Dienstag, 16. September 2008
Der unheilige St. Lemanius
Zahlvorgänge sind nicht mein Ding. Im Internet, wo es wegen der transatlantischen Käufe mitunter nicht anders geht, fühle ich mich unsicher. Mit Karte habe ich in meinem Leben kaum ein Dutzend gezahlt, als es wirklich nicht anders ging. Und beim Zahlen mit Münzen und Scheinen habe ich Angst, ich könnte zu wenig hergeben, was mich dann in eine peinliche Situation bringen würde. Oder aber mein Gegenüber macht einen Fehler beim Herausgeben, was mich zwingen würde, ihn - und damit auch mich als Verursacher - in eine peinliche Situation zu bringen. Wenn es dann doch mal sein muss, bin ich die Höflichkeit in Person, ich bedaure, ich befürchte, ich ersuche um Nachrechnung, und mitunter geht das auch schief.
Wie vor zwei Jahren, als ich in der gewohnten Apotheke eine Kleinigkeit kaufte. Die Apotheke ist alt und noch wie in den 20er Jahren eingerichtet, als jemand aus meinem Clan noch die Holzeinichtung der beseren Geschäfte der Stadt besorgte; in den Regalen stehen Mörser und Salbgefässe, in den Gängen sind alte Holzschnitte von Heilpflanzen aufgehängt. Es gibt keine Werbung, aber früher einen dicken Apotheker, der Kindern wie mir den Eindruck vermittelte, dass er sie wirklich gesund machen wollte. Doch gegen seinen eigenen Tod hatte er auch kein Medikament, und es war eher die Tradition und die Einrichtung aus Holz denn sein wenig charmanter Sohn, der mich weiter dort einkaufen liessen.
Bis zu jenem Tag vor zwei Jahren, als ich unmittelbar vor dem Einkauf einen 50-Euroschein aus dem Bankautomaten holte und für ein paar billige Kopschmerztabletten nur das Wechsekgeld auf 10 Euro zurückbekam. Ich habe gelernt, in solchen Situationen höflich zu sein, und auf pampige, laut vorgetragene und einen Betrug andeutende Sprüche, wie sie auf meinen Einwand folgten, wusste ich keine rechte Antwort; also ging ich beraubt von dannen und erzählte nur drei stadtbekannten Tratscherinnen, wie das da drinnen inzwischen zugeht.
Vor zwei Wochen kam ich an der Apotheke vorbei; davor stand ein Container voll mit zertrümmerten Regalen und Vertäfelungen, auf deren Intarsien beim Herausreissen keiner Rücksicht genommen hatte. Die 40 Euro waren ärgerlich, aber der Anblick tat weh.

Die Holzschnitte aus dem Gang jedoch gelangten auf einen Flohmarkt der Region, wo ich sie gestern entdeckte. 5 Stück für 8 Euro, ein Arbeiter hatte sie wegen der Rahmen gerettet, und dem Apotheker war es offensichtlich egal. In das Umfeld, das er dort einbauen lässt, hätten sie nicht mehr gepasst. Hinten kleben noch die Bapperl der Münchner Galerie drauf, die sie seinem Vater verkauft hat. Es ist nicht der Wert und der Ausgleich, eigentlich sogar der Überausgleich, den sie darstellen, es ist die Geschichte, für die ich dankbar bin.
Es ist ja so mit den Flohmärkten, dass sie nie schlecht sind, auch wenn sie schlecht scheinen. Der Flohmarkt gestern etwa ist nicht das natürliche Umfeld für Holzschnitte des XVI. Jahrhunderts, aber man muss nur die Augen aufhalten. Und flexibel sein. Nachdem gestern mit dem Zusammenbruch von Lehman und der ersten Herbstkälte ein reichlich morbides Datum erreicht wurde, war ich auch hingerissen von der reichlich zerstörten, kopflosen Heiligenfigur.

Ich würde sie normalerweise unter "Plunder" einsortieren, und mit dem Katholizismus habe ich es auch nicht, aber in diesem Zustand, enthauptet, entarmt und die Schwurhand zertrümmert, hatte sie etwas wunderbar Pathetisches an sich. Nun ist das hier Bayern und katholisch und voll mit Sammlern alter Kirchenkunst, denen angesichts des hiesigen Barocks und seiner billigen Machart mit Stuck und Holz kein Schaden fremd ist, und die sicher irgendwo noch einen Kopf für die Restaurierung im Fundus haben. Solche Statuen sind normalerweise nicht billig und nicht leicht zu bekommen, aber die hier kostete nur fast so viel wie eine Lehmanaktie zum Börsenschluss am letzten Freitag. Und da konnte ich nicht widerstehen.
Es ist unklar, was für ein Heiliger das war; es fehlen schliesslich Kopf und Attribute, aber so, wie er ist, zerstört, zertrümmert und mit falschem Gold bemalt, habe ich angesichts der wenigen Silberlinge Kaufpreis beschlossen, ihn als den unheiligen St. Lemanius aufzufassen. St. Lemanius also, der kopflose Heilige, dem man die raffgierige Linke amputiert hat und der mit letzter Kraft den Offenbarungseid schwört, der Schutzpatron des bislang gottlosen grauen Kaptalmarkts und des Derivatehandels, der moderne Heilige im weissen Bilanzhemd, der im grossen, barocken, bayerischen Heiligenhimmel gefehlt hat, und den nur ich besitze, so dass alle Stossgebete der Bayerischen Landesbank, der CSU und der Mörder unserer historischen Bausubstanz ins Leere laufen.

Vielleicht expandiere ich damit auch in den Ablass- und Reliquienhandel; diese unsere Zeit ist ohne Hoffnung, aber voller Schuld und Schulden, da könnte so ein Knochen von St. Lemanius noch glaubwürdiger sein als die Behauptung vom Ackermann, dass das Schlimmste jetzt vorbei ist.
Wie vor zwei Jahren, als ich in der gewohnten Apotheke eine Kleinigkeit kaufte. Die Apotheke ist alt und noch wie in den 20er Jahren eingerichtet, als jemand aus meinem Clan noch die Holzeinichtung der beseren Geschäfte der Stadt besorgte; in den Regalen stehen Mörser und Salbgefässe, in den Gängen sind alte Holzschnitte von Heilpflanzen aufgehängt. Es gibt keine Werbung, aber früher einen dicken Apotheker, der Kindern wie mir den Eindruck vermittelte, dass er sie wirklich gesund machen wollte. Doch gegen seinen eigenen Tod hatte er auch kein Medikament, und es war eher die Tradition und die Einrichtung aus Holz denn sein wenig charmanter Sohn, der mich weiter dort einkaufen liessen.
Bis zu jenem Tag vor zwei Jahren, als ich unmittelbar vor dem Einkauf einen 50-Euroschein aus dem Bankautomaten holte und für ein paar billige Kopschmerztabletten nur das Wechsekgeld auf 10 Euro zurückbekam. Ich habe gelernt, in solchen Situationen höflich zu sein, und auf pampige, laut vorgetragene und einen Betrug andeutende Sprüche, wie sie auf meinen Einwand folgten, wusste ich keine rechte Antwort; also ging ich beraubt von dannen und erzählte nur drei stadtbekannten Tratscherinnen, wie das da drinnen inzwischen zugeht.
Vor zwei Wochen kam ich an der Apotheke vorbei; davor stand ein Container voll mit zertrümmerten Regalen und Vertäfelungen, auf deren Intarsien beim Herausreissen keiner Rücksicht genommen hatte. Die 40 Euro waren ärgerlich, aber der Anblick tat weh.

Die Holzschnitte aus dem Gang jedoch gelangten auf einen Flohmarkt der Region, wo ich sie gestern entdeckte. 5 Stück für 8 Euro, ein Arbeiter hatte sie wegen der Rahmen gerettet, und dem Apotheker war es offensichtlich egal. In das Umfeld, das er dort einbauen lässt, hätten sie nicht mehr gepasst. Hinten kleben noch die Bapperl der Münchner Galerie drauf, die sie seinem Vater verkauft hat. Es ist nicht der Wert und der Ausgleich, eigentlich sogar der Überausgleich, den sie darstellen, es ist die Geschichte, für die ich dankbar bin.
Es ist ja so mit den Flohmärkten, dass sie nie schlecht sind, auch wenn sie schlecht scheinen. Der Flohmarkt gestern etwa ist nicht das natürliche Umfeld für Holzschnitte des XVI. Jahrhunderts, aber man muss nur die Augen aufhalten. Und flexibel sein. Nachdem gestern mit dem Zusammenbruch von Lehman und der ersten Herbstkälte ein reichlich morbides Datum erreicht wurde, war ich auch hingerissen von der reichlich zerstörten, kopflosen Heiligenfigur.

Ich würde sie normalerweise unter "Plunder" einsortieren, und mit dem Katholizismus habe ich es auch nicht, aber in diesem Zustand, enthauptet, entarmt und die Schwurhand zertrümmert, hatte sie etwas wunderbar Pathetisches an sich. Nun ist das hier Bayern und katholisch und voll mit Sammlern alter Kirchenkunst, denen angesichts des hiesigen Barocks und seiner billigen Machart mit Stuck und Holz kein Schaden fremd ist, und die sicher irgendwo noch einen Kopf für die Restaurierung im Fundus haben. Solche Statuen sind normalerweise nicht billig und nicht leicht zu bekommen, aber die hier kostete nur fast so viel wie eine Lehmanaktie zum Börsenschluss am letzten Freitag. Und da konnte ich nicht widerstehen.
Es ist unklar, was für ein Heiliger das war; es fehlen schliesslich Kopf und Attribute, aber so, wie er ist, zerstört, zertrümmert und mit falschem Gold bemalt, habe ich angesichts der wenigen Silberlinge Kaufpreis beschlossen, ihn als den unheiligen St. Lemanius aufzufassen. St. Lemanius also, der kopflose Heilige, dem man die raffgierige Linke amputiert hat und der mit letzter Kraft den Offenbarungseid schwört, der Schutzpatron des bislang gottlosen grauen Kaptalmarkts und des Derivatehandels, der moderne Heilige im weissen Bilanzhemd, der im grossen, barocken, bayerischen Heiligenhimmel gefehlt hat, und den nur ich besitze, so dass alle Stossgebete der Bayerischen Landesbank, der CSU und der Mörder unserer historischen Bausubstanz ins Leere laufen.

Vielleicht expandiere ich damit auch in den Ablass- und Reliquienhandel; diese unsere Zeit ist ohne Hoffnung, aber voller Schuld und Schulden, da könnte so ein Knochen von St. Lemanius noch glaubwürdiger sein als die Behauptung vom Ackermann, dass das Schlimmste jetzt vorbei ist.
donalphons, 00:33h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 25. August 2008
No. 24
Normalerweise kann man sich das Fragen bei gewissen Produktkategorien auf den Antikmärkten sparen: Bessere Uhrennmarken, Leicas, Meissen und überhaupt alles, was heute noch eine Marke mit Legende oder auch nur einem geschickten Marketing ist. Perverserweise setzt sich das bis in die Fälschungen fort; eine "Breitling" chinesischer Produktion ist teurer als eine echte Doxa, und selbst runtergeschlampte Kopien von Louis Vuitton erreichen bessere Preise als wirklich gute, alte Lederkoffer. Bei Schreibzeug ist das auch nicht anders: Füller von Pelikan und Montblanc scheinen eine gute Wertanlage zu sein, wenn man ihre heutigen Preise nach 30 oder 40 Jahren erfragt. Deshalb habe ich aufgehört zu fragen, denn wenn ich über dumme Vorstellungen höhnisch lachen will, schaue ich mir Videos von MC Winsel an.
Heute jedoch nuschelte ich an einer Schachtel voller alter Federhalter die typische Frage - wosgosdndes - in meinen nicht vorhandenen Bart, und bekam eine wirklich erstaunliche Antwort, die darauf schliesen liess, dass der Händler seinen Clown bislang noch auf dem sauber verpackten Brötchen gelassen und ihn nicht angefressen hatte. Oder auch noch nichts vom Treiben seiner Kollegen gehört hatte, die bei Montblanc sofort so tun, als sei ihr Tapeziertisch eine Dependance von Prantl in München oder der Cartoleria Rossi in Mantua.

Nun, das Modell No. 24 ist natürlich kein Meisterstück, das heute jeder Bankangestellte sein eigen nennt, und auch kein Sammlermodell, mit dem man sich spielend an das Limit der Kreditkarte bringen kann, sondern einfach nur ein schlichter, guter Füller mit Goldfeder aus den 60er Jahren im damals üblichen, schlichten Design, nicht nostalgisch und nach ein wenig Putzen so gut wie neu. Und überdies eine sinnvolle Anschaffung; ich habe zwar schon ein paar gute Füller, aber bislang keinen am See, und vielleicht wollen dort Besucher auch mal Postkarten nach Hause schreiben, mit bayerischen Blaskapellen in Booten auf dem See vor Alpenkulisse, oder gar Briefe auf Papier der Fabrik, die unten im Tal das Geld für die Inflation druckt, die gleiche Inflation, die es unwahrscheinlich werden lässt, dass so schnell wieder ein Montblanc zu derartig günstigen Konditionen den Besitzer wechselt.
Heute jedoch nuschelte ich an einer Schachtel voller alter Federhalter die typische Frage - wosgosdndes - in meinen nicht vorhandenen Bart, und bekam eine wirklich erstaunliche Antwort, die darauf schliesen liess, dass der Händler seinen Clown bislang noch auf dem sauber verpackten Brötchen gelassen und ihn nicht angefressen hatte. Oder auch noch nichts vom Treiben seiner Kollegen gehört hatte, die bei Montblanc sofort so tun, als sei ihr Tapeziertisch eine Dependance von Prantl in München oder der Cartoleria Rossi in Mantua.

Nun, das Modell No. 24 ist natürlich kein Meisterstück, das heute jeder Bankangestellte sein eigen nennt, und auch kein Sammlermodell, mit dem man sich spielend an das Limit der Kreditkarte bringen kann, sondern einfach nur ein schlichter, guter Füller mit Goldfeder aus den 60er Jahren im damals üblichen, schlichten Design, nicht nostalgisch und nach ein wenig Putzen so gut wie neu. Und überdies eine sinnvolle Anschaffung; ich habe zwar schon ein paar gute Füller, aber bislang keinen am See, und vielleicht wollen dort Besucher auch mal Postkarten nach Hause schreiben, mit bayerischen Blaskapellen in Booten auf dem See vor Alpenkulisse, oder gar Briefe auf Papier der Fabrik, die unten im Tal das Geld für die Inflation druckt, die gleiche Inflation, die es unwahrscheinlich werden lässt, dass so schnell wieder ein Montblanc zu derartig günstigen Konditionen den Besitzer wechselt.
donalphons, 01:47h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Donnerstag, 14. August 2008
Meine kleinen Hedgefonds gegen Euro und Dollar
Die hier schon bekannte Mrs. Murdock aus Pasadena hat ein Problem: Sie will im Roman "Das hohe Fenster" ihre entlaufene Schwiegertochter Linda Conquest kostenneutral loswerden und verdächtigt sie, ihr eine wertvolle Münze gestohlen zu haben. Gegenüber Marlowe zählt sie all den Luxus auf, mit dem sie diese Frau ihres Sohnes dummerweise überhäuft hat; ein stahlgrauer Mercury etwa, ein wolkiges Bernsteinarmband mit Brilliantschliesse und eine Longines-Uhr aus Platin, womit die junge Mrs. Murdock für ihre Zeit bestens ausgestattet war. Dass die Schweizer Uhrenmarke Longines zu dieser Zeit in den USA ein Begriff für Exklusivität war, lag an der Flucht europäischer Luxushersteller aus dem kriegszerstörten Kontinent in die damals wirtschaftlich Tritt fassenden USA, denn dort war das Geld und die Kundschaft und auch die Bereitschaft, sich endlich wieder etwas zu leisten. Longines war von allen europäischen Luxusherstellern derjenige, der die Chancen am schnellsten begriff und umzusetzen wusste, so dass die am amerikanischen Geschmack orientierten Uhren in den USA fast schon als amerikanische Marke gesehen wurden. Mit Wittnauer hatte Longines sogar einen Vertriebspartner in den Staaten, der auf Schweizer Werke zurückgriff.
60 Jahre später liegen die USA darnieder, und dem Euroraum geht es auch nicht mehr so gut. Es riecht nach Weltwirtschaftskrise, und es scheint mir deshalb an der Zeit, die Schweizer Flüchtlinge der 50er und 60er Jahre heimzuholen.

Das hier sind zwei Admiralmodelle von Longines mit wasserdichten Gehäusen und sehr feinen Calibern. Aus Sicht der deutschen 50er Jahre waren sie praktisch unbezahlbar, für diese beiden Uhren hätte man 2/3 eines VW Käfer kaufen können, und sollte es mit dem Benzinpreis so weitergehen, wird man dereinst für eine Uhr einen ganzen Schrottplatz bekommen. So richtig billig waren sie auch in den USA nicht, ganz im Gegenteil; 1961 machten sich Opa und Oma auf den Weg und kauften für den Enkel etwas wirklich Gutes zum Abschluss der Highschool, das sich der betreffende Herr damals selbst nie hätte leisten können. Allerdings scheint er auch nicht allzu begeistert gewesen zu sein, denn getragen wurde die Uhr praktisch nicht, die auch heute, nach 47 Jahren so gut wie neu ist:

Es war die Zeit der Babyboomer, und wie mir der Enkel dieses vor kurzem verschiedenen Absolventen schrieb, hatte er sich wohl bald danach ein paar klobige Uhren im Stil der 70er Jahre gekauft, die man eventuell noch in den USA behalten möchte; sollte man aber erneut den Internetkommerz bemühen, würde man mich vorher gerne informieren. Die Longines aber wurde auserkoren, die klamme Familienkasse über Ebay aufzubessern, und bei einem Dollarkurs von knapp 1,60 konnte ich eigentlich nichts falsch machen. Der reiche Onkel aus Deutschland, sicher eine ganz neue und ungewohnte Erfahrung für die Amerikaner. Bei uns jedoch wäre eine bessere Swatch teurer gewesen, auch teurer als das andere Exemplar mit guillochiertem Zifferblatt im Stil der Calatrava:

Es ist nicht viel Geld, das ich damit auf meiner Seite des Atlantiks Rezession und Inflation entzogen und in Sachwerte verschoben habe, auf ein anderes Desiderat warte ich noch, und vielleicht fällt mir auch noch mehr ein, was ich tun könnte, um mich gegen den kommenden Fall zu wappnen. Es sind meine kleinen, persönlichen Hedgefonds mit nicht erneuerbaren Assets, die nun entkoppelt sind vom Abwärtstrend der Währungen und desolaten Wirtschaftszahlen, und die Rendite ist vorerst nur das beruhigende Wissen, dass diese Symbole einer lang vergangenen Zeit wohl so schnell nicht mehr so billig zu haben sein werden. Ich weiss nicht, was die Verkäufer mit dem Geld machen - vielleicht füllen sie den Pickup mit Benzin und fahren in die Shopping Mall, vielleicht werfen sie es auch nur einer gierigen Bank in den Rachen oder verspekulieren es an der Börse. Ich denke, sie haben so oder so ein schlechtes Geschäft gemacht, nicht so schlecht wie das Geschäft, das uns allen gerade aufgebürdet wird, aber ihr Fehler ist am Ende mein Richtiges im Falschen, wenngleich ich auch zuversichtlich bin, dass die kommende Flut nicht mehr als meine Zehen umspielen wird, und mein Leben ansonsten so wasserdicht wie das Gehäuse einer Longines Admiral ist.
Und nun reise ich nach Frankfurt, dummerweise im offenen Wagen und hoffend, dass das Luftraum unter den Türmen halbwegs frei von tieffliegenden Bankern ist, die vorher hoffentlich die Uhren abgelegt haben.
60 Jahre später liegen die USA darnieder, und dem Euroraum geht es auch nicht mehr so gut. Es riecht nach Weltwirtschaftskrise, und es scheint mir deshalb an der Zeit, die Schweizer Flüchtlinge der 50er und 60er Jahre heimzuholen.

Das hier sind zwei Admiralmodelle von Longines mit wasserdichten Gehäusen und sehr feinen Calibern. Aus Sicht der deutschen 50er Jahre waren sie praktisch unbezahlbar, für diese beiden Uhren hätte man 2/3 eines VW Käfer kaufen können, und sollte es mit dem Benzinpreis so weitergehen, wird man dereinst für eine Uhr einen ganzen Schrottplatz bekommen. So richtig billig waren sie auch in den USA nicht, ganz im Gegenteil; 1961 machten sich Opa und Oma auf den Weg und kauften für den Enkel etwas wirklich Gutes zum Abschluss der Highschool, das sich der betreffende Herr damals selbst nie hätte leisten können. Allerdings scheint er auch nicht allzu begeistert gewesen zu sein, denn getragen wurde die Uhr praktisch nicht, die auch heute, nach 47 Jahren so gut wie neu ist:

Es war die Zeit der Babyboomer, und wie mir der Enkel dieses vor kurzem verschiedenen Absolventen schrieb, hatte er sich wohl bald danach ein paar klobige Uhren im Stil der 70er Jahre gekauft, die man eventuell noch in den USA behalten möchte; sollte man aber erneut den Internetkommerz bemühen, würde man mich vorher gerne informieren. Die Longines aber wurde auserkoren, die klamme Familienkasse über Ebay aufzubessern, und bei einem Dollarkurs von knapp 1,60 konnte ich eigentlich nichts falsch machen. Der reiche Onkel aus Deutschland, sicher eine ganz neue und ungewohnte Erfahrung für die Amerikaner. Bei uns jedoch wäre eine bessere Swatch teurer gewesen, auch teurer als das andere Exemplar mit guillochiertem Zifferblatt im Stil der Calatrava:

Es ist nicht viel Geld, das ich damit auf meiner Seite des Atlantiks Rezession und Inflation entzogen und in Sachwerte verschoben habe, auf ein anderes Desiderat warte ich noch, und vielleicht fällt mir auch noch mehr ein, was ich tun könnte, um mich gegen den kommenden Fall zu wappnen. Es sind meine kleinen, persönlichen Hedgefonds mit nicht erneuerbaren Assets, die nun entkoppelt sind vom Abwärtstrend der Währungen und desolaten Wirtschaftszahlen, und die Rendite ist vorerst nur das beruhigende Wissen, dass diese Symbole einer lang vergangenen Zeit wohl so schnell nicht mehr so billig zu haben sein werden. Ich weiss nicht, was die Verkäufer mit dem Geld machen - vielleicht füllen sie den Pickup mit Benzin und fahren in die Shopping Mall, vielleicht werfen sie es auch nur einer gierigen Bank in den Rachen oder verspekulieren es an der Börse. Ich denke, sie haben so oder so ein schlechtes Geschäft gemacht, nicht so schlecht wie das Geschäft, das uns allen gerade aufgebürdet wird, aber ihr Fehler ist am Ende mein Richtiges im Falschen, wenngleich ich auch zuversichtlich bin, dass die kommende Flut nicht mehr als meine Zehen umspielen wird, und mein Leben ansonsten so wasserdicht wie das Gehäuse einer Longines Admiral ist.
Und nun reise ich nach Frankfurt, dummerweise im offenen Wagen und hoffend, dass das Luftraum unter den Türmen halbwegs frei von tieffliegenden Bankern ist, die vorher hoffentlich die Uhren abgelegt haben.
donalphons, 16:01h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 11. August 2008
Von Paris über den Bieler See nach Gardone Riviera
Und das alles an einem Abend. Und obendrein ausgerechnet in Pfaffenhofen, ein Kaff, das das Pech hat, zur letzten poshen Vorstadt von München geworden zu sein, und unter seinen Söhnen auch die berühmten Haffa-Brüder (EM.TV) finden kann. Wenn es noch Lust hat. Ansonsten aber hat Pfaffenhofen immer noch eine mit Geschäften aus den 60er Jahren vollgestopfte Altstadt, der gerade von einem auch für Ossiiverhältnisse ausgesprochen hässlichen Kommerzgebiet vor der Stadt der Garaus gemacht wird. Bals wird es auch hier statt verstaubter Raumausstatter nur noch die stinkende ungrüne Wiese geben, und der Elektrofachhandel wird keinen bayerischen Namen mehr tragen, unter dem es nur die Auswahl unter fünf guten Rasierern gibt, sondern die lauten Namen üblicher Grossumsetzer, die 500 Schrottrasierer zum gleichen Preis offerieren, mit 0% Zins bis zum Lesen des Kleingedruckten. Wer dieses alte Pfaffenhofen noch mal sehen will, voller Menschen und Trubel, mit gefüllten Strassencafes und viel Schlenderei, dem bleibt nur der berühmte Nachtflohmarkt übrig, und es lohnt sich. es lohnt sich sogar, wenn man die Belästigung durch ein von Kindern überfülltes Karussel mit den besten deutschen Schlagern von Heintje bis Scooter mit einberechnet.

Und es hat was, über einen eher spärlich beleuchteten Markt zu gehen. Aladin, Schatzhöhle, nachtliches Brandschatzen, und all das zwischen den stark gerundeten Söhnen und Töchtern des Landes, die eigentlich nur zum Schauen kommen, allenfalls schlecht gegrilltes und in Sauce ersäuftes Fleisch fressen und nichts anzufangen wissen mit Büchern von Antoine Thomas (Paris und Amsterdam 1773) und den neuen Briefen von Edme Boursault nebst einigen von ihm selbst verfassten amourösen Briefen einer jungen Dame an einen jungen Herrn (Neuauflage Paris 1722). Da schlängelt man sich durch zwischen den dicken, älteren Herren, die vielleicht Standregulatoren suchen oder landwirtschaftliches Gerät, aus denen sie Lampen bauen, und den gierigen Erzfeindinnen meiner Person, den alten Schachteln auf der Jagd nach billigem Besteck und anderem Tischzierat.
Gerade noch wühlte einen von denen in einer alten, ledernen Reisetruhe, unter der liebevollen Ermahnung ihres Gatten - "Geh, Zenzi, dös brachma nimma" - da fällt auch schon der Blick auf das mit Töpfen und Küchenmessern gefüllte Behältnis. Nein, es ist kein banaler alter Koffer, denn wer billig verreiste, hätte sich keinen Aufenthalt im Grand Hotel Astor in Leipzig oder Urlaub im Grand Hotel Gardone Riviera leisten können, von denen die Aufkleber künden. Irgendwann muss der Koffer zu lang vor dem Auspuff eines Wagens gestanden sein, was den Brandfleck erklärt, und aussen, als er schon ausrangiert war, hat jemand Farbe über das stabile Belting Leder gekippt. Aber die Messingverschlüsse sitzen perfekt, und das Innenleben mit gestepptem Stoff ist wie neu. Man einigt sich auf 20 Euro, nun ist auch Platz für die Bücher, und den Rest der Tour kommen von den anwesenden Leder- und Taschenhändlern aus der ganzen Republik verlockende Angebote - aber bittschön, ein echter Aufkleber vom Grand Hotel Gardone Riviera, den man normalerweise nur als Fälschung auf Imitationen sieht! Niemals!

Ein klassisches Auerhahnbesteck und einen italienischen Tischaufsatz in Form einer Zitronenschale (3 Euro! Vor 15 Jahren gab es dafür ein Geschäft in München hinter dem bayerischen Hof, die nahmen ein paar hundert Mark dafür!) später führen die von Geiern -60 Euro für den Koffer, hier nimm! - belagerten Wege noch zu einem Herrn, den man schon etwas länger kennt. Er verdient sein Geld unter anderem mit dem Import von altem Modeschmuck aus den USA und dem Export von hässlichen, weiss gestrichenen Möbeln der 30er Jahre dorthin, und ab und an holt er auch einen Jaguar oder einen alten SL. Man redet etwas - toller Koffer, so billig, die Freuden der Kreditkrise, dann fällt der Blick in eine seiner Kisten. Da liegt eine Longines in Rosegold, eine Autofahreruhr mit flexiblen Bandanstössen, von links grabscht sich eine Frauenhand in diese Richtung, aber flink wie eine Packratte flutscht das feine Beispiel schweizerischer Uhrmacherkunst schon in die eigene Hand, und bevor das weibliche Ohhhhh verklungen ist, steht die Frage "wieviel" im Raum. Zwei Euro, sagt er, ohne im Dunkeln genau hinzuschauen. Ist ja nur eine alte Uhr. Und Nachtflohmarkt.
Was den Verfasser nun in gewisse publizistische Probleme bringt, sollte hier heute doch ein längerer, leicht hochnäsiger Beitrag über den momentan günstigen Erwerb alter Zeitmesser vom Bieler See bei unseren notleidenden Freunden in den USA stehen. 80 Euro für eine Longines Admiral 1200 ist zwar günstig, aber dieser letzte Griff auf eine wirklich aussergewöhnliche Handgelenkszierde der 40er Jahre verbietet fast den Vergleich. Aber nie weiss man in diesem Leben, wie es kommt, und solange man nur für ein paar Euro von Paris über den Bieler See an die Gestade der Olivenriviera kommt, soll es mir recht sein.

Und es hat was, über einen eher spärlich beleuchteten Markt zu gehen. Aladin, Schatzhöhle, nachtliches Brandschatzen, und all das zwischen den stark gerundeten Söhnen und Töchtern des Landes, die eigentlich nur zum Schauen kommen, allenfalls schlecht gegrilltes und in Sauce ersäuftes Fleisch fressen und nichts anzufangen wissen mit Büchern von Antoine Thomas (Paris und Amsterdam 1773) und den neuen Briefen von Edme Boursault nebst einigen von ihm selbst verfassten amourösen Briefen einer jungen Dame an einen jungen Herrn (Neuauflage Paris 1722). Da schlängelt man sich durch zwischen den dicken, älteren Herren, die vielleicht Standregulatoren suchen oder landwirtschaftliches Gerät, aus denen sie Lampen bauen, und den gierigen Erzfeindinnen meiner Person, den alten Schachteln auf der Jagd nach billigem Besteck und anderem Tischzierat.
Gerade noch wühlte einen von denen in einer alten, ledernen Reisetruhe, unter der liebevollen Ermahnung ihres Gatten - "Geh, Zenzi, dös brachma nimma" - da fällt auch schon der Blick auf das mit Töpfen und Küchenmessern gefüllte Behältnis. Nein, es ist kein banaler alter Koffer, denn wer billig verreiste, hätte sich keinen Aufenthalt im Grand Hotel Astor in Leipzig oder Urlaub im Grand Hotel Gardone Riviera leisten können, von denen die Aufkleber künden. Irgendwann muss der Koffer zu lang vor dem Auspuff eines Wagens gestanden sein, was den Brandfleck erklärt, und aussen, als er schon ausrangiert war, hat jemand Farbe über das stabile Belting Leder gekippt. Aber die Messingverschlüsse sitzen perfekt, und das Innenleben mit gestepptem Stoff ist wie neu. Man einigt sich auf 20 Euro, nun ist auch Platz für die Bücher, und den Rest der Tour kommen von den anwesenden Leder- und Taschenhändlern aus der ganzen Republik verlockende Angebote - aber bittschön, ein echter Aufkleber vom Grand Hotel Gardone Riviera, den man normalerweise nur als Fälschung auf Imitationen sieht! Niemals!

Ein klassisches Auerhahnbesteck und einen italienischen Tischaufsatz in Form einer Zitronenschale (3 Euro! Vor 15 Jahren gab es dafür ein Geschäft in München hinter dem bayerischen Hof, die nahmen ein paar hundert Mark dafür!) später führen die von Geiern -60 Euro für den Koffer, hier nimm! - belagerten Wege noch zu einem Herrn, den man schon etwas länger kennt. Er verdient sein Geld unter anderem mit dem Import von altem Modeschmuck aus den USA und dem Export von hässlichen, weiss gestrichenen Möbeln der 30er Jahre dorthin, und ab und an holt er auch einen Jaguar oder einen alten SL. Man redet etwas - toller Koffer, so billig, die Freuden der Kreditkrise, dann fällt der Blick in eine seiner Kisten. Da liegt eine Longines in Rosegold, eine Autofahreruhr mit flexiblen Bandanstössen, von links grabscht sich eine Frauenhand in diese Richtung, aber flink wie eine Packratte flutscht das feine Beispiel schweizerischer Uhrmacherkunst schon in die eigene Hand, und bevor das weibliche Ohhhhh verklungen ist, steht die Frage "wieviel" im Raum. Zwei Euro, sagt er, ohne im Dunkeln genau hinzuschauen. Ist ja nur eine alte Uhr. Und Nachtflohmarkt.
Was den Verfasser nun in gewisse publizistische Probleme bringt, sollte hier heute doch ein längerer, leicht hochnäsiger Beitrag über den momentan günstigen Erwerb alter Zeitmesser vom Bieler See bei unseren notleidenden Freunden in den USA stehen. 80 Euro für eine Longines Admiral 1200 ist zwar günstig, aber dieser letzte Griff auf eine wirklich aussergewöhnliche Handgelenkszierde der 40er Jahre verbietet fast den Vergleich. Aber nie weiss man in diesem Leben, wie es kommt, und solange man nur für ein paar Euro von Paris über den Bieler See an die Gestade der Olivenriviera kommt, soll es mir recht sein.
donalphons, 17:32h
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Dienstag, 5. August 2008
Sinnvolles für schlechte Zeiten
Es gibt alte Dinge aus Metall, die schön sind und enorme Kosten nach sich ziehen. Denken wir nur etwa mal an alte Autos, um ein Thema anzusprechen, das mir selbst auch weh tut. Oder sprechen wir über alte Luxusarmbanduhren mit ihren Zipperlein, die etwas teuer werden können; man denke da etwa an die Unruh seltener Gruen Curvex oder Kronen von Favre Leuba. Oder auch den Art-Deco-Schmuck, den man kauft, um dieses wissende Lächeln auf Frauenlippen und Bananentänze in ihre Hüften zu zaubern, die dann aber ganz seltsam unerfreuliche Dinge sagen, wenn man es bei diesem einem Mal belässt. Oder gar die immensen Kosten des Wertvernichters Nummer 1 in diesem unserem Land, so alt wie die Dummheit: Der Ehering. Schlimmer als alle alten Autos, Luxusuhren und Ice Cubes zusammen. Nicht alles, was alt ist, ist gut. Aber das hier schon:

Dieser Brotkasten aus Eisenblech, Emaille und Messing hat mutmasslich so an die 100 Jahre auf dem Buckel und funktioniert immer noch. Man kann, wie ich in Italien entdeckte, dergleichen auch wieder neu erwerben; dieses Exemplar aber stammt vom Flohmarkt und wurde von einer Händlerin als Koffer für Porzellan genutzt. Das geht fraglos auch, man kann auch Einbrecher damit totschlagen oder gierige Werberfinger zwischen Korpus und Deckel legen und dann dafür Sorge tragen, dass die Assistentin das nächste Röllchen zwischen Koks und Nase halten muss. De facto aber ist so ein Brotkasten wunderbar geeignet, um Brot aufzubewahren.

In den modernen Küchen ist das nämlich gar nicht mehr so üblich. Es gibt grosse Herde und grosse Kühlschränke und grosse Ablagen und grosse Schränke, aber der eingebaute Brotkasten, das Herzstück der Küche aus Gelsenkirchner Barock, ist wegreduziert worden. So auch in meiner nagelneuen, ordentlich teuren Qualitätsküche auf dem ersten Hügel der Alpen. Ich weiss nicht, was sich die Hersteller solcher Küchen denken: Essen die Leute nur noch vorgeschnittenes Vollkornbrot? Werfen sie jeden Abend das nicht gegessene Baguette weg? Geht man davon aus, dass die moderne Convenient-Esserin nach dem Job in der Agentura Amphetamina allenfalls Fabriksemmeln - 6 Stück für nur 69 Cent und garantiert ungeniessbar! - kauft und dann gleich wieder angeekelt im Designermülleimer entsorgt?

Ich weiss es nicht. Was ich aber weiss ist, dass man sich bei meinem Brotkasten wirklich Gedanken gemacht hat. Ein Stück für die Ewigkeit; sogar Schrauben und Muttern sind aus nicht rostendem Messing, und alle Formen sind wirklich schön und elegant entworfen. Die Scharniere laufen perfekt, es passt viel hinein, und es ist kein Problem, den Kasten schnell zu reinigen, denn er hat keinerlei Ecken, in die man schlecht mit dem Schwamm vordringen kann. Alles ist rund und wohlgeformt, schwer und hochwertig, und es hält Brot und Semmeln, so sie von guter Qualität sind, problemlos über Nacht frisch, wenn man schon wieder zu viel eingekauft hat. Denn arm wird man in dieser Gesellschaft nicht nur, wenn man über seine Verhältnisse lebt, sondern auch, wenn man über seine Verhältnisse wegwirft. In unseren Zeiten der Krise ist das nicht mehr zu bezahlen.
Und wenn es wirtschaftlich wieder besser geht, kann man mit dem Brotkasten immer noch in dunklen Agenturgängen des Nachts auf Koksnasen warten.

Dieser Brotkasten aus Eisenblech, Emaille und Messing hat mutmasslich so an die 100 Jahre auf dem Buckel und funktioniert immer noch. Man kann, wie ich in Italien entdeckte, dergleichen auch wieder neu erwerben; dieses Exemplar aber stammt vom Flohmarkt und wurde von einer Händlerin als Koffer für Porzellan genutzt. Das geht fraglos auch, man kann auch Einbrecher damit totschlagen oder gierige Werberfinger zwischen Korpus und Deckel legen und dann dafür Sorge tragen, dass die Assistentin das nächste Röllchen zwischen Koks und Nase halten muss. De facto aber ist so ein Brotkasten wunderbar geeignet, um Brot aufzubewahren.

In den modernen Küchen ist das nämlich gar nicht mehr so üblich. Es gibt grosse Herde und grosse Kühlschränke und grosse Ablagen und grosse Schränke, aber der eingebaute Brotkasten, das Herzstück der Küche aus Gelsenkirchner Barock, ist wegreduziert worden. So auch in meiner nagelneuen, ordentlich teuren Qualitätsküche auf dem ersten Hügel der Alpen. Ich weiss nicht, was sich die Hersteller solcher Küchen denken: Essen die Leute nur noch vorgeschnittenes Vollkornbrot? Werfen sie jeden Abend das nicht gegessene Baguette weg? Geht man davon aus, dass die moderne Convenient-Esserin nach dem Job in der Agentura Amphetamina allenfalls Fabriksemmeln - 6 Stück für nur 69 Cent und garantiert ungeniessbar! - kauft und dann gleich wieder angeekelt im Designermülleimer entsorgt?

Ich weiss es nicht. Was ich aber weiss ist, dass man sich bei meinem Brotkasten wirklich Gedanken gemacht hat. Ein Stück für die Ewigkeit; sogar Schrauben und Muttern sind aus nicht rostendem Messing, und alle Formen sind wirklich schön und elegant entworfen. Die Scharniere laufen perfekt, es passt viel hinein, und es ist kein Problem, den Kasten schnell zu reinigen, denn er hat keinerlei Ecken, in die man schlecht mit dem Schwamm vordringen kann. Alles ist rund und wohlgeformt, schwer und hochwertig, und es hält Brot und Semmeln, so sie von guter Qualität sind, problemlos über Nacht frisch, wenn man schon wieder zu viel eingekauft hat. Denn arm wird man in dieser Gesellschaft nicht nur, wenn man über seine Verhältnisse lebt, sondern auch, wenn man über seine Verhältnisse wegwirft. In unseren Zeiten der Krise ist das nicht mehr zu bezahlen.
Und wenn es wirtschaftlich wieder besser geht, kann man mit dem Brotkasten immer noch in dunklen Agenturgängen des Nachts auf Koksnasen warten.
donalphons, 01:44h
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Dienstag, 29. Juli 2008
Der Teufel und das Grübeln
Man kann mit wenigen Worten sehr viel ausdrücken. Nehmen wir nur mal den ersten Satz in "Der Teufel auf den Hügeln" von Cesare Pavese: "Wir waren noch sehr jung." Dieser Satz fängt den gesamten Roman ein, eine Gruppe junger Leute in einer späteren, davon abgehobenen Zeit betrachtet, die eine tiefere Erkenntnis dessen erlaubt, was unwiederbringlich vorbei ist. Und der zweite Satz macht das Geschehen schon sehr viel deutlicher, umreisst ein schnelles Leben ohne Rast und Ruhe: "In jenem Jahr habe ich wohl kaum geschlafen." Die Jugend des 20. Jahrhunderts war in vielen Erlebnissen unabhängig von Land und Dekade, aber es steht in einem Buch, und damit ist auch grob das soziale, unverkennbare Umfeld beschrieben: Die da nicht viel schlafen werden, sind jung, gierig, gebildet, und leben qua Herkunft in einer gewissen Sicherheit.
Man kann diese spezifische Sicherheit kaufen und sich zu eigen machen, indem man das Buch erwirbt, und man wird es kaum bereuhen, wenn man Ähnliches erlebt hat. Wie schon gesagt: Die Orte haben andere Namen, die unerfüllte Sehnsucht, die den Schlaf vertreibt, ist so alt wie die menschliche Dummheit, zu der jede Generation ihr eigenes Schärflein beiträgt. Dieses spezifische Versagen ist vergleichbar mit dem Sturz bei einer Wanderung; glücklich, wer es dabei belässt und den Umstieg auf das Automobil später nicht nutzt, das Unheil in grossem Stil zu perpetuieren. Mitunter jedoch geraten auch Unschuldige unter die Räder, und gerade eben macht es den Eindruck, als wäre Bulldozer ausser Kontrolle, der dem Phänomen "Mittelschicht", wie wir es kennen, mit einer handfesten globalen Krise den Garaus machte. Und da hilft dann auch Cesare Pavese nur für ein paar Stunden beim Vergessen.

Das Problem in diesen Zeiten ist, dass Regeln ihre Gültigkeit verlieren. "Die Torheiten der Armen darfst du begehen, die der Reichen dagegen niemals", gibt der Vater des Erzählers seinem Sprössling mit auf den Weg durch die eben jene reichen Kreise erreichenden Wirrnisse. Das kleine Problem jedoch ist, dass die Torheiten der Armen keinen Markt haben. Wer sein Geld bei 9live vertut, Benzin durch eine zu grosse Karre pumpt, um Fluppen zu holen oder meint, dass billigstes Essen in grossen Mengen mittelfristig folgenlos bleibt, zahlt allenfalls damit, in unerfreulichen Lebensumständen zu verharren, die in der Krise kaum besser werden. Die Torheiten der Reichen dagegen, der Luxus, die Verschwendung, das Überflüssige, sie alle manifestieren sich in Gütern, die stets wiederum andere Reiche ansprechen werden, die auch so sein wollen. Die Torheiten der Armen lassen nichts zurück, die Torheiten der Reichen dagegen ziehen auch nach Jahrhunderten den Neid und die Gier des Publikums an - wer es nicht glaubt, besichtige einfach mal einen italienischen Palast, eine Kuriositätenkabinett oder eine Bildergalerie. Man sieht es den Relikten nicht an, wer sich dafür wie ruiniert hat; heute jedoch ist man ihm dankbar für dieses Treiben.
Es steht ausser Frage, dass Silber eigentlich wertlos ist; ein in grossen Mengen vorhandenes Metall, das viel Reinigung verlangt; dass es trotzdem teuer ist und die Arbeit an ihm als Kunst gewertet wird, was Eisenschmieden und Zinngiessern so nicht zugestanden wird, verdeutlicht noch die Torheit, mit der sich diese unsere Welt dem Material zugesteht, abgesegnet durch den Kurs unserer unfehlbaren - es sei denn, sie versagen - Börsen. Um es zu erwerben, behelfe man sich folgender Torheit; man kaufe das Material nicht als Barren oder Münzen, sondern so, dass man es nebenbei täglich verwenden kann; das ist dann die Rendite, der Anschein eines guten Lebens, selbst wenn draussen die Welt in Schutt und Asche fällt. Auch kann der Gedanke "Aber ich habe ja noch" sehr hilfreich gegen Panik sein, und weil nicht jeder so denkt - oder vielleicht gar schon zum Verkauf gezwungen ist, wie der Besitzer der Salzstreuer in den USA wohl war - findet sich mitunter auch die feine Gelegenheit, das alles, durchschnittlich gerechnet, zum Materialpreis zu erwerben.
Töricht? Aber sicher. Selbstbetrug? Auch. Lauter Dinge, von denen Anleger in Aktien zwecks Altersvorsorge dachten, dass sie nie davon betroffen sein könnten. Kein Analystenbericht klang je so irrational, wie Silber tatsächlich ist. Glücklicherwweise ist sich die Welt in dieser Irrationalität einig, wohinggegen Aktien mitunter doch auf Vernunft in Form von Kursziel Null treffen. Warum moderiert eigentlich der Laberkopf noch bei den öffentlich-rechtlichen Zwangsanstalten, der sein Gesicht für den Börsengang von Air Berlin hergab?
Man kann diese spezifische Sicherheit kaufen und sich zu eigen machen, indem man das Buch erwirbt, und man wird es kaum bereuhen, wenn man Ähnliches erlebt hat. Wie schon gesagt: Die Orte haben andere Namen, die unerfüllte Sehnsucht, die den Schlaf vertreibt, ist so alt wie die menschliche Dummheit, zu der jede Generation ihr eigenes Schärflein beiträgt. Dieses spezifische Versagen ist vergleichbar mit dem Sturz bei einer Wanderung; glücklich, wer es dabei belässt und den Umstieg auf das Automobil später nicht nutzt, das Unheil in grossem Stil zu perpetuieren. Mitunter jedoch geraten auch Unschuldige unter die Räder, und gerade eben macht es den Eindruck, als wäre Bulldozer ausser Kontrolle, der dem Phänomen "Mittelschicht", wie wir es kennen, mit einer handfesten globalen Krise den Garaus machte. Und da hilft dann auch Cesare Pavese nur für ein paar Stunden beim Vergessen.

Das Problem in diesen Zeiten ist, dass Regeln ihre Gültigkeit verlieren. "Die Torheiten der Armen darfst du begehen, die der Reichen dagegen niemals", gibt der Vater des Erzählers seinem Sprössling mit auf den Weg durch die eben jene reichen Kreise erreichenden Wirrnisse. Das kleine Problem jedoch ist, dass die Torheiten der Armen keinen Markt haben. Wer sein Geld bei 9live vertut, Benzin durch eine zu grosse Karre pumpt, um Fluppen zu holen oder meint, dass billigstes Essen in grossen Mengen mittelfristig folgenlos bleibt, zahlt allenfalls damit, in unerfreulichen Lebensumständen zu verharren, die in der Krise kaum besser werden. Die Torheiten der Reichen dagegen, der Luxus, die Verschwendung, das Überflüssige, sie alle manifestieren sich in Gütern, die stets wiederum andere Reiche ansprechen werden, die auch so sein wollen. Die Torheiten der Armen lassen nichts zurück, die Torheiten der Reichen dagegen ziehen auch nach Jahrhunderten den Neid und die Gier des Publikums an - wer es nicht glaubt, besichtige einfach mal einen italienischen Palast, eine Kuriositätenkabinett oder eine Bildergalerie. Man sieht es den Relikten nicht an, wer sich dafür wie ruiniert hat; heute jedoch ist man ihm dankbar für dieses Treiben.
Es steht ausser Frage, dass Silber eigentlich wertlos ist; ein in grossen Mengen vorhandenes Metall, das viel Reinigung verlangt; dass es trotzdem teuer ist und die Arbeit an ihm als Kunst gewertet wird, was Eisenschmieden und Zinngiessern so nicht zugestanden wird, verdeutlicht noch die Torheit, mit der sich diese unsere Welt dem Material zugesteht, abgesegnet durch den Kurs unserer unfehlbaren - es sei denn, sie versagen - Börsen. Um es zu erwerben, behelfe man sich folgender Torheit; man kaufe das Material nicht als Barren oder Münzen, sondern so, dass man es nebenbei täglich verwenden kann; das ist dann die Rendite, der Anschein eines guten Lebens, selbst wenn draussen die Welt in Schutt und Asche fällt. Auch kann der Gedanke "Aber ich habe ja noch" sehr hilfreich gegen Panik sein, und weil nicht jeder so denkt - oder vielleicht gar schon zum Verkauf gezwungen ist, wie der Besitzer der Salzstreuer in den USA wohl war - findet sich mitunter auch die feine Gelegenheit, das alles, durchschnittlich gerechnet, zum Materialpreis zu erwerben.
Töricht? Aber sicher. Selbstbetrug? Auch. Lauter Dinge, von denen Anleger in Aktien zwecks Altersvorsorge dachten, dass sie nie davon betroffen sein könnten. Kein Analystenbericht klang je so irrational, wie Silber tatsächlich ist. Glücklicherwweise ist sich die Welt in dieser Irrationalität einig, wohinggegen Aktien mitunter doch auf Vernunft in Form von Kursziel Null treffen. Warum moderiert eigentlich der Laberkopf noch bei den öffentlich-rechtlichen Zwangsanstalten, der sein Gesicht für den Börsengang von Air Berlin hergab?
donalphons, 01:14h
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Mittwoch, 25. Juni 2008
Die Unmöglichkeit des Picnickoffers in Form eines Eierkorbes
Meine Grosstante, die noch in Zeiten des britischen Empire das Leben in einem grösseren Haus kennenlernen musste - schliesslich war Deutschland in den 30er Jahren kein gutes Land für Mädchen, denen man ihre nichtarische Herkunft deutlich ansah - war desöfteren Zeugin, wie man in Grossbritannien Picnic gemacht hat. Im Gegensatz zur heutigen Vorstellung fuhren keine kleinen Roadster über gewundene Strassen, einen Picnickoffer auf dem Gepäckträger, sie hielten nicht irgendwo auf der Wiese an und rollten eine Decke aus. Picnic bedeutete, dass die Hausherrin den Dienstboten Anweisungen gab, und irgendwann ging die eingeladene Gesellschaft in den erweiterten Garten oder angrenzende Latifundien, und dort stand dann das Picnic, ohne dass es jemanden interessiert hätte, in welchen Behältnissen es dorthin gelangt ist. Wenn in "Brideshead revisited" die beiden Helden Charles Ryder und Sebastian Flyte mit einem Auto rausfahren und unter einem Baum die Wachteleier in zu viel Champagner ersäufen, ist es eine aufständische Jugendkultur der 20er Jahre, aber ganz sicher nicht die feine englische Art. Diese Art kümmerte sich nicht um Dinge wie einen Picnickoffer, um die sich das Personal zu kümmern hatte.
Nun hat der Verlauf der allgemeinen Geschichte Westeuropas die Dienstbotenscharen länderübergreifend aussterben lassen, womit ich und andere Kinder aus vermutlich besseren Häusern nun doch gezwungen sind, selbst für den Transport und das Decken der leinenen Tafel zu sorgen. Und obwohl ich Heuschnupfen habe und nicht gern im Gras sitze, wäre es natürlich, wenn Gäste kommen, gar nicht schlecht, ein entsprechendes Körbchen zu besitzen. Nun war ich letzten Sonntag sehr spät auf dem Antikmarkt, und am Eck einer Reihe war vor einem Transporter nur noch ein Objekt nicht verstaut: Ein klassischer Eierkorb aus Bayern, ein zwingendes Weidenschmuckstück für jede Bäuerin in Tracht. Das trug die Zenzi, als die Erzeugerpreise noch keine französischen Luxuswaren ermöglichten:

Nun sind solche Korbformen natürlich universal, und was in Bayern zu Markt und Messe mitgetragen wurde, hat sich in England, sei es nun bei Online Auktionen oder im Antiquitätenhandel ironischerweise als "vintage picnic basket" einen heute beliebten Nutzen erschlichen, der wohl auch meinem Händler nicht ganz klar war, als er einwilligte, den Korb für sechs Euro zu verkaufen. Tatsächlich hat er eine ausreichende Grösse für bis zu vier Teller, Tassen, Untertassen, Gabeln, Messer, einen Tortenheber, ein kleines Silbertablett, eine Menge Kuchen und eine rokoköse Silberkanne englischer Herkunft, die gekonnt verschleiert, dass wir es hier mit einer brutalen Brauchtumsentleibung zu tun haben. Oben müsste man noch eine Decke mit Schottenkaro legen, darin eingewickelt eine Thermoskanne mit Tee tragen, und fertig ist der komplett falsche Eindruck einer erfundenen britischen Tradition mit einem Miesbacher Eierkorb. Aber was bleibt einem übrig, wenn die wahre Tradition nicht ohne ruinöse Beschäftigung von Butler und Maids mit Leben zu erfüllen ist - man baut sich eben eine eigene Tradition, oder beruft sich auf Evelyn Waugh.
Solange man nicht auf Leute trifft, die den Schwindel auffliegen lassen. Nur wenige Stände weiter wurde ich von einer indigenen Dame angesprochen, die den Korb gebührend bewunderte und gleich richtig einordnete: Als Prunkstück der bäuerlichen Tracht nämlich, und ihrer Hoffnung Ausdruck gab, dass meine von ihr angenommene Freundin keines von den Flitscherln wäre, die Polyestertracht nur auf dem Oktoberfest zur MCM-Tasche tragen, sondern eine, die wüsste, was sich gehört.

Recht hat sie natürlich, es ist kein normaler Weidenkorb für den Alltag, dazu ist er zu fein und zu detailreich gefertigt. Ich werde damit leben müssen, in diesem postfeudalen Europa ein Leben aus Spolien vergangener Grösse zusammenzufügen; ein Miesbacher Körberl auf englischer Decke, Familiensilber mit einem Restservice vom Trödel; und selbst die victorianische Kanne gab sich vor 130 Jahren alle Mühe, ein Rokoko nachzuahmen, das es so nie gegeben hat.
Bleibt als Entschuldigung gegenüber den grossen alten Zeiten nur der Verweis auf die schrecklichen Alternativen von Einweggeschirr, Chinaimport und Tupperware. Und Waugh, natürlich.
Nun hat der Verlauf der allgemeinen Geschichte Westeuropas die Dienstbotenscharen länderübergreifend aussterben lassen, womit ich und andere Kinder aus vermutlich besseren Häusern nun doch gezwungen sind, selbst für den Transport und das Decken der leinenen Tafel zu sorgen. Und obwohl ich Heuschnupfen habe und nicht gern im Gras sitze, wäre es natürlich, wenn Gäste kommen, gar nicht schlecht, ein entsprechendes Körbchen zu besitzen. Nun war ich letzten Sonntag sehr spät auf dem Antikmarkt, und am Eck einer Reihe war vor einem Transporter nur noch ein Objekt nicht verstaut: Ein klassischer Eierkorb aus Bayern, ein zwingendes Weidenschmuckstück für jede Bäuerin in Tracht. Das trug die Zenzi, als die Erzeugerpreise noch keine französischen Luxuswaren ermöglichten:

Nun sind solche Korbformen natürlich universal, und was in Bayern zu Markt und Messe mitgetragen wurde, hat sich in England, sei es nun bei Online Auktionen oder im Antiquitätenhandel ironischerweise als "vintage picnic basket" einen heute beliebten Nutzen erschlichen, der wohl auch meinem Händler nicht ganz klar war, als er einwilligte, den Korb für sechs Euro zu verkaufen. Tatsächlich hat er eine ausreichende Grösse für bis zu vier Teller, Tassen, Untertassen, Gabeln, Messer, einen Tortenheber, ein kleines Silbertablett, eine Menge Kuchen und eine rokoköse Silberkanne englischer Herkunft, die gekonnt verschleiert, dass wir es hier mit einer brutalen Brauchtumsentleibung zu tun haben. Oben müsste man noch eine Decke mit Schottenkaro legen, darin eingewickelt eine Thermoskanne mit Tee tragen, und fertig ist der komplett falsche Eindruck einer erfundenen britischen Tradition mit einem Miesbacher Eierkorb. Aber was bleibt einem übrig, wenn die wahre Tradition nicht ohne ruinöse Beschäftigung von Butler und Maids mit Leben zu erfüllen ist - man baut sich eben eine eigene Tradition, oder beruft sich auf Evelyn Waugh.
Solange man nicht auf Leute trifft, die den Schwindel auffliegen lassen. Nur wenige Stände weiter wurde ich von einer indigenen Dame angesprochen, die den Korb gebührend bewunderte und gleich richtig einordnete: Als Prunkstück der bäuerlichen Tracht nämlich, und ihrer Hoffnung Ausdruck gab, dass meine von ihr angenommene Freundin keines von den Flitscherln wäre, die Polyestertracht nur auf dem Oktoberfest zur MCM-Tasche tragen, sondern eine, die wüsste, was sich gehört.

Recht hat sie natürlich, es ist kein normaler Weidenkorb für den Alltag, dazu ist er zu fein und zu detailreich gefertigt. Ich werde damit leben müssen, in diesem postfeudalen Europa ein Leben aus Spolien vergangener Grösse zusammenzufügen; ein Miesbacher Körberl auf englischer Decke, Familiensilber mit einem Restservice vom Trödel; und selbst die victorianische Kanne gab sich vor 130 Jahren alle Mühe, ein Rokoko nachzuahmen, das es so nie gegeben hat.
Bleibt als Entschuldigung gegenüber den grossen alten Zeiten nur der Verweis auf die schrecklichen Alternativen von Einweggeschirr, Chinaimport und Tupperware. Und Waugh, natürlich.
donalphons, 01:24h
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Montag, 23. Juni 2008
Silber ist vollkommen überbewertet
Man kann den schlechteren Ecken der Blogosphäre, in denen das Geld für kurzlebige Computerprodukte, Alkohol und Zigaretten ausgegeben wird - nur Ritalin gibt es dort auf Rezept - natürlich nicht absprechen, dass sie nicht ab und an recht haben. Selbst bei Fragen, die den Kern dessen ausmachen, was in diesem kleinen Projekt geschildert wird: Vieles muss einfach nicht sein. Wer weiss, ob man auf dem Werberstrich in Kiel mit ein paar lumpigen Euro nicht auch glücklich ist, die Veröffentlichung in einem Zuschussverlag als Einstieg zum Bestsellerruhm begreift; man kann online viele Feinde der Freunde finden und mit ihnen einen Nachmittag durchfeinden, das erspart einem die Notwendigkeit, mal wieder rauszugehen und zumindest zu versuchen, sowas wie "Sex" zu bekommen, man kann sich die prekären Verhältnisse hinmanagen, und sich am Ende sicher sein, dass es einem noch besser geht als denen, die man nicht mag. Und so ist es einfach, schnurstracks an folgenden Angeboten eines netten Herrn mit einem hübschen Wagen vorüberzugehen, denn Silberwaren, pah, wer braucht das schon.

Kommt das Essen doch ohnehin aus der Einwegverpackung, der Tiefkühltruhe, vom Dönerplanet3001, oder anderen Segnungen der Moderne, die es erlauben, mehr zu bloggen und weniger zu rühren. Und sollte man doch mal irgendwas überbacken, sei es nun eine Lasagne oder Gratin, findet sich garantiert irgendwo in der Küche ein dreckiges Geschirrtuch, mit dem man das 200 Grad heisse Gefäss mitsamt der, na, sagen wir mal geniessbaren Füllung aus dem Ofen entfernt. Jetzt wäre natürlich ein Untersetzer gut, so eine heisse Glasform nimmt viel Hitze auf und kann einen Tisch schon mal ordentlich ruinieren. Mit fast schon schmerzenden Fingern absetzen, Untersetzer suchen, das glibbrige Ding unter der Kaffeekanne hervorziehen und auf den Tisch legen, die Finger an der Form verbrennen,das dreckige Geschirrtuch wieder aufnehmen und die Glasform mit dem unschön schwarzen Rand, wo der Käse verbrannt ist, abstellen: Fertig ist ein gedeckter Tisch, der optisch nicht die Unverfrorenheit besitzt, das Essen in Sachen Geschmack zu übertreffen. Dann klatscht man alles auf die Teller und schlingt es schnell hinunter, denn das Essen wird kalt, und wenn man fertig ist, setzt man sich an das Notebook inmitten des Chaos der Wohnung und verkündet: Silber ist vollkommen überbewertet, nur was für Angeber und Äusserlichkeiten sind bäh, wenn sie jemand anderes vertritt. Und es stimmt:

Es geht, wie oben beschrieben, wirklich ohne Silber. Wer aber nicht weiterstolziert, sondern den Händler kennt, der erwirbt ein silberglänzendes Rechaud mit durchaus üppiger Formgebung, einem durchbrochenen Ständer unten, einem Deckel oben und einer ofentauglichen Glasform in der Mitte. Die Idee dieses Instruments ist Folgende: Man nimmt die Glasform mit der Mahlzeit aus dem Ofen und stellt diese schon in der Küche in den Ständer. Anschliessend setzt man den Deckel darauf und nutzt jetzt die sinnigerweise am Ständer angebrachten, kalt bleibenden Griffe, das Ganze aufzutragen: Ganz ohne Topfhandschuhe oder was sonst einen in heutigen Küchen verunziert. Zu Tisch kann man das Essen ruhig etwas stehen lassen, dann den Deckel lüften, angemessene Portionen verteilen und den Rest durch den Deckel vor der Auskühlung, und im Freien vor Insekten schützen. Keiner muss schlingen, man kann eine Pause einlegen, sich unterhalten, es bleibt alles gleichmässig warm - und sollte es etwas länger dauern, kann man auch Teelichter darunterstellen - dafür gibt es übrigens auch eigene Behältnisse aus Silber.

Es mag natürlich durch das Volumen üppig erscheinen, und somit moderner Küchenideologie entgegen laufen - aber das Gegenteil ist wahr. Der Rechaud verbraucht Raum in der dritten Dimension, er reckt sich nach oben, und verbraucht auf der Tischebene weniger Platz als eine Form mit - in aller Regel grösserem - Untersetzer. Die Existenz vieler Leute jedoch, die allesamt nicht verhungern, selten kochen und dergleichen Gerät für überflüssigen Tand halten, zeigt natürlich, dass es nicht sein muss. Es geht wirklich auch ohne. Gehen sie also bitte an dem obigen Herrn vorbei, beachten sie auch weiterhin nicht sein Angebot und sorgen sie mit verbrannten Pfoten und schlechtem Frass dafür, dass auch diesmal langfristig der die besseren Chancen beim Nutzniessen unseres Rentensystems hat, der hinter Material und Form den Nutzen zu erkennen in der Lage ist.

Kommt das Essen doch ohnehin aus der Einwegverpackung, der Tiefkühltruhe, vom Dönerplanet3001, oder anderen Segnungen der Moderne, die es erlauben, mehr zu bloggen und weniger zu rühren. Und sollte man doch mal irgendwas überbacken, sei es nun eine Lasagne oder Gratin, findet sich garantiert irgendwo in der Küche ein dreckiges Geschirrtuch, mit dem man das 200 Grad heisse Gefäss mitsamt der, na, sagen wir mal geniessbaren Füllung aus dem Ofen entfernt. Jetzt wäre natürlich ein Untersetzer gut, so eine heisse Glasform nimmt viel Hitze auf und kann einen Tisch schon mal ordentlich ruinieren. Mit fast schon schmerzenden Fingern absetzen, Untersetzer suchen, das glibbrige Ding unter der Kaffeekanne hervorziehen und auf den Tisch legen, die Finger an der Form verbrennen,das dreckige Geschirrtuch wieder aufnehmen und die Glasform mit dem unschön schwarzen Rand, wo der Käse verbrannt ist, abstellen: Fertig ist ein gedeckter Tisch, der optisch nicht die Unverfrorenheit besitzt, das Essen in Sachen Geschmack zu übertreffen. Dann klatscht man alles auf die Teller und schlingt es schnell hinunter, denn das Essen wird kalt, und wenn man fertig ist, setzt man sich an das Notebook inmitten des Chaos der Wohnung und verkündet: Silber ist vollkommen überbewertet, nur was für Angeber und Äusserlichkeiten sind bäh, wenn sie jemand anderes vertritt. Und es stimmt:

Es geht, wie oben beschrieben, wirklich ohne Silber. Wer aber nicht weiterstolziert, sondern den Händler kennt, der erwirbt ein silberglänzendes Rechaud mit durchaus üppiger Formgebung, einem durchbrochenen Ständer unten, einem Deckel oben und einer ofentauglichen Glasform in der Mitte. Die Idee dieses Instruments ist Folgende: Man nimmt die Glasform mit der Mahlzeit aus dem Ofen und stellt diese schon in der Küche in den Ständer. Anschliessend setzt man den Deckel darauf und nutzt jetzt die sinnigerweise am Ständer angebrachten, kalt bleibenden Griffe, das Ganze aufzutragen: Ganz ohne Topfhandschuhe oder was sonst einen in heutigen Küchen verunziert. Zu Tisch kann man das Essen ruhig etwas stehen lassen, dann den Deckel lüften, angemessene Portionen verteilen und den Rest durch den Deckel vor der Auskühlung, und im Freien vor Insekten schützen. Keiner muss schlingen, man kann eine Pause einlegen, sich unterhalten, es bleibt alles gleichmässig warm - und sollte es etwas länger dauern, kann man auch Teelichter darunterstellen - dafür gibt es übrigens auch eigene Behältnisse aus Silber.

Es mag natürlich durch das Volumen üppig erscheinen, und somit moderner Küchenideologie entgegen laufen - aber das Gegenteil ist wahr. Der Rechaud verbraucht Raum in der dritten Dimension, er reckt sich nach oben, und verbraucht auf der Tischebene weniger Platz als eine Form mit - in aller Regel grösserem - Untersetzer. Die Existenz vieler Leute jedoch, die allesamt nicht verhungern, selten kochen und dergleichen Gerät für überflüssigen Tand halten, zeigt natürlich, dass es nicht sein muss. Es geht wirklich auch ohne. Gehen sie also bitte an dem obigen Herrn vorbei, beachten sie auch weiterhin nicht sein Angebot und sorgen sie mit verbrannten Pfoten und schlechtem Frass dafür, dass auch diesmal langfristig der die besseren Chancen beim Nutzniessen unseres Rentensystems hat, der hinter Material und Form den Nutzen zu erkennen in der Lage ist.
donalphons, 00:57h
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Dienstag, 17. Juni 2008
Die Rettung des Raben Teil 2
Eigentlich wollte ich nur restaurieren, was unbedingt restauriert werden musste. Am Ende habe ich das Rabeneick dann bis zur letzten Schraube im Dynamo zerlegt, gereinigt, repariert, gefettet und wieder zusammengeschraubt. Was jetzt noch fehlen würde, wäre eine neue Verchromung der Kurbelgarnitur, die damals, 1952, angesichts der Materialknappheit mit einem Überzug versehen wurde, der heute wie dünner Lack abblättert, und darunter rostet. Aber so ist das nun mal bei alten Dingen, die Zeit legt gnadenlos die Qualität offen, und sonst gibt es wenig zu klagen.

Neueren Datums sind jetzt lediglich der Sattel und der Zug und die Klötze der vorderen Bremsanlage. Die alten Reifen wurden gegen die eher originalen Weisswandreifen von Schwalbe ausgetauscht. Ansonsten habe ich sogar den alten Originalschlauch aus rotem Gunnmi wieder verbaut. Die Bremsanlage vorne ist jetzt nicht mehr ganz stilecht; schliesslich war Aussenhülle früher grau und die Bremsklotzhalterung aus Aluminium, aber da geht die Sicherheit vor. Zumal ich mit der Rücktrittbremse absolut nicht klarkomme.
Ein paar Probleme habe ich bei den bislang gefahrenen 70 Kilometern auch gemerkt:
Die Griffe sind gnadenlos hart, zu klein und ergonomisch äusserst ungünstig. Nach zwei Stunden zieht es in den Handgelenken. Handschuhe sind zu empfehlen.
Für die Ebene ist der einzige Gang sehr gut geeignet, das Anfahren ist schnell möglich, und mit den schmaleren Reifen ist das Treten nicht schwer. Steigungen von mehr als 5 Prozent machen aber auf längere Sicht keinen Spass. Brücken und Dämme gehen. Es ist ein Rad für das Donautal, aber nicht für die Steigungen am Tegernsee.
Auch mit allen Tricks bleibt die Bremsleistung inferior, so dass man auch Ausweichen als defensive Taktik im Blick behalten sollte. Würde nur die Lenkung schnell reagieren! Das Problem ist der flache Lenkwinkel; man kann ziemlich viel - für Rennradfahrer - ungewöhnliche Dinge tun, bis sich das Rabeneick dazu bequemt, eine schnelle Kurve zu fahren. Es ist weitaus sportlicher als das gängige Oparad, aber mit 1,2 Meter Radstand nicht wirklich das, was man spritzig nennt. Aber zum Ärgern normaler Mountainbikefahrer reicht es auf Feldwegen allemal aus.
Und: Man wird oft angesprochen. Das entschädigt dafür, dass es sich lenkt, bremst und anfühlt wie ein Rad, das über 55 Jahre auf dem Buckel hat. Zum Erdbeeren pflücken ist es jedenfalls ausreichend, und ich fand keinen Grund, warum das in weiteren 55 Jahren anders sein sollte. Denn nichts ist an diesem Rad aus Plastik, es ist Schwermetall, reparierbar, und wartet jetzt nur noch auf den Einsatz des Lackstiftes für die letzten Rostflecken.

Neueren Datums sind jetzt lediglich der Sattel und der Zug und die Klötze der vorderen Bremsanlage. Die alten Reifen wurden gegen die eher originalen Weisswandreifen von Schwalbe ausgetauscht. Ansonsten habe ich sogar den alten Originalschlauch aus rotem Gunnmi wieder verbaut. Die Bremsanlage vorne ist jetzt nicht mehr ganz stilecht; schliesslich war Aussenhülle früher grau und die Bremsklotzhalterung aus Aluminium, aber da geht die Sicherheit vor. Zumal ich mit der Rücktrittbremse absolut nicht klarkomme.
Ein paar Probleme habe ich bei den bislang gefahrenen 70 Kilometern auch gemerkt:
Die Griffe sind gnadenlos hart, zu klein und ergonomisch äusserst ungünstig. Nach zwei Stunden zieht es in den Handgelenken. Handschuhe sind zu empfehlen.
Für die Ebene ist der einzige Gang sehr gut geeignet, das Anfahren ist schnell möglich, und mit den schmaleren Reifen ist das Treten nicht schwer. Steigungen von mehr als 5 Prozent machen aber auf längere Sicht keinen Spass. Brücken und Dämme gehen. Es ist ein Rad für das Donautal, aber nicht für die Steigungen am Tegernsee.
Auch mit allen Tricks bleibt die Bremsleistung inferior, so dass man auch Ausweichen als defensive Taktik im Blick behalten sollte. Würde nur die Lenkung schnell reagieren! Das Problem ist der flache Lenkwinkel; man kann ziemlich viel - für Rennradfahrer - ungewöhnliche Dinge tun, bis sich das Rabeneick dazu bequemt, eine schnelle Kurve zu fahren. Es ist weitaus sportlicher als das gängige Oparad, aber mit 1,2 Meter Radstand nicht wirklich das, was man spritzig nennt. Aber zum Ärgern normaler Mountainbikefahrer reicht es auf Feldwegen allemal aus.
Und: Man wird oft angesprochen. Das entschädigt dafür, dass es sich lenkt, bremst und anfühlt wie ein Rad, das über 55 Jahre auf dem Buckel hat. Zum Erdbeeren pflücken ist es jedenfalls ausreichend, und ich fand keinen Grund, warum das in weiteren 55 Jahren anders sein sollte. Denn nichts ist an diesem Rad aus Plastik, es ist Schwermetall, reparierbar, und wartet jetzt nur noch auf den Einsatz des Lackstiftes für die letzten Rostflecken.
donalphons, 01:22h
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Montag, 9. Juni 2008
Die Rettung des Raben Teil 1
ich verstehe, dass manche mich nicht verstehen: Ein Kilo Erdbeeren kostet draussen im Feld 1,70 Euro, imVergleich zu 4 Euro beim Gemüsehändler. Und ich bin nicht so versessen darauf, dass ich in diesem Sommer mehr als 10 Kilo bräuchte. Macht also 23 Euro Gewinn, wenn wir den Genuss des Selberpflückens und die Auswahl der Schönsten gegen den Zeitverlust rechnen. Dazu kommen noch 10 Kilo Zwetschgen von Wegesrändern im Spätsommer, womit ich - unter gleichen Bedingungen - 30 Euro spare. 40 Euro nun hat der blaue Rabe gekostet, mit dem ich diese Touren unternehmen möchte. Das wären dann 13 Euro Gewinn, wenn ich nicht schon ein paar Räder hätte. Und wäre da nicht die Arbeitszeit, die ich in das praktisch fahruntüchtige Stück deutscher Wirtschaftswundergeschichte stecke. Sagen wir grob: 15 Stunden. Würde ich diese Zeit nehmen und darin kluge Sachen über den grauen Kapitalmarkt schreiben, und einmal Haifische zu einer Gesellschafterversammlung fahren, würde ich auch nach Steuern genug Geld haben, um mich an Erdbeeren und Zwetschgen mit Lieferservice totzufressen. Aber.

Da ist einmal der Arbeitsplatz. Auch das werden manche vielleicht nicht verstehen, aber es ist allein schon befriedigend, hier oben zu sitzen, etwas zu polieren und dabei diesen Ausblick zu haben. Man kann das nicht aufrechnen, das ist so idiotisch wie Blogleser in Tausenderkontaktpreisen zu verhökern. Diese Stunden sind nicht irgendwas, sie stehen für sich selbst, sie sind. Und ich lerne dabei. Ich lerne etwas über Licht am Fahrrad; ein Thema, das bislang immer nur im Zusammenhang mit dem Verb "wegschrauben" auftauchte. Normalerweise halte ich am Rad Gepäckträger, Schutzbleche, Ständer, Licht und überhaupt alles, was nicht direkt dem Fahren, Lenken und Bremsen dient, für überflüssiges Gewicht. Entsprechend puristisch sieht dann auch der restliche, erdbeeruntaugliche Fuhrpark aus. Einen Moment habe ich natürlich auch überlegt, den Raben radikal bis auf die Schutzbleche zu strippen, aber das wäre eine Schande. Statt dessen lasse ich ihn so original wie möglich. Denn jedes Teil erzählt Geschichte.

Wie dieser Bosch-Dynamo. Das fängt schon beim Typenschild an, das auf französisch verkündet: "Importe d´Allemagne". Möglicherweise noch eine Spätfolge der Besatzung Südwestdeutschlands durch die Franzosen nach dem zweiten Weltkrieg; ein West vor dem Germany fehlt noch. Vielleicht kommt auch das Material vom Krieg: Denn der Dynamo ist aus Aluminium, das damals in grossen Mengen zur Verfügung stand. Die Besatzer verschrotteten nicht nur die deutsche Luftwaffe, sondern auch ihre eigenen, im Düsenzeitalter mittlerweise obsolet gewordenen Propellermaschinen. Bosch baute mit seinem RL/WQ2 eine Lichtmaschine für die Ewigkeit: 4 Spulen, 4 Anker, kein einziges Teil, das nicht aus Metall ist, komplett zerlegbar und oben mit einer Schraube versehen, um das Gleitlager - noch so eine Eigenheit des zweiten Weltkriegs, besonders unter Rüstungsminister Albert Speer wurde die Nazi-Wirtschaft angewiesen, möglichst wenig Kugellager zu verwenden, nachdem die Alliierten gezielt die Kugellagerfabriken bombardiert hatten - zu ölen. Der Dynamo ist nicht leicht, aber er ist nach 56 Jahren wie neu und dreht sich vermutlich noch, wenn all die modernen Entsprechungen aus Taiwan mitsamt der daran hängenden Räder schon verschrottet sind. Weil die Konstrukteure in Produktzyklen dachten, die heute mit den jährlich in Modefarben produzierten Rädern unvorstellbar sind. Und daran, dass die Kunden dauerhaft besitzen und nicht nur mit einem billigen Trumm das Recht zum jährlichen Werkstattbesuch leasen wollten. Wer sowas wegmacht, zieht vermutlich auch nach Berlin, testet für Geld Opel Astra, macht sich mit seinem Gestotter für Zoomer und Watchberlin zum Deppen, wirbt für die Büttel chinesischer Mörder, und würde mit dem Bericht über den Kapitalmarkt hudeln, um dann zum pablik viuing zu gehen.
Man kann natürlich so rechnen. Ich nenne es die Rechnung der armen Schweine.

Da ist einmal der Arbeitsplatz. Auch das werden manche vielleicht nicht verstehen, aber es ist allein schon befriedigend, hier oben zu sitzen, etwas zu polieren und dabei diesen Ausblick zu haben. Man kann das nicht aufrechnen, das ist so idiotisch wie Blogleser in Tausenderkontaktpreisen zu verhökern. Diese Stunden sind nicht irgendwas, sie stehen für sich selbst, sie sind. Und ich lerne dabei. Ich lerne etwas über Licht am Fahrrad; ein Thema, das bislang immer nur im Zusammenhang mit dem Verb "wegschrauben" auftauchte. Normalerweise halte ich am Rad Gepäckträger, Schutzbleche, Ständer, Licht und überhaupt alles, was nicht direkt dem Fahren, Lenken und Bremsen dient, für überflüssiges Gewicht. Entsprechend puristisch sieht dann auch der restliche, erdbeeruntaugliche Fuhrpark aus. Einen Moment habe ich natürlich auch überlegt, den Raben radikal bis auf die Schutzbleche zu strippen, aber das wäre eine Schande. Statt dessen lasse ich ihn so original wie möglich. Denn jedes Teil erzählt Geschichte.

Wie dieser Bosch-Dynamo. Das fängt schon beim Typenschild an, das auf französisch verkündet: "Importe d´Allemagne". Möglicherweise noch eine Spätfolge der Besatzung Südwestdeutschlands durch die Franzosen nach dem zweiten Weltkrieg; ein West vor dem Germany fehlt noch. Vielleicht kommt auch das Material vom Krieg: Denn der Dynamo ist aus Aluminium, das damals in grossen Mengen zur Verfügung stand. Die Besatzer verschrotteten nicht nur die deutsche Luftwaffe, sondern auch ihre eigenen, im Düsenzeitalter mittlerweise obsolet gewordenen Propellermaschinen. Bosch baute mit seinem RL/WQ2 eine Lichtmaschine für die Ewigkeit: 4 Spulen, 4 Anker, kein einziges Teil, das nicht aus Metall ist, komplett zerlegbar und oben mit einer Schraube versehen, um das Gleitlager - noch so eine Eigenheit des zweiten Weltkriegs, besonders unter Rüstungsminister Albert Speer wurde die Nazi-Wirtschaft angewiesen, möglichst wenig Kugellager zu verwenden, nachdem die Alliierten gezielt die Kugellagerfabriken bombardiert hatten - zu ölen. Der Dynamo ist nicht leicht, aber er ist nach 56 Jahren wie neu und dreht sich vermutlich noch, wenn all die modernen Entsprechungen aus Taiwan mitsamt der daran hängenden Räder schon verschrottet sind. Weil die Konstrukteure in Produktzyklen dachten, die heute mit den jährlich in Modefarben produzierten Rädern unvorstellbar sind. Und daran, dass die Kunden dauerhaft besitzen und nicht nur mit einem billigen Trumm das Recht zum jährlichen Werkstattbesuch leasen wollten. Wer sowas wegmacht, zieht vermutlich auch nach Berlin, testet für Geld Opel Astra, macht sich mit seinem Gestotter für Zoomer und Watchberlin zum Deppen, wirbt für die Büttel chinesischer Mörder, und würde mit dem Bericht über den Kapitalmarkt hudeln, um dann zum pablik viuing zu gehen.
Man kann natürlich so rechnen. Ich nenne es die Rechnung der armen Schweine.
donalphons, 01:49h
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