: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Sonntag, 11. Dezember 2016

Die sog. Kampagne gegen Andrej Hom

Vorbemerkung 1: Ich komme aus einer Zeit, da hat man linkerseits Helmut Kohl ganz selbstverständlich vorgeworfen, dass er als Jugendlicher Flakhelfer war.

Vorbemerkung 2: Andrej Holm galt seit 2007 als Held im Kampf gegen den Überwachungsstaat. Es fällt linkerseits jetzt vielen schwer einzugestehen, dass Holm ein mutmassliches Unrecht widerfahren ist, das er hauptberuflich anderen zugefügt hätte - sofern es stimmt, dass er bei der Stasi nur irgendwelche Akten gelesen hat.

Linkerseits jedenfalls hat man eine Antwort gefunden, wie man damit umgehen kann. Ich weiss nicht, wer "herrnkönig" ist, der Twitteraccount ist anonym, er arbeitet jedenfalls mit Holm zusammen, reist mit der Linkenabgeordneten Katharina König durch Italien und will Lehrer in Berlin sein. Nach meinem Beitrag über Holm schrieb er:



So also geht man linkerseits damit um. Wer Kritik an Linken übt, muss ein Nazi sein. Der Partei gelte ich als Urgrund einer gezielten Kampagne gegen Holm, und das Neue Deutschland erwähnt mich etwa so freundlich, wie es der Schnüffelverein einer weiteren Stasiperson tut.

Vermutlich sollte ich besser in Berlin vorerst keinen öffentlichen Auftritt machen. Aber ich habe doch etwas zu sagen.

Ich war der Erste, der damit in einem grossen Medium angefangen hat. Ich persönlich traue Holm so viel wie jedem anderen Politiker, der möglicherweise etwas zu verbergen hat. Kann schon sein, dass er wirklich in der wichtigsten Zeit der Stasi nichts tat, als alte Akten zu lesen. Man hat schon SA-Pferde vor Waldheim kotzen sehen. Vielleicht war die Stasi gerade wirklich nicht an ihm interessiert. Alles denkbar. Aber wer mit 16 bei so einem Laden unterschreibt und bin 19 dann nie irgendwas Unsauberes machen musste, hat wirklich verdammt viel Glück gehabt. Das muss ein enorm glücklicher Zufall gewesen sein. Blöderweise glauben Journalisten nicht an Zufälle. Und solche "ich habe nur staubige Akten geschleppt"-Geschichten hat man leider schon zu oft gehört, als dass man sie unbesehen schlucken würde.

Ich habe das als Erster gebracht und andere Leute damit gestört. Linke, Grüne, SPDler, aber auch andere Journalisten. Meines Erachtens hat sich die Bildzeitung spätestens am 8. oder 9. Dezember die Stasi-Akte von Holm beschafft. Nach meiner Vermutung hätten sie - und auch andere - die Story genauso schreiben können. Sie haben es nicht getan, und es ist für mich offensichtlich, warum sie es nicht gemacht haben:

Ich war taktisch zu früh dran. Wenn man wirklich die ganze Akte hat, wartet man, bis Holm erst mal im Amt und entsprechend mit Lob überhäuft ist. Dann geht man hin und packt aus, was man hat. Dann ist er nämlich im lebenslangen Beamtenverhältnis, und es wird sehr, sehr teuer, wenn man ihn nach kurzer Zeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen muss. Es wird peinlich für alle, die ihn bestellt haben. Bislang trifft es R2G im Aufbau, man kann es immer noch problemlos aufhalten. Aber wäre Holm erst ernannt, hätte R2G einen richigen Skandal. Das sind dann die Fälle, über die wirklich in der Tageschau berichtet wird, weil sie zeigen, wie R2G richtig tief und teuer ins Klo greift. Schon wieder. Berlin hatte so eine teure Fehlentscheidung erst mit der Sprecherin des Bürgermeisters.

Wenn Holm schlau gewesen wäre, hätte er meinen Beitrag als Chance gesehen und gekontert. Mit dem, was unvermeidlich ist: Das zugeben, was sowieso irgendwann rauskommt. Wenn er schlau gewesen wäre, hätte er seine Akte ins Netz gestellt und akribisch erklärt, wie es dazu kam. Statt dessen hat er sich auf dem Parteitag der Linken bejubeln und unterstützen lassen, und seine Anhänger haben es an mir rausgelassen. Und die SPD unter Druck gesetzt, die nun mal von der Linken abhängig ist, wenn sie nächstes Jahr R2G im Bund machen will. Man hat das als Chance gesehen, mit den eigenen Muskeln zu spielen. SPD und Grüne gaben dann auch zu, dass man vorab wusste, dass da ein Stasimann kommt.

Die Linke hat sich als Opfer meiner Kampagne dargestellt und ihre eigene Kampagne durchgezogen. Holm hat nur das Allernötigste gesagt. Mit einer Routineprüfung werde schon alles in Ordnung gehen.

Die Prüfung kann nun jeder selbst machen, denn die Bild tut morgen früh das, was Holm hätte tun sollen: Sie stellen zur besten Zeit und exklusiv Holms komplette Akte online. Die Bild weiss, was sie hat, und wie sie es darstellt. Sie hat die Fakten, die die Linke nicht bringen wollte. Jetzt muss die Linke auf das reagieren, was die Bild aus der Geschichte macht. Die Linke hat die Initiative am Samstag gehabt, sie haben sie falsch benutzt, und jetzt ist halt Springer dran.

So läuft das nun mal. Der Schaden ist so oder so da. Wenn Holm trotzdem kommt, wird er derjenige sein, dessen Akte erst die Bild veröffentlichen musste, weil er nur ein paar Worte sagen wollte. Er ist dann die Stasihypothek von R2G, und das wird an ihr kleben wie Volker Becks Fehlleistungen an den Grünen. Da ist dann eben eine bundespolitische Machtoption, die zynisch über alle Einwände hinweg geht. Oder man lässt Holm fallen. Das begrenzt den Schaden in der Bundespolitik, aber die Koalition startet mit Misstönen, Pleiten und Pannen.

Holm hätte es in der Hand gehabt, rechtzeitig, nachdem mein Beitrag einschlug, offensiv und umfassend an die Öffentlichkeit zu gehen. Er hätte für Transparenz sorgen können. Als wirklich gutes und glaubwürdiges Beispiel für Offenheit, ohne die Schuld bei anderen zu suchen. Aber die Linke hat mich lieber als Nazi beschimpft und Holm ein paar Allgemeinplätze sagen lassen. Ich kenne das aus meiner Zeit in Österreich, da war ich der Vernaderer von der Ostküste und Haider hatte doch Handschlagqualität.

Aber es ist natürlich leichter, von einer Kampagne zu sprechen, wenn jemand Fragen stellt, als in sich zu gehen und Lösung zu präsentieren, die schmerzhaft sind. Schmerzhaft, aber überlebbar. Ich war nur einer, der eine Frage aufwarf. Das Grab schaufeln jetzt dann andere zu.

... link (79 Kommentare)   ... comment