Glücklich ist, wer vergisst.

Die Lebenslüge des deutschen Journalismus klingt in etwa so: Das ist unser Markt, wir haben die Kunden und die Kontrolle, es wird lang dauern, bis Internet wirklich trägt und ein wenig schrumpfen macht uns nichts aus. Wir planen langfristig und werden das mit dem Netz schon irgendwie schaffen, 2015 oder 16 oder so, und die Menschen wollen ja informiert werden, dafür nehmen sie auch E-Paper oder was auch immer in Kauf. Wir schaffen das schon. Und wenn nicht, gibt es da in München, Berlin oder London eine grössenwahnsinnige Koksnase, die an einer Paywall arbeitet, die macht das dann für uns. Was sollte denn schon passieren? Neue Wettbewerber wird es nicht geben, wir sind und bleiben als Verlage unter uns.





Diese Haltung ist sagenhaft kurzsichtig und noch fragwürdiger als die Leute, die in den nächsten Tagen neue Artikel über das Leistungsschutzrecht schreiben werden, weil ihnen klar wird: Es kommen neue Mitspieler. Denn heute Abend hat sich alles geändert: Nach Amazon ist jetzt de facto auch Ebay mit im Medienspiel. Gut, sie haben noch keine deutsche Zeitung, und was Focus aus der Huffington Post macht, ist ein schlechter Witz des Verbandslobbyismus. Da ist die Ariana halt mit jemadem zusammen, der es nicht anders kann.

Aber Amazon, Ebay und mit Sicherheit Google haben vieles, was die deutschen Verlage nicht haben:

- Immer aktuelles Wissen über die Interessen, Einstellungen und Meinungen ihrer Kunden und Seitenbesucher, unendlich viel davon.

- Vertriebsplattformen

- Bezahlmodelle

- Mobilsysteme

- Wissen über Onlinewerbung. Und Positionierung im Internet

- Geld. Unendlich viel Geld.

- Cracks an den Rechnern. Wer etwas kann, geht doch nicht gerade zur Ausgburger Allgemeinen.

Sie können, kurz gesagt, alles, was deutsche Medien nicht können. Und sie können es sofort aus sich heraus, sie brauchen keinen teuren, kostenfressenden Overhead aus Fingernagelackierern in den Verlagen. Sie haben keine fest gefügten Verlagsstrukturen, in denen Leute sitzen, weil sie da schon immer sassen. Sie sind schlank, profitabel, erfahren, schnell und komplett traditionslos. Und deshalb haben sie auch keine Lebenslügen.





Was sie auch nicht haben, sind Nachrichten.

Aber mit einer viertel Milliarde gibt es vermutlich keine Nachricht und keinen Journalisten, den man nicht bekommen könnte - wenn man ihn denn haben möchte. Und ich gehe mal stark davon aus, dass solche Medienprojekte ganz sicher nicht alte Schwachköpfe um 9 Uhr die Welt erklären lassen, weil sie halt irgendwie online präsentiert werden möchten. Vermutlich wird man auch nicht gerade Leute nehmen, die seit Jahrzehnten ihre Stekenpferde reiten im Gefühl, dass sich noch kein Leser beschwert hat. Oh und diese Preniere in Aachen, die muss auch glich ganz gross gebracht werden. Und danach gleich die PR von diesem Mittelständler, die wir abgefragt haben.

Kurz, zwischen dem, was die grossen Internetfirmen und die deutschen Verlage machen, gibt es keinerlei Berührungspunkte. Die deutschen Verlage müssen umfassende Strukturen für das Internet und mobile Strategien entwickeln, die Internetfirmen müssen nur sagen: Baut unser System mal für Inhalte um. Kundengewinning wird bei denen eher nebenbei laufen. Wenn man sich mal die Besuchszahlen anschaut, sieht jedes deutsche Medium klein aus. Und sie wissen jetzt schon, für welche Bereiche es Leser und Werbung und Einnahmen gibt, und wie man intern mit ihnen Geld verdient. Das sind nicht nur Medienstrategien, sondern auch ein wenig Killing-the-Middleman-Ideen. Während die Männer in der Mitte glauben, dass diese Firmen auch weiterhin im Internet ihre Kunden sein werden.

Ja, aber das ist in Amerika und die fangen gerade erst an und wir haben noch vieeeeeel Zeit, bis das bei uns ist, werden sie sagen. Und nicht: Uh oh, ich habe noch 150k Schulden auf meiner Hütte und sollte jetzt schleunigst reduzieren, weil Ebay, Google und Amazon für die Komplettübernehme des deutschen Marktes keine 10 Jahre gebraucht haben; erinnert sich jmand an Ricardo, Buecher.de und wie hiess die SuMa von Burda nochmal? Und die damalige Konkurrenz war noch weitaus besser in Schuss als die deutsche Verlagslandschaft heute. Wer von den 149 Lesern, die ich heute noch habe, soll dann noch meine interessanten Betrachtungen zum Markt lesen? - sollten sie sich fragen. Aber sie tun es nicht.





Vor diesem Ausblick hat Springer mit dem Verkauf von nichtnetztauglichen Produkten eine Entscheidung getroffen, die ebenso falsch wie richtig war: Sie haben einen unrettbaren Teil aufgegeben, um sich in eine unrettbare Zukunft zu stürzen. Wobei es mich gar nicht wundern würde, wenn die Lebenslüge sich in Artikeln Bahn bricht, die nicht bei Springer erscheinen: Wenn die Amerikaner ihre Medienergänzung skalieren wollen, müssen sie auch hierher. Und Springer wird sich dann gut überlegen, ob sie kämpfen oder Vasallen werden wollen. Weil Springer mit seiner Netzkruschkiste, im direkten Vergleich, nicht mal ein drittklassiger Gegner ist.

Der Rest der Verlage wird einige unschöne Entdeckungen im Bereich "Kundenbindung" machen. Zumal die Amerikaner in der Lage sein werden, den Lesern individuelle Seitenangebote ohne Schmarrn und mit mehr Klickrate zu machen. Und Werbung besser steuern können.

Ich würde heute als Anfänger keine Bewerbung für eine Zeitung mehr schreiben, ohne mir Gedanken zu machen, wie ich Teil so eines Systems der anderen werden könnte. Als der, der ich bin, kann ich sagen: Es gibt eine Welt jenseits des Schreibens für mich.

Donnerstag, 17. Oktober 2013, 01:25, von donalphons | |comment

 
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Dem Zeitungsverleger Dirk Ippen soll kürzlich bei einer Podiumsdiskussion während der Münchner Medientage der Satz herausgerutscht sein, die Jugend sei das Problem. Da lachte sogar das Publikum.

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Außer der Eröffnungsveranstaltung neulich überträgt der BR wohl nix ? Nur im Netz ?

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Keine Ahnung, ich las das im "Tagesspiegel". :-)

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' Da ist die Ariana halt mit jemandem zusammen, der es nicht anders kann.'

Aber der Georgia und der Verdana geht es sehr oft genauso , - ganz zu schweigen von dem neuen Courier aus Sans Serif.
Die können sich ihre Heimstatt auch nicht immer aussuchen , leider ;-)

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"Was im Netz passiert, das ist von Unbezahlten für Langweiler. Eigentlich von Langweilern für Langweiler." (ein Mann neulich im Deutschlandfunk, der Mann wurde als Medienwissenschaftler vorgestellt)
Er wollte das so verstanden wissen: "im Gegensatz zu uns Zeitungsleuten, die wir das von Berufs wegen machen, wir dafür bezahlt werden und es von der Pike auf gelernt haben".
Ich fühle mich ebenfalls recht wohl in Wolkenkuckucksheim.

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"Strg" und "+"
Der Rektor einer deutschen Uni hat mal (in den neunziger Jahren) in der ZEIT das Internet schlecht geschrieben, weil die Texte in den Webseiten alle "so klein gedruckt" sind, dass man sie schlecht lesen kann.

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Ist die Idee so völlig abwegig, dass ein Großer wie z.B. Springer oder Burda mit z.B. Amazon zusammengeht?

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Womit wollen Ebay, Facebook, Google, Microsoft denn einer Zeitung Konkurrenz machen und warum? Nachrichten gibt es doch an jeder Ecke, im Fernsehen, im Radio. Wofür müssen die betreffenden Firmen denn Journalismus bezahlen? Verhandelt Frau Merkel demnächst mit Google statt mit BILD, wenn sie ihre Politik verklickern will? Was wären die Moslemhasser ohne BILD und WELT? ...ein unwichtiger blödsinniger Haufen wären sie, der von der ganzen Welt gemieden worden wäre, so blöd ist ihre Geschrei. Das Internet nützt PR-Agenten, doch ohne konventionelle Presse geht es nicht.

Abgesehen davon gibt es nicht nur amerikanische Konkurrenz sondern auch Baidu, Yandex und noch einige andere, die Amazon & Google ebenbürtig werden könnten, zumindestens auf ihren jeweiligen nationalen Märkten.

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womit: informationen bzw aufbereiteten informationen
warum: weils offensichtlich einen markt dafür gibt und dieser markt erfreulicherweise synergien zu dne bisherigen geschäftsmodellen bestimmter netzkonzerne aufweist.

und aus sicht der beteiligten firmen und verleger klopft man sich sogar um den gleichen markt. denn defacto verkauft man keine informationen, sondern werbefläche. informationen sind nur das verhicel um das produkt an den konsumenten zu bringen

steht aber auch im artikel vom don.

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@ sozi ohne Partei: Glenn Greenwald verlässt den "Guardian", um bei Pierre Omydyars neuem Medienprojekt mitzuarbeiten.

Omydyar hat auf Hawai bereits Civil Beat gegründet, nach eigenen Angaben "the largest news outlet dedicated to public affairs reporting about Hawaii. Our focus is on investigative and watchdog journalism, in-depth enterprise reporting, analysis and commentary that gives readers a broad view on issues of importance to the community".

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ist dieser investigative fokus der spleen eines reichen gönners oder verdient das projekt auch geld ? sprich gibt es viele menschen die solcherlei arbeit honorieren ?

bin mir nicht sicher ob es für sowas wirklich ausreichend wertschätzung gibt um abseits von reichen gönnern bestehen zu können. sich selbst als zielgruppe zu extrapolieren ist ja selten ein guter ratgeber ;)

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Civil Beat existiert seit Mai 2010. In den "Terms of Service" heißt es unter anderem "PayPal Required", es gibt eine Abteilung für Business & Marketing und außerdem listet die Site eine Reihe Partnerunternehmen auf.

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ufff...
Birnen und Äpfel...
Ich glaube die deutsche Situation ist eine vollkommen andere; schon seit Jahren gibts in den regional starken Zeitungen nur einen redaktionellen Mantel neben den lokalen Inhalten. Aber ist es nicht das, was den Leser letztendlich nicht interessiert, die Einheitsagenda, schlamprige Inhalte und keine Meinungsfreiheit (zumindest die eigene Schere im Kopf) habe ich doch woanders überall auch schon. Nur das lokale halt nicht.
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Wird die Amis wirklich die "Tegernseer Stimme" interessieren ? Oder die Lokal- Nachrichten von diesem ? Da zählen doch letztendlich cost per Order - oder cost per Click - Entlohnung des späteren Einkaufs. Ich glaube, Springer hat es mit dem Hamburger Tageblatt zumindest digital versucht, wahrscheinlich nur kurzfristig bis man sah, das es auch dort digital - nicht - funktioniert. Der Rest ist das Reißleine. Leider.

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Ist die Idee so völlig abwegig, dass ein Großer wie z.B. Springer oder Burda mit z.B. Amazon zusammengeht?
Wenn "z.B. Amazon" seine due dilligence gut macht: ja, sie ist abwegig.
Wieso sollte man etwas kaufen, was vorwiegend aus Wasserkopf besteht, immer von früher erzählt, und beständig im Wert und in Bedeutung sinkt?

Die Verleger hier sind komplett am Ende (da ideen- und visionslos), sie sind nur unterschiedlich schnell dabei es zu merken. Mit disruptive kommen sie nicht zurecht, das ist nicht deren über Generationen ererbte Art zu denken. Mir dünkt, sie denken auch nur von Buchmesse zu Buchmesse, von Quartal zu Quartal und überhaupt nicht über ihre eigene Fachfilterblase hinaus.

Deswegen auch der Schrei nach Regulationen, die können sich ein Leben außerhalb oder gar ohne Fachfilterblase nicht mal ansatzweise vorstellen.

Das Rezept, den Lauf der Zeit per Lobbyarbeit (LSR) aufzuhalten, ist wirkungslos verpufft und wird keinen Nachfolger haben. In zwei Legislaturperioden erreicht man per Google+ oder Facebook mehr Wähler als die BLÖD, dann möchte ich mal sehen, ob der Friede S. (oder Nachfolger) ihre Telefonnummer noch soviel Marktwert hat, dass man damit hohe Politische Posten besetzen oder vergehen lassen kann.

Die FDP hat ja ein ähnliches Problem, auch die hat gedacht, dass es immer so weiter geht.
Plötzlicherweise hat die Wählerschaft doch ein Gedächtnis entwickelt.
Das kommt davon wenn man mit aktivem Gehirn vor dem Internet selbst die Auswahl trifft und nicht mit sediertem Gehirn vor dem Fernseher der Wahlsouffleuse lauscht.

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(...) habe ich doch woanders überall auch schon. Nur das lokale halt nicht.

Tja, nur leider machen die meisten Lokal- und Regionalzeitung daraus nichts. Lieber werden "Synergien" geschaffen und Stellen und Etats zusammengestrichen. Ich weiß von Lokalzeitungsredakteuren, die jeden Tag eine komplette Seite zuschreiben müssen. Da geht es bei der Themenauswahl nicht mehr darum, welches relevant oder interessant ist, sondern welche Themen sich mit möglichst wenig Aufwand umsetzen lassen. So sieht dann die Zeitung auch aus, lauter Terminjournalismus. Einige von diesen Redakteuren sind zudem allein für fünf Kommunen zuständig - da kann man sich ausrechnen, dass da durchaus wichtige Themen auf der Strecke bleiben. Eine Freundin von mir hat deshalb kürzlich ihre unbefristete Festanstellung bei einer Regionalzeitung gekündigt.

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