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Samstag, 25. Juni 2011
Goldblau
Ich bin nicht schreibfaul. Nur gerade anderweitig verpflichtet. Ich mag es auch nicht, wenn ich noch schnell um 23 Uhr einen Platzhalter abschicke im Wissen, dass ich erst ein, zwei Tage später dazu komme, mich um das Bloggen zu kümmern. So ist das eben, in diesem meist verregneten Sommer. Ich habe schmale Zeitfenster, in denen ich auch noch etwas anderes tun kann (und um das gleich dazu zu sagen: Nein, ich arbeite nicht für Wired Deutschland), und in diesen Zeitfenstern ist es entweder Nacht oder regnerisch. Normalerweise starte ich dann im Regen und komme in der Finsternis auf dem Rad wieder heim. Heute (also eigentlich gestern zum Zeitpunkt des Schreibens) war es zum Glück anders.
Es war sehr spät, und es war sehr schön. Fast italienisches Licht. Und erst in solchen Momenten versteht man, warum Italiener Rennräder so farbenfroh und optisch laut lackieren, wie sie es tun, oder früher mal getan haben, als die Räder noch nicht aus Plastik waren.
Man macht sich da so seine Gedanken, etwa, wenn man das gleiche Rad bei Ebay, 8 Jahre nach seiner Entstehung, schon als "vintage" und "Klassiker" findet. Aber eigentlich geht es um ganz andere Gedanken. Es sieht anders aus, wenn man so einen Radler sieht, aber für mich ist das wie das Kochen: Zeit, mir Gedanken zu machen. Man wird nicht von Konkurrenten oder Zielankünften abgelenkt, man strampelt durch die Landschaft in einer Art, die sich richtig anfühlt, auch an Tagen, da irgendwie so gar nichts richtig gelaufen ist.
Zum ersten Mal hat man dann den Eindruck, dass sich wieder alles so zusammenfügt, wie es sich gehört. Ich muss beispielsweise Emails schreiben, die ich lieber nicht schreiben will, und die für mich - gerade, weil es um Dinge geht, die so ganz anders sind als ich selbst - belastend sind. Da spielt bei mir schnell der Umstand hinein, dass ich manches dieser Probleme durchaus vermeiden könnte; mein Dasein ist zum Glück nur begrenzt durch Zwänge definiert, und gemeinhin kann ich es mir heraussuchen, wie ich mein persönliches Umfeld gestalte. Warum, frage ich mich dann, tun sie das, warum soll ich mir das antun, was hat das in meinem Leben eigentlich verloren?
Normalerweise öffnet das Radfahren sie Seele, gerade in einem Land wie diesem, von dem ich mir manchmal denke, dass es wirklich ein Traum, wirklich gesegnet ist. Es wird alles sehr viel leichter, der Geist hüpft dann beschwingt über Formulierungshürden und Konzeptsperren, das Angenehme hilft dem Angenehmen, aber so, wie es ist, verharrt alles nur in einer Balance streitender Gewalten, man müht sich ab, bis der Gegenwind einen einbremst, das System scheint stabil, aber nur ein Schlenker, und die Kräfte, die auf das System wirken, würden es zerreissen. So ein Rennrad ist genau auf Belastungen hin berechnet, sonst könnte es nicht so leicht und so flink sein, und ich bin auch ein wenig so: Ich mache eine Menge mit, wenn es das ist, was meinen Einstellungen entspricht. Ich mache vielleicht auch noch mehr mit, wenn ich etwas dazu lerne. Nur, und die Frage stellt sich dann im späten Tageslicht, wäre ich dann noch das, was ich selbst für wünschenswert halte?
Und - würde sich dann alles wieder selbst stabilisieren? Vermutlich schon. Ob es dann eine schöne, geschlossene und laufruhige Sache wäre - wer weiss. Andere schaffen es, ihr ganzes Dasein auf solche Umstände einzurichten. Ich bin privat in einer Art und Weise von Journalisten auch in wichtigen Fragen angelogen worden, dass ich lieber nichts mehr von denen lesen will. Ich kannte mal einen, der dann als Serienfälscher aufflog: Der kam jahrelang damit durch, dass er alle und jeden hintergangen hat. Was waren dessen Leitartikel wert? Und was war seine Existenz, nach aussen hin rund laufend und ehrbar, für ihn selbst? Vermutlich stimmig, so stimmig, wie für mich dieser Abend unstimmig ist.
In diesen Mittsommerabenden geht die Sonne sehr flach unter, man kann Kilometer em Kilometer abspulen, und es ist immer noch genug Helligkeit da. Genug, um weit hinaus zu fahren, immer noch genug, um mit dem Rückenwind zurück zu fliegen. Der Tag will nicht enden, er macht nur widerwillig einer kurzen Nacht Platz, die eine prima Ausrede ist, noch nicht zu schreiben, zu warten, zu kochen und dann ins Bett zu gehen. Morgen ist auch noch ein Tag, dann ist immer noch Zeit genug, und in dieser Welt der Auflösung muss man auch keine Bürozeiten einhalten. Langsam setzt sich alles zum Grund, die aufgeschüttelteten Gedanken und Zweifel, die bösen Erinnerungen und die fragwürdigen Perspektiven, vielleicht geht es gut, warum daran denken, wenn man auf einem italienischen Traum in Gold und Blau durch die Sommerlüfte fliegt.
Und ich summe leicht falsch im Abendwind über dem Baasso Continuo der Reifen: Viva Sarastro, Sarastro lebe, Sarastro war ein braver Mann.
Es war sehr spät, und es war sehr schön. Fast italienisches Licht. Und erst in solchen Momenten versteht man, warum Italiener Rennräder so farbenfroh und optisch laut lackieren, wie sie es tun, oder früher mal getan haben, als die Räder noch nicht aus Plastik waren.
Man macht sich da so seine Gedanken, etwa, wenn man das gleiche Rad bei Ebay, 8 Jahre nach seiner Entstehung, schon als "vintage" und "Klassiker" findet. Aber eigentlich geht es um ganz andere Gedanken. Es sieht anders aus, wenn man so einen Radler sieht, aber für mich ist das wie das Kochen: Zeit, mir Gedanken zu machen. Man wird nicht von Konkurrenten oder Zielankünften abgelenkt, man strampelt durch die Landschaft in einer Art, die sich richtig anfühlt, auch an Tagen, da irgendwie so gar nichts richtig gelaufen ist.
Zum ersten Mal hat man dann den Eindruck, dass sich wieder alles so zusammenfügt, wie es sich gehört. Ich muss beispielsweise Emails schreiben, die ich lieber nicht schreiben will, und die für mich - gerade, weil es um Dinge geht, die so ganz anders sind als ich selbst - belastend sind. Da spielt bei mir schnell der Umstand hinein, dass ich manches dieser Probleme durchaus vermeiden könnte; mein Dasein ist zum Glück nur begrenzt durch Zwänge definiert, und gemeinhin kann ich es mir heraussuchen, wie ich mein persönliches Umfeld gestalte. Warum, frage ich mich dann, tun sie das, warum soll ich mir das antun, was hat das in meinem Leben eigentlich verloren?
Normalerweise öffnet das Radfahren sie Seele, gerade in einem Land wie diesem, von dem ich mir manchmal denke, dass es wirklich ein Traum, wirklich gesegnet ist. Es wird alles sehr viel leichter, der Geist hüpft dann beschwingt über Formulierungshürden und Konzeptsperren, das Angenehme hilft dem Angenehmen, aber so, wie es ist, verharrt alles nur in einer Balance streitender Gewalten, man müht sich ab, bis der Gegenwind einen einbremst, das System scheint stabil, aber nur ein Schlenker, und die Kräfte, die auf das System wirken, würden es zerreissen. So ein Rennrad ist genau auf Belastungen hin berechnet, sonst könnte es nicht so leicht und so flink sein, und ich bin auch ein wenig so: Ich mache eine Menge mit, wenn es das ist, was meinen Einstellungen entspricht. Ich mache vielleicht auch noch mehr mit, wenn ich etwas dazu lerne. Nur, und die Frage stellt sich dann im späten Tageslicht, wäre ich dann noch das, was ich selbst für wünschenswert halte?
Und - würde sich dann alles wieder selbst stabilisieren? Vermutlich schon. Ob es dann eine schöne, geschlossene und laufruhige Sache wäre - wer weiss. Andere schaffen es, ihr ganzes Dasein auf solche Umstände einzurichten. Ich bin privat in einer Art und Weise von Journalisten auch in wichtigen Fragen angelogen worden, dass ich lieber nichts mehr von denen lesen will. Ich kannte mal einen, der dann als Serienfälscher aufflog: Der kam jahrelang damit durch, dass er alle und jeden hintergangen hat. Was waren dessen Leitartikel wert? Und was war seine Existenz, nach aussen hin rund laufend und ehrbar, für ihn selbst? Vermutlich stimmig, so stimmig, wie für mich dieser Abend unstimmig ist.
In diesen Mittsommerabenden geht die Sonne sehr flach unter, man kann Kilometer em Kilometer abspulen, und es ist immer noch genug Helligkeit da. Genug, um weit hinaus zu fahren, immer noch genug, um mit dem Rückenwind zurück zu fliegen. Der Tag will nicht enden, er macht nur widerwillig einer kurzen Nacht Platz, die eine prima Ausrede ist, noch nicht zu schreiben, zu warten, zu kochen und dann ins Bett zu gehen. Morgen ist auch noch ein Tag, dann ist immer noch Zeit genug, und in dieser Welt der Auflösung muss man auch keine Bürozeiten einhalten. Langsam setzt sich alles zum Grund, die aufgeschüttelteten Gedanken und Zweifel, die bösen Erinnerungen und die fragwürdigen Perspektiven, vielleicht geht es gut, warum daran denken, wenn man auf einem italienischen Traum in Gold und Blau durch die Sommerlüfte fliegt.
Und ich summe leicht falsch im Abendwind über dem Baasso Continuo der Reifen: Viva Sarastro, Sarastro lebe, Sarastro war ein braver Mann.
donalphons, 01:09h
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