: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 6. März 2013

Frische Luft

Das kann ich, denke ich, hier laut erzählen: Im Blogsystem der FAZ, das momentan und vermutlich auch noch länger etwas besser durchdacht als die Booster der Challanger ist, gibt es eine Javascriptfunktion, die einen beim Bildeinstellen anfiest, man sollte eine Bildbeschreibung dazu verfassen. Sonst könnten manche Sehbehinderte nicht erkennen, was es ist. Prinzipiell finde ich es ntürlich gut, wenn man mitdenkt, aber in einem System, das mir tagein tagaus einen Tritt gibt und bei dem man an viel gedacht hat, ausser an Leser und den, der es betreuen muss, ist das ein ziemlicher Hohn.Vor allem, weil man ja auch irgendwie damit rechnet, dass ich rücksichtsvoll bin und sage: Oh ja, natürlich, das System ist eine krasse Frechheit, ständig verschwinden Kommntare und ich kann mich nicht mal entschuldigen, weil meine auch manchmal auch verschwinden, aber hier nehme ich natürlich sofort und freudig Rücksicht und investiere nochmal Zeit, den Blödsinn wegzuklicken, weil ich ja sonst nichts besseres zu tun habe. Na: Diese "Dir geht es gut also bitte sorge Dich um jene, die es nicht so gut haben."





Ich schreibe ja gern fies über unsere egomane und giergetriebene Gesellschaft und diese Leute, die für den kleinsten eigenen Vorteil anderen grösste Belastungen zumuten. Da denkt man natürlich zuerst an die Schicht, die längst oben ist, aber mein Eindruck ist, dass die wirklich üblen Beispiele dieser Haltung moralisch verbrämt daher kommen. Es könnte ja jemand das Internet für Kinderpornographie nutzen - da machen wir mit Riesenaufwand und hohem Risiko für dich Netzsperren und Überwachung, während der nächste Österreicher eine Verwanfte in den Keller sperrt und 100.000e Cretins nach Thailand jetten. Das Frauenbild gefällt manchen Feministinnen nicht mehr, also muss es auf Linie gebracht und genderneutral werden. Daheim kommt heute ein Packerl mit einer Frau an, die ihre Oberweite auf ein Buch plumpsen lässt, das ist, auch wenn 18. Jahrhundert, sicher schon kritisch. Aber natürlich erwartet man von mir, dass ich die Sinnhaftigkeit sehe und das Wohl der Allgemeinheit im Sinn habe. Oh, und wenn ich bei der FAZ darauf vergesse, bei einem Thema, das am Rande mit der Benachteiligung von Juden zu tun haben könnte, es herausgehoben zu erwähnen, kommt gleich einer und fragt: Und die Juden? He? Was in meinem Falle vielleicht ein wenig schräg ist. Aber gut. Jedenfalls, wir alle könnten jammern und dies und jenes an Rücksichten und Pfründen fordern, und mir würde sicher auch ein Dreh einfallen, warum das dann moralisch richtig ist: Aber eigentlich fühlt man sich, wenn man immer nur in der Rolle desjenigen ist, der sich aufgrund seiner Privilegien anpassen muss, ein wenig blöd.





Das Ergebnis ist ein ausgesprochen unschöner Wunsch, auch mal so eine fiese, benachteiligungssuchende Sau zu sein, die sich gemeinhin oft an der Spitze solcher Forderungsstellergruppen befindet, und auch mal gegenfordern.Mir ist das bewusst, es ist kein schöner Zug, und ich möchte das auch keinesfalls rauslassen; was bleibt, ist das seltsame Empfinden, dass sich die zynische Gier auf der einen Seite eine zynische Art der Tugend auf der anderen Seite erschafft. Und da treten dann Leute auf, die gern nehmen. Wenn sie haben, finden sie einen neues Aspekt, um wieder zu nehmen. Und wenn sie dort Hilfe bekommen, ist bald wieder ein Punkt zu finden, an dem man fordern kann. Prinzipiell ist gegen Selbstverwirklichung ja auch nichts einzuwenden, aber wenn man sich schon so ausser die Reihe stellt, muss man vielleicht auch die ein oder andere Benachteiligung in Kauf nehmen. Ich rede nicht über gleiche Rechte für homosexuelle Paare - auf jeden Fall soll das so sein! Gern auch mit Streichung vieler dummer Privilegien im Familienrecht! Aber meine Sympathien sind begrenzt, wenn die Argumentation darauf hinausläuft, dass ich als Angehöriger einer feindlichen Tätermehrheit das endlich mal einsehen und die Geldbörse öffnen sollte, für jene, die unter mir und meinem Weltbild leiden.





Da sind weite Teile der nicht der sog. Normalität konformen Bewegungen inzwischen in einem Fahrwasser, das mich abstösst. Wenn man Mehrheiten immer nur dadurch brüskiert, dass man sie in eine Täterrolle drückt, wenn es soweit geht, dass die eigene Freiheit beeinträchtigt wird, wenn man nicht mal mehr wie bei Evangelikalen sagen kann: Bedaure, ich bin Agnostiker und habe Patristik gemacht, bei mir ist das sinnlos, ihr habt Euren Glauben und ich habe keinen meinen - dann bleiben nur noch zwei Optionen.

Entweder ich komme selber mit bigotten Forderungen a la die erste Reihe der Berge muss weg, ich will den Brenner sehen, ansonsten fühle ich mich diskriminiert und wenn ich in den Swingerclub gehen sollte, verlange ich auch Ehegattensplitting.

Oder ich kriege einen Hass. Ich dämpfe das durch Schreiben und Nachdenken ab, aber man wird den Eindruck nicht los, dass hier genommen wird im Bewusstsein, dass es noch viel mehr sein muss und der andere noch viel wird geben müssen und morgen die nächste Forderung auf den Tisch kommt, ohne Anstand, ohne Manieren, immer im Gefühl, man könnte sich das nach den erduldeten Benachtteiligungen auch so leisten. Und das kocht und brodelt in mir.

Im Bräustüberl könnte man das alles getrost ignorieren, hier oben auf dem Berg dagegen bin ich nur in meiner eigenen Gesellschaft. Das Rodeln ist schwierig geworden, stellenweise ist gerade noch so viel Platz, dass man an Geröll und Sand um Millimeter vorbeifliegt. Ziemlich paranoid, das alles, aber wirklich entspannend im Gegensatz zu dem, was als Tugend die nehmende Hand aufhält.

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