: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Glücklich ist, wer vergisst.

Die Lebenslüge des deutschen Journalismus klingt in etwa so: Das ist unser Markt, wir haben die Kunden und die Kontrolle, es wird lang dauern, bis Internet wirklich trägt und ein wenig schrumpfen macht uns nichts aus. Wir planen langfristig und werden das mit dem Netz schon irgendwie schaffen, 2015 oder 16 oder so, und die Menschen wollen ja informiert werden, dafür nehmen sie auch E-Paper oder was auch immer in Kauf. Wir schaffen das schon. Und wenn nicht, gibt es da in München, Berlin oder London eine grössenwahnsinnige Koksnase, die an einer Paywall arbeitet, die macht das dann für uns. Was sollte denn schon passieren? Neue Wettbewerber wird es nicht geben, wir sind und bleiben als Verlage unter uns.





Diese Haltung ist sagenhaft kurzsichtig und noch fragwürdiger als die Leute, die in den nächsten Tagen neue Artikel über das Leistungsschutzrecht schreiben werden, weil ihnen klar wird: Es kommen neue Mitspieler. Denn heute Abend hat sich alles geändert: Nach Amazon ist jetzt de facto auch Ebay mit im Medienspiel. Gut, sie haben noch keine deutsche Zeitung, und was Focus aus der Huffington Post macht, ist ein schlechter Witz des Verbandslobbyismus. Da ist die Ariana halt mit jemadem zusammen, der es nicht anders kann.

Aber Amazon, Ebay und mit Sicherheit Google haben vieles, was die deutschen Verlage nicht haben:

- Immer aktuelles Wissen über die Interessen, Einstellungen und Meinungen ihrer Kunden und Seitenbesucher, unendlich viel davon.

- Vertriebsplattformen

- Bezahlmodelle

- Mobilsysteme

- Wissen über Onlinewerbung. Und Positionierung im Internet

- Geld. Unendlich viel Geld.

- Cracks an den Rechnern. Wer etwas kann, geht doch nicht gerade zur Ausgburger Allgemeinen.

Sie können, kurz gesagt, alles, was deutsche Medien nicht können. Und sie können es sofort aus sich heraus, sie brauchen keinen teuren, kostenfressenden Overhead aus Fingernagelackierern in den Verlagen. Sie haben keine fest gefügten Verlagsstrukturen, in denen Leute sitzen, weil sie da schon immer sassen. Sie sind schlank, profitabel, erfahren, schnell und komplett traditionslos. Und deshalb haben sie auch keine Lebenslügen.





Was sie auch nicht haben, sind Nachrichten.

Aber mit einer viertel Milliarde gibt es vermutlich keine Nachricht und keinen Journalisten, den man nicht bekommen könnte - wenn man ihn denn haben möchte. Und ich gehe mal stark davon aus, dass solche Medienprojekte ganz sicher nicht alte Schwachköpfe um 9 Uhr die Welt erklären lassen, weil sie halt irgendwie online präsentiert werden möchten. Vermutlich wird man auch nicht gerade Leute nehmen, die seit Jahrzehnten ihre Stekenpferde reiten im Gefühl, dass sich noch kein Leser beschwert hat. Oh und diese Preniere in Aachen, die muss auch glich ganz gross gebracht werden. Und danach gleich die PR von diesem Mittelständler, die wir abgefragt haben.

Kurz, zwischen dem, was die grossen Internetfirmen und die deutschen Verlage machen, gibt es keinerlei Berührungspunkte. Die deutschen Verlage müssen umfassende Strukturen für das Internet und mobile Strategien entwickeln, die Internetfirmen müssen nur sagen: Baut unser System mal für Inhalte um. Kundengewinning wird bei denen eher nebenbei laufen. Wenn man sich mal die Besuchszahlen anschaut, sieht jedes deutsche Medium klein aus. Und sie wissen jetzt schon, für welche Bereiche es Leser und Werbung und Einnahmen gibt, und wie man intern mit ihnen Geld verdient. Das sind nicht nur Medienstrategien, sondern auch ein wenig Killing-the-Middleman-Ideen. Während die Männer in der Mitte glauben, dass diese Firmen auch weiterhin im Internet ihre Kunden sein werden.

Ja, aber das ist in Amerika und die fangen gerade erst an und wir haben noch vieeeeeel Zeit, bis das bei uns ist, werden sie sagen. Und nicht: Uh oh, ich habe noch 150k Schulden auf meiner Hütte und sollte jetzt schleunigst reduzieren, weil Ebay, Google und Amazon für die Komplettübernehme des deutschen Marktes keine 10 Jahre gebraucht haben; erinnert sich jmand an Ricardo, Buecher.de und wie hiess die SuMa von Burda nochmal? Und die damalige Konkurrenz war noch weitaus besser in Schuss als die deutsche Verlagslandschaft heute. Wer von den 149 Lesern, die ich heute noch habe, soll dann noch meine interessanten Betrachtungen zum Markt lesen? - sollten sie sich fragen. Aber sie tun es nicht.





Vor diesem Ausblick hat Springer mit dem Verkauf von nichtnetztauglichen Produkten eine Entscheidung getroffen, die ebenso falsch wie richtig war: Sie haben einen unrettbaren Teil aufgegeben, um sich in eine unrettbare Zukunft zu stürzen. Wobei es mich gar nicht wundern würde, wenn die Lebenslüge sich in Artikeln Bahn bricht, die nicht bei Springer erscheinen: Wenn die Amerikaner ihre Medienergänzung skalieren wollen, müssen sie auch hierher. Und Springer wird sich dann gut überlegen, ob sie kämpfen oder Vasallen werden wollen. Weil Springer mit seiner Netzkruschkiste, im direkten Vergleich, nicht mal ein drittklassiger Gegner ist.

Der Rest der Verlage wird einige unschöne Entdeckungen im Bereich "Kundenbindung" machen. Zumal die Amerikaner in der Lage sein werden, den Lesern individuelle Seitenangebote ohne Schmarrn und mit mehr Klickrate zu machen. Und Werbung besser steuern können.

Ich würde heute als Anfänger keine Bewerbung für eine Zeitung mehr schreiben, ohne mir Gedanken zu machen, wie ich Teil so eines Systems der anderen werden könnte. Als der, der ich bin, kann ich sagen: Es gibt eine Welt jenseits des Schreibens für mich.

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