: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 23. Februar 2009

Gold im Regen

Schnee. Pappiger, nasser Schnee. Und Temperaturen um die 0 Grad. Das Auto eingeschneit. Die Einfahrt eingeschneit. Die Nässe ist nach ein paar Schritten durchgedrungen, durch die Schuhe, die Hose und den Dufflecoat. Alles, wirklich alles sagt Nein. Es gibt Dinge, die braucht es nicht. Es braucht nicht die trübe Landschaft, es braucht nicht die Eisreste auf der Strasse, die schwankenden Kriecher und das zynische Knirschen der Schneefelder unter den Reifen. Es wäre doch auch mal schön, daheim zu bleiben, lang zu frühstücken und in der Wärme ein Buch zu lesen. Diese verdammte Gier wird mich nochmal umbringen.



Auch nicht meiner Gesundheit zuträglich sind gewisse Preise, die in Pfaffenhofen verlangt werden. So hätte mir die Rokokodame dort unten sehr gefallen - ich bin ja ein grosser Liebhaber lasziv-edler Blässe vor todschwarzem Hintergrund - aber der Preis war dann doch so hich, dass es einen wundert, warum man so etwas dem Schnee und Regen aussetzt. Ich hasse es, wenn ich mir etwas nicht leisten kann, wenn andere es selbst nicht schätzen. Es ist kein Neid, es ist einfach nur der Ärger mit dem dummen Umgang mit Werten.

Es gibt für so einen sorglosen Umgang einen Spezialisten, dessen Stand an der einen Ecke des Marktes ist. An der anderen Ecke befindet sich die Wurstbraterei. Und wie er mir einmal erzählte, hat er immer das Pech, sich seine Wurst zu holen, wenn sich der Wolkenbruch über dem Gelände entlädt. Ich habe ihn an so einem Tag kennengelernt. Da lag an seinem Stand ein wirklich prunkvoller, aber leider völlig durchweichter Louis-Philippe-Spiegel, den zu retten keine kleine Aufgabe war, der heute aber in meinem Wohnzimmer mit seinem brüchigen Prunk eine elegant-morbide Stimmung verbreitet. Heute jedoch hatte dieser Händler aufgepasst und sein Angebot abgedeckt.



Und leuchteten also diese beiden goldenen Schnitzereien aus all dem nassen Elend hervor. Dem Bericht des Verkäufers zufolge stammen sie von einem Kirchenrestaurator aus dem Bayerischen Wald; einer zurückgebliebenen Gegend, gegen die Berlin allenfalls wie Ukraine, nicht mehr aber wie Kasachstan erscheint, arm und unsexy, aber eben diese Regionen der Armut haben oft die prächtigsten Kirchen. Und die dümmsten Pfarrer. Die nämlich lassen bei Restaurierungen alles neu und glänzend machen und kümmern sich nicht weiter um die alten Reste. Sei es, dass sie im Ofen landen, auf dem Speicher oder eben dem Restaurator als Vorlagen mitgegeben werden. Bayern ist vermutlich so voll mit Rokokokirchen, dass es irgendwann auch dem Restaurator zu viel wird, und dann landet der Bruch von Türen, Chorschranken oder Gestühl auf dem Markt.

Man darf gar nicht daran denken, was für eine Arbeit es gewesen sein muss, diese Stücke zu schnitzen, dann mit Stuck zu überziehen und mit Blattgold zu belegen, das erst durch Politur den Glanz erhielt, den sich die Stücke erhalten haben. Neuer ist dagegen der Geruch nach Weihrauch, was auf eine Verwendung im Chor hinweist - normale Gläubige bekommen eher Holzbänke und Steinboden, Gold dagegen ist für Priester, Religion und Gott vorbehalten. Und natürlich jetzt auch für den Gottesleugner, der es unbescheiden neben den anderen an die Wand hängt und darunter einem Leben fröhnt, das dem eitlen Glanz des Goldes, nicht aber dem verlorenen Zweck der Gläubigenbeeindruckung entpricht.

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