrem Leben. Du gehst an die Bar, und bist von den Preisen doch etwas überrascht, die heisse Zitrone kostet 1,30 Euro, mit Zucker oder Honig, und es ist wirklich Zitrone und nicht Zitronensaftkonzentrat. In einer kleinen Theke steht ungeschickt geformter, aber wie bei Muttern schmeckender Kuchen, die Baguettes sind bodenständig wie ein Pausenbrot. Es ist zwar Selbstbedienung angesagt, aber das dünne Mächen meint, dass sie dir alles an den Tisch bringt.
Während deine Freunde anrufen und sagen, dass sie etwas zu spät kommen, schaust du in die Gesichter der Anwesenden. Sie sehen alle nicht so aus, als ob es ihnen zu gut gehen würde, aber hier haben sie einen Moment der Ruhe in ihrem Daseinskampf, manchmal bekommen Lippen wieder Farbe, da hinten lacht jemand, und das Mädchen am Nachbartisch beginnt nach einer halben Stunde, doch erkennbar mit ihrem Gegenüber zu flirten; sie beugt sich über den Tisch, lässt Haarstähnen nach vorne fallen, und streicht sich über die Lippen. Vielleicht wird ihr Leben in diesem Augenblick wieder schön.
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Donnerstag, 30. September 2004
Mr. Hai and Friends vs. George Grosz
Du und sie, ihr habt es fast ohne Kratzer überstanden. In gewisser Weise seid ihr beide immer noch am Drücker, ihr müsst nicht sparen, zumal es in Berlin sowieso kaum teure Restaurants gibt. Du schlägst ihr das Mr. Hai and Friends am Savigny-Platz vor; ein vietnamesisches Restaurant, das im ersten halben Jahr seines Bestehens viele Freunde gefunden hat, darunter auch dich.
Der Savigny-Platz war vor der Wende das gehobene Vegnügungsviertel Berlins, bevor dann das ganze Trendpublikum nach Mitte zog. Seitdem hat die Gegend ziemlich nachgelassen, aber mit Mr. Hai & Friends gibt es jetzt wieder einen neuen Anziehungspunkt. Es ist Samstag, und der Laden ist brechend voll. Wir fragen nach einem Tisch für zwei. Der Platz, den man uns bietet, missfällt deiner Bekannten, denn daneben sitzt weibliches TV-Plebs der C-Prominenz Marke Käferfresser. Für einen Moment verfluchst du dich, unter der Woche gibt es hier sowas nicht, und ausgerechnet jetzt - aber dann wird ein anderer Platz frei, und ihr habt ein paar Meter Freiraum. Man muss ja nicht hinschauen. Man kann sich auch am Interieur des Lokals erfreuen, das mit seinen Grün- und Brauntönen sehr gelungen ist. Rechts hinten ist die Küche mitten ins Lokal gebaut, man kann dem Koch zuschauen, und er ist eine wahrer Meister am Feuer. Manchmal züngeln die Flammen hoch und spiegeln sich in den schönen Augen deiner Bekannten.
mehr bei Restaurantville, auch zur Frage, was das alles mit George Grosz zu tun hat
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Montag, 20. September 2004
Gathof Schuster, Greding
Ausserdem erzählst du ihr, dass im Schloss Greding, einer der grössten Antiquitätenhandlungen Süddeutschlands, eine neue Lieferung angekommen ist, und sie sagt spontan, dass sie da hin will, jetzt und sofort und auf der Stelle. Du musst natürlich mit, weil der Orientierungssinn deiner kleinen Schwester ebenso lausig ist wie die Bedienbarkeit des Bordcomputers. Und so pilotiert sie dich über die Autobahn nach Greding, einem wunderschönen Ort im Altmühltal, den durchreisenden Ignoranten vor allem bekannt durch seinen Mc Donalds, der hier die Landschaft verschandelt.
Kaum seid ihr von der Autobahn runter, verändert sich das Bild: Durch ein gotisches Tor geht es hinein in diese grandiose Barockstadt. Greding ist im Altmühltal das, was Graz für Österreich ist: An einem warmen Südhang angelegt, fast keine Neubauten, und der Bürgerstolz hat dafür gesorgt, dass alles, vom kleinen Fachwerkhaus bis zum Stadtpalast, liebevoll gepflegt ist.
Es ist Mittag, und so beschliesst ihr, erst mal Essen zu gehen.
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Samstag, 11. September 2004
Silberallee, Schöneberger Flohmarkt, Berlin
Sie hat angefangen. Schon immer. Und du warst immer der Dumme. Zum Beispiel vor drei Jahren, als sie angefangen hat, deinen Eltern zu jedem grösseren Anlass Silber zu schenken. Nicht das es unbedingt nötig wäre, es gibt im Wortsinn Familiensilber, aber sie fügte laufend Objekte hinzu. Und jedesmal hast du dich geärgert, über die dummen Sprüche deiner kleinen Schwester, bei welchem wuchernden Trödler am Münchner Viktualienmarkt sie das aufgegabelt hat und wie teuer das war. Und du hattest nie sowas gekauft.
Du hast dir geschworen, es ihr irgendwann heimzuzahlen. Als sie das letzt Mal wieder mit einer kitschig verpackten Kleinigkeit aus ihrem Roadster stieg, bist du auch gerade aus Berlin angekommen, mit einer orangen Plastiktüte und Zeitungspapier in der Hand. Sie ging vorran, überreichte Deinen Eltern das Dingens und beglückwünschte sie. Dann warst du dran. Du hast was von wegen "keine Zeit mehr es zu verpacken" gemurmelt, umstandlich ein anderthalb Kilo schweres Biedermeiertablett aus 13löthigem Silber aus der Tüte gezogen und es ihnen hingehalten. Es ist in etwa so gross, dass deine Schwester noch 5 Jahre Zeug von ihren grattligen Wucherern anschleppen muss, um es zu füllen. Ihr Blick in diesem Moment - unbezahlbar.
Das alles verdankst du der Silberallee, einem Budenweg am südlichen Rand des Flohmarktes am Schöneberger Rathaus in Berlin.
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Dienstag, 7. September 2004
Kunsthandel J.&G. Laue
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Montag, 30. August 2004
Schlemmer Pavilion
Das Burger und sein Nachbar, der Club der polnischen Versager, sind für dich No Go Areas, auf einer Stufe mit dem Käfer Festzelt auf dem Oktoberfest. Pseudo pur. Authentisch wie Eichenimitat. Sie will die Subkultur, das Andere, das Fertige, das Kaputte. Kann sie haben. Du wirst mit ihr einfach ein paar Meter weitergehen, zum Schlemmer Pavilion. Der Pavillion ist so eine Art Anlaufstelle für die Sorte schräge Gestalten, über die Kaminer schreibt.
Du hast ihn für dich entdeckt, als dich diese russischen Gitarrenspieler mit ihren Rädern umgenietet haben. Es tat ihnen furchtbar Leid, dass sie dich von hinten auf dem Bürgersteig niedergewalzt hatten, und sie meinten, auch wenn nichts passiert sei: Du müsstest zumindest was mit ihnen trinken....
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Freitag, 20. August 2004
Restaur.antville Profil
Autor: Don Alphonso Porcamadonna
Mitte 30, geboren in Bayern, Vorfahren kamen aus Böhmen, Österreich, der Oberpfalz, dem Elsass und Franken.
Tätigkeit: Journalist, Autor
Wohnorte: München, Ingolstadt, Berlin
Idealorte: St. Valier de Tiers (ein Dorf bei Grasse, Provence), Urbino (Italien), die Region Mantua (Italien), Matala (Kreta), Pappenheim (Mittelfranken), Ingolstadt (Oberbayern)
Facilities: Gerne Gebrauchtwaren, Dinge mit Geschichte, Unikate und Handwerk. Von der Mehrheit missachteter Reichtum wie Orientteppiche, Silber, Porzellan, Messing, Kristall. Klassisches, Praktisches, Bewährtes, Robustes, heimische Materialien wie Nussbaum oder Kirschholz, Kleidung italienisch, Technik historisches, das an die goldenen Zeiten der New Economy erinnert. Erhebliche Erfahrungen im Umgang mit weiblichen Shopping-Touren durch alle Preislagen.
Sights: Am Besten das, was andere nicht sehen, weil sie zu schnell sind, das Nahe verachten oder der Mehrheit folgen. Mikrokosmen, Bedeutungsvolles, Symbolisches, Beruhigendes, das unbeweglich im Zeitstrom steht. Landschaften, die Kunstgeschichte schreiben könnten. Berge, Hügel und Täler sind wichtig, Gegenden ohne vertikale Dimension ein Gräuel.
Food: Als Vegetarier und Antialkoholiker begrenzt, aber alles andere als protestantisch-karg. Ich stamme aus einer grandiosen Essenslandschaft. Prinzipiell liegt mir das Deftige mehr als das Verhungerte, das Ländliche mehr als das Verfeinerte, das Würzige mehr als das Lasche, das Traditionelle mehr als das Neuartige, die Spezialitäten mehr als das Importierte, und der Süden mehr als der Norden. Viel ist gut, wenig ist schlecht, der Preis ist dann nicht so wichtig. Ich koche selbst gern und habe feine Rezeptoren, was Gewürze angeht. Auf einer fünfteiligen Scala Connaisseur - Gourmet - Bonvivant - Gourmand - Gargantua würde ich mich zwischen Gourmand und Gargantua einordnen.
Places: Das Morbide hat seinen Reiz wie das Warme, das Alte, Gewachsene ist immer dem Geschichtslosen vorzuziehen. Designte Perfektion langweilt mich wie das Nagelneue. Orte, deren Geschichte schaudern lässt, und die die Mehrheit vergessen möchte. Süden.
Modus vivendi:
Contra Deum terramque.
Freigiebigkeit ist eine Tugend, Enthaltsamkeit ein Laster.
Genuss ist Lebenszweck.
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