: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 1. Mai 2013

Über das Weglaufen

Mir ist natürlich bewusst, dass es weitgehend zwecklos ist, und die Vorstellung, erst mal raus zu kommen und alles andere wird sich dann schon finden, reichlich optimistisch ist. Aber vielleicht läuft man ja auch einfach nur weg um der Weglaufens willen, so wie ich all die Jahre ziemlich oft eine unschöne Statik gegen den Rausch der Bewegung eingetauscht habe. Das Instabile, das in sich aufrecht steht, gefällt einem um so besser, je mehr die klaren und unabänderlichen Entwicklungen unverrückbar in der felsenreichen Landschaft der Daseins stehen.



Im Übrigen bin ich nicht nur gelaufen, ich habe dabei auch das ein oder andere, das mir wichtig scheint, mitgenommen. Ich bin mehr wie ein Dieb oder ein Verräter gelaufen, denn als ein Flüchtender, und mit einer kleinen Bereicherung hier und da, die man unterwegs mehren kann, fühlt sich das auch gar nicht schlecht an, selbst falls es schlecht sein sollte.In unserer multimobilen Gesellschaft fällt es auch nicht weiter auf, es sind ja alle unterwegs nach irgendwohin, meist nach oben, da fällt so einer in Seitwärtsbewegung gar nicht auf, nur etwas, das die Drängler vorbei lässt und gaer nicht verlangt, dass sie sich entschuldigen. Ich möchte nicht nach vorne. Ich möchte an die Ränder, wo weniger Leute sind.



Sizilien war da grandios. Jemand hatte ein Navi dabei, das hochkompetent den Weg zu einer gesperrten Strada Interrotta führte, so gesperrt, dass das Gesperrtschild unlesbar verrostet war, und wenn ich den Berichten glauben schenken darf, dann waren da nur 3 Zentimeter zum Abgrund, in den die restliche Strasse gestürzt war. Und weil es eben eine Strada Interrotta zwichen zwei unbefahrenen Pässen und über ein unbewohntes Tal gewesen ist, war das Leben endlich einmal so unsicher, wie es vermutlich trotz allem ist. Wer weiss schon, was unsere Entscheidungen bewirken und warum, wen wir ins Glück stürzen und wer uns unabsichtlich, für ein Butterbrot den Dolch in den Rücken treiben würde, wären wir nicht längst an anderer Stelle, oder würden wir uns nicht ab und zu auch auflösen können in Ahnungen und Gerüchte.



Ich bin natürlich zu faul für eine neue Adresse oder eine URL, oberflächlich bleibt alles gleich, aber ansonsten ziehe ich es vor, gerade keinen allzu festen Wohnsitz zu haben. Vielleicht Ferrara. Ferrara ist eine schöne, ruhige Stadt, viel zu ruhig für schnelles Durchreisen. Dort kennt mich keiner, was ein angenehmes Gefühl sein kann, so ganz ohne Verpflichtungen und Vorgeschichte und all dem, was ich imjmer wieder neu erklären muss, und was mich zwingt, Geschichten zu beobachten, die ich gar nicht mehr sehen möchte. Ich möchte vielleicht auch im Weglaufen meine Ruhe und Beständigkeit, am besten durch das Vergessen: Meines und das der anderen. Ich brauche keine Vergebung für nichts und will auch keine Einsichten hören; ich möchte einfach in der Erinnerung verblassen. An den Stellen, die ich auch gern vergessen würde.

... link (11 Kommentare)   ... comment