Sonntag, 8. Juni 2008
Eine Frage des Stils
Ein Kauf war gut, wenn man auf dem Weg vom Flohmarkt zum Auto angesprochen wird, ob man es nicht verkaufen möchte. Manche erkennen es erst, wenn ein anderer es fortträgt, wenn es befreit ist, von der manchmal skurrilen oder gar bedauerlichen Umgebung, aber dann begreifen sie. Heute ist mir das fünf mal passiert, zweimal in München und dreimal beim photographieren daheim. Ich werde ein Schloss brauchen.
Um Stil zu begreifen, sollte man keinesfalls Berliner Modeblogs anschauen, oder Hochglanzzeitschriften, oder amerikanische Serien. Stil hat ein Zuhause, und es befindet sich ziemlich genau unter den Sonnenschirmen der Bar Venezia inmitten der Altstadt von Mantua, von wo aus die Arkaden ihren Anfang nehmen. Dort setzt man sich hin, bestellt einen Eistee und schaut zu, was da kommt. Es kommt vieles, es kommt oft mit dem Rad, und machmal ist es besser als jede Modenschau.

Das Mysterium besteht darin, dass es nur Alltag und dennoch wie ein inszeniertes Theater, und dass sie nicht so verkleidet sind, sondern es einfach leben. Während man in München jederzeit damit rechnen muss, von einem blankkeputzten Mountainbike plattgewalzt zu werden, geht es hier langsam zu, und die Leute schaffen diesen Stil vollkommen problemlos mit dem alten Hollandrad von Oma. Gerade mit diesen Rädern. Während die meisten Fiat 500, Lancia Aprilia und Alfa Giulias in ihren Bonbonfarben, dem celeste, dem rosso und biancho längst von den Schrottpressen zerdrückt wurden, haben sich viele alte Räder von Bianchi, Legnano und Battaglin in Quietschbunt über die Jahrzehnte gerettet und tragen heute noch dazu bei, dass Italiens Innenstädte ruhig und voller schöner, nicht zu schneller Menschen sind.
Das schmerzt natürlich. Weil man in Deutschland weder diese Ruhe, noch diesen Stil und natürlich auch nicht diese Räder in diesen Farben hat. Omaräder gibt es in Schwarz, Schwarz mit weissen Streifen und Schwarz mit grauen Streifen. Wenn überhaupt. In Deutschland versteht man sich vor allem auf das Wegwerfen. Und würde man nicht ohnehin schon leiden, kommt dann noch ein Herr und stellt einem das hier vor die Nase:

Das ist nicht nett. Das tut weh. Noch schlimmer als das Celeste-Blau, das der Kundige auch als Bugatti-Blau kennt und schätzt, noch schlimmer als all das Leder und das Täschchen hinten ist das Wissen, dass es zu diesen Repliken auch Originale gibt. Man kommt in Versuchung, sich so etwas zu, nun, sagen wir mal borgen, aber ich habe natürlich "Ladri di biciclette" von Vittorio de Sica gesehen, ich kenne das neorealistische Ende und würde dergleichen nicht tun. Die Copilotin hatt dagegen so ein unheilvollen Zucken in der Hand, und am Ende standen wir in Salurn und versuchten, einem Händler ein ähnliches, originales Exemplar abzuschwatzen, das leider nur zur Reparatur dort stand. Die Bemühung ist um so verständlicher, als das radeln mit einem für mich Rennradpiloten ungewöhnten 1-Gang-Rad mit Körberl und quietschendem Sattel neu, aber auch sehr spassig war. Ja, auch ich muss zugeben: Für kleinere Strecken, zum See oder zu den Erdbeeren, wäre so ein himmelblaues Herrenrad mit Chrom ganz wunderbar, man müsste es nur finden und über die Pässe bringen. Denn in Deutschland gibt es solche Räder nicht.
Ausser im Keller eines mittelalten türkischen Herren, der ein Rabeneick Modell 59 von 1952 von seinem Schwiegervater geerbt hat, wo es nun schon Jahrzehnte vor sich hingammelte, und nun endlich raus sollte. Er hatte keinen Platz mehr, also ab damit auf den Flohmarkt.

Es kommt zwar nur aus Bielefeld, aber es ist in diesem wunderbar optimistischen Strand- und Wirtschaftswunderblau, mit weiss und vielen verchromten Details, rostig, aber bis auf den Satten und die Reifen original, mit Heckflossenornamenten am Sportschutzblech und Schnellspannschrauben mit Firmenlogo. Mit grau marmorlierten Bakelitgriffen und einem gigantischen Bosch-Scheinwerfer, der auch noch geht. Mit verchromtem Werkzeugkastendeckel und Schutzblechen, die den Namen verdienen. Dieses Rad stand einen halben Tag am Stand herum, keiner wollte es haben, und als ich es dann für - nun wirklich läppische 40 Euro - gekauft hatte, begannen die Fragen. Woher, was kostet, sie würden mir auch 50. Und so weiter. Was fehlt, sind Weisswandreifen, ein neuer Ledersattel - beides daheim im Fundus - und eine ordentliche Putz- und Poliereinheit, sowie neue Bremsgummis.

Ich stand heute morgen vor dem Flohmarktbesuch auch vor einem Bitter CD, einem dem Ferrari 400 nachempfundenen Sportwagen auf Opelbasis, den mir jemand vermitteln wollte. Vielleicht das letzte hübsche Auto, das jemals mit dem Namen Opel in Verbindung zu bringen war. Er wäre gar nicht teuer gewesen, ich hätte auch ein paar Parkplätze am Tegernsee, aber 20 Liter auf 100 Kilometer ist dann doch etwas zu viel, und brauche ich einen geschlossenen Zweitwagen?
Zumal, wenn ich so ein Rad habe. Detailphotos im Kommentar.
Um Stil zu begreifen, sollte man keinesfalls Berliner Modeblogs anschauen, oder Hochglanzzeitschriften, oder amerikanische Serien. Stil hat ein Zuhause, und es befindet sich ziemlich genau unter den Sonnenschirmen der Bar Venezia inmitten der Altstadt von Mantua, von wo aus die Arkaden ihren Anfang nehmen. Dort setzt man sich hin, bestellt einen Eistee und schaut zu, was da kommt. Es kommt vieles, es kommt oft mit dem Rad, und machmal ist es besser als jede Modenschau.

Das Mysterium besteht darin, dass es nur Alltag und dennoch wie ein inszeniertes Theater, und dass sie nicht so verkleidet sind, sondern es einfach leben. Während man in München jederzeit damit rechnen muss, von einem blankkeputzten Mountainbike plattgewalzt zu werden, geht es hier langsam zu, und die Leute schaffen diesen Stil vollkommen problemlos mit dem alten Hollandrad von Oma. Gerade mit diesen Rädern. Während die meisten Fiat 500, Lancia Aprilia und Alfa Giulias in ihren Bonbonfarben, dem celeste, dem rosso und biancho längst von den Schrottpressen zerdrückt wurden, haben sich viele alte Räder von Bianchi, Legnano und Battaglin in Quietschbunt über die Jahrzehnte gerettet und tragen heute noch dazu bei, dass Italiens Innenstädte ruhig und voller schöner, nicht zu schneller Menschen sind.
Das schmerzt natürlich. Weil man in Deutschland weder diese Ruhe, noch diesen Stil und natürlich auch nicht diese Räder in diesen Farben hat. Omaräder gibt es in Schwarz, Schwarz mit weissen Streifen und Schwarz mit grauen Streifen. Wenn überhaupt. In Deutschland versteht man sich vor allem auf das Wegwerfen. Und würde man nicht ohnehin schon leiden, kommt dann noch ein Herr und stellt einem das hier vor die Nase:

Das ist nicht nett. Das tut weh. Noch schlimmer als das Celeste-Blau, das der Kundige auch als Bugatti-Blau kennt und schätzt, noch schlimmer als all das Leder und das Täschchen hinten ist das Wissen, dass es zu diesen Repliken auch Originale gibt. Man kommt in Versuchung, sich so etwas zu, nun, sagen wir mal borgen, aber ich habe natürlich "Ladri di biciclette" von Vittorio de Sica gesehen, ich kenne das neorealistische Ende und würde dergleichen nicht tun. Die Copilotin hatt dagegen so ein unheilvollen Zucken in der Hand, und am Ende standen wir in Salurn und versuchten, einem Händler ein ähnliches, originales Exemplar abzuschwatzen, das leider nur zur Reparatur dort stand. Die Bemühung ist um so verständlicher, als das radeln mit einem für mich Rennradpiloten ungewöhnten 1-Gang-Rad mit Körberl und quietschendem Sattel neu, aber auch sehr spassig war. Ja, auch ich muss zugeben: Für kleinere Strecken, zum See oder zu den Erdbeeren, wäre so ein himmelblaues Herrenrad mit Chrom ganz wunderbar, man müsste es nur finden und über die Pässe bringen. Denn in Deutschland gibt es solche Räder nicht.
Ausser im Keller eines mittelalten türkischen Herren, der ein Rabeneick Modell 59 von 1952 von seinem Schwiegervater geerbt hat, wo es nun schon Jahrzehnte vor sich hingammelte, und nun endlich raus sollte. Er hatte keinen Platz mehr, also ab damit auf den Flohmarkt.

Es kommt zwar nur aus Bielefeld, aber es ist in diesem wunderbar optimistischen Strand- und Wirtschaftswunderblau, mit weiss und vielen verchromten Details, rostig, aber bis auf den Satten und die Reifen original, mit Heckflossenornamenten am Sportschutzblech und Schnellspannschrauben mit Firmenlogo. Mit grau marmorlierten Bakelitgriffen und einem gigantischen Bosch-Scheinwerfer, der auch noch geht. Mit verchromtem Werkzeugkastendeckel und Schutzblechen, die den Namen verdienen. Dieses Rad stand einen halben Tag am Stand herum, keiner wollte es haben, und als ich es dann für - nun wirklich läppische 40 Euro - gekauft hatte, begannen die Fragen. Woher, was kostet, sie würden mir auch 50. Und so weiter. Was fehlt, sind Weisswandreifen, ein neuer Ledersattel - beides daheim im Fundus - und eine ordentliche Putz- und Poliereinheit, sowie neue Bremsgummis.

Ich stand heute morgen vor dem Flohmarktbesuch auch vor einem Bitter CD, einem dem Ferrari 400 nachempfundenen Sportwagen auf Opelbasis, den mir jemand vermitteln wollte. Vielleicht das letzte hübsche Auto, das jemals mit dem Namen Opel in Verbindung zu bringen war. Er wäre gar nicht teuer gewesen, ich hätte auch ein paar Parkplätze am Tegernsee, aber 20 Liter auf 100 Kilometer ist dann doch etwas zu viel, und brauche ich einen geschlossenen Zweitwagen?
Zumal, wenn ich so ein Rad habe. Detailphotos im Kommentar.
donalphons, 17:36h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 6. Juni 2008
Die schlecht genähte Brieftasche.
Und das Geld fällt, prasselt auf den Boden, rollt unter Koffer, Kisten und Fahrradteile, und dazu ertönt ein "Hoid! So fui wui I ah ned", und dazu Gelächter. Es ist mal wieder passiert, beim Kauf eines neuen Pralinenstuhls. Denn nach nunmehr 21 Jahren, mehr als die Hälfte meines Lebens, löst sich mein Geldbeutel in seine Bestandteile auf. Das Deckleder ist zerrissen, die Seitenwand des Geldfachs hat keine Naht mehr, und wenn ich die Brieftache zu schnell ziehe, ergiesst sich ein Münzregen über den Boden. Langsam wird es zu einer teuren Angelegenheit, denn nicht alles findet sich wieder. Aber - seit 21 Jahren habe ich ihn nun, er war damals schon extrem teuer, so teuer, dass selbst Ralph Lauren, die ihn damals hergestellt haben, so etwas heute nicht mehr anbietet. Er hat lange gehalten, alles mitgemacht, und ich habe ihn nie verloren. Ich würde ihn reparieren lassen, wenn ich Ersatz hätte, aber so eine Brieftasche habe ich seit langem nicht mehr gesehen.
Sie brachan a neis Bortmönäh, sagt die Frau der Stuhlverkäufers, und ich erzähle ihr die Geschichte, warum ich nicht vorhabe, mich davon zu trennen. Weil ich keinen Ersatz habe, den ich verwenden könnte, solange meine Brieftasche beim Schuster ist. Do hed i oan, meint die Frau, an ganz nein von meim Obba, dea hodn nia bnutzt, dea woa spoasam und hod imma ois aufghom, schans amoi, sagt die Frau, wühlt in einer Kiste, findet eine flache, aufklappbare hellbraune Ledertasche, die meiner vom Funktionsprinzip nicht unähnlich ist, sieht man davon ab, dass er natürlich noch keinen Platz für Plastikgeld hat. So aus den 60er Jahren dürfte er sein, er ist tatsächlich neu, noch immer ist das Platzhalterpaier für den Personalausweis drinnen, kostet nur ein Euro und wird mir aufgedrängt.
Ich nehme ihn, und mein Geld prasselt noch dreimal über den Boden, bis ich heute morgen beschliesse, endlich mal umzuräumen. Ich fülle die Münzen in das Münzfach - und die Enttäuschung ist gross: Man hat das Fach unten nicht zugenäht, das Geld rutscht durch auf die andere Seite der aufklappbaren Tasche und verschwindet. Pfusch. Ich klaube mühsam die Münzen aus dem hintersten Winkel hervor, und fühle noch etwas Papier, und siehe -

Opa war sparsamer, als letztlich gut für ihn und seine Erben war. Baujahr 1960, fast neu, drei Erinnerungen an eine Zeit, als 50 Mark noch sehr viel mehr war, als 25 Euro heute sind. Liebesgrüsse aus der Wirtschaftswunderzeit.
Das war einmal sehr viel Geld.
* * *
Ich habe gestern mal geschaut, welche der Wohnungen, die ich mir vor dem Kauf meiner Bleibe zu Gemüte führte, heute noch im Angebot sind. Ausser den ganz schlechten und extrem überteuerten Objekten ist alles weg, der Markt hier am See ist leergefegt. Die Bekannten meiner Eltern bringen ihr Geld in Sicherheit, man sucht Stabilität und flieht die Inflation, es geht nicht mehr um Rendite, sondern nur noch um Werterhalt. Schlagzeilen wie 20% Steigerung bei den Mieten weisen den Weg. Zumindest in Deutschland. In den USA dürfte es bald sehr billig werden: Gestern wurden die beiden Monoliner Ambac und MBIA im Bonitätsranking um zwei Stufen runtergesetzt, zusammen versichern sie Kredite von 1,5 Trillionen Dollar - eine Versicherung, die faktisch nichts mehr wert ist.
* * *
D-Mark fühlen sich übrigens schöner an als Euro.
Sie brachan a neis Bortmönäh, sagt die Frau der Stuhlverkäufers, und ich erzähle ihr die Geschichte, warum ich nicht vorhabe, mich davon zu trennen. Weil ich keinen Ersatz habe, den ich verwenden könnte, solange meine Brieftasche beim Schuster ist. Do hed i oan, meint die Frau, an ganz nein von meim Obba, dea hodn nia bnutzt, dea woa spoasam und hod imma ois aufghom, schans amoi, sagt die Frau, wühlt in einer Kiste, findet eine flache, aufklappbare hellbraune Ledertasche, die meiner vom Funktionsprinzip nicht unähnlich ist, sieht man davon ab, dass er natürlich noch keinen Platz für Plastikgeld hat. So aus den 60er Jahren dürfte er sein, er ist tatsächlich neu, noch immer ist das Platzhalterpaier für den Personalausweis drinnen, kostet nur ein Euro und wird mir aufgedrängt.
Ich nehme ihn, und mein Geld prasselt noch dreimal über den Boden, bis ich heute morgen beschliesse, endlich mal umzuräumen. Ich fülle die Münzen in das Münzfach - und die Enttäuschung ist gross: Man hat das Fach unten nicht zugenäht, das Geld rutscht durch auf die andere Seite der aufklappbaren Tasche und verschwindet. Pfusch. Ich klaube mühsam die Münzen aus dem hintersten Winkel hervor, und fühle noch etwas Papier, und siehe -

Opa war sparsamer, als letztlich gut für ihn und seine Erben war. Baujahr 1960, fast neu, drei Erinnerungen an eine Zeit, als 50 Mark noch sehr viel mehr war, als 25 Euro heute sind. Liebesgrüsse aus der Wirtschaftswunderzeit.
Das war einmal sehr viel Geld.
* * *
Ich habe gestern mal geschaut, welche der Wohnungen, die ich mir vor dem Kauf meiner Bleibe zu Gemüte führte, heute noch im Angebot sind. Ausser den ganz schlechten und extrem überteuerten Objekten ist alles weg, der Markt hier am See ist leergefegt. Die Bekannten meiner Eltern bringen ihr Geld in Sicherheit, man sucht Stabilität und flieht die Inflation, es geht nicht mehr um Rendite, sondern nur noch um Werterhalt. Schlagzeilen wie 20% Steigerung bei den Mieten weisen den Weg. Zumindest in Deutschland. In den USA dürfte es bald sehr billig werden: Gestern wurden die beiden Monoliner Ambac und MBIA im Bonitätsranking um zwei Stufen runtergesetzt, zusammen versichern sie Kredite von 1,5 Trillionen Dollar - eine Versicherung, die faktisch nichts mehr wert ist.
* * *
D-Mark fühlen sich übrigens schöner an als Euro.
donalphons, 16:06h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 2. Juni 2008
Tage aus Blei
Es gibt solche Zeiten. Betrachten wir es realistisch: Ich habe wieder drei Wohnungen. Die Gästewohnung: Voll. Gestern führte ich dort die neue Mieterin, bei der ich mich absolut am Riemen reissen muss, nicht über sie zu schreiben, bei der Dachterassenbesichtigung hinein, und sie fand es - voll. Wo eine gerade Wand ist, hängen dort entweder Spiegel oder Bücherregale mit ungefähr 4600 Bänden. Meine grosse Wohnung: Voll. Zumindest so voll, dass ich das Angebot, eine durch einen Designwandel einer Beratungsgesellschaft überflüssig gewordene Biedermeiervitrine kostenlos zu übernehmen, ablehnen musste. Auch, weil sie in Kirschholz stilistisch absolut nicht zu meinen Mahagonimöbeln passte, aber auch, weil ich keinen Ort habe, wo ich sie noch stellen könnte. Ich brauche eigentlich nur noch zwei venetianische Spiegel und zwei grosse Bücherregale, 5 Reliefs nach griechischen Originalen, und ein Dutzend Qing-Teller, dann bin ich wirklich durch. Und am Tegernsee möchte ich den Eindruck einer halbwegs schlichten Sommerfrische erhalten. Wie schlimm es wirklich ist, sah ich vorgestern, als Frau Mama beschloss, die Anordnung ein wenig wie daheim haben zu wollen und einen Sessel auswählte, den man am See ins Schlafzimmer stellen kann, zum Ablegen der Kleidung und als Rückzugsplatz vor das noch fehlende Buchregal: Wir gingen durch meine Räume, begutachteten die acht Optionen, und als ich dann einen Sessel ins Auto gebracht hatte, sah der Raum nicht unbedingt entleert aus. Eigentlich merkte man gar nichts.
Das hat zwei Folgen: Sollte ich jemals den Tegernsee wieder verlassen, muss ich als Ausgleich wieder etwas neues zur Unterbringung all der Möbel kaufen, und es wird wieder kein Ferrari sein. Das liesse sich irgendwo verschmerzen, selbst wenn es jedesmal aufs Neue kribbelt, den Vorbesitzer oder dessen Frau hier mit dem schwarzen 456er vorbeifahren zu sehen, den sie mir für einen geringen Aufpreis überlassen hätten - zur Abschreckung reicht ein Blick auf die Zapfsäulenpreise. Andererseits habe ich in letzter Zeit häufig das Gefühl, auf den Antikmärkten Dinge, die wirklich schön und begehrenswert sind, einfach nicht zu brauchen. Ich begegne den schönsten Antiquitäten mittlerweile mit stumpfer Agonie und dem dummen Gedanken "Kein Platz". Ich stand gestern Abend vor dem besten Antiquitätengeschäft von Rottach, die mit einem Schwung ganze Häuser ausstaffieren können, und dachte mir: Naja. Und gestern morgen ging ich über einen Flohmarkt und fühlte mich wie zwischen zwei Bleiplatten; oben das heisse, schwüle Blei der Sommerhitze, unten das Blei der Langeweile und des Überdrusses, Stand für Stand, Reihe um Reihe. Manches würde schon gehen, aber halt gerade so eben; sprich, man ärgert sich erst, dass es nicht das ist, was man wirklich will, und dann gleich nochmal, wenn man die bessere Alternative findet. Die Person mit der Biedermeiervitrine ist so ein Fall. Ein Reisekoffer war ganz nett, aber es fehlte ein Griff. Ein Quirl mit Drehrad und Holzgriff war in einem Haufen sehr unsauberem Besteck. Ich war fast schon durch. Und dann:

Ich habe schon einen. In der Provinz. Und am Tegernsee wieder gelernt, was bluten heisst. Einmal habe ich in München eine halbe Stunde vergeblich nach den Einsätzen gesucht, als ich einen Halter in einer Kiste gefunden hatte. Derlei Benehmen, wie Isnogud auf der Suche nach dem letzten Puzzleteilchen, ist mir an sich vollkommen fremd, aber ein Mouli Grater ist eine absolut grandiose Erfindung, es gibt keinen Tag, da ich ihn nicht nutze, und keinen Tag am Tegernsee, an dem ich das Fehlen desselben nicht verflucht habe. Es geschieht nicht oft, dass ich nur einen Euro ausgebe, und nur mit einem Trumm von der Jagd komme, aber gestern war dieser Tag, und dennoch war ich vollkommen zufrieden.
Bis ich dann beim vorletzten Stand noch diesen Pralinenstuhl sah, dieses wirklich entzückende Sesselchen für eine von Mama geschlagene Lücke, aber das ist eine andere Geschichte.
Das hat zwei Folgen: Sollte ich jemals den Tegernsee wieder verlassen, muss ich als Ausgleich wieder etwas neues zur Unterbringung all der Möbel kaufen, und es wird wieder kein Ferrari sein. Das liesse sich irgendwo verschmerzen, selbst wenn es jedesmal aufs Neue kribbelt, den Vorbesitzer oder dessen Frau hier mit dem schwarzen 456er vorbeifahren zu sehen, den sie mir für einen geringen Aufpreis überlassen hätten - zur Abschreckung reicht ein Blick auf die Zapfsäulenpreise. Andererseits habe ich in letzter Zeit häufig das Gefühl, auf den Antikmärkten Dinge, die wirklich schön und begehrenswert sind, einfach nicht zu brauchen. Ich begegne den schönsten Antiquitäten mittlerweile mit stumpfer Agonie und dem dummen Gedanken "Kein Platz". Ich stand gestern Abend vor dem besten Antiquitätengeschäft von Rottach, die mit einem Schwung ganze Häuser ausstaffieren können, und dachte mir: Naja. Und gestern morgen ging ich über einen Flohmarkt und fühlte mich wie zwischen zwei Bleiplatten; oben das heisse, schwüle Blei der Sommerhitze, unten das Blei der Langeweile und des Überdrusses, Stand für Stand, Reihe um Reihe. Manches würde schon gehen, aber halt gerade so eben; sprich, man ärgert sich erst, dass es nicht das ist, was man wirklich will, und dann gleich nochmal, wenn man die bessere Alternative findet. Die Person mit der Biedermeiervitrine ist so ein Fall. Ein Reisekoffer war ganz nett, aber es fehlte ein Griff. Ein Quirl mit Drehrad und Holzgriff war in einem Haufen sehr unsauberem Besteck. Ich war fast schon durch. Und dann:

Ich habe schon einen. In der Provinz. Und am Tegernsee wieder gelernt, was bluten heisst. Einmal habe ich in München eine halbe Stunde vergeblich nach den Einsätzen gesucht, als ich einen Halter in einer Kiste gefunden hatte. Derlei Benehmen, wie Isnogud auf der Suche nach dem letzten Puzzleteilchen, ist mir an sich vollkommen fremd, aber ein Mouli Grater ist eine absolut grandiose Erfindung, es gibt keinen Tag, da ich ihn nicht nutze, und keinen Tag am Tegernsee, an dem ich das Fehlen desselben nicht verflucht habe. Es geschieht nicht oft, dass ich nur einen Euro ausgebe, und nur mit einem Trumm von der Jagd komme, aber gestern war dieser Tag, und dennoch war ich vollkommen zufrieden.
Bis ich dann beim vorletzten Stand noch diesen Pralinenstuhl sah, dieses wirklich entzückende Sesselchen für eine von Mama geschlagene Lücke, aber das ist eine andere Geschichte.
donalphons, 00:58h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 26. Mai 2008
Der Stolz der Natur oder auch
Die ganze Welt eine Freakshow.
Man kann auch als bekannter Blogger überleben, wenn man am Tag nur eine halbe Stunde Zugang zum Netz hat. Man konzentriert sich auf das Abschicken von Texten und Bildern, beantwortet ein paar Kommentare und lässt die anderen die anderen mit ihren absurden Ideen von der Professionalisierung der Blogosphäre einfach ein paar Tage arme Schlucker sein. Das rächt sich, wenn man ihnen dann wieder ein, zwei Tage voll ausgesetzt ist, es ist nicht leicht, sowas dann wieder ernsthaft zu begegnen, ohne jeden Beitrag mit ROFL zu überschreiben.
Auch andere Realitäten drängen sich unschön wieder in die angenehm gedämpfte Erinnerung. Italienische Kuriositätenmärkte sind hübsch leer und überteuert, man kommt erst gar nicht in Versuchung, sich mit weiterem Gut zu belasten, und zudem muss man sich auch nicht allzu sehr über die Mentalität der Besitzer wundern. In Pfaffenhofen nun ist das etwas anders:

Da röhrt der Hirsch ob der Einfälle meiner Landesbrüder, was man so alles mit Hirchgeweih machen kann. Ich schwöre: So viel war von dem Zeug noch nie da, das ist erst im letzten Jahr aufgekommen, ungefähr zeitgleich mit der auf Stafan Niggemeiers unfreiwillig, wenngleich auch erfreulich werbefreien Blog zu findende Behauptung, die Professionalisierung der Blogosphäre stünde, wie auch Sascha Lobo das verkündet habe, bevor. Der Kasten mit all seinen Protuberanzen erinnert mich stark an die Blogs dieser Leute, mit Grimmepreisbapperl für die beste Mauschelarbeit mit ihren Geschäftspartnern und Jurykollegen, und das komische Jägerlatein, das die im Glauben sprechen, irgendwie Teil von was Neuem und nicht einem sehr, sehr alten Gewerbe zu sein.

Ja, es gebricht dem Menschen nicht an Ideen, was man aus der Natur machen kann, wie man die freie Wildbahn verhunzt für das Ablegen des eigenen fetten Arsches. Seitdem solche Sitze in den Häusern amerikanischer Neureicher beliebt sind, tauchen sie auch bei uns auf und warten vielleicht auf den ein oder anderen kommenden Internetmillionär auf der Suche nach einem Stück Männlichkeit, das sich so am Schreibtisch nicht ausleben lässt, vielleicht gar späterals Staublutscher irgendwelcher politischer Gremien, bis jemandem auffällt, dass die Steuerunterlagen gefälscht und der Beweis getwittert wurde.

Das hier, das erinnert mich an Spreeblick, Nerdcore und andere modische Freunde rebellischer Haltungen. Vielleicht ist dem ein oder anderen noch das Verkünden diverser Töde geläufig, von Print, Jamba und Musikindustrie, die heute allesamt dort werben dürfen - oder dürften, Konjunktiv ist die Grundsubstanz aller Berliner Ironie wenn es nicht klappt, werben wäre schön, würden sie doch nur, ach, bittebitte, nur wollen - wo nicht mehr gazellengleich über die Abgründe unserer Konsumgesellschaft gesprungen wird, sondern still an den dunklen Waldeshängen nahe der Grenzen chinesischer Diktaturen geäst wird. Ohne Bocksprünge braucht man keine Beine, aber durchaus etwas, woran man das hängen kann, was man mal als Überzeugung präsentierte. Synergien nutzen, Baby!

Heute geht alles. Wasser predigen und der next08 billigen Wein saufen ist Mashup, als aufgeblasener bayernpopanz nicht genehme Bundespräsidentinnen verhindern gilt als Politik, Märkte sind auch nach der neuesten Blase noch weise und wenn wir schon unsere Japanschwerter aus chinesischer Staatsfälscherwerkstatt in die Bude stellen, dann bitte zumindest mit eigenen, nachwachsenden Rohstoffen versehen. Der Irrsinn bricht sich Bahn in meine Welt des Alten und Gebrauchten, ganz ruhig bleiben, es ist nur der Absturz, nach zwei, drei Tagen kommt einem das alles wieder normal vor, so normal fast, wie die sich fühlen, und der Rest macht die Blogbar aus, surreal ist aus der Mode, gehe in deinen Garten und ziehe dabei nichts vom webbasierten Schnorrertum der anderen ein, beschneide die Rosen oder kaufe dir zumindest ein paar chinesische Teller aus dem 19. Jahrhundert, deren Maler vermutlich opiumsüchtig waren, aber nicht so durchgeknallt, dass man es am Ergebnis merkt.

Geh weiter. Eigentlich suchst du noch einen alten Lederkoffer, denjenigen, der für dein Gepäck noch fehlt, mit dem du morgen wieder fahren könntest, wenn nur die Herrschaften aus der Konzernzentrale überweisen, aber du findest nichts, der eine Koffer ist zu kaputt und zerfetzt wie die Blogosphäre, das Futter schimmelt und das schwere Leder ist rissig geworden, und der Besitzer der massiven Ledertasche möchte nicht verhandeln, er hat Prinzipien und einen Preis, und Hochachtung ist das einzige, womit seine Standhaftigkeit zu belohnen ist. Weiter dann, zurück zum Wagen, aber da stehen sie, zwei Lampen wie die, die in Verona im Lampenladen mit ein paar hundert Euro zu teuer gewesen wären:

Früher, im XVIII. Jahrhundert, standen auf solchen Säulenstümpfen Heiligenfiguren, aber die Aufklärung oder auch nur ein gieriger Händler haben sie getrennt, und die Stümpfe mit ihrer weissgoldenen Fassung zu Lampen umgestaltet. Das passiert in den besten Familien, bittschön, Ingwertöpfe aus Imariporzellan erdulden dieses Schicksal, oder auch Hirschgeweihe, und ich suche doch noch dringend zwei kleine Beistelllampen für den hinteren Tisch am Tegernsee, wenn der Tag vorbei ist und nichts mehr auf dem Berg vor dem Gartenzaun an die Kühe erinnert, die dort leicht surreal Blumen wegfressen und Meter für Meter vor sich hinbimmeln, in einer Ruhe, die den Stolz, den herrischen und unnachsichtigen Stolz einer Natur erahnen lässt, die uns alle, die wir uns daran vergehen, bitte eher bald als später als geschmacklose, hörnerverschandelnde, egovermarktende, für Schönheit unempfängliche Pickel hinwegfegt vom Antlitz dieser Erde.
Man kann auch als bekannter Blogger überleben, wenn man am Tag nur eine halbe Stunde Zugang zum Netz hat. Man konzentriert sich auf das Abschicken von Texten und Bildern, beantwortet ein paar Kommentare und lässt die anderen die anderen mit ihren absurden Ideen von der Professionalisierung der Blogosphäre einfach ein paar Tage arme Schlucker sein. Das rächt sich, wenn man ihnen dann wieder ein, zwei Tage voll ausgesetzt ist, es ist nicht leicht, sowas dann wieder ernsthaft zu begegnen, ohne jeden Beitrag mit ROFL zu überschreiben.
Auch andere Realitäten drängen sich unschön wieder in die angenehm gedämpfte Erinnerung. Italienische Kuriositätenmärkte sind hübsch leer und überteuert, man kommt erst gar nicht in Versuchung, sich mit weiterem Gut zu belasten, und zudem muss man sich auch nicht allzu sehr über die Mentalität der Besitzer wundern. In Pfaffenhofen nun ist das etwas anders:

Da röhrt der Hirsch ob der Einfälle meiner Landesbrüder, was man so alles mit Hirchgeweih machen kann. Ich schwöre: So viel war von dem Zeug noch nie da, das ist erst im letzten Jahr aufgekommen, ungefähr zeitgleich mit der auf Stafan Niggemeiers unfreiwillig, wenngleich auch erfreulich werbefreien Blog zu findende Behauptung, die Professionalisierung der Blogosphäre stünde, wie auch Sascha Lobo das verkündet habe, bevor. Der Kasten mit all seinen Protuberanzen erinnert mich stark an die Blogs dieser Leute, mit Grimmepreisbapperl für die beste Mauschelarbeit mit ihren Geschäftspartnern und Jurykollegen, und das komische Jägerlatein, das die im Glauben sprechen, irgendwie Teil von was Neuem und nicht einem sehr, sehr alten Gewerbe zu sein.

Ja, es gebricht dem Menschen nicht an Ideen, was man aus der Natur machen kann, wie man die freie Wildbahn verhunzt für das Ablegen des eigenen fetten Arsches. Seitdem solche Sitze in den Häusern amerikanischer Neureicher beliebt sind, tauchen sie auch bei uns auf und warten vielleicht auf den ein oder anderen kommenden Internetmillionär auf der Suche nach einem Stück Männlichkeit, das sich so am Schreibtisch nicht ausleben lässt, vielleicht gar späterals Staublutscher irgendwelcher politischer Gremien, bis jemandem auffällt, dass die Steuerunterlagen gefälscht und der Beweis getwittert wurde.

Das hier, das erinnert mich an Spreeblick, Nerdcore und andere modische Freunde rebellischer Haltungen. Vielleicht ist dem ein oder anderen noch das Verkünden diverser Töde geläufig, von Print, Jamba und Musikindustrie, die heute allesamt dort werben dürfen - oder dürften, Konjunktiv ist die Grundsubstanz aller Berliner Ironie wenn es nicht klappt, werben wäre schön, würden sie doch nur, ach, bittebitte, nur wollen - wo nicht mehr gazellengleich über die Abgründe unserer Konsumgesellschaft gesprungen wird, sondern still an den dunklen Waldeshängen nahe der Grenzen chinesischer Diktaturen geäst wird. Ohne Bocksprünge braucht man keine Beine, aber durchaus etwas, woran man das hängen kann, was man mal als Überzeugung präsentierte. Synergien nutzen, Baby!

Heute geht alles. Wasser predigen und der next08 billigen Wein saufen ist Mashup, als aufgeblasener bayernpopanz nicht genehme Bundespräsidentinnen verhindern gilt als Politik, Märkte sind auch nach der neuesten Blase noch weise und wenn wir schon unsere Japanschwerter aus chinesischer Staatsfälscherwerkstatt in die Bude stellen, dann bitte zumindest mit eigenen, nachwachsenden Rohstoffen versehen. Der Irrsinn bricht sich Bahn in meine Welt des Alten und Gebrauchten, ganz ruhig bleiben, es ist nur der Absturz, nach zwei, drei Tagen kommt einem das alles wieder normal vor, so normal fast, wie die sich fühlen, und der Rest macht die Blogbar aus, surreal ist aus der Mode, gehe in deinen Garten und ziehe dabei nichts vom webbasierten Schnorrertum der anderen ein, beschneide die Rosen oder kaufe dir zumindest ein paar chinesische Teller aus dem 19. Jahrhundert, deren Maler vermutlich opiumsüchtig waren, aber nicht so durchgeknallt, dass man es am Ergebnis merkt.

Geh weiter. Eigentlich suchst du noch einen alten Lederkoffer, denjenigen, der für dein Gepäck noch fehlt, mit dem du morgen wieder fahren könntest, wenn nur die Herrschaften aus der Konzernzentrale überweisen, aber du findest nichts, der eine Koffer ist zu kaputt und zerfetzt wie die Blogosphäre, das Futter schimmelt und das schwere Leder ist rissig geworden, und der Besitzer der massiven Ledertasche möchte nicht verhandeln, er hat Prinzipien und einen Preis, und Hochachtung ist das einzige, womit seine Standhaftigkeit zu belohnen ist. Weiter dann, zurück zum Wagen, aber da stehen sie, zwei Lampen wie die, die in Verona im Lampenladen mit ein paar hundert Euro zu teuer gewesen wären:

Früher, im XVIII. Jahrhundert, standen auf solchen Säulenstümpfen Heiligenfiguren, aber die Aufklärung oder auch nur ein gieriger Händler haben sie getrennt, und die Stümpfe mit ihrer weissgoldenen Fassung zu Lampen umgestaltet. Das passiert in den besten Familien, bittschön, Ingwertöpfe aus Imariporzellan erdulden dieses Schicksal, oder auch Hirschgeweihe, und ich suche doch noch dringend zwei kleine Beistelllampen für den hinteren Tisch am Tegernsee, wenn der Tag vorbei ist und nichts mehr auf dem Berg vor dem Gartenzaun an die Kühe erinnert, die dort leicht surreal Blumen wegfressen und Meter für Meter vor sich hinbimmeln, in einer Ruhe, die den Stolz, den herrischen und unnachsichtigen Stolz einer Natur erahnen lässt, die uns alle, die wir uns daran vergehen, bitte eher bald als später als geschmacklose, hörnerverschandelnde, egovermarktende, für Schönheit unempfängliche Pickel hinwegfegt vom Antlitz dieser Erde.
donalphons, 01:52h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 8. Mai 2008
Luxus in grauen Tagen
Ganz erstaunlich: Da gibt es also eine Finanzkrise. Und was Huber und Beckstein im kleinen Bayern gemacht haben, das Ausmass der Krise wider besseren Wissens vertuscht und gezielt verheimlicht, wird andernorts genauso betrieben. man gibt zu, was man zugeben muss, um weitere Mittel des Staates für die eigenen kriminellen Machenschaften zu erhalten, hält dann die Börsenkurse wackliger Banken im akzeptablen Bereich und spekuliert mit den frischen Mitteln in Boommärkte - man könnte auch sagen, man plundert die Verbraucher mit steigenden Benzin- und Nahrungsmittelkosten, vielleicht fabriziert man, wie es gerade durch den Zyklon in Burma angeheizt wird, zusammen mit der Preistreiberei zu all dem Elend auch noch eine Hungerkatastrophe. Und erstaunlicherweise findet sich noch immer kein Nihilist, der in solcherlei Personen eine Bombe wirft. Wirklich erstaunlich. Oh, bitte, ich lehne solche Gewalt natürlich ab, aber dennoch ist es erstaunlich.
Und so kann die Freundin von Joe Wallstreet auch weiterhin überlegen, welchen Maserati sie will, und in welches Nobelrestaurant sie zum Essen eingeladen werden möchte. Dort versteht sie zwar nicht, warum das Besteck von Christofle stammt, aber egal, hauptsache es sieht gut aus, und sie kann es halten. Haben Sie, verehrte Leser, übrigens schon mal in Kreisen von Investoren gegessen? Ganz erstaunlich, das. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass BWLer seltenst Stil und Umgangsformen jenseits der Ratschläge des per se schon erbärmlichen Managermagazins haben, und bei Tisch kann man das prächtig beobachten, bäuerliche Sitten in städtischer Verkleidung, kein Genuss beim Zuschauen und sicherlich auch absolut kein Grund, etwas Besseres als Einweggeschirr hinzuschmeissen. Gebet den Drecksäuen, was der Drecksäue ist.
Das war nicht immer und überall so. Letzte Woche etwa war ich auf der Auer Dult, die leider wie immer heftig überpreist ist, und, da ich die dortigen Preise für das noch zu findende Gebrauchsbesteck für meine neue Wohnung nicht finden konnte, fuhr ich weiter über die Isar zu einem Haushaltsauflöser. Und wie es der Zufall so wollte: In einer Kiste war ein altes, schwarzes Kistchen, und auf dessen rosa
Rücken stand in alter Schrift: Gebrauchsbesteck.

Allerdings von der Sorte, wie Joe Wallstreet es kaum kennen dürfte: Das klassische Cluny von Christofle, noch mit alten Eisenklingen, und für einen sehr vernünftigen Preis zu haben. Christofle ist übrigens eine dieser amüsanten Wirtschaftsgeschichten, die ihren Ausgang mit massivem Dumping nahm: Nur 1% der von anderen Goldschmieden veranschlagten Summe brauchte die Firma um 1850, um für Napoleon III. ein Luxustafelbesteck zu fertigen. Das Geheimnis war die Elektroversilberung, die bald überall als billige Alternative zum den Festtagen vorbehaltenen Echtsilber geschätzt wurde. Das geht soweit, dass diese Versilberung in Frankreich einfach "Christofle Silber" genannt wird. Und weiter, denn was früher ein Schnäppchen war, kostet heute für das hier gezeigte Set auch schon an die 1000 Euro. Übertrieben wie die Hauspreise in den USA, aber wie man sieht: Wenn man nur an den richtigen Orten sucht und abwartet,ist auch das Beste so gefallen, wie es Huber und Beckstein bald droht. Und das Besteck kann man im Gegensatz zu diesen beiden immer noch verwenden.
Braucht jemand in Brüssel vielleicht noch abgehalfterte Bilanzenzocker?
Und so kann die Freundin von Joe Wallstreet auch weiterhin überlegen, welchen Maserati sie will, und in welches Nobelrestaurant sie zum Essen eingeladen werden möchte. Dort versteht sie zwar nicht, warum das Besteck von Christofle stammt, aber egal, hauptsache es sieht gut aus, und sie kann es halten. Haben Sie, verehrte Leser, übrigens schon mal in Kreisen von Investoren gegessen? Ganz erstaunlich, das. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass BWLer seltenst Stil und Umgangsformen jenseits der Ratschläge des per se schon erbärmlichen Managermagazins haben, und bei Tisch kann man das prächtig beobachten, bäuerliche Sitten in städtischer Verkleidung, kein Genuss beim Zuschauen und sicherlich auch absolut kein Grund, etwas Besseres als Einweggeschirr hinzuschmeissen. Gebet den Drecksäuen, was der Drecksäue ist.
Das war nicht immer und überall so. Letzte Woche etwa war ich auf der Auer Dult, die leider wie immer heftig überpreist ist, und, da ich die dortigen Preise für das noch zu findende Gebrauchsbesteck für meine neue Wohnung nicht finden konnte, fuhr ich weiter über die Isar zu einem Haushaltsauflöser. Und wie es der Zufall so wollte: In einer Kiste war ein altes, schwarzes Kistchen, und auf dessen rosa
Rücken stand in alter Schrift: Gebrauchsbesteck.

Allerdings von der Sorte, wie Joe Wallstreet es kaum kennen dürfte: Das klassische Cluny von Christofle, noch mit alten Eisenklingen, und für einen sehr vernünftigen Preis zu haben. Christofle ist übrigens eine dieser amüsanten Wirtschaftsgeschichten, die ihren Ausgang mit massivem Dumping nahm: Nur 1% der von anderen Goldschmieden veranschlagten Summe brauchte die Firma um 1850, um für Napoleon III. ein Luxustafelbesteck zu fertigen. Das Geheimnis war die Elektroversilberung, die bald überall als billige Alternative zum den Festtagen vorbehaltenen Echtsilber geschätzt wurde. Das geht soweit, dass diese Versilberung in Frankreich einfach "Christofle Silber" genannt wird. Und weiter, denn was früher ein Schnäppchen war, kostet heute für das hier gezeigte Set auch schon an die 1000 Euro. Übertrieben wie die Hauspreise in den USA, aber wie man sieht: Wenn man nur an den richtigen Orten sucht und abwartet,ist auch das Beste so gefallen, wie es Huber und Beckstein bald droht. Und das Besteck kann man im Gegensatz zu diesen beiden immer noch verwenden.
Braucht jemand in Brüssel vielleicht noch abgehalfterte Bilanzenzocker?
donalphons, 21:16h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 28. April 2008
Vom Niedergang der Staatspartei und der eigenen Dummheit
So etwas, diesen Jägerstolz hätte es früher gar niemals auf dem Flohmarkt nicht in den Obstkistl auf dem Boden gegeben:

Fast ist man versucht, Mitleid zu haben, aber dann locken doch der Leuchter, das Imariporzellan, das Silber und die 100 kleinen, geschliffenen Spiegel mehr.
Vor ein paar Jahren, als es um die Einrichtung einer anderen Wohnung ging, sah deren Besitzerin in einer gehobenen Einrichtungszeitschrift eine Wanddekoration aus vielen kleinen, geschliffenen, facettierten Spiegeln und wollte sowas auch haben. Ich ging zum lokalen Glaser, den wir seit langem beschäftigen, und fragte nach einem Kostenvoranschlag. Damals hätte ein kleines, ovales Spiegelglas 10 und ein rindes Gegenstück 8 Euro gekostet. Damit war der Plan hinfällig.
Heute nun fand ich einen ganzen Karton voller solcher Spiegel, das Stück für 20 Cent, und nahm gleich 100 Stück davon. Drei Reihen später dachte ich mir, dass es dumm war; ich hätte einfach alles nehmen sollen. Ich ging zurück, Reihe um Reihe, aber da war nichts mehr. Irgendwann erkannte ich den Verkäufer wieder - und der hatte jemanden getroffen, der die ganze Kiste kaufte. Restlos.
Und sich wahrscheinlich scheckig über mich lachen würde, wüsste er von meiner dummen Knausrigkeit am falschen Fleck.

Fast ist man versucht, Mitleid zu haben, aber dann locken doch der Leuchter, das Imariporzellan, das Silber und die 100 kleinen, geschliffenen Spiegel mehr.
Vor ein paar Jahren, als es um die Einrichtung einer anderen Wohnung ging, sah deren Besitzerin in einer gehobenen Einrichtungszeitschrift eine Wanddekoration aus vielen kleinen, geschliffenen, facettierten Spiegeln und wollte sowas auch haben. Ich ging zum lokalen Glaser, den wir seit langem beschäftigen, und fragte nach einem Kostenvoranschlag. Damals hätte ein kleines, ovales Spiegelglas 10 und ein rindes Gegenstück 8 Euro gekostet. Damit war der Plan hinfällig.
Heute nun fand ich einen ganzen Karton voller solcher Spiegel, das Stück für 20 Cent, und nahm gleich 100 Stück davon. Drei Reihen später dachte ich mir, dass es dumm war; ich hätte einfach alles nehmen sollen. Ich ging zurück, Reihe um Reihe, aber da war nichts mehr. Irgendwann erkannte ich den Verkäufer wieder - und der hatte jemanden getroffen, der die ganze Kiste kaufte. Restlos.
Und sich wahrscheinlich scheckig über mich lachen würde, wüsste er von meiner dummen Knausrigkeit am falschen Fleck.
donalphons, 01:21h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 17. April 2008
Das Schaf der Apokalypse
400. ... Wer bietet 400. ... 350? ... Und zurück.
Die Krise hat viele Gesichter. Das Biedermeierportrait ist eines davon.
1000. ... Bietet jemand 1000? 900?
600!
600 unter Vorbehalt an die Nummer 84.
Die Krise hat viele Gesichter. Der Mann, der oft deutlich unterbietet, wenn keine Konkurrenz zu erwarten ist, hat eines davon.
De Artemis hier hinten. 1500. 1500 sind noch bei mir. ... Bietet jemand mehr? 1500. ... zum ersten, zweiten und ... dritten.
Die Krise hat viele Gesichter. Das Gesicht der griechischen Göttin, mit den sanften Lippen und dem verzückten Blick, um 1740 gemalt, ist kein banales 1500-Euro-Gesicht.
700. ... Sind 700 im Saal? ... 600? ... und zurück.
Die Krise hat viele Gesichter. Wie das Erstaunen der Dame, die vorne die Auktion leitet. Früher ging es so: Ein niedrig aussehendes Limit wird gesetzt, dann kommen hunderte in Hoffnung auf einen guten Kauf, steigern mit, und ehe sie sich versehen, haben sie sich schon versteigert, denn auf die 50 Euro kommt es im gefecht auch nicht mehr an, und prompt kann das Auktionshaus neue Rekorde vermelden. Liest sich gut für Einlieferer: Limit 500, verkauft für 4200 - Plus 24%. Das macht Stimmung. Aber diesmal nicht. Diesmal bleibt fast die Hälfte liegen. Das ist neu und ungewöhnlich, bei diesem aufstrebenden Haus in Schwabing. Die Käufer wollen nicht, sie halten das Geld zusammen. Ohne die Grunderwerbsteuer hätte ich mir die Artemis vielleicht gegönnt, oder zumindest versucht, gegen das schriftliche Gebot zuu bestehen, sie wäre es wert gewesen, aber so reihe auch ich mich ein in die Masse derer, die untätig dasitzt und wartet, auf die eine Nummer, wegen der sie gekommen sind, und ungerührt dem Debakel zuschauen. Jeder ist sich, auch in diesen Kreisen, gerade selbst der nächste.
Ich habe einen fremden Auftrag, und ein eigenes Ziel. Das eigene Ziel eigentlich nur, weil der Auftraggeber mutmasslich zu wenig bietet, und weil ich nicht ganz umsonst hier im überfüllten Raum der Kaufverweigerer sitzen will, während draussen das Münchner Leben den Frühling begrüsst. Ich weiss nicht, ob es Chancen gibt; wenn es um Toyohara Kunichika geht, kann man sehr schnell gegen ominöse Telefonbieter aus Fernost unterliegen, für die das eigene Limit von 300 Euro gerne auch nur die Umsatzsteuer auf das Aufgeld darstellen darf. Die damit gebündelten Damen von Kunimaru Utagawa sind glücklicherweise als "Anonym, um 1900" gekennzeichnet, auch wenn Utagawa brettlbreit draufsteht und das schrumplige Papier keine Zweifel am wahren Alter - so um 1820 - lässt. Es gibt also sowas wie relle Chancen, dass sie das Limit von 80 nicht allzusehr übertreten.
Zwei japanische Holzstiche ... 80. Wer bietet 80? ... 80? ... Und zur..
60! rufe ich in das gelangweilte Schweigen hinein.
60 wären schon bei mir, sagt die Auktionatorin.
70, sage ich.
80, sagt sie und weist auf jemandem hinter mir, der weniger von der Krise betroffen ist, als gehofft. Ich lasse mein Schild oben, damit sind es 90.
Und die Jagd ist eröffnet. 90 ... Bietet jemand mehr? Man spürt, dass es jetzt spannend wird, vielleicht denkt einer, wenn da schon zwei bieten, vielleicht ist es doch was, allein die Rahmen sind ja schon vierzig wert, da kann man eigentlich nichts falsch machen .... 90? ... 90 zum ersten, zum zweiten und - sie tickt mit dem Bleistift auf den Tisch - zum Dritten.

Die Krise hat viele Gesichter, wir nähern uns wieder dem Zeitpunkt, da ein Rubens für einen Sack Kartoffeln, ein Seidenteppich für einen Eimer Milch auf den Schwarzmarkt ging. Es sind fast argentinische Verhältnisse, und nie waren Konkubinen so billig in Anschaffung und Unterhalt wie gerade eben. Kein Wunder, dass die Kabuki-Schauspieler verzweifelt dreinschauen, wenn ihre Kunst nicht angemessen geschätzt wird. Auch sie sind Gesichter, die die Krise hat.
Bleibt noch der Auftrag, ein verstecktes, kleines Gemälde, Limit 250, mein Auftragslimit liegt bei 850, und es geht los mit..
bei mir sind 1650 ... 1650 ... bietet jemand im Saal 1700 1750 sind bei mir 1800 1850 sind bei mir 1900 1950 sind bei mir 2000 2100 sind bei mir 2200 2300 sind bei mir 2400...
Ich gehe nach draussen im Wissen, dass eine andere Krise gleich ein anderes Gesicht haben wird, und teile dem Auftraggeber das Debakel und mein Bedauern mit. Wir reden noch etwas, und er erzählt, dass Ende der nächsten Woche bei einer anderen Auktion ein apokalyptisches Schaf unter den Hammer kommt, auf dem Buch mit den sieben Siegeln, ob ich da nicht vielleicht auch Zeit hätte.
Die Krise hatte schon früher viele Gesichter.
Die Krise hat viele Gesichter. Das Biedermeierportrait ist eines davon.
1000. ... Bietet jemand 1000? 900?
600!
600 unter Vorbehalt an die Nummer 84.
Die Krise hat viele Gesichter. Der Mann, der oft deutlich unterbietet, wenn keine Konkurrenz zu erwarten ist, hat eines davon.
De Artemis hier hinten. 1500. 1500 sind noch bei mir. ... Bietet jemand mehr? 1500. ... zum ersten, zweiten und ... dritten.
Die Krise hat viele Gesichter. Das Gesicht der griechischen Göttin, mit den sanften Lippen und dem verzückten Blick, um 1740 gemalt, ist kein banales 1500-Euro-Gesicht.
700. ... Sind 700 im Saal? ... 600? ... und zurück.
Die Krise hat viele Gesichter. Wie das Erstaunen der Dame, die vorne die Auktion leitet. Früher ging es so: Ein niedrig aussehendes Limit wird gesetzt, dann kommen hunderte in Hoffnung auf einen guten Kauf, steigern mit, und ehe sie sich versehen, haben sie sich schon versteigert, denn auf die 50 Euro kommt es im gefecht auch nicht mehr an, und prompt kann das Auktionshaus neue Rekorde vermelden. Liest sich gut für Einlieferer: Limit 500, verkauft für 4200 - Plus 24%. Das macht Stimmung. Aber diesmal nicht. Diesmal bleibt fast die Hälfte liegen. Das ist neu und ungewöhnlich, bei diesem aufstrebenden Haus in Schwabing. Die Käufer wollen nicht, sie halten das Geld zusammen. Ohne die Grunderwerbsteuer hätte ich mir die Artemis vielleicht gegönnt, oder zumindest versucht, gegen das schriftliche Gebot zuu bestehen, sie wäre es wert gewesen, aber so reihe auch ich mich ein in die Masse derer, die untätig dasitzt und wartet, auf die eine Nummer, wegen der sie gekommen sind, und ungerührt dem Debakel zuschauen. Jeder ist sich, auch in diesen Kreisen, gerade selbst der nächste.
Ich habe einen fremden Auftrag, und ein eigenes Ziel. Das eigene Ziel eigentlich nur, weil der Auftraggeber mutmasslich zu wenig bietet, und weil ich nicht ganz umsonst hier im überfüllten Raum der Kaufverweigerer sitzen will, während draussen das Münchner Leben den Frühling begrüsst. Ich weiss nicht, ob es Chancen gibt; wenn es um Toyohara Kunichika geht, kann man sehr schnell gegen ominöse Telefonbieter aus Fernost unterliegen, für die das eigene Limit von 300 Euro gerne auch nur die Umsatzsteuer auf das Aufgeld darstellen darf. Die damit gebündelten Damen von Kunimaru Utagawa sind glücklicherweise als "Anonym, um 1900" gekennzeichnet, auch wenn Utagawa brettlbreit draufsteht und das schrumplige Papier keine Zweifel am wahren Alter - so um 1820 - lässt. Es gibt also sowas wie relle Chancen, dass sie das Limit von 80 nicht allzusehr übertreten.
Zwei japanische Holzstiche ... 80. Wer bietet 80? ... 80? ... Und zur..
60! rufe ich in das gelangweilte Schweigen hinein.
60 wären schon bei mir, sagt die Auktionatorin.
70, sage ich.
80, sagt sie und weist auf jemandem hinter mir, der weniger von der Krise betroffen ist, als gehofft. Ich lasse mein Schild oben, damit sind es 90.
Und die Jagd ist eröffnet. 90 ... Bietet jemand mehr? Man spürt, dass es jetzt spannend wird, vielleicht denkt einer, wenn da schon zwei bieten, vielleicht ist es doch was, allein die Rahmen sind ja schon vierzig wert, da kann man eigentlich nichts falsch machen .... 90? ... 90 zum ersten, zum zweiten und - sie tickt mit dem Bleistift auf den Tisch - zum Dritten.

Die Krise hat viele Gesichter, wir nähern uns wieder dem Zeitpunkt, da ein Rubens für einen Sack Kartoffeln, ein Seidenteppich für einen Eimer Milch auf den Schwarzmarkt ging. Es sind fast argentinische Verhältnisse, und nie waren Konkubinen so billig in Anschaffung und Unterhalt wie gerade eben. Kein Wunder, dass die Kabuki-Schauspieler verzweifelt dreinschauen, wenn ihre Kunst nicht angemessen geschätzt wird. Auch sie sind Gesichter, die die Krise hat.
Bleibt noch der Auftrag, ein verstecktes, kleines Gemälde, Limit 250, mein Auftragslimit liegt bei 850, und es geht los mit..
bei mir sind 1650 ... 1650 ... bietet jemand im Saal 1700 1750 sind bei mir 1800 1850 sind bei mir 1900 1950 sind bei mir 2000 2100 sind bei mir 2200 2300 sind bei mir 2400...
Ich gehe nach draussen im Wissen, dass eine andere Krise gleich ein anderes Gesicht haben wird, und teile dem Auftraggeber das Debakel und mein Bedauern mit. Wir reden noch etwas, und er erzählt, dass Ende der nächsten Woche bei einer anderen Auktion ein apokalyptisches Schaf unter den Hammer kommt, auf dem Buch mit den sieben Siegeln, ob ich da nicht vielleicht auch Zeit hätte.
Die Krise hatte schon früher viele Gesichter.
donalphons, 01:39h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Samstag, 12. April 2008
Weggewaschen
Dieser Samstag ist kein normaler Samstag. Es ist ein Samstag, der mich aus meinen Bergen in die Schotterebene treibt, zu einem Platz, auf dem ich sonst nie bin: Die Theresienwiese. Meine Gefühle gegen das dort stattfindende Oktoberfest als "Hass" zu bezeichnen, wäre eine linde Untertreibung, Wann immer ich konnte, habe ich diese Wochen ausserhalb von München verbracht. Sollten doch andere in die Kotze treten und in Messer stolpern.
Aber: Diesmal ist das Frühlingsfest, und wenn es den Plebs dorthin zieht, ist auch am ersten Samstag der grosse, nur einmal im Jahr stattfindende Flohmarkt. Und der ist richtig, richtig gut. Normalerweise. Dann wäre es auch kein Problem
1 versilbertes Besteck
1 Schreibtisch (Biedermeier)
2 Lampen für die Terasse
1 Perserteppich (Seide) für die Wand
1 Rosenthalservice
noch 1 versilbertes Besteck
1 Stehlampe
und noch ein paar Kleinigkeiten zu kaufen. Aber zuerst war meine kleine Schwester dabei, und die erzwang (nur Ramsch!) einen Abbruch, und beim zweiten Versuch, diesmal allein, kam der Regen.

Und ich stellte fest, dass auch ein Schirm auf meine Einkaufsliste gehören würde. Erst im letzten Moment kaufte ich einem runden Italiener einen Schreib-, oder besser Spieltisch ab. Biedermeier. Glück gehabt.
Aber: Diesmal ist das Frühlingsfest, und wenn es den Plebs dorthin zieht, ist auch am ersten Samstag der grosse, nur einmal im Jahr stattfindende Flohmarkt. Und der ist richtig, richtig gut. Normalerweise. Dann wäre es auch kein Problem
1 versilbertes Besteck
1 Schreibtisch (Biedermeier)
2 Lampen für die Terasse
1 Perserteppich (Seide) für die Wand
1 Rosenthalservice
noch 1 versilbertes Besteck
1 Stehlampe
und noch ein paar Kleinigkeiten zu kaufen. Aber zuerst war meine kleine Schwester dabei, und die erzwang (nur Ramsch!) einen Abbruch, und beim zweiten Versuch, diesmal allein, kam der Regen.

Und ich stellte fest, dass auch ein Schirm auf meine Einkaufsliste gehören würde. Erst im letzten Moment kaufte ich einem runden Italiener einen Schreib-, oder besser Spieltisch ab. Biedermeier. Glück gehabt.
donalphons, 16:51h
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Mittwoch, 2. April 2008
Kein Frühstück bei Tiffany
Was kosten diese Leuchter?
Ouh, de sind vo Difänie, de sen deirer, you know - finfhundred.
Uh. Und die?
Die auch. Und sein elder. 700.
Phhhh. Und die...
Schale isd auch von Difänie. Däs is alles von Difänie, was hier steaht. 700, 900, 1800 fir die grosse Leichder.
Oh c´me on, Robert. What a bloody mess. I ain´t got that much, I spent all my money on my flat.
Ya telling me? I bought a flat in Salzburg last year.
Great. Und was ist mit den Leuchter in der Kiste?
300, manke auch 200 das Paar.
Und die?
Die san kapud, die kann man nikt mehr putze. Die schmelze ich ein, die sein massiv, 200 Gruamm sind das auk.
Waaaas? Die sind doch viel zu schade dafür, die kriegt man wieder hin?
Never ever. Vörgiss es. De san vollig schwarz, das lohnt nikt.
Komm, ich geb Dir 40, das ist mehr als der Silberpreis?
Na, sechzik
(Es folgt eine erregte Feilscherei, Ostküste vs. Bayern, einige Kompensationsangebote und Packagedeals, aber am Ende doch: 40)

Und zwei Stunden verdammt harte Arbeit. Aber man bekommt Silber immer wieder hin, egal wie schwarz, kaputt und misshandelt es aussieht. Der Daumen meiner rechten Hand ist immer noch leicht schwarz.
Ouh, de sind vo Difänie, de sen deirer, you know - finfhundred.
Uh. Und die?
Die auch. Und sein elder. 700.
Phhhh. Und die...
Schale isd auch von Difänie. Däs is alles von Difänie, was hier steaht. 700, 900, 1800 fir die grosse Leichder.
Oh c´me on, Robert. What a bloody mess. I ain´t got that much, I spent all my money on my flat.
Ya telling me? I bought a flat in Salzburg last year.
Great. Und was ist mit den Leuchter in der Kiste?
300, manke auch 200 das Paar.
Und die?
Die san kapud, die kann man nikt mehr putze. Die schmelze ich ein, die sein massiv, 200 Gruamm sind das auk.
Waaaas? Die sind doch viel zu schade dafür, die kriegt man wieder hin?
Never ever. Vörgiss es. De san vollig schwarz, das lohnt nikt.
Komm, ich geb Dir 40, das ist mehr als der Silberpreis?
Na, sechzik
(Es folgt eine erregte Feilscherei, Ostküste vs. Bayern, einige Kompensationsangebote und Packagedeals, aber am Ende doch: 40)

Und zwei Stunden verdammt harte Arbeit. Aber man bekommt Silber immer wieder hin, egal wie schwarz, kaputt und misshandelt es aussieht. Der Daumen meiner rechten Hand ist immer noch leicht schwarz.
donalphons, 23:01h
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Dienstag, 11. März 2008
Porzellandiskurse
sind im Moment in meinem Clan nicht selten, geht es doch um die wichtige Frage, was nun vom familiären Besitz an den Tegernsee verfrachtet wird, um dort die Bedürfnisse auch anderer Familienmitglieder, wenn die mal kommen, zu befriedigen. Das problem it, dass die Wohnung gewissermassen vom ersten Tag an bespielbar sein muss, denn neben meinen Freunden haben sich auch schon sämtliche kaffeeklatschfreundinnen meiner Frau Mama und etliche alter geschäftspartner meines Herrn Papa und überhaupt jeder, der überlegt, den Schritt an den Tegernsee auch zu tun, und das sind erstaunlich viele, angemeldet. Und da kann es nicht zugehen, als wären wir auf der Brennsuppn dahergschwumma, wie meine Grossmutter immer so treffend bemerkte, und natürlich wie immer recht hatte.
Allerdings gestalten sich die Verhandlungen schwierig. Ich stehe vor dem ca. 4 Meter langen Erstporzellanschrank meiner Mutter und mache Vorschläge. Das historische Rosenthal, das sie nie benutzt? Niemals! Viel zu protzig für den Tegernsee, und ich sei ja nicht in Rottach. Die mittlerweile auch historische Fayence aus Rosenheim? Nein, das ist so schön für Sonntag daheim, da hat sie sich daran gewöhnt. Das Wedgwood von Grosstante P., das nur alle Sabbatjahre mal raus darf? Eben! da darf es raus! Das Geschirr vom Landrichter S.? Nein, das ist viel zu gross, das hat am tegernsee keinen Platz! So geht das weiter bis zum in der Einliegerwohnung stehenden Geschirrschrank Nummer 3, in dem ein Art Deco Service von Paul Müller seit 5 Jahren schlummert... Das will deine kleine Schwester, das geht nicht!
Beim Thema besteck muss ich erst gar nicht anfangen, da ist der verlust an die eigene Familie nun schon seit Jahren fast so hoch wie die Zukäufe. Und wer nun meint, meine Familie sei gierig und teile nicht: Nein. Meine Familie ist nur das ideale Bespiel für die Erkenntnis, dass Besitz durch Behalten entsteht. Weshalb ich am Wochenende beschloss, fast militärisch bei mir umzugruppieren:

Diese entzückende blaue Streublume lag ganz unbeachtet, ganz unten in einer schlechten Kiste auf einem ganz schlechten Flohmarkt, und ist genau das Service, das ich mir mit Blick auf die Berge auf der Terasse vorstelle. Es war so lachhaft billig - 21 Teile für 4 Euro - dass man draussen nichts riskiert, selbst wenn Nachbars Katze Unsinn auf der Suche nach Sahne treibt, und das, nachdem die Firma heute Teil des Rosenthal-Konzerns ist, auch Gästen zugemutet werden kann. Und weil schlechte Flohmörkte noch mehr schlechte Kisten haben, lag ein paar Stände weiter ein praktisch neues Besteck von OKA. Würden sich diejenigen, die Omas altes Besteck für 8 Euro verschleudern, mal mit der Geschichte von Otto Kaltenbach, seiner Silberschmiede und der Website von Wilkens, zu denen OKA gekommen ist auseinandersetzen, wüssten sie, dass sowas heute nicht ganz billig ist, 1000 Euro, und es nicht einfach so hergeben.
Und dann war da noch ein Service "Barock" von Winterling, dessen türkische Verkäuferin mir was erzählen wollte, dass es mal 300 Euro gekostet hätte, als sie es mir für 20 verkaufte - was dreist, wirklich dreist gelogen war, neu kostete es fast 500. Das kommt jetzt auf meine Terasse, und dafür geht mein für die Terasse zu feines Hutschenreuther mit mir an den See.
Und ich muss meiner Frau Mama keine seelischen Grausamkeiten antun. Mutters Seelenfrieden für 32 Euro - das ist wirklich günstig.
Allerdings gestalten sich die Verhandlungen schwierig. Ich stehe vor dem ca. 4 Meter langen Erstporzellanschrank meiner Mutter und mache Vorschläge. Das historische Rosenthal, das sie nie benutzt? Niemals! Viel zu protzig für den Tegernsee, und ich sei ja nicht in Rottach. Die mittlerweile auch historische Fayence aus Rosenheim? Nein, das ist so schön für Sonntag daheim, da hat sie sich daran gewöhnt. Das Wedgwood von Grosstante P., das nur alle Sabbatjahre mal raus darf? Eben! da darf es raus! Das Geschirr vom Landrichter S.? Nein, das ist viel zu gross, das hat am tegernsee keinen Platz! So geht das weiter bis zum in der Einliegerwohnung stehenden Geschirrschrank Nummer 3, in dem ein Art Deco Service von Paul Müller seit 5 Jahren schlummert... Das will deine kleine Schwester, das geht nicht!
Beim Thema besteck muss ich erst gar nicht anfangen, da ist der verlust an die eigene Familie nun schon seit Jahren fast so hoch wie die Zukäufe. Und wer nun meint, meine Familie sei gierig und teile nicht: Nein. Meine Familie ist nur das ideale Bespiel für die Erkenntnis, dass Besitz durch Behalten entsteht. Weshalb ich am Wochenende beschloss, fast militärisch bei mir umzugruppieren:

Diese entzückende blaue Streublume lag ganz unbeachtet, ganz unten in einer schlechten Kiste auf einem ganz schlechten Flohmarkt, und ist genau das Service, das ich mir mit Blick auf die Berge auf der Terasse vorstelle. Es war so lachhaft billig - 21 Teile für 4 Euro - dass man draussen nichts riskiert, selbst wenn Nachbars Katze Unsinn auf der Suche nach Sahne treibt, und das, nachdem die Firma heute Teil des Rosenthal-Konzerns ist, auch Gästen zugemutet werden kann. Und weil schlechte Flohmörkte noch mehr schlechte Kisten haben, lag ein paar Stände weiter ein praktisch neues Besteck von OKA. Würden sich diejenigen, die Omas altes Besteck für 8 Euro verschleudern, mal mit der Geschichte von Otto Kaltenbach, seiner Silberschmiede und der Website von Wilkens, zu denen OKA gekommen ist auseinandersetzen, wüssten sie, dass sowas heute nicht ganz billig ist, 1000 Euro, und es nicht einfach so hergeben.
Und dann war da noch ein Service "Barock" von Winterling, dessen türkische Verkäuferin mir was erzählen wollte, dass es mal 300 Euro gekostet hätte, als sie es mir für 20 verkaufte - was dreist, wirklich dreist gelogen war, neu kostete es fast 500. Das kommt jetzt auf meine Terasse, und dafür geht mein für die Terasse zu feines Hutschenreuther mit mir an den See.
Und ich muss meiner Frau Mama keine seelischen Grausamkeiten antun. Mutters Seelenfrieden für 32 Euro - das ist wirklich günstig.
donalphons, 11:36h
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