Die schlecht genähte Brieftasche.

Und das Geld fällt, prasselt auf den Boden, rollt unter Koffer, Kisten und Fahrradteile, und dazu ertönt ein "Hoid! So fui wui I ah ned", und dazu Gelächter. Es ist mal wieder passiert, beim Kauf eines neuen Pralinenstuhls. Denn nach nunmehr 21 Jahren, mehr als die Hälfte meines Lebens, löst sich mein Geldbeutel in seine Bestandteile auf. Das Deckleder ist zerrissen, die Seitenwand des Geldfachs hat keine Naht mehr, und wenn ich die Brieftache zu schnell ziehe, ergiesst sich ein Münzregen über den Boden. Langsam wird es zu einer teuren Angelegenheit, denn nicht alles findet sich wieder. Aber - seit 21 Jahren habe ich ihn nun, er war damals schon extrem teuer, so teuer, dass selbst Ralph Lauren, die ihn damals hergestellt haben, so etwas heute nicht mehr anbietet. Er hat lange gehalten, alles mitgemacht, und ich habe ihn nie verloren. Ich würde ihn reparieren lassen, wenn ich Ersatz hätte, aber so eine Brieftasche habe ich seit langem nicht mehr gesehen.

Sie brachan a neis Bortmönäh, sagt die Frau der Stuhlverkäufers, und ich erzähle ihr die Geschichte, warum ich nicht vorhabe, mich davon zu trennen. Weil ich keinen Ersatz habe, den ich verwenden könnte, solange meine Brieftasche beim Schuster ist. Do hed i oan, meint die Frau, an ganz nein von meim Obba, dea hodn nia bnutzt, dea woa spoasam und hod imma ois aufghom, schans amoi, sagt die Frau, wühlt in einer Kiste, findet eine flache, aufklappbare hellbraune Ledertasche, die meiner vom Funktionsprinzip nicht unähnlich ist, sieht man davon ab, dass er natürlich noch keinen Platz für Plastikgeld hat. So aus den 60er Jahren dürfte er sein, er ist tatsächlich neu, noch immer ist das Platzhalterpaier für den Personalausweis drinnen, kostet nur ein Euro und wird mir aufgedrängt.

Ich nehme ihn, und mein Geld prasselt noch dreimal über den Boden, bis ich heute morgen beschliesse, endlich mal umzuräumen. Ich fülle die Münzen in das Münzfach - und die Enttäuschung ist gross: Man hat das Fach unten nicht zugenäht, das Geld rutscht durch auf die andere Seite der aufklappbaren Tasche und verschwindet. Pfusch. Ich klaube mühsam die Münzen aus dem hintersten Winkel hervor, und fühle noch etwas Papier, und siehe -



Opa war sparsamer, als letztlich gut für ihn und seine Erben war. Baujahr 1960, fast neu, drei Erinnerungen an eine Zeit, als 50 Mark noch sehr viel mehr war, als 25 Euro heute sind. Liebesgrüsse aus der Wirtschaftswunderzeit.

Das war einmal sehr viel Geld.

* * *

Ich habe gestern mal geschaut, welche der Wohnungen, die ich mir vor dem Kauf meiner Bleibe zu Gemüte führte, heute noch im Angebot sind. Ausser den ganz schlechten und extrem überteuerten Objekten ist alles weg, der Markt hier am See ist leergefegt. Die Bekannten meiner Eltern bringen ihr Geld in Sicherheit, man sucht Stabilität und flieht die Inflation, es geht nicht mehr um Rendite, sondern nur noch um Werterhalt. Schlagzeilen wie 20% Steigerung bei den Mieten weisen den Weg. Zumindest in Deutschland. In den USA dürfte es bald sehr billig werden: Gestern wurden die beiden Monoliner Ambac und MBIA im Bonitätsranking um zwei Stufen runtergesetzt, zusammen versichern sie Kredite von 1,5 Trillionen Dollar - eine Versicherung, die faktisch nichts mehr wert ist.

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D-Mark fühlen sich übrigens schöner an als Euro.

Freitag, 6. Juni 2008, 16:06, von donalphons | |comment

 
Perfektes Versteck!
Wo, wenn nicht in einem anscheinend nicht gebrauchten Portemonnaie (seit der Rechtschreibreform schwieriges Wort, das noch richtig zu schreiben) das Geld zu verstecken. Clever.

Kann man die Scheine eigentlich noch umtauschen? Oder hebst Du sie als Erinnerung auf?

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wenn das nicht typisch ist fuer ein Altersheim - die Ommas auf meiner Station haben immer in Servierten eingewickelte Schnitzel in ihren Nachttischschubladen versteckt (und vergessen) - und wenn dann ploetzlich mal wieder Krieg ist - was gibt es leckeres als ein schoen abgelegenes, mumifiziertes Schnitzel?

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Nachdem Geld im Gegensatz zu Kadaver und dummen Einlassungen nicht stinkt, kann man jederzeit zur Bundesbank gehen und umtauschen. Sparkassen, glaube ich, nehmen das aber auch noch an. Ob ich es tue - keine Ahnung.

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Als ich 2004 das Haus meiner verstorbenen Frau Mama ausräumte fand ich unter dem Wohnzimmerperser 500 DM, feinsäuberlicher nebeneinander aufgereiht in fünf blauen Scheinen. Das Geld sah aus wie druckfrisch. Meine Bank hats klaglos angenommen und umgetauscht.

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Man kann D-Mark zeitlich unbefristet in allen Filialen der Bundesbank in Euro umtauschen, anscheinend sogar auch per Post:
http://www.bundesbank.de/bargeld/bargeld_faq_banknotendm.php#dm_umtausch

Einige Ladenketten haben aber auch einen Werbegag daraus gemacht, indem sie zulassen, dass man bei ihnen in D-Mark bezahlt. C&A hat das meines Wissens nach lange so gemacht (das wird dem Don aber nicht helfen, da er sicherlich dort nie einkaufen würde).

Ich bin da weniger wählerisch. Ein älterer Franzose hatte mir während eines Frankreich-Aufenthalts 60 Mark gegeben (wohl ein Urlaubs-Relikt) und mich gebeten, das Geld doch für ihn in Euro umzutauschen. Dann lag der Umschlag mit der Adresse jahrelang vergessen bei mir in der Schublade, irgendwann fiel er mir wieder in die Finger und das schlechte Gewissen wurde groß (ehrlich gesagt, wusste ich damals aber nicht einmal, wo in meiner Nähe eine Bundesbank-Filiale war). Ich habe ihm die 30 Euro geschickt und mir für die D-Mark etwas (ja, ich gebe es zu) bei C&A gekauft. Immerhin kam danach auch noch eine Dankeskarte aus Frankreich.

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Auf die Idee, es der netten Dame zurück zu bringen kommt hier wohl keiner?

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Doch. Aber versuch Dich mal fünf Wochen später an das Gesicht einer mittelalten Frau an einem von 300 Ständen zu erinnern. Das ist wie der Tankwart im Schwäbischen von vor vier Wochen. Ich kenne manche Händler sehr gut, da würde ich das sofort machen, aber in diesem Fall stehen die Chancen eher schlecht.

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