: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 3. August 2005

Sehr zu empfehlen: Noch mal nachdenken

Ich habe einen Heidenrespekt vor Handwerkern. Ich hatte in einem Ferienjob das Vergnügen, 6 Wochen in einer als Handwerksbetrieb organisierten Abteilung eines Grosskonzerns zu arbeiten, der sich mit Rohrleitungen beschäftigte. Die Leute waren absolute Profis, wortkarg, ruhig und so selbstsicher, wie man wohl sein muss, wenn man tagein tagaus mit technischen Gasen und Flüssigkeiten umgeht, die hochtoxisch und explosiv sind. Ich kann immer noch Gewinde schneiden, schweissen und Rohre abdichten, ich weiss um die Qualität einer echten Hilti, die man jeden Tag im Werkzeuglager mit Erlaubnisschein abholen musste, aber das wichtigste, was ich bei denen gelernt habe, war das Nachdenken - und das ist etwas, was man bei einem Gymnasiasten aus besserer Familie in diesem Alter nicht zwingend erwarten kann. Das Nachdenken am Ende jedes Arbeitsschrittes, ob alles richtig war, was nicht so gut lief, und was man das nächste mal besser machen würde.

Der Stuck ist fertig montiert und verputzt. Morgen beginnt das Weissen, die Farbe steht schon bereit, aber das Ergebnis sieht jetzt schon ziemlich hübsch aus. Nichts gegen das, was man vor 100 Jahren an die Decken der Grossbürgerhäuser zauberte, aber angesichts eines ehemaligen Dienstbotenkämmerchens und späteren geheimen Schwulenspielwiese ganz akzeptabel:



Würde ich es nochmal machen? Nein, im Moment überwiegt einfach die Freude, dass es vorbei ist. Die Decke war krumm, es gab einige böse Überraschungen, man geht am Abend frustriert ins Bett, weil man an einem toten Punkt ist und keine Lösung hat. Stuck allein ist nicht das Problem - das Problem ist Stuck auf bröselndem Heraklit und schlechtem Putz mit viel alter Tapete drauf und einer Raumform, die schon erheblichen Zweifel an der Fähigkeit des Zimmermanns des Jahres 1886 (oder etwas später) aufkommen lässt.

Was dann? Das Schlimme ist: Alternativen gibt es auch nicht. Der Innenspiegel war allein schon wegen des Mauervorsprungs und dem fehlenden Abschlussteil an der Spitze ein Bruch, als Ersatz hätte man auch eine grosse Rosette nehmen können - aber dafür ist der Raum zu niedrig. Man hat einfach keine andere Wahl, und dann kommen die Katastrophen: Eine Raumecke hat einen Winkel von 94 Grad, die andere von 87, und die Eckelemente sind exakt im rechten Winkel. Vielleicht hätte es auch höherer Stuck an den Raumkanten getan - aber das geht auch nicht, weil die Wände teilweise schräg sind und die Übergänge schon jetzt ausgesprochen holprig wurden. Überhaupt die Übergänge: Ganz böse. Eine Wand krumm, eine Wand schief, Decke nicht gerade, kein rechter Winkel: Da ist ein sauberer Übergang ein Ding der Unmöglichkeit.
Aber: In Berlin habe ich ein paar Dutzend Palmetten aus Holz mitgenommen, ohne zu wissen, wofür ich die mal brauchen könnte. Spontankauf, weil sie so billig waren; Reste aus einer aufgelösten Schreinerei. Die werden in Gold und Weiss lackiert und kommen dann in die unschönen Ecken. (sorry wegen der dreckigen Fingernägel, wenn das meine Frau Mama wüsste...)



Was noch? Ich weiss nicht, ob ich die Decke nochmal von Fehlstelle zu Fehlstelle verspachteln würde. Das Verspachteln des Stucks war ein Kinderspiel, aber die Löcher in der Heraktlitdecke, die offenen Fasern und die viele hunderte elende Tapetenfitzelchen waren die Hölle. Vielleicht hätte ich die Decke nochmal komplett verputzen sollen, aber das geht dann nicht in die Tiefe, da bleiben Risse und Spannungen, und kaum zwei Jahre später geht das Ganze von Vorne los, und Gipskrümel der Decke im Tee sind nicht wirklich fashionable. Als das Heraklit an die Decke kam, war der Putz nur der Untergrund für die Tapete, das hat er gehalten, und niemand konnte in den frühen 60er Jahren ahnen, dass es mal jemand geben würde, der da Stuck haben will - das war die Zeit, wo jeder den Stuck runtergehauen hat. Als Folge bleiben noch ein paar hundert Grate vom Spachteln, die abgeschliffen werden müssen, bevor morgen die Farbe kommt. Es ist einfach so elend viel Arbeit, ohne dass es wirklich vorangeht.

Weichei, das einzig wirklich Elende ist das Gejammere - dafür kann ich Jahrzehnte an die Decke schauen und mich daran erfreuen. Ausserdem, wie mir ein alter, geizistgeiliger VC schon mal gesagt hat: Verdient haben Sie nichts, Herr Porcamadonna, aber Sie haben was gelernt.

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Porschgelöcherte Cretins

He, ihr Immobilienmakler, es ist ganz einfach: Spart euch die Anrufe. Ich will nichts hören, und schon gar nicht sehen. Am allerwenigsten mag ich gefakede Anrufe, bei denen eine Besichtigung mit einem Privatmenschen vereinbahrt wird, und unten dann so ein 911er-Porschloch steht, dem man seinen Kretinismus schon aus dem vierten Stock ansieht. Münchner Immobiliencretins - die abartigste Spezies, die man sich vorstellen kann.

Schon seit meinen frühesten Tagen in der Munich Area, Anfang der 90 Jahre, habe ich mit diesem Pack zu tun. Einmal habe ich einen von denen aus meiner bevorzugten Disco rausschmeissen lassen - leider war davor keine vielbefahrene Schnellstrasse. 20 Jahre haben sie sich fettgefressen an Wuchermieten, künstlicher Wohnraumverknappung und den assligen Tricks, um den Privatmarkt auszutrocknen. Müncher Immobilinmakler haben vor dem Abi Omas an der Haustür sinnlose Versicherungen aufgeschwatzt, um sich einen Golf GTI kaufen zu können. Müncher Immobilienmakler nährten über Dekaden die geschmacklosesten Einrichtungshäuser, Kleiderläden, und sehen auch in Brioni immer noch so versifft aus, wie sie innen drin sind. Ihr Freundinnen sind blond, magersüchtig, und werden ab der Altersgrenze von 30 Jahren entsorgt, wenn sie bis dahin kein späteres neureiches Drecksbalg geworfen haben. Dann gehen sie alle in Bayreuth in den Ring der Schieberjungen und halten den rassistischen Dreck für Kunst, und am nächsten Morgen...

Am nächsten Morgen fallen sie dann bei mir ein. Ein ordentliche, freie Wohnung in Traumlage beim Gärtnerplatz, und das ohne Makler, das darf es in ihren Augen nicht geben. Das muss unter ihre Fuchtel. Das kleine Problem: Mein Clan hatte schon mal das Vergnügen, mit dem Ergebnis, dass der Cretin die Wohnung für 15.000 Euro unter Wert verkaufen wollte - mutmasslich an einen Strohmann. Keine gute Idee, wenn es im Clan eine gute Anwältin gibt. Aber trotzdem geben sie nicht auf, und sagen, dass sie die Wohnung für einen Kunden anschauen wollen, um den Preis für übertrieben zu halten und den Rat zu geben, es doch sie machen zu lassen, sie würden das schon schaffen... Ihre Agentur sei renommiert, und sie sind keine verhungerten Schwachköpfe wie die, die in den letzten fünf Jahren doch ziemlich gelitten haben.

Denn seit dem Ende der New Economy bewegen sich die Preise nicht mehr, auch in München herrscht kein Wohnungsmangel mehr, ausser in den Toplagen Lehel, Gärtnerplatz, Südschwabing und Maxvorstadt - eben da, wo alle hin wollen, und wo sich die Makler drängeln. Immobilienmakler ist kein Traumberuf mehr, das Gefüge aus Angebot, nachfrage und überzogenen Preisen ist aus dem Lot geraten. Vorbei sind die Zeiten, wo die Treppenhäuser bei Besichtigungen voll und die Mieterinnen bereit waren, sich für Sex herzugeben. So war das in den Tagen um 2001, als eine Bekannte wegen diesen Cretins beinahe auf der Strasse gelandet wäre... Sowas vergisst man nicht, auch wenn die geschichte ein gutes ende hatte. Weil ich ihnen - höflich - sage, dass sie sich verpissen können, dass ich mit diesem Plebs nichts zu tun haben will, versuchen sie es auch anders. Kein Ton darüber, dass sie Cretins sind. Sie schleichen sich als Privatkunden ein.

Und so hält unten in zweiter Reihe ein älterer, geschmacklos-schwarzer 911er an, und heraus kommt der schleimige Idealtyp dieser Gattung, hartes Gesicht, solariumbraun, sportiv, hat sicher mal in der Schule den Brillenträgern ein Bein gestellt und den Leseratten die Bücher versteckt, dafür war er immer der erste, wenn es um die Auswahl der Fussballteams geht. Ein Kinn, wie geschaffen um darauf Vorschlaghämmer zu testen. Ein Macher. Der gleiche Typ, der vor 7 Jahren noch CEO eines Startups geworden wäre und vielleicht auch war, das Pack ist austauschbar, beide haben vom gleichen Hype um die Area gelebt. Klingelt, kommt hoch, versucht es mit einem ultrafesten Händedruck - keine gute Idee bei einem Gegenüber, der gerade ein paar hundert Schrauben in Holz gedreht hat - und fängt an, rumzukritteln. Dieses hier, das hier, die Preisvorstellung sei ja viel zu hoch, da ist noch was, Teppich geht überhaupt nicht mehr, eine einzige Zumutung sei das, das würde ich nie verkaufen können - das könne allenfalls ein Fachmann. Naja, er suche die Wohnung schon für sich privat, aber nebenbei arbeite er auch für eine Agentur, für ihn passt sie auch wegen der Lage nicht, und ich sollte mich doch an sie wenden - ausserdem, wenn sie mir erst mal einen Kunden beschafft hätten, könnten sie mir auch weitere vorzügliche Angebote rund um die Munich Area machen.

Ich sage ihm die nicht ganze Wahrheit: Dass wir nicht verkaufen müssen, dass es nur um eine Frontbegradigung im Asset Management des geht, dass das ganze für meine Eltern etwas zu viel wird, allein schon die 42 Zimmer des Stadtpalastes, und dann noch dies und jenes - und wenn es nicht klappt, behalten sie es eben als Basis für Opernbesuche und Shopping, und wir verkaufen die Villa auf Malle, die ist sowieso nicht mehr fashionable - und obendrein erfunden, aber das sage ich nicht laut dazu. Die Geschichte mit der Basis fürs Shopping ist dagegen nur geborgt von einem anderen Clan meiner Heimat, aber egal, ob geklaut oder erfunden: Es wirkt.

HändedrUCKhjaa, tschüss, eine verlorene Stunde für den Porschloch-Grattler und Spass für mich, hoffentlich hat eine Politesse den Wagen aufgeschrieben. Vielleicht reisst auch das Transportseil des Aufzugs. Vielleicht habe ich mit der soliden Bausubstanz auch unrecht, und ein Balkon bricht ab, wenn er drunter steht. Ich lese etwas Nabokov, während ich auf den nächsten schwäbischen Zahnarzt mit letztlich entscheidender Frau und Tochter warte.

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