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Samstag, 5. Januar 2013
190 mm
Wer schon immer mal sehen wollte, wie es aussieht, wenn am Tegernsee bei 6 Grad plus 190 mm Regen die Mangfall in einen reissenden Fluss verwandeln, der Schnee bis auf 1100 Meter weggewaschen wird und die Gäste eilig durch die Pfützen springen: Hier bitteschön, das habe ich heute gesehen:
Ich bin hier alle zwei Tage und bei Dauerregen auch, ehrlich gesagt, noch öfter, weil sonst nichts geht: Kein Rodeln und kein Radeln, kein Spazieren und kein Verweilen auf dem Steg, und Lesen wiederum macht hungrig. Und ausserdem sind diese Momente trefflichste Situationen der Inspiration: Die Idee zu meinem neuen Beitrag in den Stützen kam mir, als ich dortselbst per Telefon den Streit über einen Jacuzzi zuerst konsterniert, dann aber hocherfreut miterlebte: Der Schriftsteller lebt ja von seiner Umgebung, er grast die saftigsten Wiesen gerne und wüsste gar nicht, wo so etwas woanders zu finden wäre.
Betrachten wir nur einmal Frankfurt am Main: Dort verstehe ich die Menschen gar nicht. Und ich müsste sie auch erst suchen, denn die meisten Bewohner von Frankfurt sind ja Frankfurter und damit natürlich nicht selbstverständlich bessere Kreise. Daheim schwimme ich darin wie ein Fisch im Klärbecken, es ist genug Nahrung da und mein Magen hat noch jede Vergifting überstanden. In Frankfurt stelle ich mir das schwer vor, aalglatte Bankmenschen, schwierige und laute Industrieverbändler, Reste der Bürgerschaft, da ist die Globalisierung mit der Dampfwalze über alles drüber, was die IG Farben nicht schon vorher vergiftet hat. Das ist alles künstlich und zufällig, da laufen Prozesse ab, von denen wir hier noch ganz weit entfernt sich, mit unserer gemeinschaftlichen Tradition von Thomas Mann und Röhm, von Himmler und Thoma, von den Bayerischen Königen bis DDR-Devisenbeschaffern. Alle haben sie zwei Nenner, sie mochten den See und die Torten, und die Staatspartei bildet sich heute in jenem Haus, das sich Hitlers Tantiemenverwalter durch den Verkauf von Mein Kampf leisten konnte, nachdem August Macke hier keine Rehe mehr malte. Mehr Inspiration auf kleinerem Raum kann gar nicht sein. Egal wie gut oder schlecht die Zeiten waren, seit fast 200 Jahren ist das Ufer die Insel der Seeligen.
Daran ändern auch die 190 mm nichts. Natürlich bin ich hier eher einer wie der Macke, ein doch etwas fremd Bleibender mit ganz anderen Lebensvorstellungen; ich werde nicht im Hotel Überfahrt ein Hochzeitsessen bezahlen und vermutlich auch nicht eine Karriere im Immobilienbereich beginnen, es sei denn, ich hätte gar keine andere Wahl mehr. Aber die Skizzen für die nächsten vier Beiträge stehen schon, etwa, was man so alles erlebt, wenn man Gipsköpfe an der Isar holt und was da gerade alles in der Erziehung falsch läuft, wie man dortselbst aus jenen Kreisen rutschen kann, indem man sich nur klug anlügt, und sicher auch ein paar Bemerkungen über das grosse Fressen, das hier das wichtigste Thema ist, wenn draussen das grosse Ersaufen stattfindet. Hier sind sie echt, hier kann ich sein, ich kenne es und bin wie so ein Adliger des Ancien Regimes, der seinen dicken Hintern in einem Sessel auf der Opernbühne haben möchte. Kurz:
Das ist keine Völlerei. Das ist Recherche. Eigentlich sollte ich das alles auf irgendeine Rechnung setzen, aber das wäre dann auch wieder, wie soll ich sagen, das würde dann doch an Unterschicht erinnern, die gross im Tun ist und dann doch ganz ganz klein im Nehmen des Kleinsten, was auf eine Rechnung passt. Meine Quittung schreibe ich mir selbst, und ein paar Kleinigkeiten verschicke ich auch. An die hoffentlich Richtigen. Die Falschen, nun ja: Die sind nicht hier und kriegen nichts.
Ich bin hier alle zwei Tage und bei Dauerregen auch, ehrlich gesagt, noch öfter, weil sonst nichts geht: Kein Rodeln und kein Radeln, kein Spazieren und kein Verweilen auf dem Steg, und Lesen wiederum macht hungrig. Und ausserdem sind diese Momente trefflichste Situationen der Inspiration: Die Idee zu meinem neuen Beitrag in den Stützen kam mir, als ich dortselbst per Telefon den Streit über einen Jacuzzi zuerst konsterniert, dann aber hocherfreut miterlebte: Der Schriftsteller lebt ja von seiner Umgebung, er grast die saftigsten Wiesen gerne und wüsste gar nicht, wo so etwas woanders zu finden wäre.
Betrachten wir nur einmal Frankfurt am Main: Dort verstehe ich die Menschen gar nicht. Und ich müsste sie auch erst suchen, denn die meisten Bewohner von Frankfurt sind ja Frankfurter und damit natürlich nicht selbstverständlich bessere Kreise. Daheim schwimme ich darin wie ein Fisch im Klärbecken, es ist genug Nahrung da und mein Magen hat noch jede Vergifting überstanden. In Frankfurt stelle ich mir das schwer vor, aalglatte Bankmenschen, schwierige und laute Industrieverbändler, Reste der Bürgerschaft, da ist die Globalisierung mit der Dampfwalze über alles drüber, was die IG Farben nicht schon vorher vergiftet hat. Das ist alles künstlich und zufällig, da laufen Prozesse ab, von denen wir hier noch ganz weit entfernt sich, mit unserer gemeinschaftlichen Tradition von Thomas Mann und Röhm, von Himmler und Thoma, von den Bayerischen Königen bis DDR-Devisenbeschaffern. Alle haben sie zwei Nenner, sie mochten den See und die Torten, und die Staatspartei bildet sich heute in jenem Haus, das sich Hitlers Tantiemenverwalter durch den Verkauf von Mein Kampf leisten konnte, nachdem August Macke hier keine Rehe mehr malte. Mehr Inspiration auf kleinerem Raum kann gar nicht sein. Egal wie gut oder schlecht die Zeiten waren, seit fast 200 Jahren ist das Ufer die Insel der Seeligen.
Daran ändern auch die 190 mm nichts. Natürlich bin ich hier eher einer wie der Macke, ein doch etwas fremd Bleibender mit ganz anderen Lebensvorstellungen; ich werde nicht im Hotel Überfahrt ein Hochzeitsessen bezahlen und vermutlich auch nicht eine Karriere im Immobilienbereich beginnen, es sei denn, ich hätte gar keine andere Wahl mehr. Aber die Skizzen für die nächsten vier Beiträge stehen schon, etwa, was man so alles erlebt, wenn man Gipsköpfe an der Isar holt und was da gerade alles in der Erziehung falsch läuft, wie man dortselbst aus jenen Kreisen rutschen kann, indem man sich nur klug anlügt, und sicher auch ein paar Bemerkungen über das grosse Fressen, das hier das wichtigste Thema ist, wenn draussen das grosse Ersaufen stattfindet. Hier sind sie echt, hier kann ich sein, ich kenne es und bin wie so ein Adliger des Ancien Regimes, der seinen dicken Hintern in einem Sessel auf der Opernbühne haben möchte. Kurz:
Das ist keine Völlerei. Das ist Recherche. Eigentlich sollte ich das alles auf irgendeine Rechnung setzen, aber das wäre dann auch wieder, wie soll ich sagen, das würde dann doch an Unterschicht erinnern, die gross im Tun ist und dann doch ganz ganz klein im Nehmen des Kleinsten, was auf eine Rechnung passt. Meine Quittung schreibe ich mir selbst, und ein paar Kleinigkeiten verschicke ich auch. An die hoffentlich Richtigen. Die Falschen, nun ja: Die sind nicht hier und kriegen nichts.
donalphons, 15:25h
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Landpartie
Isabella schreibt über die brettharten Gegensätze zwischen wohlhabendem Land und den Debatten, die Städter und Filterbubbles führen, und das alles ohne Berlinbashing, trotz all der schönen Gelegenheiten. So schlimm ist das hier aber auch nicht, sogar ich kann hier problemlos überleben, obwpohl mir sogar die Dorfbiographie fehlt. Und wenn es dann hier bei den Nachrichten nur zur Fischbachauerin reicht, die falsch, nämlich in die Mangfall abgebogen ist, dann hat das auch etwas Tröstliches: Mehr als den schon getrunkenen Alkohol musste sie nicht mehr schlucken, es ging glimpflich aus, und das ist ja die Hauptsache.
donalphons, 14:39h
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