: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 14. April 2009

Die Haut

Die letzten paar Reisen bin ich in Italien gewesen, ohne Tierhaut zu erwerben. Ich esse bekanntlich kein Fleisch, was in Italien manchmal die Auswahl erschwert, aber nachdem leder ohnehin bei der Fleischprodujtion anfällt und ich nicht gerade mit Jesuslatschen herumlaufen möchte, greife ich gemeinhin zu Lederschuhen. Besonders in Italien. Bis vor zweieinhalb Jahren.

Danach sass die Copilotin auf dem Beifahrersitz und kümmerte sich beim Schuhkauf um Standards. Meine Füsse sind nicht gleich gewachsen, was die Suche nach passenden Schuhen erschwert, und seit einem Missgeschick mit meinem kleinen Zehen ist die Auswahl noch enger geworden. Ich unterscheide Schuhe nach den Kriterien "passt", was selten ist, und "passt nicht", was die Regel ist. Legt man nun den Qualitätsfilter der Beifahrerin drüber, die Leder, Nähte und Machart besonders begutachtet, bleiben eigentlich nur extrem teure Schuhe übrig, die sich bei mir aber nicht lohnen, weil ich sie mit meinen unterschiedlichen Füssen und Druckpunkten so oder so schleunigst ruiniere. Wirklich. Ich habe eine Menge Erfahrungen mit Schuhen von Bally: Es macht keinen Sinn. Eigentlich wäre ich der ideale Kunde für Moonboots im Winter und Plastiksohlen im Sommer. Wie auch immer, die Copilotin blickte jedesmal streng drein, wenn meine Hand nach minderwertigen Lederwaren griff, und so liess ich es dann auch bleiben, während die Copilotin jedesmal viel Platz für eigene - aber das ist eine andere Geschichte. Wie auch immer, diesmal lag Nebel über dem nördlichen Gardasee, wir hatten noch 2 Stunden Zeit, um den Jaufenpass 3 Stunden nach der offiziellen Schliessung zu erreichen, und so versuchten wir es erneut an einem Ort, den die Copilotin schon bei einem ersten Versuch als nich angemessen eingestuft hatte, und siehe:



Es gibt sie noch, die Schuhe, die mir zusagen und passen, der Copilotin zusagen, preislich nicht gleich auf dem Niveau des Hauses B. liegen und obendrein durch Handarbeit einen scheingebrauchten Touch haben. Manche werden sagen, dass zweifarbige Budapester ein wenig aus der Mode sind, aber unmittelbar davor bin ich die Gardesana hoch und habe beschlossen, dass ich dieselbe im Sommer gerne mit einem Wagen fahren möchte, der exakt zu diesen Schuhen passt. Vielleicht probieren wir auch ein gebloggtes Wettrennen aus: Ich und die Copilotin rasen in einem Audi R8 von Frankfurt aus durch die Schweiz nach Monte Carlo, um dort 50.000 Euro im Spielkasino zu verjuxen, und in Frankfurt hat ein Zocker ebenso lang Zeit, seine 100.000 auf ebenfalls 50.000 Euro zu reduzieren. Das wären dann die passenden Schuhe.



Und ausserdem gab es, auch hier wieder ohne Widerspruch, in Italien den passenden, gebrauchten Koffet für das Bare: Innen Hirschlederfutter, aussen Rindsleder, offensichtlich keine Fabrikware, Messingbeschläge und genau die Art Koffer, in denen der Mafioso dem Politiker einen Besuch abstattet. Und weil meine diversen Uhren bislang in einem Fach des Koffers auf dem Gepäckträger grossen Risiken ausgesetzt waren, fanden wir in einem kleinen, genau richtig riechenden Handwerkerbetrieb gleich an der Engelsburg auch noch eine spezielle Tasche für Uhren, Karten und einem Extraband für Manschettenknöpfe für, man darf das gar nicht laut sagen, jedenfalls: Die Zeiten, da ich Angst haben musste, die Rolex könnte die Longines zerkratzen, sind durch Einzeltäschchen aus Hirschleder erst mal vorbei.



Und dann war da noch die vorletzte Unterkunft, in der man alles hätte mitnehmen können, in der nichts Schlechtes oder - mit Ausnahme von Matratzen, Bettzeug und ähnlichem - Neues zu finden war, in der man inmitten der Familienerbstücke residiert. Die Copilotin sah es und meinte, es würde mir sicher gefallen, und abgesehen davon, dass so ziemlich jeder Gegenstand mich daran gemahnte, dass ich so etwas nicht habe, oder solche Ideen nicht hatte - der Computer etwa war hinter einen Paravent verborgen, und den Mut, einen Tisch in Hellblau und Gelb zu streichen, hätte ich nicht - mal abgesehen von diesen, auf mich selbst zurückzuführenden Makel fand ich es wirklich grossartig. Da waren etwa zwei kleine Terrinen auf der Anrichte, die, ach... In Mantua stand ich dann vor dem Schaufenster eines Juweliers, und dort standen sie dann, erstklassige Nachschöpfungen barocker Originale einer französischen Firma, die es seit zwanzig Jahren nicht mehr gibt und deren feinste Produkte nach längerer Zeit im Lager 2009 zum Preis von 1979 angeboten wurden. Ideal, wenn man etwa im Sommer draussen Erdbeerquark...

Bleibt nur eine Frage, auf die ich keine Antwort weiss: Warum habe ich nur zwei genommen? Aber demnächst bin ich wieder dort, und wenn ich dann nach der ganz grossen Anschaffung und deren Reparaturen und sonstigen Kosten noch Geld haben sollte, werde ich dort nochmal vorbeischlendern. Denn das Leben ist für Bescheidenheit viel zu kurz, und wenn man alt und krank ist, hilft einem auch die schönste Terrine nicht weiter.

... link (23 Kommentare)   ... comment