: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 26. April 2014

Ich habe hinausgeschaut

Es ist blau und nur leicht bewölkt.



Und wie immer wuchert der Schnittlauch auf meiner Dachterrasse.

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Weltraumaufzug

Ganz kurz was zu diesem Spot der Piraten - ich weiss, das Thema nervt und es nervt mich auch, dass jetzt manche kommen werden und sagen: Ha! Publicity! Ziel erreicht! Publicity hatte der alte Landrat von Miesbach mit seinen kruden Politikvorstellungen auch, jede Menge, und jetzt sitzt da ein Grüner. So dreckig, dass sogar schlechte Publicity gut ist, geht es noch nicht mal den Piraten.

Ich erkläre mal als jemand, der früher Jingles und Wortbeiträge für das Radio produziert hat, was mich an dem Spot zweifeln lässt.

1. Die Person. Wenn ich schon eine junge Frau hinstelle, die bewuisst nicht wie - bitte die Namen der diversen FDP-Frauen einfügen, die eine Weile zum Vorzeigen benutzt wurden - aussieht, muss ich mir überlegen, was ich damit mache. Die Spitzenkandidatin der Piraten bricht mit den bekannten Kriterien für die äussere Erscheinung, die sich bei Mann und Frau ja eher an den Tagesschaukriterien orientieren. Dem Betrachter ist also klar: Die sind anders. Allerdings nicht bewusst anders wie Die Partei oder die Rosa Liste, sondern mehr so öko-studentisch-alternativ-rohkost-anders. Ganz oder gar nicht, würde ich mir da denken.

2. Die Stimme der Person. Die Parteien wissen schon, warum sie für solche Spots Profisprecher engagieren, gerade, wenn Frauen auftreten. Nein, es ist nicht nett und nein, es ist nichts sexistisch, sondern einfach in uns drin: Schrille und untrainierte Stimmen kommen bei der Sprache schlecht rüber, Männer sind klar im Vorteil und wirken psychoakustisch überzeugender. Ich will hier gar nicht darauf eingehen, welchen Aufwand Radiostationen wegen der Stimmen treiben: Die Stimme ist der Träger der Botschaft. Und diese Stimme klänge auch nicht gut, wenn man das mit guter Ausrüstung aufgenommen hätte, also hochwertiges Mikro, Preamp und richtigem Abstand von der Membran. Wenn man den Spot hört: So sprachen meine Schüler vielleicht in der ersten oder zweiten Probesendung. Es ist natürlich gerade für eine Anhängerin der Pirantifa sehr viel verlangt, einschmeichelnd zu sprechen, aber auch die beste Botschaft wirkt gekreischt nicht angenehm. Und so ein Spot ist nun mal Werbung für Wegzapper und nicht die Rede auf der 23. Kominterntagung, wo vor dem Saal die GPU steht und Abweichler festnimmt. Das muss sitzen. Besser wäre es, wenn die Argumentation von einem Sprecher oder einer Sprecherin käme, und die gefühlvollen Punkte dann von der Kandidatin.

3. Es folgen eine Minute hektische Bilder, teils von Demos, teils historische Aufnahmen, teils den Krempel, den jeder hat. Bilder, die viel zu aufgeregt sind für die runtergeratterten Stichpunkte. Zu sagen, dass man für ein Europa ohne Aussengrenzen ist, kickt in der scharf verkürzten Form vermutlich viele Leute raus, die nicht gerade ganz, ganz links sind, und mit den 6 verbliebenen Hungerstreikenden am Oplatz gewinnt man keine Wahl. Und ich glaube nicht, dass die Betrachter dann ins Programm schauen und nachlesen, was damit gemeint ist. Da wäre es dann besser, wenn der Sprecher das Problem umreisst und die Kandidatin dann sagt, was sie zu tun gedenkt. Einfach mal die Grenzen abschaffen ist so wie einfach mal Ponader in die Talkshow setzen.

4. Bis zu Minute 1 war das einfach ein schlecht gemachter Öko-Schluffi-Spot ohne viel Überlegung, nur ein wenig weiter von Verlautbarungsspots, wie man das früher von Kleinstparteien kannte. Irgendwer rattert runter, dazu inzwischen mal die üblichen Bilder für die Peergroup. Fies wird es erst danach. Das fängt mit der Fisheyeeinstellung bei 1:02 an, bei der die Kandidatin dem Objektiv ganz nah auf die Pelle rückt. Da wird dann aus "unkonventionell" ohne jeden Grund "freakig, unschön, scary", dieses Aufdiepellerücken verursacht mir Pein, denn wer will schon Politiker aus der Nähe sehen? Niemand macht Fisheyebilder von Politikern, man nimmt 80 oder 100 mm Tele und nicht 10 mm. Ganz ehrlich, wenn mir dieses Gesicht auf dem Bildschirm so nahe kommt, überlege ich, wo das Telefon für den Notruf ist - es wirkt auf mich wie eine Szene am Türspion, wenn der Abmurkser kommt. Aber es sorgt natürlich nach 1 Minute Gefasel für neue Aufmerksamkeit. Insofern ist es richtig, an diese Stelle, jetzt, wo es wichtig wird, so ein Element zu setzen. ABER NICHT IN SCARY MOVIE 4.2BETA UND MIT NASENPOREN! Ich denke, wir wissen seit Brüderle alle, dass das mit der Nähe problematisch ist.

5. Fein, wir sind also alle wach, der Bilderstream belangloser Aufnahmen geht weiter, neue Ziele und Forderungen, Piraten irgendwie anders, fein - ja, und dann wollen wir noch als Höhepunkt, ganz zuletzt einen Weltraumaufzug.

So wie die Grünen den Atomausstieg wollen, die Sozialdemokraten soziale Gerechtigkeit und die NPD Deutschland den Deutschen und die CSU Bayern so wie es schon immer war.

Man nennt so etwas ein Alleinstellungsmerkmal und man setzt es ans Ende, damit die Leute nach 1:30 dummen Gefasel etwas haben, was im Kopf bleibt. Das ist der wichtigste Moment. Das entscheidet in der Wahlkabine, alles andere ist nur Herleitung. Das, was wirklich wichtig ist. Bei den Piraten ist es der Weltraumaufzug. Das ist der Trumpf.

Das ist der Moment, wo es wirklich umschlägt von der schlecht gemachten, aber vielleicht noch irgendwie amateuerhaft-charmanten Ausführung, die in Zeiten von Beta gefallen kann, hin zu des Wahnsinns fette Beute. Denn die EU gilt ja ohnehin allen als Verschwender, dessen Rechenschaftsbericht ähnlich wie der der früheren JuPis aussieht und die allermeisten Menschen verspüren keinen Wunsch nach Weltraumaufzügen. Die zweifeln auch die Machbarkeit an. Und verdammt viele linke, ökologisch und sonst für die Ziele der Partei durchaus kompatibel eingestellte Leute werden sagen: WFT???? Und dazu kommt dann wirklich das einzige Bild im gesamten Spot, das anders ist und die Aussagen einzigartig macht.

FAZIT: Man kann sowas eventuell als Viral machen. Wenn man sehr mutig ist. Und dann noch eine Dreh hat. Das könnte sein: Welteraumaufzüge gehen doch nicht, wir können unsere Probleme damit nicht wegschaffen, wir müssen uns hier unten kümmern. Aber selbst dann wäre es immer noch richtig übel für alle Wahlkämpfer, das zu erklären. Man weiss ja nicht, ob jemand die Aufkösung mitbekommt. Und gerade in der Politik will man eigentlich Menschen haben, die einem nicht mit solchen Tricks kommen. Sondern ehrlich, geradeaus, mit den Füssen auf dem Boden und visionär mit Augenmass sind.

Wie man es dreht und wendet: Der Parteichef meinte, der Spot habe nichts gekostet. Das merkt man ihm auch an. Vor allem kein Gehirnschmalz und keine Gedanken. Es tut mir persönlich wirklich weh, extrem wichtige Punkte, für die manche Piraten stehen, zu diesem Müllkuchen so unsympathisch verbacken zu sehen. Man möchte an die Gurg... Die Folge wird nicht sein, dass es einen Weltraumaufzug gibt. Die Folge wird eher sein, dass ich Datenschutz sage und andere denken, oh Mann schon wieder so ein Irrer, der einen Weltraumaufzug, eine Zombieapokalypse, einen Todesstern oder Bombardierungen durch historische Lancaster fordert. Und das geht mir bei den Piraten so wahnsinnig an die Nerven: Dass die das nicht gross gemacht haben, sondern es ausgenutzt haben und es jetzt zusammen mit ihrer Partei diskreditieren. Wegen irgendwelcher Einzelpersonen, die auch nach Schramm, Ponader, König und wie sie alle hiessen immer noch dahin kommen, Weltraumaufzüge zu fordern.

Ich kenne jede Menge tolle Leute in der Partei. Um die tut es mir leid.

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