Mittwoch, 8. September 2004
7 Fischköpfe
irgendwie sind wir dann doch in diesem Restaurant gelandet, das im Moment halbschick ist und noch Preise nimmt, die bei den Gästen eine soziale Trennung vornimmt. Draussen sagt man uns, wenn wir was essen wollten, müssten wir jetzt rein, drinnen sagt man uns, die Küche sei schon kalt. Es ist aber nicht weiter schlimm, denn es gibt hier fast nur Fisch, deshalb auch der Name, und deshalb auch kein Begehr bei mir.
Um uns herum ist ein Publikum, dessen Fressen erheblich an ausgestopfte Hechte und Barsche erinnern. Extrem kurze Haare, kleine, böse Augen, und unangemessene Posen dafür, dass sie gerade Nahrung zu sich nehmen. Auch hier ist der Ellenbogen im Volleinsatz, die Flughöhe der Mäuler nur wenige Zentimeter über den Tellern. Mittleres Management, meint meine Schwester abfällig.
Wir reden über angenehme Orte und Dinge. Um uns herum wird über Chancen, Profite und Bezüge gegrölt, geschrien und getuschelt. Man ist, was man tut. Die Leute, die das hier wahrscheinlich über Spesen finanzieren, können noch nicht mal jetzt abschalten. Irgendwas in ihren Hirnen lässt sie zurückspringen in die Konferenzräume, an die Flip Charts, an die Telefone, sie perpetuieren ein Dasein, zu dem sie keine Alternative entwickelt haben. Luftholen wäre für sie tödlich.
Ich glaube, dass notorische Fischfresser, in Bayern zumal, von der Kälte der Tiere und ihres Lebensraumes angezogen sind, von der Stille, die sie dann nicht zu füllen bräuchten, und vom Druck, der im Wasser auf ihnen lastet. Haifischflossensuppe ist für sie Kannibalismus; sehr roher sogar: Nebenan löffelt jemand, indem er den gesamten Suppenlöffel in den weit aufgerissenen Mund schiebt.
Wir bitten sofort um die Rechnung.
Um uns herum ist ein Publikum, dessen Fressen erheblich an ausgestopfte Hechte und Barsche erinnern. Extrem kurze Haare, kleine, böse Augen, und unangemessene Posen dafür, dass sie gerade Nahrung zu sich nehmen. Auch hier ist der Ellenbogen im Volleinsatz, die Flughöhe der Mäuler nur wenige Zentimeter über den Tellern. Mittleres Management, meint meine Schwester abfällig.
Wir reden über angenehme Orte und Dinge. Um uns herum wird über Chancen, Profite und Bezüge gegrölt, geschrien und getuschelt. Man ist, was man tut. Die Leute, die das hier wahrscheinlich über Spesen finanzieren, können noch nicht mal jetzt abschalten. Irgendwas in ihren Hirnen lässt sie zurückspringen in die Konferenzräume, an die Flip Charts, an die Telefone, sie perpetuieren ein Dasein, zu dem sie keine Alternative entwickelt haben. Luftholen wäre für sie tödlich.
Ich glaube, dass notorische Fischfresser, in Bayern zumal, von der Kälte der Tiere und ihres Lebensraumes angezogen sind, von der Stille, die sie dann nicht zu füllen bräuchten, und vom Druck, der im Wasser auf ihnen lastet. Haifischflossensuppe ist für sie Kannibalismus; sehr roher sogar: Nebenan löffelt jemand, indem er den gesamten Suppenlöffel in den weit aufgerissenen Mund schiebt.
Wir bitten sofort um die Rechnung.
donalphons, 13:40h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 6. September 2004
Real Life 06.09.04 - AlterWohlstand24
Ja, es kommt auch kein Tropfen durch.
Weitaus wichtiger ist aber, dass nicht nur der Griff, sondern auch noch die Spitze des Schirms mit Leder überzogen ist. Man sollte also darauf achten, dass die Spitze nicht nass wird.
Aber wer so einen Regenschirm kauft, muss sich ohnehin nur ganz selten, und eher zufällig, dem Regen aussetzen. Leute wie meine Schwester eben. Und, qua Abstammung, auch ein klein wenig wie ich, fürchte ich.
Weitaus wichtiger ist aber, dass nicht nur der Griff, sondern auch noch die Spitze des Schirms mit Leder überzogen ist. Man sollte also darauf achten, dass die Spitze nicht nass wird.
Aber wer so einen Regenschirm kauft, muss sich ohnehin nur ganz selten, und eher zufällig, dem Regen aussetzen. Leute wie meine Schwester eben. Und, qua Abstammung, auch ein klein wenig wie ich, fürchte ich.
donalphons, 23:58h
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Outgunned
Es gibt Leute, die irgendwie alles überleben. Jeden Missgriff, jede Intrige und jede Downsizingrunde. Ihre einzige strategische Fähigkeit ist das Überleben und das Vorschicken von Opfern. S. ist so ein Fall. Nie einen Schritt ohne Protektion, immer vorher schon bei den richtigen Leuten das Überleben abgekaspert. Seit 7 Jahren keine Beförderung, aber auch kein Rausschmiss. Nicht schlecht bei einer derartig schlecht ausgefüllten Führungsposition im Medienbereich.
Nur die 5 Wochen Urlaub am Stück waren ein Fehler. In 5 Wochen kann viel passieren, auch in der Ferienzeit. Gerade in der Ferienzeit haben die HR-Abteilungen an Geschwindigkeit gewonnen. Vielleicht hätte er es überlebt, wenn er vor Ort gewesen wäre. Aber er fühlte sich wohl etwas zu sicher, nach den 7 Jahren.
47 ist kein gutes Alter, um im Medienbereich arbeitslos zu sein. Das wird er erfahren, wenn er wieder da ist. Es sagt aber einiges über die Arbeit in seiner Firma, dass ich es schon weiss und darüber schreibe, während er noch nicht mal im Flieger nach Hause sitzt. ich würde dort nicht arbeiten wollen. Mean companies create mean management.
Nur die 5 Wochen Urlaub am Stück waren ein Fehler. In 5 Wochen kann viel passieren, auch in der Ferienzeit. Gerade in der Ferienzeit haben die HR-Abteilungen an Geschwindigkeit gewonnen. Vielleicht hätte er es überlebt, wenn er vor Ort gewesen wäre. Aber er fühlte sich wohl etwas zu sicher, nach den 7 Jahren.
47 ist kein gutes Alter, um im Medienbereich arbeitslos zu sein. Das wird er erfahren, wenn er wieder da ist. Es sagt aber einiges über die Arbeit in seiner Firma, dass ich es schon weiss und darüber schreibe, während er noch nicht mal im Flieger nach Hause sitzt. ich würde dort nicht arbeiten wollen. Mean companies create mean management.
donalphons, 12:46h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 1. September 2004
Zu verrecken Mode
Für Gaultier, vielleicht. Für Galtier hätten wir in schwachen Momenten gesagt, dass wir sterben würden. Aber eher doch nicht. Warum auch. Wir waren jung und hatten das Geld. Wir sind einkaufen gegangen, Gaultier, Hemd von Byblos, Schuhe bei Bally, Eltern zahlen. Wir hatten Freunde, deren Eltern manchmal nicht zahlten. Die klauten als Stammkundschaft eine Weile, bis sie wieder Geld hatten oder erwischt wurden. Aber sterben würde niemand.
Es gab Leute, die das gesagt haben. Das waren die, denen der Kauf an sich wichtig war. Die Besitz irrational wichtig nahmen. Die das Sakko so hinlegten, dass man die Marke sah. Was bei galtier vollkommen überflüssig war, denn das hat man einfach erkannt. Solche Leute sagten, um die Aufopferung ihres Geldes zu demonstrieren, dass sie sterben würden, für Kleidung Ein Spruch für Leute, die im Kern Masochisten sind, sich an ihre Stelle gequält haben, und jetzt das Geld mit der Attitüde eines abgefuckten Marathonläufers verprassen. Für solche Leute gibt es solche Läden:
Das heisst, heute würden sie nicht mehr so leicht sterben. Sterben ist inzwischen zur realen Gefahr geworden. Sie sterben jeden Tag. Wenn sie am Bankautomat beten, dass der noch was ausspuckt. Wenn die dritte Mahnung wegen der Miete eintrifft. Wenn die Firma sagt, dass die EDV streikt, aber man auch mal über 10 weniger reden sollte, wegen der Solidarität. Oder wenn das nächste Downsizing kommt. Es gibt viele Gelegenheiten für sie, um zu sterben. Sehr unfashionable. Und überhaupt sieht das nicht nach einem leichten Freudentod aus, sondern nach verrecken im Schlamm.
Bis dahin sind sie erst mal in Agonie und überlegen, ob sie nicht doch was von der vorvorletzten Winterkollektion reaktivieren können. Niemand stirbt gern, in diesem kommenden, kalten Winter. Wir müssen nicht, sie wollen nicht. Natürlich tun sie uns leid. Und es ist noch nicht mal in unserem Sinn, dass ihr langsames Verrecken, ihr Abstieg aus der Leistungsgesellschaft, die Gesellschaftsstrukturen unserer Eltern erneuert.
Aber zuerst mal sind wir froh, dass unser Leben noch schön ist.
Es gab Leute, die das gesagt haben. Das waren die, denen der Kauf an sich wichtig war. Die Besitz irrational wichtig nahmen. Die das Sakko so hinlegten, dass man die Marke sah. Was bei galtier vollkommen überflüssig war, denn das hat man einfach erkannt. Solche Leute sagten, um die Aufopferung ihres Geldes zu demonstrieren, dass sie sterben würden, für Kleidung Ein Spruch für Leute, die im Kern Masochisten sind, sich an ihre Stelle gequält haben, und jetzt das Geld mit der Attitüde eines abgefuckten Marathonläufers verprassen. Für solche Leute gibt es solche Läden:
Das heisst, heute würden sie nicht mehr so leicht sterben. Sterben ist inzwischen zur realen Gefahr geworden. Sie sterben jeden Tag. Wenn sie am Bankautomat beten, dass der noch was ausspuckt. Wenn die dritte Mahnung wegen der Miete eintrifft. Wenn die Firma sagt, dass die EDV streikt, aber man auch mal über 10 weniger reden sollte, wegen der Solidarität. Oder wenn das nächste Downsizing kommt. Es gibt viele Gelegenheiten für sie, um zu sterben. Sehr unfashionable. Und überhaupt sieht das nicht nach einem leichten Freudentod aus, sondern nach verrecken im Schlamm.
Bis dahin sind sie erst mal in Agonie und überlegen, ob sie nicht doch was von der vorvorletzten Winterkollektion reaktivieren können. Niemand stirbt gern, in diesem kommenden, kalten Winter. Wir müssen nicht, sie wollen nicht. Natürlich tun sie uns leid. Und es ist noch nicht mal in unserem Sinn, dass ihr langsames Verrecken, ihr Abstieg aus der Leistungsgesellschaft, die Gesellschaftsstrukturen unserer Eltern erneuert.
Aber zuerst mal sind wir froh, dass unser Leben noch schön ist.
donalphons, 16:11h
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Sonntag, 29. August 2004
Nach dem Einschlag
Der Kirch-Konzern hatte in den letzten Jahren seines Bestehens durch die Fragmentierung seiner Tochtergesellschaften enorme Überkapazitäten an Verkaufs- und Geschäftsentwicklungspersonal. Man stand sich gegenseitig auf den Füssen, und verwendete den Grossteil der Arbeitszeit für ein irrwitziges Kompetenzgerangel.
Solche Systeme bekommen schnell eine rasante Eigendynamik. Die Leitung des Konzerns fand jede Form von zukunftsgerichtetem Ausbau gut, weil die Gegenwart meistens nicht wirklich schön war. Es wurde eingestellt, was das Zeug hielt; am besten von den lächerlichen Marketing-Akademien des Landes, die dann Seilschaften entwickelten. Es wurden Posten vergeben und Karrieren hingelegt, die eigentlich nur aus neuen Visitenkarten bestanden. Fast täglich meldeten Kress.de und Horizont.net neugeschaffene Leitungsposten in neugeschaffenen Units.
Momentan bekomme ich im Brotberuf häufig Anrufe von irgendwelchen Kleinstklitschen, von denen ich noch nir etwas gehört habe. Fast immer irgendas mit Vertrieb von Medienprodukten, Marketing, Image Building, fast immer mit diesen witzigen 99er Namen: Blueirgendwas (Bei Liquide heisst eine abstürzende Firma Blue4Media), Blabla4irgendwas, dann aber auch Visions und, gerade wenn Frauen die Inhaberinnen sind, irgendwas Süsses, verspieltes wie Candyfasel oder Freshgeblubber. Aus irgendeiner Grossstadt, und meistens in einer loftigen New-media-Ansiedlungs-Meile.
Bevor man überhaupt weiter diskutiert, schaut man erst mal nach, wer das eigentlich ist. Und viele leitendes Personal dieser Agenturen haben einen Lebenslauf mit einer Station bei Kirch, als der Laden pleite ging. Dann eine Lücke, und dann ab 2003 eine eigene Firma. Wenn man dort anruft, geht immer die Chefin ran. Mitarbeiter erzählen, dass sie ja eigentlich nur frei hier arbeiten und oft nicht da sind.
Eigentlich müsste die Geschichte lauten: Nach der Pleite gefeuert, denn Saban hat in diesem Bereich gnadenlos aufgeräumt. Dann die Abfindung durchgeorgelt, arbeitslos gewesen, keine Stelle trotz der tollen früheren Position gefunden, sich so lange bei den Absagen mit dem Wort "überqualifiziert" den Bauch pinseln lassen, bis sie es geglaubt haben - und dann haben sie ihr eigenes Ding aufgemacht. Oft nicht in München, weil es da zu teuer ist. In allen grösseren Städten sitzen sie jetzt, die Ex-Kirchler, machen Kontakte über OpbenBC, geben Golf als Hobby an, und warten darauf, dass es besser wird. Vetreten die Interessen anderer Kleinstfirmen auf Provisionsbasis. Suchen nach einem Loch aus diesem Wirtschaftskreislauf der immer gleichen, immer vom Konkurs bedrohten Media-Creativ-marketing-Werbungs-Webdising-Branding-Szene.
Und klingen sehr schnippisch, wenn ich ihnen mitteilen muss, dass wir auf ihr Anliegen leider nicht zurückkommen werden. Ja, ich weiss, es ist ein gutes Angebot, aber im Moment, leider, nein, wirklich nicht, und auch in zwei Wochen wird sich unsere Position nicht grundlegend geändert haben, danke.
Solche Systeme bekommen schnell eine rasante Eigendynamik. Die Leitung des Konzerns fand jede Form von zukunftsgerichtetem Ausbau gut, weil die Gegenwart meistens nicht wirklich schön war. Es wurde eingestellt, was das Zeug hielt; am besten von den lächerlichen Marketing-Akademien des Landes, die dann Seilschaften entwickelten. Es wurden Posten vergeben und Karrieren hingelegt, die eigentlich nur aus neuen Visitenkarten bestanden. Fast täglich meldeten Kress.de und Horizont.net neugeschaffene Leitungsposten in neugeschaffenen Units.
Momentan bekomme ich im Brotberuf häufig Anrufe von irgendwelchen Kleinstklitschen, von denen ich noch nir etwas gehört habe. Fast immer irgendas mit Vertrieb von Medienprodukten, Marketing, Image Building, fast immer mit diesen witzigen 99er Namen: Blueirgendwas (Bei Liquide heisst eine abstürzende Firma Blue4Media), Blabla4irgendwas, dann aber auch Visions und, gerade wenn Frauen die Inhaberinnen sind, irgendwas Süsses, verspieltes wie Candyfasel oder Freshgeblubber. Aus irgendeiner Grossstadt, und meistens in einer loftigen New-media-Ansiedlungs-Meile.
Bevor man überhaupt weiter diskutiert, schaut man erst mal nach, wer das eigentlich ist. Und viele leitendes Personal dieser Agenturen haben einen Lebenslauf mit einer Station bei Kirch, als der Laden pleite ging. Dann eine Lücke, und dann ab 2003 eine eigene Firma. Wenn man dort anruft, geht immer die Chefin ran. Mitarbeiter erzählen, dass sie ja eigentlich nur frei hier arbeiten und oft nicht da sind.
Eigentlich müsste die Geschichte lauten: Nach der Pleite gefeuert, denn Saban hat in diesem Bereich gnadenlos aufgeräumt. Dann die Abfindung durchgeorgelt, arbeitslos gewesen, keine Stelle trotz der tollen früheren Position gefunden, sich so lange bei den Absagen mit dem Wort "überqualifiziert" den Bauch pinseln lassen, bis sie es geglaubt haben - und dann haben sie ihr eigenes Ding aufgemacht. Oft nicht in München, weil es da zu teuer ist. In allen grösseren Städten sitzen sie jetzt, die Ex-Kirchler, machen Kontakte über OpbenBC, geben Golf als Hobby an, und warten darauf, dass es besser wird. Vetreten die Interessen anderer Kleinstfirmen auf Provisionsbasis. Suchen nach einem Loch aus diesem Wirtschaftskreislauf der immer gleichen, immer vom Konkurs bedrohten Media-Creativ-marketing-Werbungs-Webdising-Branding-Szene.
Und klingen sehr schnippisch, wenn ich ihnen mitteilen muss, dass wir auf ihr Anliegen leider nicht zurückkommen werden. Ja, ich weiss, es ist ein gutes Angebot, aber im Moment, leider, nein, wirklich nicht, und auch in zwei Wochen wird sich unsere Position nicht grundlegend geändert haben, danke.
donalphons, 16:28h
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Donnerstag, 26. August 2004
Elevator Pitch
In der guten, schlechten alten Zeit lernte ich mal einen jungen Mann aus dem Risikokapitalgeschäft, dem VC Business, im Aufzug kennen. Das war Ende 2000, als noch niemand so recht an das Ende der New Economy glauben wollte. Vom Keller bis zum Erdgeschoss hatten wir Visitenkarten getauscht, ich sagte ihm, dass ich ein paar Investments kannte, er wollte bis zum ersten Stock wissen, wie ich sie fand, ich warf bis zum dritten Stock ein paar Usability-Brocken hin, und beim Aussteigen sagte er, ich solle ihn unbedingt nächste Woche anrufen, da geht sicher einiges, wir würden uns verstehen. Dann ging die Tür zu, und brachte mich in den 4. Stock.
Die Woche drauf trafen wir uns in einem der typischen VC-Cafes - nicht im Odeon in der Theresienstrasse, das erst in der Zeit nach dem Hype zum Treffpunkt für die "Szene" werden sollte, sondern in einem Laden, der es vor allem auf die Apanage junger BWL-Studenten abgesehen hatte, mit braunen Wänden, geschnörkelter Speisekarte und Pseudo-Art-Deco an der Bar. Wir sprachen ein Projekt durch, bei dem sie eine kleine Summe als Starthilfe investiert hatten. Das war ganz schnell gegangen; die Gründer hatten sie auch im Aufzug angesprochen, und die Idee war sofort verständlich: Das musste einfach ein Erfolg werden. Nur die Website sah noch ziemlich traurig aus. Ich solle doch mal was über die Probleme schreiben, zu den üblichen Tarifen, sie würden das dann mit denen umsetzen.
Ich bin ein sprunghafter Mensch. Ich schob alles andere beiseite, hackte die 20 Seiten Usability-Report in drei Tagen runter, schickte sie mitsamt Rechnung, bekam mein Geld, und alles war gut. Für mich. Angewendet wurden meine Erkenntnisse dann nicht mehr. Was die Gründer im Aufzug nicht mehr loswerden konnten, und dann auch nicht mehr erwähnten, war ein entscheidendes Problem: Für den Betrieb ihres Shops hätten sie Lizenzen benötigt, die sie nicht hatten. Die Post von den Rechteinhabern nahmen sie erst dann ernst, als es Gerichtsbeschlüsse gegen sie gab. Sie hätten rund 15.000 Euro mehr gebraucht, um die Anwaltskosten und die fälligen Rechnungen für den Betrieb zu zahlen. Sie gingen pleite, ohne auch nur jemals einen Cent verdient zu haben. Ziemlich genau eine Woche, nachdem ich meinen Bericht abgeschickt hatte. Der Investor versuchte im letzten Moment, sein Geld zu retten - keine Chance.
Man sagt, so eine Fahrt im Aufzug würde zumindest reichen, um den anderen einschätzen zu können. Es stimmt nicht. Im Aufzug reagiert man ganz anders als im realen Leben. Wollte man wirklich aussagekräftige Elevator Pitches machen, müsste man 220 Stockwerke nehmen - und zwar abwärts, im freien Fall nach unten, mit nur einem Fallschirm an Bord. Wer in dieser Situation den anderen den Fallschirm abquatschen kann, überlebt auch als Startup.
Die Woche drauf trafen wir uns in einem der typischen VC-Cafes - nicht im Odeon in der Theresienstrasse, das erst in der Zeit nach dem Hype zum Treffpunkt für die "Szene" werden sollte, sondern in einem Laden, der es vor allem auf die Apanage junger BWL-Studenten abgesehen hatte, mit braunen Wänden, geschnörkelter Speisekarte und Pseudo-Art-Deco an der Bar. Wir sprachen ein Projekt durch, bei dem sie eine kleine Summe als Starthilfe investiert hatten. Das war ganz schnell gegangen; die Gründer hatten sie auch im Aufzug angesprochen, und die Idee war sofort verständlich: Das musste einfach ein Erfolg werden. Nur die Website sah noch ziemlich traurig aus. Ich solle doch mal was über die Probleme schreiben, zu den üblichen Tarifen, sie würden das dann mit denen umsetzen.
Ich bin ein sprunghafter Mensch. Ich schob alles andere beiseite, hackte die 20 Seiten Usability-Report in drei Tagen runter, schickte sie mitsamt Rechnung, bekam mein Geld, und alles war gut. Für mich. Angewendet wurden meine Erkenntnisse dann nicht mehr. Was die Gründer im Aufzug nicht mehr loswerden konnten, und dann auch nicht mehr erwähnten, war ein entscheidendes Problem: Für den Betrieb ihres Shops hätten sie Lizenzen benötigt, die sie nicht hatten. Die Post von den Rechteinhabern nahmen sie erst dann ernst, als es Gerichtsbeschlüsse gegen sie gab. Sie hätten rund 15.000 Euro mehr gebraucht, um die Anwaltskosten und die fälligen Rechnungen für den Betrieb zu zahlen. Sie gingen pleite, ohne auch nur jemals einen Cent verdient zu haben. Ziemlich genau eine Woche, nachdem ich meinen Bericht abgeschickt hatte. Der Investor versuchte im letzten Moment, sein Geld zu retten - keine Chance.
Man sagt, so eine Fahrt im Aufzug würde zumindest reichen, um den anderen einschätzen zu können. Es stimmt nicht. Im Aufzug reagiert man ganz anders als im realen Leben. Wollte man wirklich aussagekräftige Elevator Pitches machen, müsste man 220 Stockwerke nehmen - und zwar abwärts, im freien Fall nach unten, mit nur einem Fallschirm an Bord. Wer in dieser Situation den anderen den Fallschirm abquatschen kann, überlebt auch als Startup.
donalphons, 18:50h
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Freitag, 20. August 2004
Don´t blame me.
Ein Waschsalon ist nicht New Economy, sondern 80ies - wir alle erinnern uns noch an den Film "Mein wunderbarer Waschsalon", ein Film über das Gründen und Sex. Sex war in der New Economy kaum vorhanden, statt dessen galt das Motto "Oversexed & Underfucked". However, Jim wollte es so. Bitte.
Eigentlich wollte ich mit dieses Bild des im Fenster eines Waschsalons sitzenden Mädchens für Restaur.antville aufheben, aber was soll´s.
Eigentlich wollte ich mit dieses Bild des im Fenster eines Waschsalons sitzenden Mädchens für Restaur.antville aufheben, aber was soll´s.
donalphons, 21:14h
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Samstag, 14. August 2004
Neologismus
Von Frau Fragmente kommt ein ultraseltenes, bei Google kaum findbares Wort, das traumhaft in die New Economy gepasst hätte: Bellybuttonbabes bzw Bellybuttonbabe (Singular).
Wir hätten es damals mit ganz weichem B ausgesprochen, dann zu BBB werden lassen, und am Ende zu Triple-B gemacht. Das BBB, die ideale Frau für die CEOs des WWW. Leider sind wir dafür zu früh ausgestorben.
Schade. Es wäre ein wunderbarer Eintrag im Glossar von Liquide gewesn:
Bellybuttonbabe, das (Abk. BBB oder Triple-B): Häufig gepiercter, freistehender Bauchnabel mit junger Frau drumrum. Weiblicher Krankheitsherd bei Rückenleiden, Lüngenentzündung und Sommergrippe. Das B. ist meist in Begleitung eines leitenden Mitarbeiters zu finden, der darauf achtet, dass es nicht länger als 1 Stunde am Tag produktiv tätig ist.
So hätten wir das gemacht, Anno 2000, in den ersten Monaten.
Wir hätten es damals mit ganz weichem B ausgesprochen, dann zu BBB werden lassen, und am Ende zu Triple-B gemacht. Das BBB, die ideale Frau für die CEOs des WWW. Leider sind wir dafür zu früh ausgestorben.
Schade. Es wäre ein wunderbarer Eintrag im Glossar von Liquide gewesn:
Bellybuttonbabe, das (Abk. BBB oder Triple-B): Häufig gepiercter, freistehender Bauchnabel mit junger Frau drumrum. Weiblicher Krankheitsherd bei Rückenleiden, Lüngenentzündung und Sommergrippe. Das B. ist meist in Begleitung eines leitenden Mitarbeiters zu finden, der darauf achtet, dass es nicht länger als 1 Stunde am Tag produktiv tätig ist.
So hätten wir das gemacht, Anno 2000, in den ersten Monaten.
donalphons, 00:19h
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Dienstag, 3. August 2004
Munich Area revisited
Im Sommer des Jahres 1999 kam ich zum ersten Mal auf das sogenannte Stettenkasernen-Gelände an der Schwere-Reiter-Strasse im nördlichen Schwabing. Hier ist Schwabing nicht mehr das, was es in den Tourismusbroschüren ist. Die Gegend wurde erst in den 20er und 30er Jahren bebaut; es herrscht eine fast kleinbürgerliche Atmosphäre, und das Gelände, das hier vor allem in den 50er Jahren entstand, war nochmal eine Steigerung der Hässlichkeit.
Er hatte mich eingeladen. Wir kannten uns aus einem anderen Leben, Anfang der 90er in München. Keiner von uns machte sich damals Gedanken über das weitere Leben. Fast 10 Jahre später waren wir beide irgendwie in diese neue Wirtschaft geschlüpft, er als Entrepreneur und ich als etwas, das sich weder mit dem Wort "Journalist" noch mit "Berater" adäquat umschreiben lässt. Er suchte Informationen über einen Zukunftsmarkt, in den er mit seiner Company eindringen wollte, und war dabei auf mich gestossen. Wir sprachen über die guten alten Zeiten und die noch besseren Zeiten, die er vor uns sah.
Ich sagte ihm etwas, was ich 1999 so sonst fast nie gesagt habe, weil mein normaler Job nicht die Wahrheit, sondern die Verankerung der Phantasien in der Realität war - und die Phantasien waren das Einzige, was damals Geld brachte. Ich sagte ihm, er sollte da mal rausschauen und überlegen, was das ist: Nur ein paar kleine Softwarebuden in einer runtergekommenen Gegend, kein New Media Cluster der First Mover der Emerging Markets, die hier aufgrund des kreativen Networkings vielleicht in 5 statt in 6 Monaten zum IPO kommen. Ich sagte ihm, was wir intern längst wussten, dass die Party bald vorbei sein würde, und ich machte den Fehler, ihm zu sagen, er soll das Geld zusammenhalten.
Manchmal frage ich mich, wozu ich eigentlich aus dieser Schicht komme, wenn ich dann solche Dinge sage. Das Geld haben die 2, 3 Generationen vor uns zusammengehalten; für uns war das ein Zeichen von Spiessigkeit, genauso wie Kachelöfen und signierte Kunstdrucke von Dali. Wir hatten damals, in den frühen 90ern kein Geld, sondern eine Karte, und wenn die kein Geld mehr ausspuckte, gab es manchmal einen Anruf von Mama, oder auch nicht. Manche klauten einfach ein paar Wochen Zeug zusammen, bis die nächste Apanage das Konto wieder aus der Alarmstufe tiefrot gehoben hatte. Mein Gegenüber war von meinen Ratschlägen nicht direkt beleidigt, aber das Gespräch war bald vorbei. Ich hatte in seinen Augen nicht den richtigen Spirit, und auch nicht den Willen, mit dem er das Ding zum Fliegen bringen wollte.
2002 ging er pleite. Er hatte eine FFF - Family Fools & Friends - Finanzierung gemacht, und dadurch wohl auch einen grossen Teil seines Erbes durchgeorgelt. Der Insolvenzverwalter hat, erzählt man, mehrfach versucht, ihm das Auto abzunehmen. Er nennt sich jetzt freier Berater, lese ich auf seiner Website. Wir haben seit 1999 nicht mehr miteinander gesprochen, und meine paar Mails wurden, wenn überhaupt, nur sehr kurz beantwortet; ohne Anrede, Grüsse, und die Unterschrift ist nur ein Buchstabe und ein Punkt dahinter.
X Dot Nichtsmehr, wenn man so will.
Letztes Wochenende bin ich mal wieder über das Gelände gegangen und habe ein paar Bilder gemacht. Bilder von den Schildern, mit denen man sich dort präsentiert. Vieles ist dort verfallen, aber an den Schildern sieht man es überdeutlich. Bitte einfach clicken.
Dahinter stehen menschliche Schicksale. Ich glaube aber nicht, dass man Mitleid empfinden soll. Schliesslich ist es eine Luxuskrise, und solche Regungen hatten sie - wir, wenn man so will - auch nicht. Nicht genug, also kein Grund für Mitleid. Nicht wirklich.
Er hatte mich eingeladen. Wir kannten uns aus einem anderen Leben, Anfang der 90er in München. Keiner von uns machte sich damals Gedanken über das weitere Leben. Fast 10 Jahre später waren wir beide irgendwie in diese neue Wirtschaft geschlüpft, er als Entrepreneur und ich als etwas, das sich weder mit dem Wort "Journalist" noch mit "Berater" adäquat umschreiben lässt. Er suchte Informationen über einen Zukunftsmarkt, in den er mit seiner Company eindringen wollte, und war dabei auf mich gestossen. Wir sprachen über die guten alten Zeiten und die noch besseren Zeiten, die er vor uns sah.
Ich sagte ihm etwas, was ich 1999 so sonst fast nie gesagt habe, weil mein normaler Job nicht die Wahrheit, sondern die Verankerung der Phantasien in der Realität war - und die Phantasien waren das Einzige, was damals Geld brachte. Ich sagte ihm, er sollte da mal rausschauen und überlegen, was das ist: Nur ein paar kleine Softwarebuden in einer runtergekommenen Gegend, kein New Media Cluster der First Mover der Emerging Markets, die hier aufgrund des kreativen Networkings vielleicht in 5 statt in 6 Monaten zum IPO kommen. Ich sagte ihm, was wir intern längst wussten, dass die Party bald vorbei sein würde, und ich machte den Fehler, ihm zu sagen, er soll das Geld zusammenhalten.
Manchmal frage ich mich, wozu ich eigentlich aus dieser Schicht komme, wenn ich dann solche Dinge sage. Das Geld haben die 2, 3 Generationen vor uns zusammengehalten; für uns war das ein Zeichen von Spiessigkeit, genauso wie Kachelöfen und signierte Kunstdrucke von Dali. Wir hatten damals, in den frühen 90ern kein Geld, sondern eine Karte, und wenn die kein Geld mehr ausspuckte, gab es manchmal einen Anruf von Mama, oder auch nicht. Manche klauten einfach ein paar Wochen Zeug zusammen, bis die nächste Apanage das Konto wieder aus der Alarmstufe tiefrot gehoben hatte. Mein Gegenüber war von meinen Ratschlägen nicht direkt beleidigt, aber das Gespräch war bald vorbei. Ich hatte in seinen Augen nicht den richtigen Spirit, und auch nicht den Willen, mit dem er das Ding zum Fliegen bringen wollte.
2002 ging er pleite. Er hatte eine FFF - Family Fools & Friends - Finanzierung gemacht, und dadurch wohl auch einen grossen Teil seines Erbes durchgeorgelt. Der Insolvenzverwalter hat, erzählt man, mehrfach versucht, ihm das Auto abzunehmen. Er nennt sich jetzt freier Berater, lese ich auf seiner Website. Wir haben seit 1999 nicht mehr miteinander gesprochen, und meine paar Mails wurden, wenn überhaupt, nur sehr kurz beantwortet; ohne Anrede, Grüsse, und die Unterschrift ist nur ein Buchstabe und ein Punkt dahinter.
X Dot Nichtsmehr, wenn man so will.
Letztes Wochenende bin ich mal wieder über das Gelände gegangen und habe ein paar Bilder gemacht. Bilder von den Schildern, mit denen man sich dort präsentiert. Vieles ist dort verfallen, aber an den Schildern sieht man es überdeutlich. Bitte einfach clicken.
Dahinter stehen menschliche Schicksale. Ich glaube aber nicht, dass man Mitleid empfinden soll. Schliesslich ist es eine Luxuskrise, und solche Regungen hatten sie - wir, wenn man so will - auch nicht. Nicht genug, also kein Grund für Mitleid. Nicht wirklich.
donalphons, 19:33h
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Sonntag, 1. August 2004
Freund der Nacht.
Er versteht nicht, was Glas ist, er würde immer so weiter gegen mein Fenster fliegen, bis er sterben würde.
In der grossen Bilanz des Lebens spielt es keine Rolle. Aber wen interessieren schon grosse Bilanzen. Ich stelle einen Bleikristallkelch über ihn, schiebe ein Blatt von einem McK-Resaerch runter, der keine Bedeutung mehr hat, ausser sein grosses Spiel weiter gehen zu lassen, und bringe ihn raus, in die Nacht, die sich manchmal als Tag tarnt, aber ich kenne dieses Spiel ja schon. Er fliegt weg, dem nächsten Glas, Kühlergrill oder Paarungsmöglichkeit entgegen.
Erinnert mich irgendwie an ein paar alte Freunde.
In der grossen Bilanz des Lebens spielt es keine Rolle. Aber wen interessieren schon grosse Bilanzen. Ich stelle einen Bleikristallkelch über ihn, schiebe ein Blatt von einem McK-Resaerch runter, der keine Bedeutung mehr hat, ausser sein grosses Spiel weiter gehen zu lassen, und bringe ihn raus, in die Nacht, die sich manchmal als Tag tarnt, aber ich kenne dieses Spiel ja schon. Er fliegt weg, dem nächsten Glas, Kühlergrill oder Paarungsmöglichkeit entgegen.
Erinnert mich irgendwie an ein paar alte Freunde.
donalphons, 17:18h
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