Dienstag, 17. Juli 2007
Gesund durch die Hitze

Zuerst nehme man Verwandte oder Bekannte mit einem Garten und einer gewissen Neigung, Grün hemmungslos wuchern zu lassen.

Dort radelt man hin, stellt das Rad im Schatten des Weinstocks hin, und macht sich auf einen längeren Weg durch den Urwald, bewaffnet nur mit einer Tüte und dem festen Vorsatz, die hier ohnehin nicht geschätzten Früchte zu plündern.

Aus mir unverständlichen Gründen nämlich gelten Johannesbeeren als gemein, bäuerlich, banal und dann auch noch dieser saure Beigeschmack. Pah! Denn gerade dieser saure Beigeschmack verleiht den Früchten diese Spritzigkeit, mit der auch Milchprodukte in der grössten Hitze geniessbar werden. Und das geht so:

500 Gramm Magerquark in eine Schüssel tun und 30 Gramm Butter im Wasserbad verflüssigen, darüberschütten und einrühren - das macht Kraut fett und den Quark cremig. Dann 150 Gramm Johannesbeeren in weiss und rot dazu tun und fest umrühren, so dass einige Früchte platzen und die Mischung rötlich färben. Dazu zwei Esslöffel Zucker, umrühren, fertig.
Und jetzt langsam essen. Silberlöffelchen für Silberlöffelchen. Nicht alles sofort reinstopfen wie ich gerade, das erzeugt Gefühle, die einer Stopfgans nicht unbekannt sein sollten. Örps.
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Empfehlung heute: Einer der Gründe,
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Von 9 bis 5

Und da könnte ich noch länger bleiben, bis um 12, 2 oder sigar 7 Uhr morgens. Aber leider wird es hier draussen zu früh hell. So gegen 5 Uhr leuchtet der Himmel bereits wieder in französischen Farben.

Nett. Aber eher störend, wenn man schlafen will.
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 16. Juli 2007
Empfehlung heute - Gummiboot
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Grünwald oder die Langlebigkeit von Klischees

Der Wagen ist mit seinen Spoilern und dem Bürzelheck nicht wirklich das, was man als schön bezeichnen würde, aber er hatte das Glück, eine Rolle in der Fernsehsendung "Leo´s Magazin" zu spielen. Moderator Andreas Lukoschik fuhr in einem Wagen dieses Typs durch die Stadt, und es könnte sogar dieses Exemplar gewesen sein: Baujahr 1987, wie die Sendung. Und ja, er ist zu verkaufen. Und ja, einen Moment habe ich aus nostalgischen Gründen überlegt. Immerhin gab es Schlimmeres als Leo, was den medialen Eindruck von München in den 80ern prägte.
Da ist noch der Film "Die Story" von 1984, der den Ruf Münchens als Koksmetropole bundesweit verbreitete - neben einigen "Modeerscheinungen", die Miami Vice als dezent erschienen liessen. Und 1986 kam Kir Royal auf die Mattscheiben der Republik. Das alles hat den Ruf von München zementiert, und wer damals dabei war, musste sich schon etwas wundern über dieses mehr als schräge Bild, das da von München gezeichnet wurde. "So" war weder das Parkcafe noch das P1 noch das BaBaLu und auch nicht die Seehaus-Parties, die im Übrigen nicht von Grünwaldern organisiert wurden, sondern von jemandem, der aus einem mässig vorzeigbaren Kaff nahe meiner Heimat stammt und dort auch lange gelebt hat. Das P1 war "so", aber da ging man nicht hin, wenn man nicht Tennisspieler oder Fussballer gucken wollte. Was eigentlich nur eine Bekannte aus Neuburg wollte, die dann tatsächlich schwer von einem gewissen Rothaarigen zu lösen und zurück in die Provinz zu verfrachten war, aber das ist eine andere Geschichte.
Dieses München ist eine Medienerfindung, so wie das Berlin der Telenovelas. Mit gewissen Anklängen an die Realität, mehr aber auch nicht. Aber der Gegensatz zwischen dem kaputten, streetcrediblen Berlin und dem Reichen, etwas debilen München zieht natürlich, und das ist der Grund, warum die Comedy von Aggro Grünwald die Aufmerksamkeit bekommt. Weil Restdeutschland und hier besonders Berlin Angst hat, es könnte stimmen. Dass es wirklich ein Viertel gibt, in dem Reichtum cool ist und auch so zur Schau getragen wird. Alle reichen Erben - werft das Geld! - wenn das der neue Schlachtruf sein soll, schaut es schlecht aus für die Hungerleider in Kreuzberg in ihren Kellerbüros mit der Latte und dem Döner als Standardernährung. Selbst wenn Aggro Grünwald bis hinunter zu den Farben und der Kleidung selbst nur aus alten Klischees der 80er Jahre besteht. Nur ein paar Namen muss man austauschen - Negerhalle durch 8 Seasons, Piccolo Osteria gegen Lenbach, und schon kann man sich tatsächlich in den Saab setzen, oder seinen legitimen Nachfolger, den geleasten SLK 200 mit Wegfall der Typenbezeichnung und grossen Chromringen um den Auspuff. Habe ich schon mal erwähnt, wie furchtbar banal das Afterwork im Lenbach eigentlich ist?
Eigentlich müsste man davor keine Angst haben. Wenn man es kennt, verliert es schnell jeden Glanz. Fingerfood ist nicht zwingend besser als Döner, und die Leute, die bei Lesungen im Kokon C-Sternchen lauschen, sind auch nicht klüger als Berliner, die Sarah Kuttner Talent und Ausstrahlung unterstellen. Es ist bei höherem Mehrwert erheblich teuerer, und das ist es eigentlich auch schon -
es sei denn, es ändert sich was in der Gesamtrepublik. Und das könnte zu einem Existenzproblem von Berlin werden, was meines Erachtens auch die hysterischen Reaktionen auf Aggro Grünwald verursacht. München, das alte München ging 1992/3 unter, als Techno aufkam. Berlin wurde das neue Ziel, darauf konzentrierten sich Illusionen und Hoffnungen, in München blieb die Lindenstrasse. Aber jetzt sind 15 Jahre vergangen. Berlin hat es nicht geschafft, und seine propagierten Lebensentwürfe gehen nur dort. Es mag stimmen, dass sich Max Mütze aus dem Schwäbischen Berlin immer noch so vorstellt, aber:
Die Wirtschaft kommt im Westen voran. Berlin ist pleite. Berlin hat ein Verliererimage. Kann sein, dass sie so sind, aber was 1995 noch als cool galt, ist heute vielleicht nur noch sehr retro. Es ist kein Lebensentwurf, der andernorts Gültigkeit haben würde. Berlin ist "Rütli", und egal, wie überzogen das sein mag, da geht man nicht gerne hin. Und in diese Lücke stösst nun Aggro Grünwald mit einem Ulk, der bei genauerer Betrachtung und in abgemilderter Form - gar nicht mal so schlimm ist. Denn es macht Spass, mit dem Motorboot über den Starnberger See zu fahren. Wirklich.

Don Tauchmeister is on da quietschred Gummiboat, rechts: STA-Chick beim Ankleiden ;-)
Es macht Spass, auch mal mit Frauen auszugehen, die andere Themen als Prekariat und Arbeitslosigkeit haben. Die einem davor die neuesten Erwerbungen vorführen. Die einen von dem Existenzgerede mit einer halben Stunde über die Handtaschen erlösen, die in Berlin nur deshalb nicht Thema sind, weil sie sich keine leisten kann. ich erinnere mich da an den ersten Besuch einer Münchnerin in Berlin, als wir unter den Linden an einer Ampel halten mussten und sie mit Abscheu feststellte, dass die Frau dort Prada aus der vorvorvorvorletzten Saison trug. Das mag arrogant sein, eingebildet, München - aber ist es schlimmer als der Sozialneid (sorry für das Wort, aber ich kenne kein anderes dafür), der einem aus X-berg entgegenschlägt, sobald man dortselbst ein paar Silberschalen kauft?
Am Ende bleibt die Frage, welcher Lebensentwurf Max Mütze, dem ewigen schwäbischen Dorfbewohner und all seiner Cousins, die aus Altötting kommen, gefällt. Ich glaube, dass Aggro Berlin der Stadt Berlin nicht gut tut. Es sorgt für ein Lebensgefühl, das bei der Mehrheit nach Alternativen verlangt. München war so lange Zeit unbeachtet - vielleicht kommt jetzt die Renaissance. Weil es die besseren Clubs, die besseren Leute, das bessere Umfeld und die bessere Landschaft hat. Und eine Vergangenheit, die etwas anderes verspricht als die Gewalt der Berliner Kapuzenträger. Ich verstehe, dass diese Leute München hassen. Ein München, dessen Lebensstil wieder als vorbildlich betrachtet werden könnte. München könnte Max Mütze so umarmen, dass sie demnächst in ihrem Trümmerhaufen und dem Ruinengürtel aussenrum alleine bleiben. Und ohne Max Mütze, der als dummer Jobber der Medienbranche das System, ihr System am laufen hält.
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Sommerfrust

Leider etwas beschädigt, was mir vergleichweise egal ist, so sind eben die Spuren der zeit, aber schlimmer, die Vergoldung war braun übermalt. Was sich positiv auf den Preis auswirkte, zumal dort noch zwei Kerzenhalter dazu kamen. Und eine Ecke weiter stand ein schlichter Biedermeierspiegel aus Nussholz.
Man kann nun einwenden, dass ich schon nicht wenige Spiegel besitze, und ja, es stimmt. Aber dazu besitze ich auch rund 50 Meter Treppenhaus allein im Vorderhaus, und dieses Treppenhaus, das momentan seine weisse Nacktheit Richtung Norden ausstreckt, wo die Arkaden zum Innenhof nochmal Licht wegnehmen, braucht mehr Licht. Kronleuchter hängen da schon länger, und jetzt geht es darum, das vorhandene Licht besser zu verteilen. Nach vorsichtigen Schätzungen suche ich also rund 10 alte Spiegel, davon noch drei bis vier Biedermeierexemplare in eckig, und ansonsten altvergoldete Stücke, wobei zwei grosse Trummeauspiegel für den Hausgang unten wirklich fein wären. Gerne auch mit Konsolen. In etwa von der Art, wie ich vorgestern eine habe stehen lassen.
Zum Frustabbau eignet sich übrigens der Kampf gegen klebrige, braune Farbe auf alter Vergoldung wirklich hervorragend.
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Sonntag, 15. Juli 2007
Touristische Globalisierung
Manchmal wüsste ich gerne, ob die Geschichte der frühneuzeitlichen Religionskriege in Mitteleuropa Stoff an den fernasiatischen Schulen ist. Muss wohl so sein. Sonst ist es nämlich nicht erklärbar, warum in den letzten Sommern zunehmend asiatische Reisegruppen vor dem Stadtpalast standen. Ich bin durchaus mariannische Gruppen aus Bayern gewohnt, die das alles kühl finden, hier den Ort des Ablebens ihres Idols zu sehen. Aber wenngleich Jesuitentum und Konfuzianismus viel gemeinsam haben, nimmt es mich schon Wunder, wenn ich gerade im Hof bin, das Tor aufgeht und ein paar Japaner wie zuvor schon Bayern und Italiener reinschauen. Aber ich bin der höflichste Mensch von der Welt, beantworte auch gern Fragen und erkläre ein paar Dinge über die Geschichte das Hauses, und bewahre auch die Fassung, wenn einer der Bayern sagt, es sei doch schade, dass es heute eben kein Jesuitenkolleg mehr ist. Ich lächle und gehe nachher etwas Holz hacken. So ist das eben. Man kann nicht immer nur die Vorteile so eines Gebäudes haben.

Zu den Vorteilen des Gebäudes zahlt die grosse Wohnung und im Sommer besonders das weisse Zimmer, das eine sehr angenehme Kühle auch bei der grössten Hitze vor den Fenstern bewahrt. Das haben sie sauber gemacht, die Bauleute der Gesellschaft. Kann man wirklich nichts dagegen sagen. Bei angenehmen 22 Grad kann man hier also unter der kaltblauen Stuckdecke liegen und Grand Balett von Marin Marais hören.
Kühle Musik vom Hof Ludwig XIV. Die sonntägliche Ruhe und Gelassenheit benötigt. Und da stört es, wenn Busse durch die Strasse rumpeln. Besonders aber stört es, wenn ein Bus genau unter dem halboffenen Fenster stehen bleibt. Und den Motor laufen lässt. So laut, dass auch das Schliessen der Fentser wenig bringt. Aber was bleibt schon anderes übrig, also steht man auf, und in der Zwischenzeit hat sich der Buss gelehrt, 4o Menschen asiatischer Herkunft stehen auf der anderen Strassenseite, machen das obligatorische Bild mehrheitlich mit dem Mobiltelefon, mit dem orange-blauen Bus vor der delikaten Renaissancefassade, steigen wieder ein, die Türen schliessen sich, und mit einer Abgaswolke des immer noch laufenden Motors holpert der Bus weiter die Strasse hinunter.

Pilze in der extrablingbling-massivsilber-Version für Erbgutritter des spreenixblickenden Malteserorden, sucke dis!
Danke, beehren Sie uns wieder. Und während ich 400n Gramm kleine, niederbayerische Champignons putze, drei Minuten in kochendes Wasser tue, einen Sud aus Olivenöl und Balsamicoessig, sowie frischen Kräutern und gemörsertem Pfeffer bereite und dann den Grana Padano über die heiss eingefüllten Pilze reibe, bevor das alles in den Kühlschrank kommt und dort 2 Stunden zieht - währenddessen frage ich mich: Ich opfere jeden Tag Zeit, um den Kasten in Schuss zu halten. Ich habe heute morgen den Müll des Bürgerfestes erntfernt. Jedes einzelne der ichhabsieniegezählt Fenster kostet laut letzte Woche eingegangenem Kostenvoranschlag die Kleinigkeit von 1700 Euro mehr, weil sie handgefertigt sind, damit das Haus seine historischen Proportionen bewahrt. Wenn ich das hier an Ärzte und Firmen vermieten würde, könnte ich doppelt so viel Miete verlangen. Wenn ich es verticken würde, könnte ich den (nicht mehr allzu langen) Rest meiner Tage auf Malle ballern. Ich tue es nicht, weil es das Haus und seine historische Substanz schädigen würde. Ich tue es für mich, ich will mich nicht beschweren, aber auch für alle, die vorübergehen und etwas anderes sehen wollen, als totsanierten Zweckbau.
Und dann knipsen sie das Ding mit dem eigenen Bus davor. Dieses Haus wurde für Ruhe und Kontemplation gebaut, und davor brummt der Diesel direkt unter meinem Fenster. Das letzte Mal, dass ich so sauer war, war in den Uffizien, als ein mitgeschleifter amerikanischer Jüngling der Durchschleusergruppe "Road to Rome" - so zumindest der Aufdruck auf den Käppis - versuchte, seinen Kaugummi klebenderweise an der Basis einer Statue loszuwerden.
Kommt. Bitte. Reisen bildet. Aber wenn Ihr nur genug Zeit habt, ein Bauwerk mit über 600 Jahren Geschichte durch das Display Eurer Handies zu sehen, während vor Euch der Bus denen, die darin leben, die Bude vollstinkt: Bleibt daheim, Ihr verpasst hier nichts, was Euch irgendwas bedeuten würde. Ganz gleich, wo Ihr herkommt.
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Sonntag, 15. Juli 2007
Empfehlung heute: Finger weg

Und wenn Ihr arbeiten müsst, dann arbeitet, husch husch, und macht, dass Ihr rauskommt.
Nur, falls Ihr auf der Dachterasse seid und ohnehin ein klassisches Automobil mit wenig PS und ohne Klimaanlage sucht, wie etwa einen Volvo Amazon, dann ist hier vielleicht was für Euch. Und wenn Ihr schon einen Amazon habt, dürft Ihr hier auch kommentieren und mir erklären, wieso ich das Ding wirklich nicht brauche und mich damit unglücklich mache, denn unter einer rostigen Karre liegend, bringt das Wetter auch nichts.
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Lebende Fossilien.

Das hier ist ein Kirsch-Mandel-Kuchen vom Wochenmarkt. Und zwar so, wie man ihn aus dem späten Mittelalter, der Renaissance und überhaupt aus der Zeit vor dem industriell erzeugten Zucker kannte: Flach, breit, dünn, was früher angesichts der noch nicht bekannten Kuchengabel beim Zerkleinern auch sinnvoll war. Direkt von der Tapisserie also auf meinen Tisch. Wenn man so will, ein lebendes Fossil aus dem Tortenjura. Ein Fossil, das hier seine perfekte Lebensumgebung gefunden und ausser ein paar gefrässigen Bayern keinerlei natürliche Feinde hat.

Die Spezies des gefrässigen Bayern jedoch, die unter solchen Torten trefflich gedeiht, hat es auf die interessante Kombination der Mandelschuppen und dem süssen Kirschfleisch im Inneren agbesehen, weshalb es wirklich auch für ausgewachsene Exemplare des Kirsch-Mandel-Kuchen gefährlich wird, sich auf dem Wochenmarkt herumzutreiben. Er ist zudem leicht von Aussen zu erkennen, denn am Rand sind immer einige dunkelrote Kirschstücke, die dem äusserlich eher unscheinbar-braunen Kuchen dem Kenner schnell verraten.
Das war schon so in der Renaissance, und wird wohl noch lange so bleiben.
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40 Minuten



Wenn heute nicht das sog. "Bürgerfest" in der Altstadt wäre, könnte es wirklich ein schöner Abend sein.
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Freitag, 13. Juli 2007
Dein Vater ist reich und Deine Mutter sieht gut aus
Dein Vater ist reich. Ist das ein Problem? Und was ist reich? Welche Bedeutung hat das Wort im Kontext? Genug zum Leben und noch etwas mehr? Reich ist immer der, der mehr hat als man selber. Ist das ein Problem? Nein. Und so zerfranst sich langsam dieser negative Unterton. Ist halt so. Ich würde das niemandem so sagen, ich würde das Wort "wohlhabend" oder "begütert" verwenden, zwei Worte übrigens, die auf dem Rückzug sind und vom umfassenden reich verdrängt werden. Früher war man reich, wenn man jeden Tag Fleisch essen konnte, heute kann sich jeder Billighack im Kilo leisten, ohne an die leute zu denken, die wegen des Sojaanbaus in der Dritten Welt vor die Hunde gehen, und für die auch die Gropiusstadt eine Oase des Rechtums wäre. Reich. Warum nicht.
Und Deine Mutter sieht gut aus. Das ist bei vielen Müttern so. Frauen bemühen sich eigentlich sehr oft, jenseits der 40 gut auszusehen, fast so, als sei Alter eine Schande. Es ist ok, gut auszusehen, es macht aber niemandem zu einem schlechteren Menschen, wenn er es - immer nach unseren aktuellen Kulturdefinitionen - nicht tut. Auch hier wieder, die Frage der Grenze. Wer definiert das, muss es wirklich schön sein, reicht nicht hübsch und Lebenserfahren auch aus, geht es nicht ohne liften, zählt Ausstrahlung eigentlich nicht mehr als die Fassade, sei es nun Aussehen oder das Geld, oder besser, die Rücklagen auf der Bank? Aber wenn es so ist: Gut. Schön ist erst mal nur schön, weder dumm, arrogant, eingebildet, was auch immer.
Dein Vater ist reich und Deine Mutter sieht gut aus.
Es ist Sommer, das Leben ist einfach, im See nebenan springen die Fische, und das Getreide auf den Feldern steht hoch. Dein Vater ist reich und Deine Mutter sieht gut aus.
Es gibt also keinen Grund, Dir Sorgen zu machen.
Besonders der Nachsatz. Da kommt sicher manchen die Galle hoch bei der Vorstellung. Muss sich nicht strecken, kein Risiko, Kind reicher Eltern, bäh Grünwald Westend Kö Maxstrasse Elbvorort und was da noch alles mitschwingt. Und irgendwo unten der Wunsch, dass es den betreffenden mal richtig auf die Schnauze haut, und man dann vorüber geht und nochmal drufspuckt, die kleinen Träume des grossen Sozialneides. Und die Ahnung, dass es nie so weit kommen wird. Denn der wird einfach irgendwann loslegen, ab in den Himmel, nichts hält ihn auf, und bis dahin ist alles gesichert, denn Vater und Mutter passen ja auf. Sommer, gestern, heute, es wird immer Sommer sein, und das Leben im Sommer, draussen am See, das ist wirklich fein.
Das alles packen manche nicht. Auf Deutsch. Dabei ist es einfach nur Summertime von Renee Olstead.
summertime...
and the living is easy
fish are jumping and the cotton is high
your daddy´s rich and your ma´ is good looking
so hush little baby, don´t you cry
one of these mornings
Summertime you gonna rise up singing, then you spread your little wings and then take to the sky...take to the sky
but till that morning, there´s nothing that can harm you
with daddy and mommy, standin´ by
summertime, yestertime, I´m talking ´bout summertime
and the living, summerliving, and the living is so fine.
Hier. Jetzt. Weit entfernt.
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Gosse hat einen neuen Namen
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Donnerstag, 12. Juli 2007
Segler, Golfer, Lobo
Bei der adical-yahoo-Geschichte war Sascha Lobo abgetaucht. Wieder aufgetaucht ist er in der Bremer Provinz. Dort gibt es noch Leute, denen Lobo die digitale Bohème als Panazee verkaufen kann und die begeistert jedem zuhören, der ihnen hilft, ihr Pleite-Bundesland schön zu fabulieren. Da sieht man routiniert über die verrosteten Eisenträgern im heruntergekommenen Hangar am Airport Bremen hinweg.
Willkommen in der deutschen Realität abseits der schicken DLDs, Barcamps und web2.0-Tagungen. War (fast) alles so wie früher. Bunte Punkte auf dem Namensschild (gelb=Dienstleister, rot=Investor, grün=Gründer, usw. - die Älteren werden sich erinnern), die Subventionshaie aus der Wirtschaftsförderszene, Start-up-Gründer, Verwaltung, Politik und sogar zwei Landesminister (Senatoren) - nur die Location und das Catering waren Web2.0 und nicht NE.
Warm-Upper Dirk Beckmann gab den Massstab vor: Milliarden werden investiert, Web2.0 ist eine "Kulturrevolution", eine "Haltung". Und wie auf Bestellung wird "Yahoo Clever" gelobt. Er nutzt es regelmässig. Er also.
Alles bereit zur Lobo-Selbstvermarktungsshow. Irgendjemand hatte Lobo wohl eingeredet, dass er vor honorigen hanseatischen Kaufleuten auftritt. Sein Iro blieb im Schrank, und er wandte sich in sonorem Ton an die "Golfer und Segler" im Publikum. Zwei eigene NE-Pleiten sollten als Ausweis der Erfahrung herhalten und natürlich sein Netzwerk. Wie die Freundin in New York, die als Beispiel für die beeindruckende Macht des Longtails herhalten musste. "Jamie", so ihr Name, beklebt Lichtschalter mit Renaissance-Motiven und vertickt diese im Internet. Ein Business-Konzept, das uns ohne Web2.0 erspart geblieben wäre.
Natürlich spielen blogs eine Rolle in Lobos Social Media Welt, obwohl er eigentlich gekommen war, "um Sie vor Blogs zu warnen". Sieht aus, als hätte aus der adical-Diskussion gelernt. Blogs sind eine gefährliche Sache: "ab heute wird zurückkommuniziert". In der Provinz galt es für den Propheten bahnbrechende Entwicklungen zu verkünden. Vor 10 Jahren musste ein Experte ein Buch schreiben, um von den Medien wahrgenommen und zu Talkshows eingeladen zu werden. Heute reiche ein Blog aus - ohne zu darauf einzugehen, dass er selbst doch ein Buch brauchte. Der Vorteil von Web2.0 ist die Ansprache ohne Streuverluste. Da gäbe es einen Blogger, der Monoblock-Stühle [ja, der Garten-Sondermüll] als Thema auserkoren hätte. Ein echtes Expertenblog. Verlustfreie Werbeplattform für Plastikfetisch-Artikel?
Lobo sah in Zukunft "für jeden Markt eine Community". Second Life wird es jedoch nicht sein, "da brauchen Sie nicht zu investieren" - "geben Sie kein Geld aus". Selbstkritisch vermerkte er, dass dies sich in seinem Buch noch anders angehört hatte. Nicht jeder Trendzug fährt halt zum Erfolg. Wenn es Richtung Kinderpornos und Cybersex geht, springt auch Lobo besser ab.
Das urbane Pennertum, die Experten für beklebte Lichtschalter und Billigstühle, wurde in der Veranstaltung als neue "creative class" gefeiert, das von den Städten anlockt werden müsste, damit die Unternehmen dann von selbst kommen. Da stellt man sich unwillkürlich das von Lobos ZIA geplante Schlafsacklager "9to5" vor. Nachdem in Bremen die übliche Wirtschaftsförderung das Land an die Wand gefahren hat, muss man befürchten, dass die Senatoren Lobo ernst nehmen und Campingplätze freiräumen.
Gott sei Dank wurde die abschliessende Diskussion ganz schnell abgesagt. Ein Blick nach draussen hätte genügt, um das reale Business zu sehen und nicht die Gaga-web2.0-Geschäftsideen. Die Boombranche der letzten Jahre: Die Jets der Billigflieger für Ausflüge in die Realität statt ins virtuelle Netz. Leider werden nie Digitalnomaden in den Fliegern sitzen, auf dem Weg zum Strand, wo sie mit dem Notebook arbeiten und Aufträge nur zwischen 20:00 und 24:00 Uhr entgegennehmen.
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Vielen Dank, A.! Und um das an der Stelle auch noch gleich loszuwerden: Aufgrund einer massiven Uneinsichtigkeit eines wenig seriösen Autors und trotz mehrerer Warnungen musste ich jetzt auch noch eine Strafanzeige gegen ein kommerzielles Medienangebot stellen lassen. Nur damit sich demnächst keiner wundert, wenn es wieder etwas härter zugeht - sage bitte keiner, ich würde das heimlich tun.
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Der beste Kauf des Sommers
Iris so: Oh Gott nicht schon wieder, es ist Sommer, da braucht das kein Mensch, und es steht dann nur wieder rum.
Ich so (vollkommen ungerührt): Was kostet der?
Händler so (mit Blick auf die zeternde Iris): 10 Euro
Ich so: Gekauft!
Iris so: ichfassesnichtschonwiedereintrummderhatnenhau (oder so ähnlich)

Ich so: Jetzt bitte. es wird sicher irgendwann wieder Winter. Da kann man den gut brauchen. Ausserdem hat sie eine hübsche Nase.
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Empfehlung heute: Eine gute Idee für Schäuble
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Ma non troppo I: Bolivian Baroque Vol.2

Voltaire nimmt in seinem Candide so gut wie alles an Zeitgeschichte mit. In einem Parforcereritt durch vier Kontinente lässt er seinen Helden die Schattenseiten der Welt des 18. Jahrhunderts erfahren, und überall lauert Betrug, Gier, Dummheit und religiös motiviertes Verbrechen auf die Helden. Eine Ausnahme aber macht er, und die betrifft ausgerechnet die ihm ansonsten höchst verhasste Gesellschaft Jesu. Denn bevor Candide den sog. Jesuitenstaat in Paraguay erreicht und dort den Bruder seiner Angebeteten ersticht, erzählt ihm sein derber Diener Cacombo von den Sitten im Herrschaftsgebiet der Gesellschaft. Und es ist gar nicht so arg negativ: Es geht dort "nur" um die Ausbeutung von den Eingeborenen, Durchsetzung der jesuitischen Staatsdoktrin und um Machtspiele gegen die spanischen Siedler und die spanische Krone. Das ist für Voltaire, relativ betrachtet, ein sehr mildes Urteil, zumal es erkennbar die schlechte Nachrede einer Buffofugur ist.
Der Jesuitenstaat bringt die Aufklärer in Argumentationsnöte. Viel ist darüber in Europa nicht bekannt, denn die rund 30 Mustersiedlungen für einen Indiostamm, die von der Gesellschaft im heutigen Bolivien, Paraguay und Argentinien in abgelegenen Regionen gebaut werden, legen keinen Wert auf Einmischung von aussen. Die Jesuiten hatten die Erlaubnis direkt von der spanischen Krone, sich nach ihren eigenen Vorstellungen um die Indios zu kümmern. Im Gegensatz zu den weltlichen Siedlern, die Indios gnadenlos bis zur - man kann es nicht anders sagen - Vernichtung durch Arbeit treiben durften, solange sie nur einen Geistlichen zu ihrer Bekehrung unterhielten, versuchten die Jesuiten, die eingeborene Bevölkerung behutsam für ihre Werte zu begeistern und ihre Existenz zu sichern. Die heute als Weltkulturerbe geschätzten Jesuitenreduktionen waren tatsächlich eine Art gelebte Sozialutopie, die sich zumindest von der umgebenden Ideologie der Ausrottung fundamental unterschied.
Man könnte jetzt lange darüber diskutieren, ob das Angebot "sanfte Bekehrung gegen Schutz vor der Vernichtung und Sklaverei" fair war. Jedenfalls waren die Reduktionen durch ihre straffe Organisation wirtschaftlich so erfolgreich, dass man in Europa vermutete, die Siedlungen würden durch Gold- und Silberbergwerke und Ausbeutung der Indios das Vermögen der Nachfolger des Ignatius mehren. Genaues wusste keiner, denn der Zutritt zu den Siedlungen war Europäern nicht gestattet, und auch die Priester hielten sich weitgehend fern von den zumindest teilweise autonomen Gemeinschaften. Bis auf die Messen, die man zusammen zelebrierte, und die den Schäfchen alle Herrlichkeit des Ordens vorführen sollten.

Womit wir bei der CD "Bolivian Baroque volume 2" des auf alte Musik spezialisierten Ensembles Florilegium aus England und seiner Entdeckungsreise zu den musikalischen Schätzen der Gesellschaft in Bolivien sind. Florilegium hat früher schon eine Reihe aussergewöhnlicher Tonträger produziert, wie etwa feinste Aufnahmen der Kammerkonzerte von Telemann, die sich fundamental und wohltuend von den Kurorchesterfassungen unterscheiden, die man für 2,99 Euro in Massenmärkten in MP3-Krachwürfelabmischung bekommt.
Im Gegensatz dazu ist die vorliegende CD keine "sichere Bank". Die Komponisten, deren Musik in bolivianischen Archiven schlummerte, sind teilweise trotz der Recherchen des Ensebles anonym geblieben, und selbst Locatelli, Balbi, Bassani und Brentner gehören nicht zwingend zum Kreis derer, die man im Konzertverein Hinterbüschelhausen aufführen würde. Aber was für ein Verlust! Schon das Allegro Assai von Balbis Sonate No. 9, mit dem die CD eröffnet, lässt dem Ensemble freien Raum zur Entfaltung seiner ganzen Könnerschaft, die Aufnahme ist nicht weniger als brilliant, und wunderbar saftig im Hall der originalen Jesuitenkirche. Wenn man dem Ensemble glauben darf, ging es dem Tontechniker nicht allzu gut - aber davon hört man auf der CD absolut nichts.
Der Punkt, an dem ich wusste, dass ich die CD haben muss, und für den allein sich die 25 Euro für die Super Audio CD gelohnt haben, sind die knapp vier Minuten des "Glória et honóre" aus der Feder des tschechischen Komponisten Jan Josef Brentner, das voller Stolz und Selbstbewusstsein kongenial alles zusammenfasst, was so ein Jesuitenmissionar empfunden haben muss, wenn er sich im bolivianischen Dschungel zum Herrscher in seinem eigenen kleinen Reich aufgeschwungen hatte. Hybris, Arroganz, in dieser geistlichen Chormusik ist so viel von der schwärzesten Form der Weltzugewandtheit, ein völliges Fehlen jeder Demut, es ist ein fast schon totalitärer Lecktmich-Track, den man sich wirklich mitten im tiefsten bolivianischen Urwald vorstellen muss, tausende von Kilometer und ein Ozean entfernt von der nächsten Kontrollinstanz, zum Ruhme des Ordens aufgeführt und der Verherrlichung seiner Ziele. Dann entfaltetet das Stück seine volle Wucht. Sollte man vorhaben, sich jemals mit 30o Sachen auf Koks in einem Ferrari in den Brückenpfeiler zu knallen, den man voller Überheblichkeit noch mit "Verpiss Dich" anbrüllt - dann ist das der passende Soundtrack dafür.
Mit dem Arakaendar Bolivia Choir stehen dafür Stimmen zur Verfügung, die zudem nicht im Mindesten so gezügelt, kontrolliert und gefällig glatt sind, wie europäische Chöre. Es ist eben nicht mehr europäisches Barock, das in Bolivien aufgeführt wird, es ist Lateinamerika über europäischen Vorbildern, und es bemächtigt sich der strengen liturgischen Kompositionen wie der Urwald einer Kirchenruine. Wer allerdings Latino-Remmidemmi erwartet, wird enttäuscht - Arien wie "Quis me a te sponse separábit" stellen höchste Ansprüche an die Sänger. Wer etwas über die Aufnahmequalität wissen will, spiele Track 8 an - 8 Glockenschläge mit allen Nebengeräuschen in 31 Sekunden, danach kann man sich jede Debatte sparen, selbst wenn man im Booklet nicht nachgelesen hat, was da verwendet wurde.
Was ich persönlich ein wenig schade finde, ist die unvollständige Darstellung der Jesuitenreduktion und ihrer historischen Hintergründe. Die Grundlagen stehen zwar im ersten Teil der Serie, werden aber nicht tief genug diskutiert, um den kompletten geistesgeschichtlichen Hintergrund der Musik darzustellen. Die Musik steht zwar für sich selbst, aber es ist noch erheblich mehr als europäischer Barock in Südamerika. Es ist sicher nicht das übelste Kapitel in der Geschichte des Ordens, nicht im Mindesten, aber man sollte bei all der Gewalt und Kraft, die der Musik innewohnen, nie vergessen, dass es mit ein wenig Pech und Indoktrination an den Höfen des 18. Jahrhunderts ganz schnell zur Begleitmusik der Vernichtung der Aufklärung in Europa hätte werden können. Denn wer sich so masslos im Urwald feiern lässt, kennt keine Zurückhaltung und würde auch die Welt in Brand setzen, um seine Ziele zu erreichen.
Das ist es, was mir diese Musik sagt. Sie ist grandios, gewaltig und nicht weit entfernt von der Gewalttätigkeit. Es ist die Musik von Ausbeutern, Gehirnwäschern und Unterdrückern, sie ist es wert, gehasst zu werden, und zu allem Überfluss höre ich sie in diesem Moment genau an dem Ort, von wo aus sich der Orden über die Welt verbreitete. Wo ich sitze, war ihre Bibliothek, nebenan starb ihr brutalster Verfechter, und nur diese Musik und der Raum, allein in der Nacht mit drei Kerzen, während im Giftschrank neben mir Neumayrs Religio Prudentum von 1764 in ihrem weissen Pergamenteinband schimmert - das wäre zu viel. Diese CD von Channel Classics schafft etwas, das noch keiner vor ihr gelungen ist.
Sie macht mir Angst.
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 11. Juli 2007
Werbefrei
Soziale Distinktion und Grenzen zwischen Schichten können sehr unterschiedlich aussehen. Dort allerdings, wo sich Schichten räumlich zusammenballen, gibt es Merkmale, die sich durch Jahrzehnte und Herrschaftsformen bewahrt haben. Dort, wo sich Reiche, Besserverdienende, die Elite, die Bonzen, man nenne sie, wie man will, niederlassen, gibt es gewisse Dinge einfach nicht. Und es ist besonders das Ausgrenzen einer Sache, die global in das Auge sticht: Werbung.
An der Zufahrt zum guten Viertel der Provinzstadt liegt eine Kunstmühle, die im Laufe der Jahrzehnte von den Repräsentationsbauren von Ärzten, Managern und Mittelständlern eingeschlossen wurde. Sie war ein Fremdkörper in einer Gegend, die sie früher beherrschte, und der Müller hatte wenig Verständnis für seine neuen Nachbarn. Desgleichen nicht für seine Mühle, und so liess er an der Hofmauer zwei Reklametafeln anbringen. Seit nicht allzulanger Zeit jedoch ist die Mühle im Besitz seines Sohnes, der ihn zu einer Wohnanlage umbaut, und nach dem Auslaufen der Verträge mit dem Aussenwerber sieht die Wand jetzt so aus:

denn Werbung macht jetzt die Preise kaputt. Das, was das Ensemble durch die Wirkung optisch im Wert verliert, ist durch die paar Euro des Plakatklebers nicht mehr herein zu holen. In der Ecke der Stadt leben nur 2% der Bevölkerung, es ist der Teil, der diese Stadt zum grössten Teil gehört, und auf diese Menschen kommt jetzt exakt 0 % der gesamten Aussenwerbung. An den Briefkästen wird überall Werbung untersagt. Man muss hier gar nicht darüber reden: Werbung ist unfein. Dass die Werbetafeln verschwinden, war jedoch durchaus Thema: Sie störten. Und man ist froh, dass sie verschwunden sind.
Man kommt ohne Werbung aus. Man muss es laut aussprechen: Man kommt ohne Werbung aus. Und jetzt das Ganze mal inhaltlich umdrehen: Man kommt nicht ohne Werbung aus. Man vergleiche
A muss nicht darüber reden: Werbung ist unfein.
B kommt ohne Werbung aus.
C kommt nicht ohne Werbung aus. Oder noch schlimmer, C kommt nur mit Werbung aus.
So wie das Fehlen von Werbung ein Kennzeichen einer Klassengrenze ist, wird ihre Anwesenheit zum Stigma derer, die sie benötigen und betreiben. Wenn man noch bedenkt, dass Werbung nicht vom Himmel fällt und durch den Preis wieder von den Kunden bezahlt wird, wenn man sich die gesamte asoziale Dimension von kommerzieller Werbung vor Augen hält, sollte verständlich sein, warum man sich, so man kann, davon entkoppelt.
Natürlich sucht sich Werbung Lücken im System. Werbekataloge von Sotheby´s schaffen es, gekauft zu werden, weil sie die Werbung mit Gegenwert verbinden. Es ist nicht unmöglich für Werbung, sich aus dem stinkenden Pfuhl der Verarsche zu erheben, die ihr Urgrund ist. Es gibt faire Geschäfte, und faire Information. Wenn hinten in einem Buch erwähnt wird, dass es von gleichen Autor noch weitere Bände gibt - wieso nicht? Wenn Labels CDs verschenken, in denen ein Querschnitt des neuen Programms zu hören ist - feine Sache!
Aber das Reindrängeln, das Rumschreien, das Anschleimen, und besonders der Versuch, auf der sozialen Schiene anzukommen, das Kaufen von Leuten, die Beziehungen monetarisieren wollen, das geht gar nicht. Und da darf man sich dann auch nicht wundern, wenn man Werbung nötig Habender schneller aus der Freundesgalerie fliegt, als die Plakatwände bei der Kunstmühle verschwinden.
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Empfehlung heute - Die Abrechnung kommt
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 11. Juli 2007
Ma non troppo

Optik jedoch ist nicht alles. Nachdem wir wieder alle drin sitzen und die Katze schon auf das Befeuern des Kachelofens wartet, und ausserdem das Dasein zu kurz ist, um sich immer nur mit Abschaum und Kommerzdreck im Netz auseinanderzusetzen, wird es hier eine weitere, neue Kategorie geben, die sich mit dem Schönen und Angenehmen auseinandersetzt. Wie allgemein bekannt ist, schreibe ich gern über Themen, die meine Leser hoffnungslos überfordern, um herauszufinden, was man eigentlich tun muss, um sie zu vergraulen. Nachdem mein Wegzug aus Berlin aber ebenso wenig geholfen hat wie Erzählungen aus der langweiligen Provinzgesellschaft oder 300 Jahre alte Bücher oder die immer gleichen Flohmarktbesuche und das Herzeigen meiner Silberbestände, kommt nun nochmal schwerere Kost.
Ich habe zu allem Sonderlichen nämlich auch noch einen höchst eigenen Musikgeschmack. Selbst aus Sicht der Liebhaber klassischer Musik höre ich immer noch mit Vorliebe Aufnahmen, die dem üblichen Konzertvereinsmitglied verschlossen bleiben. Meine Lieblingslabels führen auf, welches Kabel sie an welche B&K-Mikrophone angeschlossen haben, und welche Monitore sie zum Abmischen verwendeten. Um überhaupt die nötige Menge an Käufern zu erreichen, werden die CDs global gehandelt; in kleinen High-End-Geschäften, deren Besitzer genau diese exzellenten Tonträger brauchen, um den Verkauf von Spezialkabeln zu rechtfertigen. Von so einem Herrn beziehe ich auch meine Musik, was die ganze Sache zusätzlich auf sehr ungerechte Weise auf wenige Labels beschränkt.
Will sagen: Ich werde wöchentlich eine CD in höchsten Tönen loben, die die meisten Leser vermutlich nicht mal erwerben könnten, verstünden sie überhaupt, was ich da von mir gebe. Aus diesem Grunde der beabsichtigten Überlastung nenne ich die Kategorie auch "ma non troppo". Dazu kommt noch ein wenig hochspezalisierter, kulturgeschichtlicher Hintergrund, und so bin ich also guter Dinge, dass in baldiger Zukunft die grosse Mehrheit meiner Leser Entspannung bei Subplebs sucht, der auch in einem Alter jenseits des Kindergartens der Kombination von Hundekot und Zahnbürsten amüsante Seiten abgewinnen kann. Vielleicht geligt es mir sogar, damit einen feindlichen Kommerzmitleser einzuschläfern. Das würde mich jedenfalls sehr freuen.
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SC
Aber volle Kanne. Holt die Mistgabeln, die Fackeln, die Äxte, die silbernen Kugeln und die Eichenpflöcke, sie sind wieder da, und Heise heult wieder mit ihnen.
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Empfehlung heute: Kurz und lakonisch
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Alternativbilder

Bücher einsortieren und dazu endlich einen kleinen, passenden Lesesessel finden. Das bedeutet zwar, sich mit der misslungenen Farbe im Eingang abzufinden, aber so ist es eben.

Man findet zudem nach etwas Suchen und Probieren passende Orte für Trouvaillen und Familienstücke.

Und man kann es sich leisten, die Uhr eine Weile nicht aufzuziehen. Für die Muse, auf dass sie sich das mit dem Weiss nochmal überlegt.
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