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Samstag, 10. April 2010
Der Tiefpunkt
Der Tiefpunkt des gestrigen Tages, könnte man vielleicht meinen, muss so ausgesehen haben - der Sunbeam inmitten von schrottreifen Unfallfahrzeugen auf einem Höchster Hinterhof.
Aber so war es nicht. Absolut nicht. Es war ganz anders. Es ging am Morgen gut los, der Sunbeam sprang mit neuer Batterie sofort an, schnurrte und ratterte etwas mit der Benzinpumpe, und die Kinder der Nachbarschaft staunten. Iich fuhr los, ich fuhr zum tanken, liess den Wagen von einem weiteren Kind und einem alten Ehepaar bestaunen und sagte dem Kind, dass es jetzt seinen Grosseltern jetzt keine Schereien machen sollte - für grosse Fehler, das sehe es an mir, sei es nie zu spät. Dann fuhr ich weiter, über den Main, an Kelsterbach vorbei, über die A5 Richtung A3 und Bayern, bis nch 25 Kilometern deutlich erkennbar Rauch aus der Motorhaube kam. Weisser Rauch. Also Wasser. Kühlsystem.
Nun habe ich das obere Verbindungsstück zwischen Kühler und Motor schon vor einem Jahr gegen ein Teil von Jaguar getauscht, und das untere Stück war vergleichsweise neu. Mein Verdacht, es könnte trotzdem verantwortlich sein, löste sich dann aber in Luft auf, wie davor schon ein paar Liter Wasser: Es lag an einem Überdruckventil im Kühlerdeckel, das zwar getreulich aufmachte, dann aber nicht mehr richtig schloss und kontinuierlich Wasser und Dampf in den Motorraum laufen liess, wo es am Motor verdampfte und qualmte - was sich natürlich bei sinkendem Wasserstand im Kühler verstärkte. Das kleine Ventil ist in einem verpressten Teil und nicht einfach zu reparieren. Also meinte der ADAC-Mann, ich solle den Wagen abschleppen lassen.
25 Kilometer war ich also weit gekommen, die halbe Strecke nach Bayern, und das war das Ende. Ich hatte Angst gehabt und auf die Töne des Wagens gehört, ich hatte mich über die Beschleunigung gefreut, und die jetzt wieder wunderbar leichtgängige Schaltung, das Innenlicht funktionierte wieder, und da war der Geruch und das Tosen des Motors, die geschwungenen Formen und das alte Leder, in dem ich nach dem Zusammenbruch auch auf den Abschleppwagen wartete. Das Wetter war schön, ich stand in einem schönen Auto. Immerhin hatte ich ein passendes Buch dabei, über die Ikonographie des Leidens in der Kunst: Enduring Creation Art, Pain, and Fortitude von Nigel Spivey.
Gelitten habe ich nicht. Ich fand es sehr, sehr schade, jetzt, wo alles gerade so schön rund lief, der Overdrive einschnackelte und ich selbst Rule Britannia summte, durch so eine dumme Kleinigkeit aufgehalten zu werden. Mal wieder. Aber so ist das eben, die Zeiten, wo ich noch entsetzt war, liegen zu bleiben, sind lange vorbei. Manchmal fähert man, manchmal bleibt man stehen, es wird einem dabei nicht langweilig, und die Unsicherheit gehört auch dazu. Irgendwann kam eine Hummel durch das Fenster, verirrte sich, Blütenstaubspuren machend, am Fenster, und ich gleitete sie mit der Zulassung sacht und behutsam wieder nach draussen in den angrenzenden Wald, wo sie von dannen flog.
Es gibt eine Zeit zum fliegen, und eine Zeit, da man sich vergeblich abkrabbelt, dachte ich mir, und wenn ich gerade Zweiteres tue, wird irgendwann das Erstere sein, und dann bin ich glücklich. Natürlich wäre es schon gewesen, weiter als 25 Kilometer zu kommen, natürlich hätte ich gern Bayern betreten, und wie gern wäre ich angekommen. Aber so war es eben nicht, und dann kam der grosse, gelbe Wagen, und brachte mich und Lazy Susan, die ihrem Namen alle Ehre gemacht hatte, zurück nach Frankfurt Höchst. Da steht sie nun und wartet auf dem Sammeltransport mit anderen zurück nach Bayern.
Das klingt alles recht apathisch, aber es war ein Wechselbad der Gefühle zwischen dem Glück, unterwegs zu sein, und der Fassungslosigkeit über die winzige Dichtung, die sich querstellte. Es war aufregend, es war nicht das, was ich wollte, und am Ende sass ich in einem schwarzen Leihkombi und fuhr in einer Kolonne anderer schwarzer Kombis gleichförmig nach Hause. Alle sahen aus wie ich, alle fuhren wie ich, wir waren eins, belanglos, gleichförmig, identisch, gleichgeschaltet, ein sinnloser Blechstrom auf Asphalt, und ich wurde müde. Entsetzlich müde. Hinter Aschaffenburg war mir langweilig, und so blieb es all die verdammten, langen Kilometer bis nach Hause. Ich stieg so gelangweilt aus, wie ich eingestigen war, ich war angekommen, und hatte mich, den Lebenden, Hoffenden und Fluchenden im Sunbeam, unterwegs verloren. Das war der Tiefpunkt des Tages.
Ich zähle schon gar nicht mehr mit, wie oft sie mich verlassen, betrogen und mit falschen Hoffnungen getäuscht hat. Aber ich erinnere mich an jede einzelne Stunde mit ihr, an alle geräusche und den Geruch des wilden, benzinfressenden und vibrierenden Tieres mit all seinen gefährlichen und liebenswerten Macken. Weil ich gelebt und gefühlt habe. Und darum geht es letztlich. Ankommen kann jeder.
Und ausserdem will ich Abenteuer!
Aber so war es nicht. Absolut nicht. Es war ganz anders. Es ging am Morgen gut los, der Sunbeam sprang mit neuer Batterie sofort an, schnurrte und ratterte etwas mit der Benzinpumpe, und die Kinder der Nachbarschaft staunten. Iich fuhr los, ich fuhr zum tanken, liess den Wagen von einem weiteren Kind und einem alten Ehepaar bestaunen und sagte dem Kind, dass es jetzt seinen Grosseltern jetzt keine Schereien machen sollte - für grosse Fehler, das sehe es an mir, sei es nie zu spät. Dann fuhr ich weiter, über den Main, an Kelsterbach vorbei, über die A5 Richtung A3 und Bayern, bis nch 25 Kilometern deutlich erkennbar Rauch aus der Motorhaube kam. Weisser Rauch. Also Wasser. Kühlsystem.
Nun habe ich das obere Verbindungsstück zwischen Kühler und Motor schon vor einem Jahr gegen ein Teil von Jaguar getauscht, und das untere Stück war vergleichsweise neu. Mein Verdacht, es könnte trotzdem verantwortlich sein, löste sich dann aber in Luft auf, wie davor schon ein paar Liter Wasser: Es lag an einem Überdruckventil im Kühlerdeckel, das zwar getreulich aufmachte, dann aber nicht mehr richtig schloss und kontinuierlich Wasser und Dampf in den Motorraum laufen liess, wo es am Motor verdampfte und qualmte - was sich natürlich bei sinkendem Wasserstand im Kühler verstärkte. Das kleine Ventil ist in einem verpressten Teil und nicht einfach zu reparieren. Also meinte der ADAC-Mann, ich solle den Wagen abschleppen lassen.
25 Kilometer war ich also weit gekommen, die halbe Strecke nach Bayern, und das war das Ende. Ich hatte Angst gehabt und auf die Töne des Wagens gehört, ich hatte mich über die Beschleunigung gefreut, und die jetzt wieder wunderbar leichtgängige Schaltung, das Innenlicht funktionierte wieder, und da war der Geruch und das Tosen des Motors, die geschwungenen Formen und das alte Leder, in dem ich nach dem Zusammenbruch auch auf den Abschleppwagen wartete. Das Wetter war schön, ich stand in einem schönen Auto. Immerhin hatte ich ein passendes Buch dabei, über die Ikonographie des Leidens in der Kunst: Enduring Creation Art, Pain, and Fortitude von Nigel Spivey.
Gelitten habe ich nicht. Ich fand es sehr, sehr schade, jetzt, wo alles gerade so schön rund lief, der Overdrive einschnackelte und ich selbst Rule Britannia summte, durch so eine dumme Kleinigkeit aufgehalten zu werden. Mal wieder. Aber so ist das eben, die Zeiten, wo ich noch entsetzt war, liegen zu bleiben, sind lange vorbei. Manchmal fähert man, manchmal bleibt man stehen, es wird einem dabei nicht langweilig, und die Unsicherheit gehört auch dazu. Irgendwann kam eine Hummel durch das Fenster, verirrte sich, Blütenstaubspuren machend, am Fenster, und ich gleitete sie mit der Zulassung sacht und behutsam wieder nach draussen in den angrenzenden Wald, wo sie von dannen flog.
Es gibt eine Zeit zum fliegen, und eine Zeit, da man sich vergeblich abkrabbelt, dachte ich mir, und wenn ich gerade Zweiteres tue, wird irgendwann das Erstere sein, und dann bin ich glücklich. Natürlich wäre es schon gewesen, weiter als 25 Kilometer zu kommen, natürlich hätte ich gern Bayern betreten, und wie gern wäre ich angekommen. Aber so war es eben nicht, und dann kam der grosse, gelbe Wagen, und brachte mich und Lazy Susan, die ihrem Namen alle Ehre gemacht hatte, zurück nach Frankfurt Höchst. Da steht sie nun und wartet auf dem Sammeltransport mit anderen zurück nach Bayern.
Das klingt alles recht apathisch, aber es war ein Wechselbad der Gefühle zwischen dem Glück, unterwegs zu sein, und der Fassungslosigkeit über die winzige Dichtung, die sich querstellte. Es war aufregend, es war nicht das, was ich wollte, und am Ende sass ich in einem schwarzen Leihkombi und fuhr in einer Kolonne anderer schwarzer Kombis gleichförmig nach Hause. Alle sahen aus wie ich, alle fuhren wie ich, wir waren eins, belanglos, gleichförmig, identisch, gleichgeschaltet, ein sinnloser Blechstrom auf Asphalt, und ich wurde müde. Entsetzlich müde. Hinter Aschaffenburg war mir langweilig, und so blieb es all die verdammten, langen Kilometer bis nach Hause. Ich stieg so gelangweilt aus, wie ich eingestigen war, ich war angekommen, und hatte mich, den Lebenden, Hoffenden und Fluchenden im Sunbeam, unterwegs verloren. Das war der Tiefpunkt des Tages.
Ich zähle schon gar nicht mehr mit, wie oft sie mich verlassen, betrogen und mit falschen Hoffnungen getäuscht hat. Aber ich erinnere mich an jede einzelne Stunde mit ihr, an alle geräusche und den Geruch des wilden, benzinfressenden und vibrierenden Tieres mit all seinen gefährlichen und liebenswerten Macken. Weil ich gelebt und gefühlt habe. Und darum geht es letztlich. Ankommen kann jeder.
Und ausserdem will ich Abenteuer!
donalphons, 01:28h
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Neustart
Jetzt gilt es!
donalphons, 12:14h
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Adios Frankfurt!
Zum Abschied noch eine kleine Geschichte über das Treffen mit der Unterschicht im Bahnhof. In der Frankfurter AZ. Ich trage dort ja oft meine Wünsche vor, und mein Hauptanliegen ist die Übersiedlung der Zeitung an einen See am Alpenrand, egal ob nun Schweiz, Italien oder Deutschland - das würde besser zu ihr passen, und ich hätte es nicht so weit. "Como Correspondenzen" zum Beispiel. Oder "Tegernseer Tageszeitung". In so einem hübschen Palais, über dem Wasser und unter den Bergen.
donalphons, 11:02h
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