: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 27. April 2009

Der Nabel aus der Nachbarschaft

Auf Dienstreisen stoltert man doch ab und an über das eine oder andere Mitbringsel: Schokolade, Stifte, mancher Manager aber auch über eine Geschlechtskrankheit und ich zumeist über irgendeine Antiquität, die ich mir nicht leisten kann. Unterwegs sieht man nur das Offensichtliche, das Ostentative, die Schaufenster. Und so kommt es, dass ich immer in Verona begierig ein Chamäleon aus Murano begaffe, der dort nun schon seit Jahren auf einen potenten Käufer wartet. Ich brauche ganz sicher einen ein Meter langes Chamäleon, aber es ist lustig mit seiner gierigen, langen, roten Zunge. Würde ich es haben, stünde es auf meinem Schreibtisch und streckte die Zunge meinen Besuchern heraus.

Die Copilotin begafft im gleichen Laden eine nun auch schon etwas länger dort stehende Statue von Chiparus. Dergleichen kostet leider schnell mal 12.000 Euro oder mehr, und selbst kleinste Werke anderer Meister kosten um die 2000 Euro, wie ich in Rom erfahren durfte. Durchaus mit Patina und keinesfalls so, dass man ohne Fachkenntnis auf diesen Preis kommen müsste. Originale eben. Zu gut, dass es schon in den 30er Jahren eine rege Nachahmertätigkeit gab:



Denn diese junge Dame stand heute in Pfaffenhofen zum Verkauf. 40 cm hoch, sehr elegant und erstaunlich gut dem Original nachgebildet. So, dass man schon wirklich genau hinschauen muss, um zu erkennen, dass es nur eine Kopie ist. Die werden heute natürich auch wieder nachgemacht, kosten aber in dieser Qualität auch schnell 2, 3000 Euro. Das hier ist gewissermassen das kopierte Original der Kopien. Meines Erachtens vom Ausdruck des Gesichts her keinesfalls schlechter als das Original. Und erst der Bauchnabel!



Diese Eleganz also findet man nicht, wenn man tausende von Kilometern reist und die Strassen der teuren Händler abklappert, sondern einfach so, auf dem Antikmarkt in der Nachbarschaft. Neben etlichen Leuten, die natürlich auch Veroneser Preise verlangen, neben Anbietern moderner Nachformungen originaler Nachbauten des Biedermeier, das eigentlich Niedermeier heissen sollte, so niedrig sind ihre Motivationen. Der Nabel bleibt hier am See nur kurz Gast, bevor er seine neue Besitzerin erfreut, aber es gab ja auch genug anderes: Noch ein paar Kitchenschnitzereien für eine nackte Wandecke, ein Bild, nagelneue Roadtserkappen aus der Zeit um 1930, die nie getragen wurden und wie neu sind. Es war nett, heute in der Nachbarschaft. Viel besser als Rom, wo die Vergolder erst bei ein paar hundert Euro für ihre alten Fragmente anfangen, oder Verona, wo das Chamäleon noch lange seine Zunge herausstrecken wird.

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Ich fliege nicht gerne

Fliegen ist nervig. Es fühlt sich lahm an, wenn man drin sitzt, es ist im Zubringer lahm, man muss früh aufstehen und sitzt neben Menschen, die man sich nicht herausgesucht hat. Auf meinem ersten Rückflug von Düsseldorf litt ich auch noch unter einem verdorbenen Kartoffelgratin. Seitdem mache ich Gratin nur noch selbst, und ich habe es nicht mehr mit dem Fliegen. Dass ich nun auch noch eine irische Luftfahrtgesellschaft nehmen musste, ist nichts, was meine Laune heben würde. Bei El Al bin ich immer versucht zu fragen, ob sie auch trejfes Essen haben. Bei den Iren werde ich mein Notkondom daheim lassen, sonst blase ich es bei den katholischen Ayathollas noch auf.



Abgesehen davon: Fliegen hat so absolut nichts vornehmes mehr. Schon bei der Buchung kommt man sich vor, als würde man ein Bild-Abo abschliessen. Es ist gar nicht klug, nebenbei Bilder von der fahrt durch die Toskana anzuschauen, und der Umstand, dass man sich damit wenigestens Regionen nördlich des Mains erspart, hilft auch nicht wirklich weiter. Man ahnt: Das ganze hat eine tiefere Bedeutung, sonst würde ich es einfach nicht tun, und schon gar nicht mit dem Ziel in einem Land, das kulinarisch so ansprechend wie Kacheln aus dem Kühlwasserbecken von Sellafield ist. Aber die Formalitäten sind geklärt, das Geld grösstenteils überwiesen, es gibt eine Kurzzeitversicherung und mein Gefühl, dass mich die alte Dame, die ich abhole, nicht hängen lassen wird. Es ist auch ein gutes Zeichen, wenn man einen Monat nach der inneren Entscheidung, die quasi Liebe auf den ersten Blick war, nichts gefunden hat, was einem besser gefallen würde. Ich bin ansonsten reaktionär genug, jetzt eben mal wieder eine Runde jugendlicher Leichtsinn. ich glaube, ich habe keinen Fehler ausgelassen, es wird schon gut gehen.



Was sehr erstaunlich ist: Ich rechne nicht um. Ich sage mir nicht wie in vielen anderen Dingen, was ich sonst dafür bekommen hätte: Biedermeiertische, Silberkannen, Supraporten, Edo-Emaille, ein paar Dutzend Bücher der Jesuiten und ihrer Feinde. Ich sage mir: Das ist eine langfristige Sache, ich will das auch noch in 30, 40 Jahren haben. Der Verkäufer trennt sich davon, weil er wie schon der Erstbesitzer zu alt dafür ist. Um hier mitzuspielen, braucht man unter 20 Jahren gar nicht erst anzufangen. Es wird ein lahmer Flugauftakt zu einem langen Besitzverhältnis.

Meine Frau Mama liegt mir übrigens schon länger in den Ohren, ich sollte mir endlich mal ein neues Auto kaufen, ein normales Auto mit vier Türen und ordentlichem Kofferraum und einem richtigen Dach. Nur neu ist es nicht, aber man kann nicht alles haben. Und wenn demnächst der Euro gegen das Pfund abstürzt und die Preise durch andere deutsche Käufer wieder steigen, steht man nur da und denkt sich: Hätte ich doch damals. Es gibt wenige klügere Gedanken zur eigenen Dummheit.

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