: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 27. September 2004

Real Life 27.09.04 - Wenn sie mich fragen,

im Vorgespräch, warum ich denn das tue, dieses Blog, von dem sie bis letzte Woche noch keine Ahnung hatten, dass es das gibt, und ich sage, dass ich all die Geschgichten erzählen will, die Schnipsel und die Trümmer, die das Umfeld meiner Existenz ausmachen, nicht nur meiner, sondern auch ihrer, denn sie haben ja einen festen Job auf Lebenszeit bei den Öffentlichen, unkündbar, das heisst, dass irgendwo grad einer sein altes Notebook auf Ebay verscherbelt, um seine Telefonmrechnung zu bezahlen, und dass die einen im Licht stehen, im gleissenden Licht der Neonröhren in ihren Gebührenbunkern mit Stahllamellen gegen die Aussenwelt, über sie sie mal wirklich schreiben müssten, und dass die anderen eben im Dunkeln sind und da auch bleiben werden, denn mit jedem erfolgreichen Studienabsolventen kommt noch eine erfolglose Geschichte dazu, und das wird auch so bleiben für die nächsten drei jahre, dann ist da keine Betroffenheit, zumindest höre ich das nicht, obwohl ich, glaub ich, dafür inzwischen ziemlich feine Sensoren habe. Aber bei denen ist das da draussen eine andere Welt, von der sie nichts wissen wollen in ihren langen Gängen,



wo sie mit den dünnen Absätzen auf dem Marmor knallen und nach Escada riechen, und so tun, als hätten sie hier drinnen nicht alle Zeit der Welt, wo man sich die Zeit nimmt für Qualität und für einen 12-Minuten-Kommentar für ein Thema, das sehr wichtig ist für die 0,3% Hirnficker, die da noch hinterhersteigen hinter dem Versuch, die FAZ und die SZ jetzt mal volle kanne intellektsmässig auszubooten, weil es ja mit so was Schnödem wie Journalismus nichts mehr zu tun hat und auch nicht haben soll, sondern mehr ist, nämlich die Erfüllung eines gesellschaftlichen und verfassungsmässigen Auftrags.

Das hat mir mal eine öffentlichrechtliche Volontariatskarrierensau so ins Gesicht gesagt, im Interview, und ich habe mit dem schweren, stahlarmierten Sennheiser MD 421 Mikrophon nichts getan, ausser es weiterhin ganz ruhig weiterhin vor den Rüssel der Sau zu halten.

WDR war nett, heute, hab leider kein passenderes Bild. Aber die Anfrage danach war, brrrrr, wäh, ne.

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Freuden der Öffentlichkeit II

wegen der Wiederholung der leidigen Sache mit ungefragter Autorenschaft bei einer gewissen Frankfurter Billigzeitung, was ja angeblich nicht mehr vorkommen sollte. Wie sagt nicht der Lateiner so schön? Audiatur et altera pars, auch bekannt als Zulieferer:

BloggerInnen die keine Email-Adresse angeben, kann man auch keine Email senden.

Kann man (hier) so sehen. Und sagen. Und machen. Klar. Denn wer etwas ins Netz stellt, will auch gelesen und zitiert werden. Eigentlich sehr einfach. Oder so.

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Freuden der Öffentlichkeit I

hier: Geplatzte Abmahnversuche gegen Blogger.de. Nach drei Stunden Öffentlichkeit wieder zurückgezogen. Grosse Klappe, nichts dahinter.

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Sonntag, 26. September 2004

Real Life 26.09.04 - BoD (Breit on Demand)

Das Oktoberfest macht aus München einen beschissenen Ort. Um auf der nach oben offenen Unerträglichkeitsskala was entgegensetzen zu können, veranstaltet Berlin ein Literaturfestival, während dessen Laufzeit man am besten verreisen sollte. Nach Cottbus zum Beispiel. Irgendwer meinte, dass auch Gelsenkirchen Ende September im Regen und Nebel sehr reizvoll sein soll.

Ein Ex-Münchner Bekannter aus der Verlagsszene hatte in seinem Haus die Arschlochkarte gezogen und musste einen stotternden, äh-lallenden Hirnfickpornographen (HFP) durch ein Programm schleusen, das drei Dutzend Geriatrieinsassen begeistert hatte. Der HFP unterschrieb säuerlich die Taschenbuchausgaben seiner Werke aus den späten 70ies, die sein Klüngel unter den Kukidentgläsern hervorgezogen und mitgebracht hatten, verschwand im Hotel, und am nächsten Morgen im Zug Richtung Westen. Mein Bekannter, der mir von dieser Pleite erzählte, bleibt noch bis Montag, und so trafen wir uns kurzentschlossen im Ein Euro Cafe, so heisst das glaub ich, in der Veteranenstrasse.

Nicht zum Aufreissen, natürlich. Verlagsmitarbeiter und Autoren lernen schnel und blutig, dass es nichts Grauenvolleres gibt als potenzielle Bettgeschichten, die sich im Vorfeld präventiv als eine Kreuzung der literarisch unterdrückten Frauen von Brecht, Sartre und Fitzgerald aufführen. Nur falls sich das werte Publikum wundern sollte, warum Schriftsteller so oft Stammgäste in Bordellen sind und so viele Dialer auf dem Rechner haben.



Jedenfalls, mein Freund hatte schon erheblich den ein oder anderen sitzen, als ich ihn traf. Der HFP hatte auf zwei Mahlzeiten verzichtet, was hier für einen ordentlichen Affen auf Spesen für ihn und die beiden Mädchen, die neben ihm sassen, gereicht hätte. Er konnte meine beiden Namen halbwegs korrekt aussprechen, die Namen seiner Begleiterinnen hatte er schon wieder vergessen. Auf den ersten Blick buchinteressierte Germanistikirgendwasse im 12-x. Semester, und zwar aus der handfesten Creative-Writing Ecke, irgendwie ziemlich prägnant im Ausdruck, was meinereins im normalen Gespräch nur dann hinbekommt, wenn er schnöselig ist.

Trotz Alohohl war mein Freund noch so zurechnungsfähig, sich keine Möchtegern-Autorin mit 40 unveröffentlichten Kurzgeschichten über Berlin Mitte und einem ihres Erachtens bestsellerverdächtigen Romanfragment rausgesucht zu haben. Er hatte eine, wie sie sich später nannte, Kollegin von mir aufgetan, und ihre Bewunderin, sprich, eine Schriftstellerin mitsamt Privatgroupie. Das Privatgroupie soff die Spesen meines Freundes weg, und meine Kollegin machte das, was alle Kollegen tun, wenn sie nicht gerade auf meinen Verleger schimpfen, der im übrigen ein wunderbarer Verleger ist: Sie zog über den Betrieb her, den sie mit ihrem Debutband jetzt rocken würde. Hey, in Frankfurt ist sie auch, am Stand, gibt Interviews und so, und ich begann mich zu fragen, ob ich in den letzten Wochen was verpasst hatte, irgendwie kenne beruflich ich die meisten Verlagsprogramme, die Debutanten schaue ich mir meistens an, komisch das.

Sie macht Kuzgeschichten. Ah ja. Weil das die wahre Kunst ist, etwas zu sagen, ohne es zu schreiben, und das in so knapper Form, dass die Geschichte einen Roman enthält, und das ist das Leben. Darauf kommt es an. Ah ja, sagte ich und dachte mir, hey, die muss heute eine ganze Radisch gesfrühstückt haben, oder zumindest einen ergrauten Lietraturprof.

Und wenn das jetzt erst mal in den nächsten Tagen kommt, bewirbt sie sich damit auf Stipendien, und ich fragte sie ganz unschuldig, wie denn da die Unterstützung vom Verlag ist, weil, soweit mir bekannt, dessen Netzwerk da wohl ziemlich wichtig ist, aber sie meinte, das braucht sie nicht. Dazu ist der Verlag nicht da, der soll das Buch machen, Rest macht sie, das will sie so und nicht anders, deshalb hat sie auch gar nicht lang gesucht sondern ist gleich zu BoD (book on Demand).

Ich schaute meinen Freund an, aber der schaute nur sein Glas an. Das 5. oder 6. Bier, da wird einem so ziemlich alles egal, vermutlich, aber sie plapperte schon weiter, dass das mit der Pressearbeit auch locker allein geht, sie kennt ja so viele Leute hier in Berlin, die sind alle schon ganz gespannt auf das Buch, und dann drehte sie Richtung Inhaltsangabe und präsentiert mir tiefgehendes Gedankenwerk hinter ihren Geschichten, irgendwo zwischen von Kürthy, SATC und Judith Hermann angesiedelt, aber eben alles zusammen und doch weitaus mehr. Ich machte ein paar leicht sarkastische Bemerkungen, und sie ging über mit dem Zartgefühl eines Abrahm-Panzers darüber hinweg.

Wie sieht das eigentlich mit den Vorbestellern in den Buchhandlungen aus, versuchte ich es nochmal. Irgenwo musste da doch ein Stecker sein, irgendwas, das so einen minimalen Zweifel erweckte...

Das wird schon, meinte sie mit dem Selbstbewusstsein eines zugekoksten Art Directors, weil ja inzwischen BoD von den Händlern zurückgeschickt werden kann, dann nehmen die das auch.

Irgendwie muss mir heute ganz mieses Karma aus den Knopflöchern gespritzt sein, denn sie stand ziemlich unvermittelt auf und verkündete, dass sie jetzt ginge, und ob die anderen noch mitkommen. Mein Freund rappelte sich auf, meinte was, dass wir morgen, ne heute nochmal telefonieren, und übersah meinen fragenden Blick. Ab nach draussen, sie Richtung Hotel, ich Richtung nach Hause. Allein. In dieser bitterkalten Frühwinternacht.

Das kann ja heiter werden, in Frankfurt.

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Samstag, 25. September 2004

Gute 30 Jahre danach

hätte man gerne wieder solche Zustände, wild, revolutionär, anders. Vielleicht auch mit Sex, der noch etwas abenteurlich und verrucht ist. Am besten auf einem Fell vor dem Kamin, langhaarig, zottelig, Körpersaft schluckend. Nicht mehr das glatte Stäbchenparkett des frühen Jahrzehnts, auf dem Sex allein schon wegen der Härte des Bodens eine schnelle Angelegenheit wurde, aber Zeit war damals Mangelware, ich mein, hey, ficken können wir auch noch wenn wir tot sind oder den IPO geschafft haben. Gerade letzte Woche traf ich einen noch aktiven Vorstand, der meinte, wenn er einen Exit hinbekommen würde, dannn würde er sich erst mal eine Nacht im Bordell verrammeln.

Aber diese Zeiten sind vorbei. Und so eine Nacht im Bordell ist heutzutage nicht mehr finanzierbar, zumindest nicht mehr für das hart arbeiten hart feiern Publikum von damals. Also besinnt man sich auf heimische Werte und findet es schick, wenn solche verruchten Felle doch wieder zu kaufen sind.



Denn Zeit hat zumindest ein Partner im Moment ohnehin genug, da ist wieder Platz für etwas Phantasien. Und das wilde Leben vielleicht, und dazu noch eine DVD von Russ Meyer. Tal der Superhexen ist mal was anderes als die ruinenübersähte Silicon Alley, die den Alltag ausmacht.

Und wenn der Saft sein natürliches Ziel erreicht, kann man auf dem Fell das neue Buch der ehemaligen Popliteraten Sven Lager und Elke naters lesen. Das heisst "Durst Hunger Müde", beschriebt das Kinderhaben als glücklichen Zustand und hat auch so ein poppiges, oranges Blowup-Titelbild, das sich auf dem Fell blendend macht.

Jeder Revolution endet auf dem Fell.

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Einmal noch,

ein letztes Mal zu diesem Thema: Es hat natürlich eine besondere Note, dort oben zu feiern, wenn am folgenden Tag, gleich nach Arbeitsantritt, die Hoffnungsträger des vorhergehenden Hypes zusammengetrommelt in den tieferen Stockwerken werden, um ihnen mitzuteilen, dass man in Zukunft ohne sie auszukommen gedenkt.

Dadurch erst schafft der Lügenkonzern die Profite, durch die solche nobel erscheinenden Druckerzeugnisse wieder möglich sind.

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Freitag, 24. September 2004

Ich sehe mich genötigt klazustellen,

dass es sich bei diesem Text keinesfalls um einen Verriss des "Freund" von Christian Kracht handelt, wie mancherorts behauptet wird. Ich finde das Heft ganz bewundernswert. Es ist endlich wieder ein mutiges Produkt in der deutschen Publizistik, das verdient Achtung. Man mag im Gegenzug bedenken, dass andere Verleger Zeitschriften wie den Freibeuter einstellen. Es waren auch sehr viele angenehme Menschen vor Ort, wirklich. Leider hat in meinen Augen das Springer-Umfeld mit seinem teilweise niederen Verhalten die Party belastet.
Aber ich zerreisse mir darüber nicht das Maul. Ich versuche nur zu schildern, wie ich das als Angehöriger einer gewissen, ja, man kann sagen, Klasse, empfunden habe. Die Leser möchten bedenken, dass ich nicht nur so, man mag es als schnöselig oder arrogant diffamieren, sein kann, wie im Text angedeutet, sondern in derartigen Situationen auch tatsächlich so bin.



Es war sehr viel Erhabenes an diesem Ort, und viel banale Niedertracht. Aber es war weder luxuriös moch dekadent, wie auch einige Pressepinscher den Lesern vormachen wollen. Beachten sie nur den gewellten Teppich auf dem Bild! "Feinste Auslegeware", was für ein geistbitterarmer Ignorant schreibt so etwas? Cognac, Zigarren und Rehrücken sind eigentlich nichts, worüber man ein neidisches Wort verlieren dürfte. Aus dieser unterschiedlichen Wahrnehmung heraus aber eine Aversion meinerseits gegen andere, angenehme Orte und an diesem Abend anwesende Menschen ableiten zu wollen, wäre verfehlt.

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Demütigung der New Economy in der Munich Area

Es hätte eine Zeit gegeben, da wären meine Freunde lieber gestorben, als auf Veranstaltungen zu gehen, deren Räumlichkeiten diese Bedingungen erzwingen:

Bitte kommen Sie immer pünktlich um 19 Uhr. Das IHK Gebäude wird kurz nach Veranstaltungsbeginn geschlossen!
Wir bitten darum, im Gebäude nicht zu rauchen.


Es ist nicht so, dass das Verrecken meiner Freunde ein Akt unbegrenzter Ästhetik war; im Gegenteil, sie konnten nicht umhin, auch in der letzten Stunde noch so grell und peinlich zu sein, wie sie gelebt haben. Es war zum Ende hin ein makabrer Rave, der Drogenkonsum stieg reziprok zum Abbau der Beschäftigten, und nach der Insolvenzanmeldung verprassten sie die letzten 100-Euro-Scheine aus der Portokasse. Sie kannten keine Reue, aber sie waren tot, und damit hatten sie bezahlt.

Was heute noch lebt, sind die erbärmlichen Kriecher, die pünktlich genug kommen, um den Hauswärtern nicht zur Last zu fallen, die Putzfrauen nicht zu behindern und definitiv nicht rauchen. Schnupfen sowieso nicht, versteht sich von selbst. Der Tod wäre eine Erlösung für sie, aber statt dessen bieten sie grauen Kammerpräsidenten die Einrichtung von Business Blogs an, und reden von emerging markets, die sie der Industrie, former known as old economy, erschliessen wollen.

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Donnerstag, 23. September 2004

Real Life 22.0904 - Ich bin pünktlich.

Pünktlichkeit ist die elementare Höflichkeit des Gastes. Ohne Höflichkeit keine Freundschaft, sagt Castiglione, aber den hat hier wohl kaum einer gelesen. In den 19. Stock geht es mit einer sehr schönen Frau, nach Massstäben eines BWL-Studenten. Sie trägt ein dunkles Kostüm, hat eine Perlenkette um das Handgelenk geschlungen und eine unpassende Digitaluhr darunter. Ich hätte es eigentlich wissen müssen wegen der Uhr, aber die paar Sekunden hatte ich irgendwie so eine Hoffnung. Sie klingt sehr nett, wie jemand, die man küssen kann, im Aufzug nachher auf dem Weg nach unten. Jedenfalls merke ich oben, als ich ihr den Vortritt lassen will, dass man sie als Liftgirl missbraucht, für das Management-Volk des Lügenhauses, in dem ich bin.

Ich trete nach draussen, gehe zur Garderobe und lege ab. Ich trage einen schmalen, schwarzschlammgrünen Anzug und Krawatte von Armani. Es ist 19.29 Uhr, und die Räume sind fast leer. Ich finde das sehr unangenehm, denn es zeigt, dass die Gäste wenig mit den Idealen anfangen können, um die es hier heute Abend geht. Ideale deshalb, weil das Produkt garantiert nicht die Kosten dieses Abends einspielen wird, was ihm etwas wunderbar Antiquiertes verleiht. Es ist fast wie eine Erinnerung an die Ära der Dotcoms.

Ich treffe Frau S. aus meiner Heimat. Ich sage ihr, dass ich von diesem Haus wenig bis gar nichts halte. Sie stellt mich trotzdem K. vor, der hier das aktzeptablere Produkt leitet. Der von der Gossenabteilung ist auch da, wie befürchtet. Wir reden über Blogs und Transatlantisches und über Zürich, wo angeblich inzwischen fast jeder Deutsche ist, wie auch in Berlin, nur ich nicht, denn ich bin in beiden Orten. Dann hält er eine Ansprache, in der es vor allem um die Probleme des Verlagshauses mit seinem Produkt geht.

Ich meine, das ist wirklich nicht wichtig. Es ist Abend, und ich habe genug von Wirtschaft und Geld gehört. Geld ist sowieso peinlich, weil im Moment kaum jemand was hat und man sich schon fast schämen muss, wenn man einer geregelten Arbeit nachgeht, die auch noch Spass macht, während die schönen Frauen hässliche mittelalte Managertypen im Lift kutschieren müssen, statt mit mir zu plaudern, und alles nur wegen Geld, ich kann es nicht mehr hören. Dann kommen der Chefredakteur und der Herausgeber und sagen wenig Zusammenhängendes, wie immer eigentlich. Beim Ernst-Jünger-Zitat grinsen die Manager des Hauses, ist ihre Magenlektüre jeden Morgen. Sie mögen Jünger. Ich kann ihn nicht leiden, ich denke, er muss gerochen haben wie eine Schützengrabenlatrine, und seine Texte sind eigentlich nur für den Wandkalender badischer Bauern gut. Über das Produkt selbst haben sie eigentlich nichts gesagt. Aber das wird gerade verteilt, in zu geringen Stückzahlen natürlich.

Dann wird das Buffet eröffnet. Ich gehe herum, und schaue mir die nachgemachten Antiquitäten an. Die Teppiche sind, wenn man genau hinschaut, verschlissen und abgetreten, die Club Chairs sehen aus, als hätte man sie in der britischen Botschaft in Nairobi Anfang der 60er jahre ausgemustert. Metallvasen sind nur vesilbert und verbeult. Das Holz ist entweder Zirbelstübchen oder reichskanzleibraun. Ich setze mich auf einen Chair, bei dem ich einen guten Blick auf den Rücken von E. habe.

Im Produkt ist auch eine Geschichte von E.. Ich finde, E. sollte mehr Geschichten schreiben, und zwar in dem schwarzen Top, in dem ihr Rücken mit den beiden Leberflecken so gut zur Geltung kommt. Wenn E. nicht die ganze Zeit in Bangkok wäre, sondern hier mehr schreiben würde, hätten wir uns die ganzen schlechten Popliteraten sparen können. E. ist eine Frau, die alle lieben würden, glaube ich. Doch, ja. E. raucht, wie C., Salem-Zigaretten, und ich könnte sie mir gut in der Halle unseres Hauses in Bayern vorstellen, unter den Kronleuchtern, die nicht so billiges neues Zeug sind wie die Pressglasdinger hier oben. Ich mein, wenn es schon billig sein soll, aber egal, da sag ich woanders was dazu.

Ungefragt setzt sich mittleres Management zu mir. Die Teller sind mit Fleisch überfüllt, vor allem mit Riesengarnelen, die sie zu Hause nie bekommen, nur wenn sie schnell eine Garnelen-TK-Pizza schaufeln, und dazu Boeuf, und die Sauce schwappt in die Garnelen. Einer stellt seinen Teller auf das Produkt. Ich bin der höflichste Mensch von der Welt, aber hier geht es nicht anders. Ich sage Pardon und ziehe das Produkt unter seinem Teller weg. Er sagt Äh, und beginnt, die Garnelen zwei Handbreit über dem Teller in seinen Mund zu stopfen. Dabei redet er mit den anderen über Marktentwicklung für das Gossenpapier des Hauses. Ich blicke demonstrativ zum Fenster hinaus. Nach einer Weile wird es zu unangenehm. Als ich aufstehe, sehe ich, dass mindestens drei von ihnen Rolex-Uhren tragen.



In der Ecke sitzt der älteste Autor des Produkts und hat niemand zum reden. Ein Fossil, werden die Manager des Hauses denken, und würden lieber mit dem D. reden, der übrigens das Bildblog hasst. Ich hoffe, dass die ihm die Pomade vom Kopf pusten, und bringe später C. die Bücher, die die Post nicht zu ihm nach Nepal bringen wollte, und dann noch eines für I. I. ist sich sicher, dass SD in Wirklichkeit J. ist, oder J. zumindest ganz tief mit drin steckt. Ich habe beim Verlag von SD angerufen, und ein Interview wurde mir verwehrt. Wahrscheinlich haben sie Angst vor dem Skandal. J. ist nicht gekommen, sonst hätten wir ihn fragen können.

Langsam verschwinden die Manager des Lügenhauses, die müssen ja auch zu geregelten Zeiten arbeiten gehen. Die Räume werden leer. Es bleibt das Destilat der Freigeister, der Kreativen und Arbeitslosen. Es wird Zeit für die Afterpartyparty in einem Club, der woanders ist.

E. kommt und sagt, dass ich auch noch mitkomme. Aber als ich im Auto sitze, bin ich schon etwas müde, und an der Location laufe ich erst mal vorbei, weil sie gut versteckt ist. Angeblich nobel. Ich bin schon ziemlich weit weg, als zwei Paare rauskommen, das Produkt unter dem Arm, und sich laut anschreien. Ich denke, dass es dort unten nicht wirklich angenehm ist, dass ich eine Kanne Tee brauche, und so verpasse ich das, was man bei Jens Thiel lesen kann. Er hat leider nichts über den Rücken von E. zu berichten, aber ich finde, er sollte doch schreiben. Unbedingt. Und auf die Bedenken pfeifen.

Danach bin ich zu Hause und stelle nicht ohne Ironie fest, dass ich aus genau dem Silbergeschirr Tee trinke, dessen Benutzung K. in seiner Ansprache C. unterstellt hat. Tee und Silber sind exquisit, wie auch Produkt. Aber die Kritiker werden es hassen.

Edit: "Was das Heft geistig zusammenhält, ist allein die Eitelkeit, die wir alle besitzen, die hier aber dem Leser in ungewohnter Radikalität entgegentritt." resumiert der Tagesspiegel, dessen Autor allen Ernstes von einem "popliterarischen Quartett" in Bezug auf Tristesse Royal phantasiert. Damals sassen allerdings 5 Herren im Adlon, nicht 4.

Der Freund von Herrn Kracht, Dr. Nickel und Frau Obladen und leider auch Springer ist übrigens hier erhältlich.

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Jagdszenen aus dem Content-Zulieferer-Bizz

Früher, in der glückseeligen Zeit der New Economy, dachte man, Content Providing wäre das grosse Geschäftsmodell. Auf der eigenen Website die User was schreiben lassen, mit windigen AGBs den Usern das Geschriebene abnehmen, ohne einen Pfennig zu zahlen, und dann an en Gros an Content Syndicators weiter verkaufen. Der "User generated Content" sollte so eine Art Cash-perpetuum-mobile werden. Inzwischen hat sich gezeigt, dass der Content fast so wenig taugte wie die Geschäftsmodelle, weshalb die angeblich unersetzbaren Content Provider erst zu "Zulieferern" degradiert wurden, und dann pleite gingen. Edit: Bis auf ein paar letzte Hungerleider natürlich, die sich gegenseitig versichern, wie blendend es ihnen geht.

Aber jeder Historiker weiss, dass die Weisheit und Lernfähigkeit sehr begrenzte Rohstoffe auf diesem Planeten ist, und so lassen sich eben manche weiterhin auf dieses Spiel ein - nur diesmal ohne windige AGBs, und mit "Content" von anderen Websites. Juristen nennen das Verletzung des Urheberrechts, Madzia nennt es eine heisse Sache, und wenn der "Zulieferer", O-Ton Handelsblatt, gezwungen ist, solche Zitate zu liefern (hier im Kontext eines eigenen Werkes):

der text für gestern war vorproduziert und wir hatten nicht rechtzeitig eine rückmeldung, welcher text überhaupt genommen wird. moe kann dafür nichts, er wusste leider nicht einmal, dass dieser text genommen wird.

dann sollte der Zulieferer vielleicht mal drüber nachdenken, wie das Verhältnis zum Belieferten aussieht. Mir scheint, jemand wird hier als Fussabstreifer genutzt. Allein, ich kann mich natürlich auch täuschen, weil eigentlich hab ich ja gar keine Ahnung vom Netz. Oder so.

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Mittwoch, 22. September 2004

Gentlemen are requested to wear neckties

beim Cocktail mit diesem Herrn, und etlichen anderen Herren. Und Damen natürlich auch, nachher. Zeit für ein ausgiebiges Bad und eine Rasur. Man muss mir den Revoluzzer nicht gleich ansehen.

Deshalb entfällt hier das Abendposting. Bericht über das Ereignis in der üblichen Art nicht ausgeschlossen.

Ich gehe. Er bleibt sitzen.

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back to the future

So knallt man sich schnell und billig weg von Hartz IV zurück zum IV. Parteitag der SED, das waren noch Zeiten...



Der Laden sieht innen drin in etwa so aus, wie ich mir die idealtypische 2. Heimat typischer PDS-Wähler im Osten vorstelle. Ausserdem kompatibel zu fauligen Weinfässern und solchen, die es werden wollen.

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Mit Gmail hotmail ficken

5 Invitations zu vergeben: Mail hier posten oder mich anmailen.

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Noch mehr nein danke

Ein altes arabisches Sprichwort besagt: Wer sich in die Schlangengrube legt, darf sich nicht wundern, wenn er gebissen wird. Ich sage: Wer sich in der Schlangengrube dann auch noch rumwälzt, darf sich nicht wundern, wenn man sich in ihn verbeisst. Klaus Madzia und sein "Zulieferer" wälzen sich gar trefflich, und das wird mit der TAZ-Druckwalze genüsslich breitgewalzt:

"ist gerade mal kein kostengünstig zweitverwertbarer Text aus dem Häusern Holtzbrinck respektive Milchstraße zur Hand, wird eben gleich aus dem Internet abgeschrieben, und zwar aus Online-Tagebüchern, so genannten Weblogs."

Wobei das noch harmlos ist, die Schlussfolgerung ist nun wirklich nicht nett.Aber wer will schon nett sein, zu Leuten mit so netten, korrupten Promo-Angeboten?

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Dienstag, 21. September 2004

Mehr nein danke

von der professionellen Seite. Und epd hat die unangenehme Eigenschaft, oft von Medien übernommen und abgedruckt zu werden.

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Sie ist da.

Wir haben sie vermisst. Wir haben auf sie gewartet. Jetzt ist es so weit.



Die Göttin der ewigen Nacht über der New Economy ist zurückgekehrt

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Real Life 21.09.04 - Aus der Praktikantenhölle

Gerade zu lesen bekommen, die Stellenausschreibung auf ein Praktikum bei einem kleinen Münchner Medienunternehmen:

Aufgabenbereich: Wöchentliches Internet-Update (Umfragen, Meldungen, Programm), Pressefaxversand, Bildaufbereitung und Einstellung.
Verfassen von Pressemitteilungen und Vorschauen.
Entwicklung von Kundenaktionen (Gewinnspiele o. Ä.)
Kontaktpflege zu anderen Teilen des Unternehmens hinsichtlich auf Crossmarketing.
Image-CD-Roms erstellen, Messestände organisieren.
Flyer entwerfen und Druck organisieren.
Medien recherchieren, in denen Anzeigen kostenlos oder Artikel übe die Firma abgedruckt werden können.

Vorraussetzung: Journalistische Schreibe, Erfahrungen in einer Zeitungsredaktion.
Word, Office, Photoshop (!)

Wir bieten: Ein junges, engagiertes Team, Eigenverantwortung, leider keine Bezahlung

Auf Deutsch: Die brauchen eine Pressetante, einen Content Manager, einen Journalisten und einen Event-Managerin für lau und in einer Person.

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Punk ist tot

Dieses Stadium des Verfalls hat Herr Praschl noch vergessen:

Gefördert von der Bundeskulturstiftung findet in Kassel vom 22. bis 26. September 2004 ein Punk-Kongress statt: ht tp:// www. punk2004.de/

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5 Gmail-Einladungen zum web.de ficken

zu vergeben. Übliches Spiel: Entweder hier die Email hinterlassen, oder Mail an donalphonso@gmail.com.

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Montag, 20. September 2004

Nein danke

Lieber Don Alphonso,

wie Sie wissen, zitieren wir jeden Tag zu einem bestimmten Thema
verschiedene Weblogs. Wir machen das, um die Meinung von Usern im einzelnen
und Weblogs generell einer Nicht-Blog-Leserschaft vorzustellen. Klaus Madzia
sagte das ja bereits vor einigen Tagen in Ihrem Blog.

Darüber hinaus könnten wir uns aber vorstellen, sich dem Thema in einem
separaten Artikel zu nähern. Vielleicht in einem Interview mit Ihnen? Wären
Sie zu einem Gespräch über die Geschichte, Technik, Inhalte etc. von Weblogs
bereit? Wir könnten dabei Ihr Buch vorstellen und Sie würden den
Interview-Text autorisieren. Unsere einzige Bedingung: Sie treten in dem
Interview nicht mit ihren Pseudoym auf, sondern mit Ihrem richtigen Namen.

Mit besten Grüßen aus Frankfurt,
Xxxx Xxxxxxxx

---
News Verlagsgesellschaft mbH
Eschersheimer Landstraße 60-62
60322 Frankfurt

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Nicht schön

Es gibt Menschen, die Ruhe und Kontemplation hassen. Die Stillstand nicht ertragen können, Leere und Stille. Die Welt, aus der ich komme, war voll von diesen hyperaktiven Stillstandshassern, denn Stillstand bedeutete in ihren Augen Niedergang, Verlust, Faulheit und Versagen. Never stop, always go, move, starting, way to, speed, das waren die Bestandteile der Claims dieser Welt. Dynamik war per se gut.

Seit dem Ende der New Economy gibt es eine Gegenbewegung des Schlichten, Reduzierten, Leeren. Es ist wieder möglich, wenig in viel Raum zu präsentieren, denn die Räume stehen oft leer. Schlicht ist ein Qualitätsbegriff geworden. Es empfiehlt sich, mit dem Horror Vacui der eigenen Highspeed-Soul umzugehen zu lernen, wenn man Geschäfte wie das "schön" sieht, wo wenige Möbel mit viel Abwesenheit darum drapiert sind.



Nicht alle werden damit fertig, was sie wohl zwingt, einen der vielen losen Pflastersteine von Berlin Mitte zu nehmen und damit dynamisch die Fensterscheibe zu zertrümmern. Geschwindigkeit gegen das Nichts, als Manifestation der Existenz, die etwas braucht, Krach, Splitter, Risse.

Man könnte nun sagen, sie ertragen die Leere nicht, weil sie darin die Leere in ihren Seelen erkennen, aber ich wage das allein wegen der Wortwahl zu bezweifeln. Seele ist ein sehr leerer, blütenrosaner Begriff, und wurde so oft mit dummer, belangloser Bedeutung gefüllt, dass er ausgeleiert ist wie ein mehrfach benutztes Kondom.

Sie werfen nicht gegen die Stille, sie werfen für das Laut, das Schnell und das Klirren. Diese Steineschmeisser sind es dann auch, die, wenn die Geldnot sie gewandelt hat, sich meist als die willigsten Apologeten der herrschenden dynamischen Klasse erweisen. Aber ich schweife ab.

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Gathof Schuster, Greding

Als du um die Ecke kommst, siehst du schon den knackigen Hintern ihres Spiders. Deine kleine Schwester ist also auch bei deinen Eltern. Und sie hat ein Problem: Sie braucht Möbel für ihre neue Wohnung, hoch über der Isar. So hat sie begehrliche Blicke auf deine Empire-Nussbaumkommode geworfen, die seit 2 Jahren unrestauriert bei deinen Eltern auf eine neue Schellackpolitur wartet. Das gefällt dir nicht. Du sagst ihr, dass Nussbaum zu dunkel für ihre Wohnung ist, und denkst laut darüber nach, wieviele ihrer gierigen Grossbürgertochtergräten knickbar sind, sollte sie das Teil in einem unbemerkten Moment klauen.

Ausserdem erzählst du ihr, dass im Schloss Greding, einer der grössten Antiquitätenhandlungen Süddeutschlands, eine neue Lieferung angekommen ist, und sie sagt spontan, dass sie da hin will, jetzt und sofort und auf der Stelle. Du musst natürlich mit, weil der Orientierungssinn deiner kleinen Schwester ebenso lausig ist wie die Bedienbarkeit des Bordcomputers. Und so pilotiert sie dich über die Autobahn nach Greding, einem wunderschönen Ort im Altmühltal, den durchreisenden Ignoranten vor allem bekannt durch seinen Mc Donalds, der hier die Landschaft verschandelt.

Kaum seid ihr von der Autobahn runter, verändert sich das Bild: Durch ein gotisches Tor geht es hinein in diese grandiose Barockstadt. Greding ist im Altmühltal das, was Graz für Österreich ist: An einem warmen Südhang angelegt, fast keine Neubauten, und der Bürgerstolz hat dafür gesorgt, dass alles, vom kleinen Fachwerkhaus bis zum Stadtpalast, liebevoll gepflegt ist.



Es ist Mittag, und so beschliesst ihr, erst mal Essen zu gehen.

mehr bei Restaur.antville.org

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