: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 17. April 2014

Die bleiernen Jahre

Früher bekam man, wenn man den Radhändler kannte, die kleinen Metall- oder Plastikhülsen für Schalt- und Bremszug geschenkt. Heute sind da lauter junge Mitarbeiter, die sich mit Rädern nicht auskennen, aber für jeden Plastiknupsel 50 Cent, also eine Mark haben wollen.

Ich kenne zum Glück an beiden Wohnorten noch andere Radhändler. Und so treibt es mich immer wieder dorthin, und dann fachsimpeln wir etwas, oder sprechen über Verkehrspolitik oder was sonst noch so ansteht. Oder darüber, dass er etwas auf Kommission da hat.



Ein Chesini Arena von 1979 aus Verona, in einem ausgewaschenen Goldton, der damals modern war. Schon komisch, die Erinnerung an die Zeit hat genau diese Farbe, denn alles, was ich damals vom Umsturz in Persien mitbekam, war die Schwierigkeit, gute Teppiche zu beschaffen. Der Nachschub brach damals zusammen, und meine Eltern hatten es gar nicht leicht, die richtigen Exemplare zu finden und auszulegen. So kam bei uns das Schlechte der Welt an, als Einrichtungsproblem. Der deutsche Herbst? Da hatte ich genug mit dem Gymnasium zu tun, und auf meine Noten zu achten. Das war irgendwie alles weit weg, mit Ausnahme dessen, was in Bezug auf einen verhassten Chemielehrer auf dem Schulhof geschreiben wurde,

"Bubak, Ponto, Schleyer, der nächste ist der XXXXXXmeier"

Da kam dann der Staatsschutz. Aber das drang nicht durch, es ging ja allen doch recht gut und 1977, das weiss ich noch, war ein toller Sommer. Der künstlerisch begabte V. fälschte Freibadkarten. Wir kamen schon auf das 7,50er Brett. Und niemand hatte ein Telefon, um unsere Eltern davor zu warnen.



Das Chesini ist machbar und vielleicht das, was wir damals gern gehabt hätten, aber das dauerte noch eine Weile. Ich nehme es wegen der Farbe. Und weil es schade wäre, würde es verkommen.

Letztes Jahr habe ich mit G. in Italien viel über diese Zeit gesprochen. Die Epoche war in Italien überhaupt nicht golden, und das wurde auch uns Kindern im Urlaub klar: Überall Carabinieri mit Maschinenpistolen. G. kommt aus einer traditionell linken Familie, wie so viele in der Poebene, bevor die Lega Nord der neue Kommunismus wurde. Für G. sind das schlimme Zeiten gewesen, an die sich keiner gern erinnert. Terror von links, von rechts und vom Staat mit seinen Geheimdiensten. Ein Land am Rande des Bürgerkriegs. Auf der Linken verlor die Kommunistische Partei den Einfluss bei den Schlägerbanden, auf der rechten Seite unterwanderte die Jauche aus Neofaschisten, Geheimdienstlern und Mafia weite Teile der Parteienlandschaft.



Genauso fett und golden scheinen im Moment die Zeiten zu sein, und der Konflikt der Ukraine kommt hier bei uns auch nur durch den Gaspreis an. Man kann das so und so sehen, viele hier trauen auch den Ukrainern nicht, zu Recht vermutlich, aber was da gerade in Russland an Autokratie enthüllt wird, ist auch bitter. Man nennt es nicht Panslawismus, aber etwas in der Art wird es wohl werden. Mit vielen unschönen Folgen, und nach den Irakkriegen und dem Versagen beim Versuch, eine neue, friedlichere Welt zu schaffen, wird das alles wieder höchst unerfreulich. Mit einem Westen im Zeichen von NSA und GCHQ und anderer Dienste.

Wirtschaftlich ist alles golden, aber da ist die Ahnung, dass noch sehr viel Blei des Weges kommen wird. Grossmachtspolitik nimmt nun mal keine Rücksichten und so, wie wir in Zypern kommandiert haben, so wird man vielleicht auch mit uns umspringen, uns neuem Wirtschaftswundersuperland.



Da ist auch noch ein echtes Wirtschaftswunderdamenrad, seh gut erhalten, elfenbein und grün lackiert. So, wie man das eigentlich sonst nur in Italien sieht, da hat man die Räder ähnlich bemalt. Es war ja nicht alles Neorealismo, es gab Toni Renis und Mario Riva und zu denen radelte die Dame wohl eher so. Zweifarbig. Lusso. Man vergisst das Blei ja schnell, wenn das Wetter schön und die Musik anschmiegsam ist. Und jetzt kommt ja auch der Sommer, von der Donau bis zur Wolga.

Ich werde das Chesini wieder zum Leben erwecken und Putin Bestien, die lange Vergangenheit zu sein schienen. Und Obama wird derweilen alles tun, um Venezuela zu destabilisieren. Jeder, wie er es für richtig hält. Mir das goldene Rad und den anderen so viel Blei und Gift.

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