Donnerstag, 1. März 2007
Grandmother´s Finest
In der Küche stehen die Beweise dafür, dass ich in meiner Saison en Enfer, meiner Zeit in der Unterwelt Berlins, die heute weitgehend im Dunkel des Vergessens verschwunden ist bis auf die lieben Menschen, die ich dort kennen dürfte; in der Küche also stehen die Beweise, dass ich dort noch etwas anderes getan habe, als auf den Schmutz zu starren und dafür die dortige verlorene Pracht zu verachten. In meiner freien Zeit habe ich viel gejagt und auch manches gefunden, und was davon heute in der neuen Wohnung ist, steht nun zumeist im Küchenschrank. Und nicht, wie die alten Stücke der Familie, in der Biedermeiervitrine neben den historischen Büchern im Wohnzimmer.
Und wenn ich jetzt alles hergeben müsste und nur eine Sache da drin behalten dürfte, unter all den in Kälte, Eis und Hitze den Händlern entrissenen Schätzen, den englichen Teekannen, den Biedermeierschalen, den amerikanischen Streuern, den weniger wertvollen, versilberten Tabletts, die zur Hochzeit verschenkt wurden und den Gläsern der Witwe Loetz -

dann würde ich das alles hergeben und lediglich die weissblaue Borte behalten. Denn mit der hat es, wie überhaupt dem Küchenschrank, eine besondere Bewandtnis.
Früher war es in dieser Stadt so, dass man innerhalb der Stadtmauern wohnte. Wer hier zu den besseren Kreisen gehörte, war meist auch Mitglied eines der Schützenvereine, oder, wenn es die rund 1000 Personen umfassenden Clans der Oberschicht betraf, Mitglied im Jagdverein. Darunter kamen dann, für die Bewohner der schlechteren Viertel, die Reservistenvereine. Aber die meisten Männer hatten zuhause irgendeinen Schiessprügel. Der verlangte nach Aufmerksamkeit und Übung. Und dafür gab es in den Donauaauen einen Schiessplatz, wo man sich am Samstag und Sonntag zum Ballern traf.
Der Schiessplatz wiederum lag in der sumpfigen, unfruchtbaren Donauniederung westlich der Altstadt, jenseits der Stadtbefestigung. Man baute eine schnurgerade Strasse hinaus, dazu noch ein Schützenhäuschen, später eine Gaststätte, und dort war dann stets geselliges Treiben: Die Männer schossen, die Kinder spielten, und die Frauen tratschten, wer mit wem im Bett war und welches Kind ein Bastard sein möge. Immer wieder unterbrochen durch den lauten Knall der Büchsen und Jagdflinten.
Damals waren die Damen auch noch etwas empfindsamer als ihre heutigen Nachfahrinnen, die von der Glotze ganz andere Ballereien beim Chipsfressen gewöhnt sind, und so ergoss sich mancher schreckhaft verschütteter Tee auf die blütenweisse Sommergarderobe, die man damals im Königreich Bayern zu tragen pflegte. Überhaupt sind schiessende Gatten gepflegten Gesprächen über Untreue nicht wirklich zuträglich, und aus diesem Missverhältnis heraus entstand eine Idee, die später die Geschicke der Oberschicht der Stadt auf Jahrhunderte bestimmen sollte.
Die Damen der Gesellschaft wollten nämlich eine Trennung von ihren schiessenden Herren. Möglicherweise wollten auch die schiessenden Herren eine Trennung von den oidn Tratschn, ich kenne leider nur die von weiblicher Seite überlieferte Tradition, die auf meine Grosstante und meine Grossmutter zurückgeht, die beide noch den Prinzregenten Luitpold gesehen haben. Um diese räumliche Trennung zu vollziehen, ohne eine gewisse familiäre Nähe ganz aufzugeben, verfiel man nun auf die Idee, sich entlang des Weges zum Schiessplatz, dem daher sogenannten Probierlweg, grössere Grundstücke zu kaufen. Die wurden dann gerodet, mit Apfel- und Zwetschgenbäumen bepflanzt, mit Beeten für Gemüse und Blumen versehen, und dann baute man noch eine Hütte, in der man die wichtigsten Dinge zum Gebrauch am Wochenende unterbrachte.
Dort, in diesen Gärten, spielte sich dann im Sommer das gesellschaftliche Leben ab. Die meisten alteingesessenen Familien hatten so einen Garten für die Sommerfrische, denn bis zur Pauschalreise dauerte es für die meisten bis in die 50er Jahre. Die Leistung meines Grossvaters, mit seinem ersten Tourenwagen 1928 nach Italien zu fahren und mit dem Zug und einer wichtigen Erfahrung zum Thema Lenkverhalten in Kurven heimzukehren, galt damals noch als grosses Abenteuer. Wenn überhaupt, kam man in die Voralpen zu der Verwandtschaft in Rosenheim, mit dem Zug zur ferneren Verwandtschaft zu den Schlawacken in Wien und Budapest, aber meistens war man hier in den Lauben vor der Stadt. Genau so kenne ich das noch aus meinen jungen Jahren, als die Stadt nur halb so viele Einwohner hatte. Die alten Familien aber überlegten damals, ob das Verbleiben in der Altstadt noch zeitgemäss war. Schliesslich wohnten alle anderen draussen in modernen Blocks und Bungalos, in denen sich die zugezogene Funktionselite nieder gelassen hatte. Die alten Häuser in der Stadt waren nicht mehr repräsentativ genug. Man wollte raus ins Grüne.
Und so kam, was naheliegend war. Die Hütten, Beete und Bäume am Probierlweg verschwanden, und statt dessen errichtete sich hier die bessere Gesellschaft ihre Villen. Man hatte das Grundstück, den Schiessplatz gab es nach 1945 nicht mehr, keiner brauchte mehr Äpfel und Zwetschgen, die man im Supermarkt weitaus schöner und ohne Wurm bekam, und auch das Grundstück meines Clans wurde von der Villa meiner Grosstante überbaut. Hier blieben die Apfelbäume jedoch stehen, die bis heute die Grundlage des heimischen Apfelstrudels sind, der alte Brunnen wurde weiter betrieben, aber die alte Laube, ein dunkelblau gestrichenes Holzhaus mit vier Fenstern und einer Tür, wurde wegen Baufällugkeit abgerissen. Erhalten hat sich davon nur eine Blumenkiste mit tanzenden Amoretti - und mein heutiger Küchenschrank.
Wäre er aus Nuss oder Mahagoni gewesen, hätte keiner "den dunklen Hund" mit seinen historistischen Schnörkeln und Säulen haben wollen. Was ihn gerettet hat, ist sein Material: Billige Kiefer mit Astlöchern. Nicht das Beste, zur Zeit seiner Entstehung eigentlich nicht dem Stand angemessen, aber es war nur ein Möbel für die Sommerlaube, also war man damit zufrieden. Kiefer natur wiederum war schlechthin das Material der ersten Ikea-Generation Ende der 60er Jahre, zu der auch meine Eltern gehörten. Kiefer von Ikea war der letzte Schrei und ihr Bekenntnis zur neuen Zeit. Die Form des Küchenschranks fanden sie grauenvoll, aber in einem Anfall von antiautoritärer Behauptung gegen die Nierentische oder die stromlinienförmigen, skandinavischen Möbelsitten der vorhergehenden Generation nahm meine Mutter den Küchenschrank und postierte ihn in der oberen Küche der Einliegerwohnung, von der man annahm, dass eines der Kinder sie später bewohnen würde.
Meine Mutter jedenfalls beschloss, den Schrank zeitgemäss zu machen. Und deshalb die grauenvoll kitschige weissblaue Borte zu entfernen. Sie löste die Nägel, und warf sie in die Aschentonne. Tags darauf kam meine Grossmutter zufällig auf den Schrank zu sprechen und erzählte die Geschichte dieser Borte: Als der Kronprinz eines Sommers für eine Militätparade die Stadt besuchte, verfielen alle in einen weissblauen patriotischen Freudentaumel, und draussen in den Lauben stickten und nähten die Frauen über Wochen hinweg weissblaue Fahnen, Wimpel, Bordüren und Borten. Wo immer man konnte, brachte man die Landesfarben an, und so eben auch die feinste Stickerei am Küchenschrank, den meine Mutter jetzt hatte, ein besonderes Relikt einer besonderen Zeit, in der alle hofften, der Kronprinz wollte seinen huldvollen Blick auf all die geschmückten Lauben werfen. Schneller ist meine Mutter danach wohl nie mit ihrem signalgrünenAudi-100- Schlachtschiff nach Hause gerast, um die Borte aus der Mülltonne zu retten und dort anzubringen, wo sie jetzt wieder ist.
Sie ist unglaublich fein gestickt, Knoten für Knoten, sie ist inzwischen fast 100 Jahre alt und immer noch wie neu, eine Qualität, die nur entsteht, wenn jemand sich wirklich alle Mühe gibt, das Ergebnis vieler Sonntag Nachmittage draussen vor der Stadt, und deshalb das Einzige in diesem Schrank, woran in wirklich hänge.
Und wenn ich jetzt alles hergeben müsste und nur eine Sache da drin behalten dürfte, unter all den in Kälte, Eis und Hitze den Händlern entrissenen Schätzen, den englichen Teekannen, den Biedermeierschalen, den amerikanischen Streuern, den weniger wertvollen, versilberten Tabletts, die zur Hochzeit verschenkt wurden und den Gläsern der Witwe Loetz -

dann würde ich das alles hergeben und lediglich die weissblaue Borte behalten. Denn mit der hat es, wie überhaupt dem Küchenschrank, eine besondere Bewandtnis.
Früher war es in dieser Stadt so, dass man innerhalb der Stadtmauern wohnte. Wer hier zu den besseren Kreisen gehörte, war meist auch Mitglied eines der Schützenvereine, oder, wenn es die rund 1000 Personen umfassenden Clans der Oberschicht betraf, Mitglied im Jagdverein. Darunter kamen dann, für die Bewohner der schlechteren Viertel, die Reservistenvereine. Aber die meisten Männer hatten zuhause irgendeinen Schiessprügel. Der verlangte nach Aufmerksamkeit und Übung. Und dafür gab es in den Donauaauen einen Schiessplatz, wo man sich am Samstag und Sonntag zum Ballern traf.
Der Schiessplatz wiederum lag in der sumpfigen, unfruchtbaren Donauniederung westlich der Altstadt, jenseits der Stadtbefestigung. Man baute eine schnurgerade Strasse hinaus, dazu noch ein Schützenhäuschen, später eine Gaststätte, und dort war dann stets geselliges Treiben: Die Männer schossen, die Kinder spielten, und die Frauen tratschten, wer mit wem im Bett war und welches Kind ein Bastard sein möge. Immer wieder unterbrochen durch den lauten Knall der Büchsen und Jagdflinten.
Damals waren die Damen auch noch etwas empfindsamer als ihre heutigen Nachfahrinnen, die von der Glotze ganz andere Ballereien beim Chipsfressen gewöhnt sind, und so ergoss sich mancher schreckhaft verschütteter Tee auf die blütenweisse Sommergarderobe, die man damals im Königreich Bayern zu tragen pflegte. Überhaupt sind schiessende Gatten gepflegten Gesprächen über Untreue nicht wirklich zuträglich, und aus diesem Missverhältnis heraus entstand eine Idee, die später die Geschicke der Oberschicht der Stadt auf Jahrhunderte bestimmen sollte.
Die Damen der Gesellschaft wollten nämlich eine Trennung von ihren schiessenden Herren. Möglicherweise wollten auch die schiessenden Herren eine Trennung von den oidn Tratschn, ich kenne leider nur die von weiblicher Seite überlieferte Tradition, die auf meine Grosstante und meine Grossmutter zurückgeht, die beide noch den Prinzregenten Luitpold gesehen haben. Um diese räumliche Trennung zu vollziehen, ohne eine gewisse familiäre Nähe ganz aufzugeben, verfiel man nun auf die Idee, sich entlang des Weges zum Schiessplatz, dem daher sogenannten Probierlweg, grössere Grundstücke zu kaufen. Die wurden dann gerodet, mit Apfel- und Zwetschgenbäumen bepflanzt, mit Beeten für Gemüse und Blumen versehen, und dann baute man noch eine Hütte, in der man die wichtigsten Dinge zum Gebrauch am Wochenende unterbrachte.
Dort, in diesen Gärten, spielte sich dann im Sommer das gesellschaftliche Leben ab. Die meisten alteingesessenen Familien hatten so einen Garten für die Sommerfrische, denn bis zur Pauschalreise dauerte es für die meisten bis in die 50er Jahre. Die Leistung meines Grossvaters, mit seinem ersten Tourenwagen 1928 nach Italien zu fahren und mit dem Zug und einer wichtigen Erfahrung zum Thema Lenkverhalten in Kurven heimzukehren, galt damals noch als grosses Abenteuer. Wenn überhaupt, kam man in die Voralpen zu der Verwandtschaft in Rosenheim, mit dem Zug zur ferneren Verwandtschaft zu den Schlawacken in Wien und Budapest, aber meistens war man hier in den Lauben vor der Stadt. Genau so kenne ich das noch aus meinen jungen Jahren, als die Stadt nur halb so viele Einwohner hatte. Die alten Familien aber überlegten damals, ob das Verbleiben in der Altstadt noch zeitgemäss war. Schliesslich wohnten alle anderen draussen in modernen Blocks und Bungalos, in denen sich die zugezogene Funktionselite nieder gelassen hatte. Die alten Häuser in der Stadt waren nicht mehr repräsentativ genug. Man wollte raus ins Grüne.
Und so kam, was naheliegend war. Die Hütten, Beete und Bäume am Probierlweg verschwanden, und statt dessen errichtete sich hier die bessere Gesellschaft ihre Villen. Man hatte das Grundstück, den Schiessplatz gab es nach 1945 nicht mehr, keiner brauchte mehr Äpfel und Zwetschgen, die man im Supermarkt weitaus schöner und ohne Wurm bekam, und auch das Grundstück meines Clans wurde von der Villa meiner Grosstante überbaut. Hier blieben die Apfelbäume jedoch stehen, die bis heute die Grundlage des heimischen Apfelstrudels sind, der alte Brunnen wurde weiter betrieben, aber die alte Laube, ein dunkelblau gestrichenes Holzhaus mit vier Fenstern und einer Tür, wurde wegen Baufällugkeit abgerissen. Erhalten hat sich davon nur eine Blumenkiste mit tanzenden Amoretti - und mein heutiger Küchenschrank.
Wäre er aus Nuss oder Mahagoni gewesen, hätte keiner "den dunklen Hund" mit seinen historistischen Schnörkeln und Säulen haben wollen. Was ihn gerettet hat, ist sein Material: Billige Kiefer mit Astlöchern. Nicht das Beste, zur Zeit seiner Entstehung eigentlich nicht dem Stand angemessen, aber es war nur ein Möbel für die Sommerlaube, also war man damit zufrieden. Kiefer natur wiederum war schlechthin das Material der ersten Ikea-Generation Ende der 60er Jahre, zu der auch meine Eltern gehörten. Kiefer von Ikea war der letzte Schrei und ihr Bekenntnis zur neuen Zeit. Die Form des Küchenschranks fanden sie grauenvoll, aber in einem Anfall von antiautoritärer Behauptung gegen die Nierentische oder die stromlinienförmigen, skandinavischen Möbelsitten der vorhergehenden Generation nahm meine Mutter den Küchenschrank und postierte ihn in der oberen Küche der Einliegerwohnung, von der man annahm, dass eines der Kinder sie später bewohnen würde.
Meine Mutter jedenfalls beschloss, den Schrank zeitgemäss zu machen. Und deshalb die grauenvoll kitschige weissblaue Borte zu entfernen. Sie löste die Nägel, und warf sie in die Aschentonne. Tags darauf kam meine Grossmutter zufällig auf den Schrank zu sprechen und erzählte die Geschichte dieser Borte: Als der Kronprinz eines Sommers für eine Militätparade die Stadt besuchte, verfielen alle in einen weissblauen patriotischen Freudentaumel, und draussen in den Lauben stickten und nähten die Frauen über Wochen hinweg weissblaue Fahnen, Wimpel, Bordüren und Borten. Wo immer man konnte, brachte man die Landesfarben an, und so eben auch die feinste Stickerei am Küchenschrank, den meine Mutter jetzt hatte, ein besonderes Relikt einer besonderen Zeit, in der alle hofften, der Kronprinz wollte seinen huldvollen Blick auf all die geschmückten Lauben werfen. Schneller ist meine Mutter danach wohl nie mit ihrem signalgrünenAudi-100- Schlachtschiff nach Hause gerast, um die Borte aus der Mülltonne zu retten und dort anzubringen, wo sie jetzt wieder ist.
Sie ist unglaublich fein gestickt, Knoten für Knoten, sie ist inzwischen fast 100 Jahre alt und immer noch wie neu, eine Qualität, die nur entsteht, wenn jemand sich wirklich alle Mühe gibt, das Ergebnis vieler Sonntag Nachmittage draussen vor der Stadt, und deshalb das Einzige in diesem Schrank, woran in wirklich hänge.
donalphons, 15:05h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Dienstag, 27. Februar 2007
Der nächste Pralinenstuhl
Sie wich nicht mehr von meiner Seite. Zuerst sah sie sich die anderen Stühle an, aber die schiefen Blicke zu mir hinüber sagten alles. Ich untersuchte zum dritten Mal die gedrechselten Beine und die kleinen Messingrollen, fand noch immer kein Preisschild, und als sich der Mitarbeiter dann endlich bequemte, den Gebrauchträderstand zu verlassen, konnte er mir auch keinen Preis sagen. Ich müsse zum Chef, und der sei da hinten. Hätte ich ihn stehen gelassen, hätte sie sich ihn sicher geschnappt und wäre damit zur Kasse gespurtet, um dort nach dem Preis zu fragen, Hauptsache, sie hätte ihn in Händen gehabt. Also schleppte ich ihn mit zum Chef, und es dauerte nur wenige Momente, das war mein Schatten wieder da, lauernd, gierig, fordernd, und erfolglos.
Der Chef gab mir einen Zettel mit dem lachhaft niedrigen Preis - 10 Euro, ich ging zur Kasse und spürte ihren Blick im Rücken. Hätte ich mich umgedreht, wäre ich zu ihr gegangen und hätte gesagt: Ich habe zwar 53 Zimmer im Stadtpalast und würde dafür sicher einen Platz finden, aber ich weiss, dass Du ihn haben willst, ich kenne Deine Gier und ich habe es selbst erlebt, wie es ist, wenn man einen Wimpernschlag zu spät kommt - also nimm ihn und habe verdammt guten Sex drauf, auf diesem Pralinenstuhl - hätte ich das getan, hätte ich bewiesen, dass ich der Entsagung fähig bin. Aber ich glaube, dass Menschen, die entsagen können, schlecht im Bett sind, und als ich ihn dann über das offene Verdeck auf den Beifahrersitz der Barchetta wuchtete - die übrigens absolut ungeeignet für alle sexuellen Spielchen ist - fuhr sie in mutmasslich Papas A8 ganz langsam an mir vorbei und schaute nochmal herüber.

Man trifft beim Gebrauchtwarenladen die seltsamsten Leute, und, wenn man ehrlich ist, weite Teile der Oberschicht dieser kleinen Stadt. Man könnte dort vielleicht sogar eine Gespielin finden, wenn man Beizeiten das Richtige tut, eine vorzeitig Geschiedene etwa oder eine Tochter ohne Perspektive. Vir allem aber kann man der eigenen Habgier genügen, und hat man erst den Stuhl, findet sich irgendwann auch die richtige Besetzung.
Der Chef gab mir einen Zettel mit dem lachhaft niedrigen Preis - 10 Euro, ich ging zur Kasse und spürte ihren Blick im Rücken. Hätte ich mich umgedreht, wäre ich zu ihr gegangen und hätte gesagt: Ich habe zwar 53 Zimmer im Stadtpalast und würde dafür sicher einen Platz finden, aber ich weiss, dass Du ihn haben willst, ich kenne Deine Gier und ich habe es selbst erlebt, wie es ist, wenn man einen Wimpernschlag zu spät kommt - also nimm ihn und habe verdammt guten Sex drauf, auf diesem Pralinenstuhl - hätte ich das getan, hätte ich bewiesen, dass ich der Entsagung fähig bin. Aber ich glaube, dass Menschen, die entsagen können, schlecht im Bett sind, und als ich ihn dann über das offene Verdeck auf den Beifahrersitz der Barchetta wuchtete - die übrigens absolut ungeeignet für alle sexuellen Spielchen ist - fuhr sie in mutmasslich Papas A8 ganz langsam an mir vorbei und schaute nochmal herüber.

Man trifft beim Gebrauchtwarenladen die seltsamsten Leute, und, wenn man ehrlich ist, weite Teile der Oberschicht dieser kleinen Stadt. Man könnte dort vielleicht sogar eine Gespielin finden, wenn man Beizeiten das Richtige tut, eine vorzeitig Geschiedene etwa oder eine Tochter ohne Perspektive. Vir allem aber kann man der eigenen Habgier genügen, und hat man erst den Stuhl, findet sich irgendwann auch die richtige Besetzung.
donalphons, 11:10h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 25. Februar 2007
Jetzt ist es doch passiert.
Ich habe heute einen kleinen Spiegel des Wiener Barock gekauft, oval und mit Goldrahmen, mehr zur Klimapflege bei einem mir bekannten Herrn aus Ungarn denn aus Notwendigkeit, und ich dachte, dass sich dafür ein Platz findet. Und jetzt schaue ich schon seit zwei Stunden in der Wohnung rum und finde keinen Platz. Das heisst, Platz wäre da, aber keiner, an dem der Spiegel zwingend passen würde.
Schwierig.
Schwierig.
donalphons, 20:27h
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Ich mag Pessimisten
Das mag überraschen, denn ich sehe meiner eigenen Zukunft immer mit einer Mischung aus lässiger Nachlässigkeit und Zuversicht entgegen, die meine Umwelt regelmäsig zur Verzweiflung treibt. Meine Beiträge kommen dennoch rechtzeitig beim Magazin an, der erbremse die Kurven immer und glaube an die Weisheit meiner Grossmutter. die immer "Das ist alles noch kein Unglück", falls etwas doch mal nicht ganz optimal laufen sollte. Ich weiss einfach, dass abgesehen von meinem in sehr weiter Zukunft liegenden Tod nur wenig kommen wird, das mich in existenzielle Krisen werfen könnte. Die Nebenwirkungen, die sich in mitunter wenig geschätzter Ehrlichkeit gegenüber meinen Übernächsten, Sorglosigkeit und der Erklärung von Eichendorffs "Aus dem Leben eines Taugenichts" zu meinem philosophischen Maximen äussern, sind aber gemeinhin meiner Umwelt eher Freude als Last. Und dennoch mag ich Pessimisten.
Derer gibt es in Bayern nicht wenige; Jodmangel, Alkohol- und Katholizismus sowie dörflicher Inzest haben hier ihre Spuren in Genpool und Charakter hinterlassen, und nur der Vorsehung sowie der traumhaft schönen Landschaft ist es zu verdanken, dass aus den Bayern mit diesen schlechten Startbedingungen wenigstens keine echten oder österreichbalkanesischen Preussen wurden. Zu den Volksfesten säuft man sich hier die betrübliche Existenz schön, ansonsten hadert man mit dem Schicksal und baut die besten BMW der Welt, um damit gegen Bäume zu fahren. Nein, frohgemut ist der Bayer als ein solcher nicht, und auch seine Frau gehört nicht zu den lebensbejahenden Wonneproppen. Ich liebe sie.
Etwa, wenn wie heute drei solche Fässer nebeneinander vor mir über den Pfaffenhofener Flohmarkt rollen, im Regen die Mundwinkel von der Schwerkraft a la das merkel nach unten getackert und missmutig um sich schauend. Jeder Händler könnte ein Betrüger sein, der sie um das ehrlich erworbene Gehalt des Apothekersgatten bescheisst, überall Diebe und wirklich trauen tun sie auch nur dem Pfarrer und der CSU. Diese Leerguttransporte mit Überbreite also walzen vor mir durch die Wege, ein Vorbeikommen ist nicht möglich, wenngleich ich möchte: Denn da vorn ist der Silbermann mit Kisten voller amerikanischer Silverware. Die Damen sind vor mir dort, und eine ergreift das Tablett, das ich auch sofort genommen hätte, und schaut es sich an. Es ist das Tablett, das ich in meinen jetzt doch etwas grösseren Räumen und den 4 Zimmern zwischen Küche und Computer noch brauche, mit Griffen und gross genug für eine Kanne, einen Kuchenteller und eine Tasse - aber auch nicht grösser, damit nichts verrutschen kann. Briten und Amerikaner haben das einfach drauf. Und die fette, alte Schachtel hat es in den fleischigen Fingern.
Wos kosdn dös, fragt sie den mir wohlbekannten Händler, der nennt einen Preis, der unter dem liegt, was man in den 50ern dafür in Dollar bezahlt hat, woraufhin sie sich eingehend mit dem Tablett beschäftigt und eine der anderen schnell wie eine Packratte nach der Servierplatte greift, von denen ich insgesamt 10 Stück hatte und nun, von Bekannten und Frenden ausgeplündert, dringend Ersatz brauche. Sie schauen die aufgrund des Alters schwarz angelaufenen Objekte meiner Begierde an, und reden darüber, dass man sie kaum mehr sauber bekommt. Der Händler bestreitet das, geht mit dem Preis runter, aber sie jammern weiter, da ginge niemals und dann hätten sie so einen schwoazn Gseilln in der Küche, und man erkennt: Das sind die, die immer einen Makel finden und denen es nur dann gut geht, wenn es ihnen und allen um ihnen herum schlecht geht. Aber heute haben sie versagt, denn sie legen die Silberplatten wieder hin und zockeln ungerührt vom nochmal niedrigeren Angebot meines Händlers weiter.

Und deshalb liebe ich solche Pessimisten, die immer nur das Problem sehen, und nie die Chancen und Möglichkeiten. Jedesmal, wenn ich von nun an mit diesem Tablett meinen Tee an den Rechner oder auf die Dachterasse trage, werde ich an sie denken und lächeln. Und das, obwohl ich beim genaueren Suchen noch einen Haufen andere Sachen gefunden habe, die nicht schlechter sind. Wie übrigens andere auch.
Derer gibt es in Bayern nicht wenige; Jodmangel, Alkohol- und Katholizismus sowie dörflicher Inzest haben hier ihre Spuren in Genpool und Charakter hinterlassen, und nur der Vorsehung sowie der traumhaft schönen Landschaft ist es zu verdanken, dass aus den Bayern mit diesen schlechten Startbedingungen wenigstens keine echten oder österreichbalkanesischen Preussen wurden. Zu den Volksfesten säuft man sich hier die betrübliche Existenz schön, ansonsten hadert man mit dem Schicksal und baut die besten BMW der Welt, um damit gegen Bäume zu fahren. Nein, frohgemut ist der Bayer als ein solcher nicht, und auch seine Frau gehört nicht zu den lebensbejahenden Wonneproppen. Ich liebe sie.
Etwa, wenn wie heute drei solche Fässer nebeneinander vor mir über den Pfaffenhofener Flohmarkt rollen, im Regen die Mundwinkel von der Schwerkraft a la das merkel nach unten getackert und missmutig um sich schauend. Jeder Händler könnte ein Betrüger sein, der sie um das ehrlich erworbene Gehalt des Apothekersgatten bescheisst, überall Diebe und wirklich trauen tun sie auch nur dem Pfarrer und der CSU. Diese Leerguttransporte mit Überbreite also walzen vor mir durch die Wege, ein Vorbeikommen ist nicht möglich, wenngleich ich möchte: Denn da vorn ist der Silbermann mit Kisten voller amerikanischer Silverware. Die Damen sind vor mir dort, und eine ergreift das Tablett, das ich auch sofort genommen hätte, und schaut es sich an. Es ist das Tablett, das ich in meinen jetzt doch etwas grösseren Räumen und den 4 Zimmern zwischen Küche und Computer noch brauche, mit Griffen und gross genug für eine Kanne, einen Kuchenteller und eine Tasse - aber auch nicht grösser, damit nichts verrutschen kann. Briten und Amerikaner haben das einfach drauf. Und die fette, alte Schachtel hat es in den fleischigen Fingern.
Wos kosdn dös, fragt sie den mir wohlbekannten Händler, der nennt einen Preis, der unter dem liegt, was man in den 50ern dafür in Dollar bezahlt hat, woraufhin sie sich eingehend mit dem Tablett beschäftigt und eine der anderen schnell wie eine Packratte nach der Servierplatte greift, von denen ich insgesamt 10 Stück hatte und nun, von Bekannten und Frenden ausgeplündert, dringend Ersatz brauche. Sie schauen die aufgrund des Alters schwarz angelaufenen Objekte meiner Begierde an, und reden darüber, dass man sie kaum mehr sauber bekommt. Der Händler bestreitet das, geht mit dem Preis runter, aber sie jammern weiter, da ginge niemals und dann hätten sie so einen schwoazn Gseilln in der Küche, und man erkennt: Das sind die, die immer einen Makel finden und denen es nur dann gut geht, wenn es ihnen und allen um ihnen herum schlecht geht. Aber heute haben sie versagt, denn sie legen die Silberplatten wieder hin und zockeln ungerührt vom nochmal niedrigeren Angebot meines Händlers weiter.

Und deshalb liebe ich solche Pessimisten, die immer nur das Problem sehen, und nie die Chancen und Möglichkeiten. Jedesmal, wenn ich von nun an mit diesem Tablett meinen Tee an den Rechner oder auf die Dachterasse trage, werde ich an sie denken und lächeln. Und das, obwohl ich beim genaueren Suchen noch einen Haufen andere Sachen gefunden habe, die nicht schlechter sind. Wie übrigens andere auch.
donalphons, 17:28h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Freitag, 23. Februar 2007
Pretty in Pink
È confusa la mia testa,
Non so più quel ch'io mi faccia,
E un orribile tempesta
Minacciando, o Dio, mi va
Ma non manca in me coraggio,
Non mi perdo o mi confondo,
Se cadesse ancora il mondo.
Nulla mai temer mi fa.
Don Giovanni, Atto I, Scena XXII
Nur einen Moment war ich schwach. Aber es ist diese Art Schwäche, die einem den Atem raubt. Es ist dann plötzlich eine Erinnerung eines Parfums in der Luft, aus den 80ern von Kenzo. Nicht wegen dem Objekt, sondern all den Ideen, die mir bei der Ansicht durch den Kopf gingen, von den losen Fäden, die sich in der Geschichte verlieren. Denn in einer Wohnung, in der sich dergleichen und zwei halbwegs ansehnliche Menschen befinden, gibt es nur eine einzige Sache zu tun, und es kann keinen Moment einen Zweifel geben. Ja, es ist schrecklich, nein, zu anderen Zwecken wäre es vollkommen unbrauchbar, aber zugespitzt auf diese eine Funktion gehört es zu den Dingen, die man vielleicht ein einziges Mal in seinem Leben getan haben muss. Wenn man sie nicht schon mal getan hat, und dann kam es alles wieder, denn

Denn damals, in meiner Heimat gab es eine Juwelierstochter, die hatte in ihrem rosa Mädchenzimmer genau so ein Ding, in genau dieser Farbe. Es war wirklich nur ein kurzer Moment, aber all die nicht blogbaren Erinnerungen wegschieben, das wird jetzt noch ein wenig dauern.
falls sonst noch jemand schwach wird: münchen freimann, auf dem flohmarkt. und da war schon ein mädchen, die das ding geknipst hat. wohl auch nicht ohne hintergedanken: va bene in verità!
Non so più quel ch'io mi faccia,
E un orribile tempesta
Minacciando, o Dio, mi va
Ma non manca in me coraggio,
Non mi perdo o mi confondo,
Se cadesse ancora il mondo.
Nulla mai temer mi fa.
Don Giovanni, Atto I, Scena XXII
Nur einen Moment war ich schwach. Aber es ist diese Art Schwäche, die einem den Atem raubt. Es ist dann plötzlich eine Erinnerung eines Parfums in der Luft, aus den 80ern von Kenzo. Nicht wegen dem Objekt, sondern all den Ideen, die mir bei der Ansicht durch den Kopf gingen, von den losen Fäden, die sich in der Geschichte verlieren. Denn in einer Wohnung, in der sich dergleichen und zwei halbwegs ansehnliche Menschen befinden, gibt es nur eine einzige Sache zu tun, und es kann keinen Moment einen Zweifel geben. Ja, es ist schrecklich, nein, zu anderen Zwecken wäre es vollkommen unbrauchbar, aber zugespitzt auf diese eine Funktion gehört es zu den Dingen, die man vielleicht ein einziges Mal in seinem Leben getan haben muss. Wenn man sie nicht schon mal getan hat, und dann kam es alles wieder, denn

Denn damals, in meiner Heimat gab es eine Juwelierstochter, die hatte in ihrem rosa Mädchenzimmer genau so ein Ding, in genau dieser Farbe. Es war wirklich nur ein kurzer Moment, aber all die nicht blogbaren Erinnerungen wegschieben, das wird jetzt noch ein wenig dauern.
falls sonst noch jemand schwach wird: münchen freimann, auf dem flohmarkt. und da war schon ein mädchen, die das ding geknipst hat. wohl auch nicht ohne hintergedanken: va bene in verità!
donalphons, 13:12h
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Montag, 5. Februar 2007
Der Raub der Berlinerinnen
Wie der Deckel eines Bleisargs lastet der niedrige Himmel auf der grauen Stadt. Wir fahren nach Osten, nach Kreuzberg, raus aus dem früher herrschaftlichen Charlottenburg, Richtung Bergmannstrasse, dem einzigen Ort, wo Berlin sich noch etwas Mühe gibt, das Versprechen einzulösen, irgendwie an Paris zu erinnern. Woanders konkurriert es längst mit Bukarest, den schlechteren Vierteln von Minsk und den Randbezirken von Plauen, aber hier ist noch was, was aus eigener Kraft entstanden ist. Und ein Teil der Kraft sitzt neben mir, ein Spross der Unternehmerfamilie, die es geschafft hat, aus der Strasse eine Antiquitätenmeile zu machen, die ihresgleichen sucht. Sollte man Berlin jemals an die Russen verkaufen, möchte man den Wedding für seine Ehrlichkeit und die Bergmannstrasse für die Antiquitäten bitte aussen vor lassen.
Dafür sind wir auch unterwegs durch den mässigen Stadtverkehr des Sonntag Vormittags. Es hat lange gedauert, bis man in München zu einer Entscheidung kam und eine Preisvorstellung formulierte, den zu erreichen dann auch nicht ganz einfach war. Und wäre die Entscheidung eher gekommen, hätte ich Frau Mamas Rennsemmel 30 Kilometer weniger durch die Strassen Berlins kutschieren müssen. Aber so bleibt wenigstens etwas Zeit für ein wenig Austausch zwischen Antiquitätenjägern.
Schleicht sind die Zeiten geworden, darin stimmen wir überein. Ich habe wenig gefunden, denke ich laut nach, und er bestätigt, dass es schwierig wird. Er und sein Umfeld ist inzwischen bundesweit aktiv, denn in Berlin kommt nur noch wenig aus den Häusern. Langsam sind sie durch mit Schöneberg, Wilmersdorf und Grunewald, und im Osten war noch nie viel zu holen in der Klasse, in der sie erst anfangen. Den Trödel und den Ramsch findet man immer noch in grossen Mengen. Das Besondere aber hat sich verflüchtigt. Nicht zurück zur neuen Bürgerlichkeit Berlins, die kein Auge dafür hat. Sondern nach Osten. Polen und Russen sind die neuen Einkäufer, sie kommen mit dem Lastwagen, das Geld spielt keine Rolle, und dann geht es dorthin, wo die Substanz gering und der Bedarf hoch ist.
Es ist ihr Fluch, dass sie genau zwischen den Gravitationszentren sitzen. Denn das Geld und das Publikum für ihr Angebot ist im Süden, Westen und Osten, aber eben nicht hier. Andernorts würde man die Stücke mit Spots an leeren Wänden präsentieren; hier jedoch stecken Landschaftsbilder hinter Vitrinen fest, und ganze Sammlungen lagern in barocken Schränken. Das Publikum des Westens ist dergleichen nicht gewohnt und ahnt nicht, was es versäumt, Berlin bemüht sich seit Jahrzehnten, dergleichen los zu werden, und nur die Neuen Reichen des Ostens profitieren letztlich vom Niedergang und Ausbluten der Stadt.
Und für mich selbst wird es dadurch auch eng. Wer weiss, wie oft ich noch so durch Berlin fahren werde, um dann vielleicht das letzte Portrai von Albert Korneck in den Süden zu brngen, bevor sich hinter mir die Tore das letzte Mal schliessen werden, weil es endgültig vorbei ist mit den Schätzen, die die Stad vom 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts zusammen gerafft hat. Vielleicht ist dieser Transport auch schon das Ende - wer kann das schon sagen.

Und niemand weiss, wen ich da, sauber verpackt auf dem Rücksitz, mitbringe. Vielleicht war sie eine Brauerstochter, deren Vater ein Faible für das Antike hatte, eine Gemahlin eines Anwalts, der sich von ihr ein idealisiertes Portait im Stile der Statuen in Berlins Museen wünschte, oder doch nur ein Stück Repräsentation, dessen Ausgestaltung man dem Akademiemaler überliess. Vielleicht wird es einmal ein Kunstgeschichtler entdecken, wer die Dame mit dem satten Inkarnat und dem weichen Fleisch ist, und warum sie in einer Weise dargestellt wurde, die in ihrer Freizügigkeit so gar nicht in die Empangsräume des Kaiserreichs gepasst hat.
Nur soviel ist gewiss - sie war Berlinerin, und ihr Abbild blieb dort 127 Jahre, bis es jetzt nach Bayern an die Isar geht. An die Spree erinnert nur noch der Stempel der Malerwerkstatt, ansonsten ist sie jetzt dem Italien näher, dem die Idee zu Tunika, geschönter Nase, weichen Lippen und freizügiger Haltung entsprang. Es ist kein Raub im juristischen Sinne, irgendjemand wollte sie nicht mehr haben, man hat sie verstossen, verkauft, und ich will gar nicht wissen, was die Verkäufer mit ihrem lumpigen Gewinn anstellen, denn ich bin nur der Bote, es ist nicht mein Bild und schon gar nicht meine Stadt, die hier weitaus mehr Schönheit verliert, als an schwäbischen Ponyträgerinnen mit schlechten Manieren zwischenzeitlich reinkommt. Es wird eine Stadt jenseits aller Herrlichkeit sein, und keiner wird mehr kommen, um ihre alten Schätze zu suchen.
Nachtrag: Dieser Text entsand während der letzten Fuhre in Berlin in meinem Kopf, weil ich das Gefühl hatte, diesmal wirklich nichts gefunden zu haben. Ein Gefühl, das sich beim Hinaufschleppen von 4 Büsten, einem Relief, 2 Statuetten, einem Kronleuchter, einem Gemälde, einer Tüte Silber und noch ein paar Sachen als nicht ganz zutreffend herausgestellt hat.
Dafür sind wir auch unterwegs durch den mässigen Stadtverkehr des Sonntag Vormittags. Es hat lange gedauert, bis man in München zu einer Entscheidung kam und eine Preisvorstellung formulierte, den zu erreichen dann auch nicht ganz einfach war. Und wäre die Entscheidung eher gekommen, hätte ich Frau Mamas Rennsemmel 30 Kilometer weniger durch die Strassen Berlins kutschieren müssen. Aber so bleibt wenigstens etwas Zeit für ein wenig Austausch zwischen Antiquitätenjägern.
Schleicht sind die Zeiten geworden, darin stimmen wir überein. Ich habe wenig gefunden, denke ich laut nach, und er bestätigt, dass es schwierig wird. Er und sein Umfeld ist inzwischen bundesweit aktiv, denn in Berlin kommt nur noch wenig aus den Häusern. Langsam sind sie durch mit Schöneberg, Wilmersdorf und Grunewald, und im Osten war noch nie viel zu holen in der Klasse, in der sie erst anfangen. Den Trödel und den Ramsch findet man immer noch in grossen Mengen. Das Besondere aber hat sich verflüchtigt. Nicht zurück zur neuen Bürgerlichkeit Berlins, die kein Auge dafür hat. Sondern nach Osten. Polen und Russen sind die neuen Einkäufer, sie kommen mit dem Lastwagen, das Geld spielt keine Rolle, und dann geht es dorthin, wo die Substanz gering und der Bedarf hoch ist.
Es ist ihr Fluch, dass sie genau zwischen den Gravitationszentren sitzen. Denn das Geld und das Publikum für ihr Angebot ist im Süden, Westen und Osten, aber eben nicht hier. Andernorts würde man die Stücke mit Spots an leeren Wänden präsentieren; hier jedoch stecken Landschaftsbilder hinter Vitrinen fest, und ganze Sammlungen lagern in barocken Schränken. Das Publikum des Westens ist dergleichen nicht gewohnt und ahnt nicht, was es versäumt, Berlin bemüht sich seit Jahrzehnten, dergleichen los zu werden, und nur die Neuen Reichen des Ostens profitieren letztlich vom Niedergang und Ausbluten der Stadt.
Und für mich selbst wird es dadurch auch eng. Wer weiss, wie oft ich noch so durch Berlin fahren werde, um dann vielleicht das letzte Portrai von Albert Korneck in den Süden zu brngen, bevor sich hinter mir die Tore das letzte Mal schliessen werden, weil es endgültig vorbei ist mit den Schätzen, die die Stad vom 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts zusammen gerafft hat. Vielleicht ist dieser Transport auch schon das Ende - wer kann das schon sagen.

Und niemand weiss, wen ich da, sauber verpackt auf dem Rücksitz, mitbringe. Vielleicht war sie eine Brauerstochter, deren Vater ein Faible für das Antike hatte, eine Gemahlin eines Anwalts, der sich von ihr ein idealisiertes Portait im Stile der Statuen in Berlins Museen wünschte, oder doch nur ein Stück Repräsentation, dessen Ausgestaltung man dem Akademiemaler überliess. Vielleicht wird es einmal ein Kunstgeschichtler entdecken, wer die Dame mit dem satten Inkarnat und dem weichen Fleisch ist, und warum sie in einer Weise dargestellt wurde, die in ihrer Freizügigkeit so gar nicht in die Empangsräume des Kaiserreichs gepasst hat.
Nur soviel ist gewiss - sie war Berlinerin, und ihr Abbild blieb dort 127 Jahre, bis es jetzt nach Bayern an die Isar geht. An die Spree erinnert nur noch der Stempel der Malerwerkstatt, ansonsten ist sie jetzt dem Italien näher, dem die Idee zu Tunika, geschönter Nase, weichen Lippen und freizügiger Haltung entsprang. Es ist kein Raub im juristischen Sinne, irgendjemand wollte sie nicht mehr haben, man hat sie verstossen, verkauft, und ich will gar nicht wissen, was die Verkäufer mit ihrem lumpigen Gewinn anstellen, denn ich bin nur der Bote, es ist nicht mein Bild und schon gar nicht meine Stadt, die hier weitaus mehr Schönheit verliert, als an schwäbischen Ponyträgerinnen mit schlechten Manieren zwischenzeitlich reinkommt. Es wird eine Stadt jenseits aller Herrlichkeit sein, und keiner wird mehr kommen, um ihre alten Schätze zu suchen.
Nachtrag: Dieser Text entsand während der letzten Fuhre in Berlin in meinem Kopf, weil ich das Gefühl hatte, diesmal wirklich nichts gefunden zu haben. Ein Gefühl, das sich beim Hinaufschleppen von 4 Büsten, einem Relief, 2 Statuetten, einem Kronleuchter, einem Gemälde, einer Tüte Silber und noch ein paar Sachen als nicht ganz zutreffend herausgestellt hat.
donalphons, 19:02h
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Der beste Falafel, und Haloumi und überhaupt
In Berlin ist meine Ernährung in Ermangelung ordentlicher Wochenmärkte mit echten Bauern etwas anders als in der Heimat. Das äussert sich schon darin, dass ich Richtung Norden 2 Kilo bestellte Lebensmittel mitnehme - und Richting Süden eine Tüte Chips für die Fahrt. Inzwischen gibt es im Süden auch wirklich vorzeigbare türkische Schnellrestaurants mit fähigen Köchinnen und Köchen am Herd - so müssen sich das Pide, der vegetarischer Döner und Ähnliches aus der kulinarischen Schatzkammer Anatoliens und dessen Ablegern in Deutschland nicht vor Berlin verstecken. Aber während mir dort höchstens einmal die Woche die Zeit für das Kochen fehlt, sind die türkisch/syrisch/libanesischen Läden in Berlin das überall anzutreffende Rückgrat meiner Versorgung.
Ich bin da aber auch wählerisch. Vorgefertigter Falafel aus der Mikrowelle geht gar nicht, ebenso wie Brot, das an amerikanische Fastfooddreckshersteller erinnert. Neben dem "Beirut Express" in der Gneisenaustrasse in Kreuzberg, desse Falafel wirklich so schmeckt, als würde man nach einem langen Tag in der syrischen Wüste endlich etwas zu essen bekommen, möchte ich jetzt auch auf einen Könner gleich neben meinem Quartier verweisen: Falafel Daye, Danziger Strasse 24 im Prenzlauer Berg.

Einerseits, weil alle Zutatenfür sich genommen stimmen. Andererseits, weil sie, sowohl was die Mengen als auch den Geschmack angeht, gut aufeinander abgestimmt sind. Man kennt das: Manchmal ersäuft das Brot in Sosse, manchmal ist es ein trockener Kaugummi, manchmal ist die eine Hälfte voller Salat und die andere voller Falafel. Ich habe letzte Woche eine ziemlich ausführliche Testreihe zu mir genommen, und ich kann sagen: Sowas passiert hier nicht. Zudem gibt es eine Pepponi oben drauf, die man wirklich als Bereicherung auffassen muss und kann.
Natürlich ist es vom Umfang her insgesamt etwas weniger, als üblicherweise. Aber es lässt sich durchaus Essen, ohne zum Schwein zu verkommen, die Kiefergelenke knacken nicht, es klatscht kein Saft auf die Kleidung, kurz, man kann sich auf den Geschmack konzentrieren. Insofern - sehr zu empfehlen. Holgi hat auch noch einen Hinweis.
Ich bin da aber auch wählerisch. Vorgefertigter Falafel aus der Mikrowelle geht gar nicht, ebenso wie Brot, das an amerikanische Fastfooddreckshersteller erinnert. Neben dem "Beirut Express" in der Gneisenaustrasse in Kreuzberg, desse Falafel wirklich so schmeckt, als würde man nach einem langen Tag in der syrischen Wüste endlich etwas zu essen bekommen, möchte ich jetzt auch auf einen Könner gleich neben meinem Quartier verweisen: Falafel Daye, Danziger Strasse 24 im Prenzlauer Berg.

Einerseits, weil alle Zutatenfür sich genommen stimmen. Andererseits, weil sie, sowohl was die Mengen als auch den Geschmack angeht, gut aufeinander abgestimmt sind. Man kennt das: Manchmal ersäuft das Brot in Sosse, manchmal ist es ein trockener Kaugummi, manchmal ist die eine Hälfte voller Salat und die andere voller Falafel. Ich habe letzte Woche eine ziemlich ausführliche Testreihe zu mir genommen, und ich kann sagen: Sowas passiert hier nicht. Zudem gibt es eine Pepponi oben drauf, die man wirklich als Bereicherung auffassen muss und kann.
Natürlich ist es vom Umfang her insgesamt etwas weniger, als üblicherweise. Aber es lässt sich durchaus Essen, ohne zum Schwein zu verkommen, die Kiefergelenke knacken nicht, es klatscht kein Saft auf die Kleidung, kurz, man kann sich auf den Geschmack konzentrieren. Insofern - sehr zu empfehlen. Holgi hat auch noch einen Hinweis.
donalphons, 11:53h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 31. Januar 2007
Nachgeschmissen
Wer internationale Einrichtungszeitschriften liest, weiss um den Trend zum Kronleuchter. Was das asymmetrische Fenster der Architektur, ist der Deckenfluter der Innenarchitektur. Man hängt wieder Leuchter an die Decke, man hat genug von indirektem Licht unten und blendendem Halogenweiss oben. Der Deckenfluter ist meist ein Irrweg, eine Sackgasse, und deshalb vollkommen zurecht auf dem Rückzug.
Nun muss es natürlich kein kristallbeladener Kronleuchter sein. Das passt zwar gut in mein Ambiente, aber es ist nicht überall angemessen. Man braucht dafür die passenden Möbel und eigentlich das ganze historische Programm von bunten Wänden, geschwungenen Möbeln, Teppichen, massiven Schränken und Sideboards, und auch Goldrahmen passen bestens dazu. Aber was tun, wenn einem die hier unteren Stühle nicht zusagen und man dagegen schlichte, klassische Linien wie bei den oberen Exemplaren bevorzugt? Nun, man fährt nach Friedrichshain.

Dergleichen wird gern als venezianischer Kronleuchter angeboten, wenngleich die meisten Exemplare nicht aus Italien stammen. Diese Leuchter stellen das Luxussegment der 30er bis 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts dar, sie sind leicht, klassisch geformt und passen eigentlich fast immer dazu. Sie nehmen sich zurück, sie sind durchsichtig, rein, grazil, natürlich anfällig und deshalb inzwischen sehr, sehr selten. Oft hat man sie ohnehin nicht verkauft. Zu teuer für das normale Nachkriegsbürgertum.
75 Euro. Noch ohne Verhandlung. Und ich habe keinen Platz mehr.
Nun muss es natürlich kein kristallbeladener Kronleuchter sein. Das passt zwar gut in mein Ambiente, aber es ist nicht überall angemessen. Man braucht dafür die passenden Möbel und eigentlich das ganze historische Programm von bunten Wänden, geschwungenen Möbeln, Teppichen, massiven Schränken und Sideboards, und auch Goldrahmen passen bestens dazu. Aber was tun, wenn einem die hier unteren Stühle nicht zusagen und man dagegen schlichte, klassische Linien wie bei den oberen Exemplaren bevorzugt? Nun, man fährt nach Friedrichshain.

Dergleichen wird gern als venezianischer Kronleuchter angeboten, wenngleich die meisten Exemplare nicht aus Italien stammen. Diese Leuchter stellen das Luxussegment der 30er bis 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts dar, sie sind leicht, klassisch geformt und passen eigentlich fast immer dazu. Sie nehmen sich zurück, sie sind durchsichtig, rein, grazil, natürlich anfällig und deshalb inzwischen sehr, sehr selten. Oft hat man sie ohnehin nicht verkauft. Zu teuer für das normale Nachkriegsbürgertum.
75 Euro. Noch ohne Verhandlung. Und ich habe keinen Platz mehr.
donalphons, 23:22h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 31. Januar 2007
Soll ich?
Perfekt erhalten. Aus bestem Haushalt. Späte 60er, aber relativ frisch überzogen, in hellem altrosa. Buchengestell, beste Polsterung. Und mit dem einen Knopf auch sehr ironisch. Kosten: 100 Euro, lachaft.

Es gäbe noch eine Alternative, weitaus älter, 1880, schlechter erhalten, aber auch altrosa, geraffte Schabracke. Auch derer zwei. Mit gedrechselten Füssen und Rollen, kurz: Viktorianisch pur. Kosten: Noch lachhafter, 90 Euro. Allerdings müsste man sie restaurieren, auch wenn das Grau nur Staub ist.

Und Platz habe ich ohnehin nicht.

Es gäbe noch eine Alternative, weitaus älter, 1880, schlechter erhalten, aber auch altrosa, geraffte Schabracke. Auch derer zwei. Mit gedrechselten Füssen und Rollen, kurz: Viktorianisch pur. Kosten: Noch lachhafter, 90 Euro. Allerdings müsste man sie restaurieren, auch wenn das Grau nur Staub ist.

Und Platz habe ich ohnehin nicht.
donalphons, 00:31h
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 29. Januar 2007
Donna
Gestern, bei der Lesung, diskutierten Don Dahlmann und meine Wenigkeit mit anderen den fragwürdigen Umstand, dass es im literarischen Blogbetrieb zwar zwei Don gibt, aber keinerlei Donna. Eine Madame gibt es durchaus, das italienische Gegenstück dagegen fehlt, was die Herren Don & Don doch sehr bedauern. Denn es wäre durchaus zu begrüssen, gäbe es mehr dramatische, anspruchsvolle Diven mit südländischem Naturell und schneidenden Spott. Was gestern nun nur als Idee existierte, manifestierte sich heute dann in einem der von mir häufig frequentierten Antikkellern. So muss sie aussehen:

Dann passt sie auch zur körperlichen Erscheinung ihrer männlichen Gegenstücke, die nicht Nein sagen zu den Freuden des Daseins. Im übrigen wäre sie auch zu haben. Für Hic & Haec, sowie einen nicht sehr sinnvollen Preis. Ein Luxusgeschöpf also. Deshalb wird sie mir heute nacht im Kopf herumgehen, auch wenn sie wieder weggesperrt ist im Bilderschrank des Antikenhändlers.

Dann passt sie auch zur körperlichen Erscheinung ihrer männlichen Gegenstücke, die nicht Nein sagen zu den Freuden des Daseins. Im übrigen wäre sie auch zu haben. Für Hic & Haec, sowie einen nicht sehr sinnvollen Preis. Ein Luxusgeschöpf also. Deshalb wird sie mir heute nacht im Kopf herumgehen, auch wenn sie wieder weggesperrt ist im Bilderschrank des Antikenhändlers.
donalphons, 20:55h
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