: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 26. Dezember 2016

Wenn Sie wüssten.

Die ganz harten Geschichten über meine Heimat habe ich nie geschrieben. In Wirklichkeit bin ich so etwas wie eine Brandschutzmauer. Was hinter mir kommt, wenn man von den Redaktionen hierher blickt, will gar keiner wissen. Selbst in den Kommentaren bekommt man nur einen Ausschnitt dessen ab, was die Leute hier wirklich denken. Sie bekommen hier bei uns vom Sohn des Grossbauern zu hören, dass Deutschland gar kein eigener Staat und immer noch unter amerikanischer Hoheit zu finden ist, und andere nicken anerkennend. Am schlimmsten und direktesten sind nicht die Russen, sondern die Frauen der Russen. Wir haben hier eine grosse Klinik ein Tal weiter, da arbeiten sie als Krankenschwestern und sagen Dinge, Dinge, sage ich Ihnen, begründet dadurch, dass die Ausraster und Schläger aus den Heimen dort regelmässig zu ihnen in die Psychiatrie kommen - ich frage dann immer, ob sie einen deutschen Pass haben und was sie wählen. Die AfD ist eine Alternative unter Angeboten, die noch weniger schön sind. Wirklich, es gibt keine grössere Zeitung, die das in aller Pracht abbilden würde, und die Leute sind ganz ähnlich drauf wie die Berliner: Natürlich sind das alles hasserfüllte Extremisten, die den jeweils anderen am liebsten deportieren würden, ob rot ob braun, ein jeder will nur haun.

Und natürlich denken alle, sie sind voll im Mainstream. Und das muss doch jeder so sehen. Es gibt die bundesweit gelobte Hoaxmap im Netz und sie kennen sie genau. Weil wir auch mit drauf sind. Und was sie sagen ist: Die beiden Fälle, die da am Tegernsee vermerkt sind, die sind selbst ein Hoax. Weil der angeblich tote Asylbewerber seine eigene lebensgefährliche Verletzung vorgetäuscht hat. Dafür kann der Tegernsee nichts. Und weil das Gerücht mit dem Kleidern nicht am Tegernsee entstand. Das haben wir hier gar nicht nötig, sagen sie. Die Bilder vom Zustand der ruinierten Sanitäranlagen der Turnhalle, die sind der Kracher. Deshalb regen sich hier auch alle auf: Die Schäden an der Turnhalle waren enorm. Für den Landkreis, also uns alle, wird das teuer - und zum Dank hat der Tegernsee zwei tourismusschädigende Punkte. wegen eines kriminellen Asylbewerbers und eines Fälschers, der gar nicht von hier ist. Und dessen Geschichte sogar einen wahren Kern hatte, denn es gab bei der Kleiderverteilung wirklich Probleme. Dieses Fehlverhalten drücken sie einem dann auch noch gleich rein. Und warum darüber nicht geschrieben wird, Herr Journalist. Es wäre doch ihre Arbeit.

Bei der Oberschicht fühlt man hier manchmal ein gewisses Unbehagen. Unten - die haben keine Stimme.



Das alles wird zusätzlich aufgeheizt durch Fehlleistungen bei der Aussendarstellung. Aus Tourismusgründen wurde bei uns auf manchem Vorfall der Deckel drauf gehalten, und gewisse Vorfälle waren zum Glück ausserhalb der Sommersaison. Hier reicht nämlich schon ein Beschwerdebrief eines Gastes, dass sich Gemeinderäte mit roten Köpfen zusammensetzen. Gerade ist man als Region wieder auf dem aufsteigenden Ast, und dann sowas wie die Asylkrise, immer auf den 50 Metern zwischen Berg und See, wo es jeder sieht, die Leute liegen herum und trinken Bier und machen Selfies - irgendwie hat man gehofft, das geht vorbei, und zum Glück war die in der Traglufthalle entstandene Islamistenszene und die folgende Schlägerei zur Fastenzeit nicht zu sehr in den Medien. "Durchgekommen, überlebt", ist das vorherrschende Gefühl für 2016. Es gibt so etwas wie Zuversicht - dass sich so etwas nicht mehr widerholt.

Andere Regionen hatten es da weniger gut, speziell Traunstein. Da hängt der Haussegen nochmal schiefer. Ich sage das nur, ich will das nicht beurteilen. Man kann hier schon auskommen, wenn man bereit ist, sich anzupassen, denn über die acht Jungs, die oben in Kaltenbrunn arbeiten, sagt niermand etwas Böses. Wenn man sich nicht anpasst, wenn man dann noch daneben langt, dann werden die Leute rebellisch. Das wollte vor einem Jahr draussen bei den Medien niemand wissen, da wurde darauf gehofft, dass anzeigende Frauen bei Sexualstraftaten übertrieben haben. Dann kam Köln. Und seitdem ist es wirklich anders. Ich erzähle das nur. Ich habe vor Köln gegen viele Widerstände auf solche Verwerfungen hingewiesen, nach Köln wurde es für mich etwas leichter, aber auch nicht wirklich schön. Leute, die bei Zensursula auf die Strasse gingen, halten heute das Maul, wenn es um die Hatespeechkampagne der Regierung geht. Sie verstehen vermutlich nicht, was das bei uns für ein Brandbeschleuniger ist. Deshalb habe ich das nochmal aufgeschrieben, in aller epischen Breite.

Es geht hier bei uns längst nicht mehr um ein paar Flüchtlinge und wo man sie verteilt, Es geht um den Raubbau am Vertrauen am Staat und seiner Bereitschaft, etwas für die Menschen zu tun. Man kann darüber diskutieren, ob die Erwartungshaltung überzogen und die Reaktion fremdenfeindlich ist. Aber das Gefühl, dass man nichts mehr sagen darf, haben die Leute hier seit anderthalb Jahren. Das ist viel Zeit, wenn es um die Zerstörung eines gemeinsamen Konsens geht.

Ich bringe nur die Botschaft. Die anderen suchen die Mistgabeln.

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