: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 7. Mai 2008

Empfehlung heute - Das Treiben der Nachbarn

Ich habe natürlich auch keine Ahnung von Kricket, aber ich finde diesen Text darüber bei Intelligent Life sehr ansprechend. Ich glaube, ich muss gleich noch eine Teekanne bestellen.

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Et ego in

Es sollte sein, wie letztes Jahr: Morgen zum letzten Mal auf den Wochenmarkt, dann die Garderobe passend erweitern, Tags darauf die Reisebegleitung abholen, packen, und dann die übliche Route über den Jaufenpass nach Meran und weiter an den Gardasee, über Landstrassen und Nebenstrecken, und als erstes Ziel Verona ansteuern. Es wird etwas anders: Zwischenstopp am Tegernsee, dann nach Italien, zum arbeiten, davor und danach etwas rumgondeln, auch nach Verona.

Ich war letztes Jahr oft in Verona, es ist für mich die italienische Stadt, die neben Mantua und Piacenza eine Region umschreibt, wo ich fast am liebsten leben würde, übertrumpft nur noch von einer einzigen anderen Region. Ich werde auch dieses Jahr wieder nach verona fahren, aber mit einem wirklich schlechten Gefühl im Bauch. Ein Grossteil meiner Berichte wurde in einem Callshop abgeschickt, mit einer äusserst sympathischen Dame aus Afrika am Schalter, die sich wirklich um meine Blogs verdient gemacht hat, und mir androhte, zukünftig zur Verbesserung meines Italienisch auf Englisch zu verzichten. Sie ist mit einem Stimmorgan gesegnet, das die Wände wackeln liess. Und ich hoffe, dass sie noch da ist.



Denn schon letztes Jahr fühlte sie sich eher unwohl. Letzte Woche nun haben in der Innenstadt fünf Neonazis einen Passanten zu Tode geprügelt, der ihnen keine Zigarette anbieten wollte. Verona ist inzwischen zu einem braunen Schandfleck geworden, zu einem Politically Incorrect Oberitaliens, aller Versuche diverser lokaler Gruppen zum Trotz, sowas wie ein Gefühl für eine offene Stadt zu vermitteln. Und bitte, es ist kein Problem, das mit Ostdeutschland vegleichbar wäre: Verona hat neben Venedig die stärkste aller Traditionen als Handelsstadt, her stiessen seit jeher Kulturen zusammen, und der Reichtum der Stadt liegt genau darin begründet.

Trotzdem ist hier die Lega Nord zusammen mit etlichen anderen, unschönen politischen Auswüchsen am Drücker. Letztes Jahr wurde Flavio Tosi Bürgermeister, der landesweit mit einer unsäglichen Ernennung zweier Faschisten als Vertreter für das Zentrum der Resistanca bekannt wurde. Dass er als Saubermann auftreten will, während der gewöhnliche Veroneser bis ins Industriegebiet Industriegebiet zu den ausländischen Sexarbeiterinnen fährt, gegen die sein gewähltes Stadtoberhaupt vorgeht, ist nur ein weiterer Anlass, von Verona abzurücken. Das betrifft auch andere: Formal ist sogar das Essen auf öffentlichen Plätzen verboten.

Und dazu noch das neu-alte Regime mit Figuren, die vollkommen unerträglich sind, und für Nazis, Faschisten und Leute wie Tisi die Bahn frei machen werden. Es ist nicht leicht, dort einfach mal so wegen des Spasses hinzufahren. ich fahre dorthin, weil mein Heuschnupfen erträglich ist, und ich ausserdem den Job habe, über die Mille Miglia zu schreiben. Ich mag Verona. Aber ich werde gerade nicht wirklich gern dort sein. Es ist noch nicht so wie die USA, in die ich angesichts von Hinrichtungen und Folter nicht reise, aber auch nicht mehr so unbeschwert wie letztes Jahr.

Brescia ist übrigens auch keine Lösung: Dort regiert Berlusconis Schmierentruppe, wenigstens ist in Mantua noch Fiorenza Brioni an der Macht. Mantua. Ich sollte diesmal vielleicht Mantua den Vorzug geben.

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Montag, 5. Mai 2008

München. Nacht.

Wenn ich eines Tages nicht mehr die Sensation empfinde, in der Dunkelheit in München anzukommen, wenn es irgendwann banal sein sollte, die Stadt zu erreichen und kein Gedanke mehr da ist, sich auf das Leben in der Nacht einzulassen, bin ich das geworden, was man wohl als alt bezeichnen muss.



Es gibt Orte, da reicht es schon aus, nur einmal dort gewesen zu sein, um jedes weitere Mal zu oft dort gewesen zu sein, es gibt Tanztempel, die nur noch Erinnerung sind, es gibt das Parkcafe als Architektur ohne Bedeutung und das Ballhaus als banale Kneipe, gehalten hat sich wenig und die Sensationen sind selten geworden in einer Zeit, die Kokain ernst nimmt und posttraumatisch orientierungslos ist, 4 on the floor haben alles zertrümmert und wenig wurde aus den Spolien gebaut, es war früher nicht besser, wer gibt schon zu, dass eine Weile die Herrenbekleidung aussah, als hätte jeder bei Thierry Muglier gekauft, und wegen der vielen Knopflöcher von Gaultier empfand man sich ebenfalls nicht als der Affe, der man war. Es waren wilde Jahre, es gab keine Angst ausser der vor AIDS und Schwangerschaften, es gab noch eine Zukunft, die mehr versprach, als sie gehalten hat.



Und trotzdem hat sich vieles geändert. Manche heiraten und sitzen jetzt in der Provinz, andere heiraten nicht und bieten den Nährboden, auf dem sich Münchens überteuerte Pseudoküche für Pseudofeinschmecker entwickeln kann, andere können immer noch weggehen, und es fällt nicht auf. Die Altersgrenzen verwischen zunehmend, der angebliche Standortvorteil von Berlin, dass man auch mit 40 noch weggehen kann, als wäre man gerade 25, ist ein vollkommen normaler Aspekt der meisten Grossstädte und der Bewohner, die es in den 80ern verlernt haben, sich in Kategorien pressen zu lassen. Alter ist weitgehend irrelevant, die Zeit als Kriterium ist zertrümmert, die Götzen haben sich verändert, aber der Kult ist immer noch der Hedonismus.



Wir sind alle schön. Wir sind alle hässlich. Wir leben, wir dürfen, wir können, jetzt und in alle Ewigkeit. Das ist das Credo an der Isar und den südlichen Regionen, das ist der Anspruch und das Versprechen, das einzulösen man nicht aufhört, die Legenden mögen verschwunden sein, aber es gibt immer noch zu viele Geschichten und Vergangenheiten, und wenn sie schmerzen, schafft man sich eben neue Gegenwarten und bleibt dabei, bis sie, frisch vergangen und immer noch blutig, etwas älter und golden wirken. Wir können das.

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Test für Sozialkompetenz

Ganz einfach: Zahle Deine Grunderwerbssteuer zum letztmöglichen Termin, schreibe eigenhändig die Summe in den Überweisungsträger und werfe ihn bei der Bank ein. Und dann versuche, den ganzen Tag nett, freundlich, aufgeschlossen und joval zu bleiben, selbst wenn du unfreiwillige, nicht allzu nahe Bekanntschft mit dem drängelnden Fahrer eines tiefergelegten 3er BMWs machst.



Zufallsente vor sonnigem Wasser zur Beruhigung. Zumindest eines der beiden Ereignisse wäre unnötig gewesen.

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Montag, 5. Mai 2008

Abyssinische Verhältnisse

Es kommt zusammen, was wohl zusammengehört; neben der heutigen gelungenen Präsentation der erheblich jüngeren Frau des Chefarztes vor der provinziellen Gesellschaft nach deren Heirat ausserorts, sie in schwarz, dunkelgrün und Perlenketten, er in unsicher und vermutlich voller Angst, dass die Verflossene bissige Bemerkungen macht, so von wegen Chefarzt und Pharmazeutin, neben dieses Ereignisses also, auf das gesondert einzugehen ich wohl nicht herumkommen werde, sagt es doch viel über unsere kleine, hiesige Gesellschaft aus, daneben kam auch noch das eine zum anderen bei mir, angefangen von dieser herzigen Vorstellung der Gesellschaft Jesu des freudigen Afrika angesichts des Auftauchens dieses Ordens:



Die barbusige Dame auf dem Elefanten jedenfalls, die man auch als frühes Beispiel für "interracial Porn" ausgerechnet im neben dem Stadtpalast befindlichen Oratorium werten könnte, wäre man böswillig genug, hat viele Schwestern, die heute auf der dachterasse, nach dem Konzert aus den Seiten stiegen von, jetzt wird es lang, "Benjamin Noldmann's Geschichte der Aufklärung in Abyssinien, oder Nachricht von seinem und seines Herrn Vetters Aufenthalte an dem Hofe des grossen Negus, oder Priesters Johannes", welche aus der Feder des Freiherrn von Knigge stammen. Der wiederum war Aufklärer und zeitweise Illuminat, ein Anhänger jener völlig überschätzten Aufklärergemeinschaft, die ausgerechnet in dieser Provinz ihren Ausgang nahm und natürlich, denn wie könnte hier Aufklärung erfolgreich sein, scheiterte wie die SPD in Bayern am Wahlziel 60+x. Aber CSU-Krise, Microsofts verdorbener Magen von dem, was Yahoo ihnen würgte, das alles ist unwichtig angesichts der entzückenden Aufklärungsparodie, die meinen Tisch dank der Anderen Bibliothek zierte.



Allerdings wüsste ich jetzt nur zu gern, ob der von mir verehrte Evelyn "There was some concern that the men under his command might shoot him instead of the enemy" Waugh jenes Buch kannte, als er mit "Black Mischief" das Thema der versagenden Aufklärung mit besten Absichten und schlimmsten Folgen ähnlich sarkastisch in Szene setzte, bezeichnenderweise ebenfalls in einem Land, das Abyssinien gleicht. Ich sollte es nochmal lesen, wenn ich mit Knigge fertig bin. Wobei das aber noch etwas dauern kann, wenn ich weiter nichts tue, als den Sonnenuntergang zu betrachten, der auch über Afrikas Savannen kaum eindrucksvoller sein kann - Knigge, der nie selbst dort war, schweigt zu diesem Thema.



Morgen Abend dann muss ich zu einem Herrn in München, der sich nun einen 20 Jahre alten Porsche gekauft hat, in der Hoffnung, dass sein Wert steigen möchte - nachdem er mit den Investitionen, die Thema unserer Gespräche sein werden, so viel verloren hat, dass er sich 15 Porsche hätte kaufen können. Die Abgründe von Abyssinien, scheint es, sind nie wirklich fern.

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Empfehlung heute - Eine Geschichte,

die ich vermutlich in San Remo ähnlich erlebt haben dürfte, wie Loreley sie in Marseille erlebt hat, werde ich wie sie hier auch nicht aufschreiben - und die Sache mit dem alten Sack in Südfrankreich, die ich selbst nicht viel anders aus Frejus und aus einem öffentlichen, schnell zu verlassenden Cafe kenne, die übernimmt netterweise Loreley frei Haus. In Südfrankreich an der Küste findet man bemerkenswert viele durchgeknallte Leute, ganz anders als im restlichen Frankreich.

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Sonntag, 4. Mai 2008

Der zu perfekte Mieter

Man kann es natürlich auf München schieben. Im ersten Moment dachte ich gar, der an die Marmorsäulen vor dem Hintereingang des Unihauptgebäudes geklebte Zettel sei vielleicht sowas wie eine Form des viralen Protestes gegen Wohnungsnot, Mietwucher und den Druck auf Studenten, sich gnadenlos zu verbiegen, wenn sie eine bezahlbare Wohnung suchen. Ist es offensichtlich nicht.



Ich komme aus einem Clan, der seit dem Beginn des dokumentierten Immobilienbesitzes im frühen 18. Jahrhundert vermietet hat. Wir haben immer vermietet, und mit fast allen Mietern der letzten 20 Jahre sehr viel Glück gehabt. Ich meine, in der Hinsicht die uns eigene Menschenkenntnis geerbt zu haben, und deshalb kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass ich diesen Herrn ablehnen würde.

Denn das ist ein Drängler. Einer, der für den persönlichen Vorteil viel, zu viel tut. Angefangen vom im Original nicht gebalkten Profilphoto Marke perfekter Schwiegersohn, über die Beschreibung, die Ansprache der Gier des Lesenden - 300! Bar auf die Kralle - bishin zur ungefragten Bereitschaft, einfach so über seine finanziellen Verhältnisse Auskunft zu geben. Das ist jemand, der ohne Notwendigkeit sofort alle noch so üblen Anforderungen zu erfüllen bereit ist, um seine Ziele zu erreichen. Und das auch noch nicht gerade angemessen auf einem Baudenkmal, das keine Litfassäule ist, kundtut.

Er passt sich perfekt und freiwillig dem Markt an. Und ich weiss mit absuluter Sicherheit, dass er die angeboteten 550 Euro warm als Anlass nehmen wird, für jeden lumpigen Cent das Maximum herauszuholen. Ich wette, dass er die Wohnung teurer untervermietet, wenn er mal drei Monate im Ausland ist, er wird das als berechtigung wahrnehmen, zu jeder Tageszeit wegen was auch immer anrufen, die Aufstellung der Mietkosten nach monierbaren Details durchsuchen, und am Ende vorzeitig kündigen, einen Nachmieter anschleppen, den seinen ungewollten Krempel teuer ablösen lassen - so ist das im Markt, es gibt eben immer einen, der für knappen Wohnraum extra zahlt - und sich ausserdem um jede Renovierung drücken. Und davor wird er versuchen, alles, was möglich ist, den Vermietern draufzudrücken. Immer. Bei jeder Gelegenheit. Drängeln ist keine Massnahme, es ist ein Charakterfehler. Besonders bei Leuten, die glauben, sich Vorteile erkaufen zu können.

Das Bestreben von Vermietern jedoch ist es, einmal zu vermieten und dann über Jahre weitgehend Ruhe zu haben. Wenn man wie der Verfasser dieser Zeilen die Kosten der snstehenden Grunderwerbssteuer anders, stressiger erarbeiten muss, möchte man sich in diesem Geschäftsbereich zumindest keine zusätzlichen Schereien aufhalsen, wenn schon die Kundschaft wegen ihrem schönen, falsch investierten Geld jammert.

Mei Ruah mog I. Und keinesfalls solche Mieter.

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Freitag, 2. Mai 2008

Empfehlung heute - Gefährliche Mission

Also, ganz ehrlich: Mich beschleicht beim Betreten von Kirchen immer ein blödes Gefühl, das später das Interesse an der Kunstgeschichte wegwäscht. Aber sowas wie Glamourdick würde ich doch nicht wagen.

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Real Life 1.1.2008 - Besser als jede Vorabendserie

Du gehst gern zu dem Konditor im Ort, wenn Hochbetrieb ist. Bei Hochbetrieb, sagen wir mal, so gegen halb vier an den Sonn- und Feiertagen, kann man immer fünf Minuten spannende sozioethnologische Beobachtungen machen. Armutsforscher gehen in Obdachlosenasyle, Reichtumsforscher, die es in einer vergleichbaren Form nicht gibt, sollten das hier besuchen: Eine etwas teurere Konditorei mit schweren, wirklich schweren Torten an der Strasse zwischen einem Casino und drei Millonärsvierteln, an einem Feiertag um halb vier.



Neben den üblichen Rentnerinnen in Gucci und Chanel, die sofort den Wunsch nach selektiver, gegenläufiger Rentenanpassung in unterschiedlichen sozialen Schichten aufkommen lassen, drücken an solchen Tagen die Nachfolger rein. Besonders herzig in diesem Kontext zwei Clans, zwischen denen eingepfercht du auf deine Torte wartest.

Da ist also die städtische Kleinfamilie, Eltern etwa in meinem Alter mit einem Sohn im niedrigen Grundschulalter. Papa in Schwarz mit dunkelgrauem Lodenjanker, Mama in Schwarz mit diesen beschnallten Stiefeln, die sowas wie Durchsetzungskraft ausdrücken sollen und immer arg bemüht wirken, beide den Eindruck erweckend, man habe gleich in der Villa einen grossen Empfang zu geben, und bräuchte neun Stück Kuchen. Es ist voll, es ist eng, von hinten schiebt die zweite Familie heran, und so wäre es angeraten, die Extremitäten dem Umfeld entsprechend zu kontrollieren. Nicht aber bei Mama. Obwohl auf der Sachertorte fett "Sacher" draufsteht, wippt sie dynamisch in die Knie, lässt die Hand dynamisch in Richtung Torte sausen, ungeachtet des Umstandes, dass du genau dorthin gedrückt wirst, und weil die Torte weiter unten ist, kommt es zu einer Kollision von Hand und einer deiner Körperregionen, das dir, würde dir es bei einer Frau passieren, so peinlich wäre, dass du dich sofort im See ertränkest. Zumindest würdest du daran denken, und dich danach, dunkelrot vor Scham wie eine Himbeertorte, entschuldigen. Sie jedoch nutzt dein instinktives Zurückweichen, um mit dem manikürten, geisterweissen Fingernagel auf das Glas vor der Torte zu tippen. Du findest konservative Leute erträglich, wenn sie sich konservativ benehmen, aber diese Vermischung, Kassieren wie ein Ausbeuter und privates Benehmen wie im antiautoritären Kindergarten, macht dich fertig. Denkst du.

Und drehst den Kopf zur Seite, denn du hast genug gesehen, und wirst jetzt bedient. Du musst nicht deuten, du kennst hier die Torten,du kenne sie alle, leicht und effektiv erbittest du das Gewünschte, einen Kontrast zu setzen gegen Herr und Frau Neokonservativ, da erblickst du den Block, der dich gegen sie drängte: Noch eine Familie, diesmal eindeutig altkonservativ, so, wie man das fette Balg in eine ladenneue Bauerndeppenuniform gezwängt hat: Ladenneue Lederhose mit Hirschhornlametta, Dorfseppelhut, Haferlschuh, Wadlsocken und ein kariertes Hemd. Von Ralph Lauren.

Dergestalt angetan, unternimmt das Balg seine erste Klettertour an den Metallstangen von der Tortenvitrine. Es werden wohl die einzigen bezwungenen Berge sein, eine Ernährung, die das Breitenwachstum im Auge hatte, dürfte selbst die Besteigung des Gasteigs oder des Osterberges bei Gmund unmöglich machen. Seine mutmasslichen Eltern sind möglicherweise gerade aus dem Musikantenstadl ausgebrochen, Kirschbombe und Tegernseetorte werden farblich gebleicht durch die Farbenexplosion von Dirndl und seiner zwischen dem Janker hervorberstenden Weste. Und sie unterhalten sich auf bestem Mitteldeutsch mit hessischem Einschlag über ihre Auswahl. Der Farbschock lässt nach, du erkennst eine üppige Moschinotasche in Glanzleder an der Seite des Dirndls, und der Mann spielt mit seinem Porscheschlüsselanhänger. Draussen steht das passende SUV. Hanauer Kennzeichen, wie du beim Verlassen des Cafes sehe. Konservativ bis in die Knochen ist auch Scheisse.

Sie wiederum werden sich gedacht haben: Äh. Noch so ein Berufssohn, mit seinem mittelbayerischen Tonfall und dem Smalltalk mit der Bedienung, die jetzt zum gefühlt zwanzigsten Mal in der Öffentlichkeit lautstark betont, wie günstig doch diese Wohnung war und wie schön es da ist, wo du wohnst, nicht wissend natürlich, wie dich derzeit die Grunderwerbssteuer schmerzt.

A saubere Bagasch, die da drin war, sagt man dazu in Bayern. Man erfährt hierzulande sehr viel über die tatsächliche Armut, und sehr viel über eine hinkonstruierte Oberschicht und ihren telegen gestalteten Reichtum. Es gibt eine Realität hinter Bunte, Gala, Managermagazin und RTL2-Dokus, sie verschliesst sich, weil sie doch nicht so schön ist, aber ab und zu muss sie raus, und sich was zum Essen beschaffen. Um halb vier, an der Strasse zwischen drei Millionärsvierteln und einem Casino, da kann man sie beobachten, in freier Wildbahn, an der Futterstelle. Danach weiss man mehr über dieses Land, das unseres ist, wenn wir oben stehen.

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Freitag, 2. Mai 2008

D.O.C. Santo Quirino Lago di Bonzo 2008 Riserva

Und zwar kein Wein, sondern Pesto. Das geht so: Ich verlasse gegen 19.30 Uhr meine Wohnung und begebe mich mit dem Rennrad zum See, der für den 1. Mai gar nicht so schlimm überlaufen ist, schliesslich wird das Wetter erst am Abend schön. Dort fahre ich von Seeglas aus in Richtung St. Quirin, ziemlich genau zu der Stelle, wo die letzten Hügel in die ersten Berge übergehen, Gfällberg, Kogelkopf, Auereck und zuletzt der gutmütige Semmelberg, der nun schon seit vielen Jahren der Versuchung wiedersteht, das zu seinen Füssen errichtete Casino von Bad Wiessee mit einer ordentlichen Gerölllawine in ganz kleine Stücke zerlegt, in den türkisgrünen See zu schieben. Ich glaube, ich muss mal mit dem Semmelberg reden. Aber dazu bin ich nicht hier, an einer Lage, die auch manchen italienischen Winzer beeindrucken konnte.



Weiter Richtung Tegernsee ist das Ufer zu steil und seit kurzem auch professionell begrünt, hier jedoch wächst der Bärlauch am Seeufer in dichten Büscheln wie Unkraut, und er ist es eigentlich auch, störend, gemein und hinterhältig, denn es ist schwer, daran vorbeizugehen, ihn zu riechen und keinen Hunger zu bekommen, ganz zu schweigen vom sattgrünen Anblick, den dieses kleine Feld am Ostufer in der abendlichen Sonne bietet.



Schnell eine kleine Tüte gefüllt, dann ab damit nach Hause, waschen, kleinschneiden und mit gemörserten Pinienkernen, weissem Pfeffer, Salz, Grana Padano und viel Olivenöl in ein Glas geben und ab in den Kühlschrank, fertig ist das Pesto Porcamadonna D.O.C. Santo Quirino Lago di Bonzo 2008 Riserva, die Reserve für die Tage, da man während der nächsten Wochen noch Hunger auf Bärlauch hat, der aber in der bald einsetzenden Blüte nicht mehr das vollmundige Aroma des Frühlings hat, sondern den Mund mit fader Bitterkeit beleidigt. Und weil man das Hantieren mit Bärlauch allein auch nicht erträgt:



Kocht man eben die Reste zusammen. Mit ein paar beiseite gelegten, in Öl gedünsteten Bärlauchblättern finden sardische Tomaten und zypriotischer Haloumi einen würdigen Abschluss.

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Österreich besser machen.

Schön ist Österreich überall, wo gerade keine Menschen, und hier besonders Österreicher sind. Ich war zu lange, zu oft und unter zu unschönen Bedingungen in Österreich, ein Land, das nie ein 68 hatte und das verkörperte, was Deutschland ohne Beschäftigung mit der NS-Zeit geworden wäre, ein Land, das aussah wie die Realversion eines Deix-Cartoons und jenseits der Dörfer und Touristenzentren schnell mal einen bulgarisch-tristen Charme vermittelt, und mittendrin ein Wasserkopf namens Wien, in dem ich mich nie auch nur ansatzweise wohl gefühlt habe, den Naschmarkt mal ausgenommen. Ich war letzten Herbst dort, bin dann über das Ennstal an einem der letzten schönen Roadstertage zurück, und blieb fassungslos ob des Gegensatzes zwischen den einsamen Bergstrassen im Sonnenlicht und den verkniffenen Gesichtern der Wiener, denen noch immer der Verlust der alten Grösse innewohnt, und die Suche nach den Schuldigen, den Deutschen, den deutschen Nazis - nicht gegen die österreichischen Faschisten natürlich - die Ostküste, die Israelis und ihre internationalen Freunde, die doch endlich mal ruhig sein sollen, die Vernaderer in den eigenen Reihen - werden Sie Journalist, beschäftigen Sie sich mit dem Thema Restitution in Wien und gewinnen Sie mehr Feinde, als wenn Sie auf dem Neonazicamp Königswusterrode Anatevka singen.

Der Fall Amstetten ist furchtbar, aber ich bin nicht überrascht, dass es sowas in Österreich gibt. Auch hier wieder: Etwas von der Obrigkeitsdenke, die in Deutschland kaum mehr vorstellbar ist. Es gibt da so eine bockige, sture, unsagbar dumme Mentalität der Realitätsverweigerung von oben herab. Sei es nun der Täter mit seinen Machtgelüsten, oder jetzt auch der Versuch der Regierung, das ganze kleinzureden und Österreich wieder als das friedliches Land der Berge und Täler zu promoten, selbst wenn hier gleich hinter der Grenze in Achensee ein hässlicher FPÖler sein Gesicht plakatieren lässt, mit dem geistig zurückgebliebenen Spruch "Tirol den Tirolern".

Allerdings, das mag Österreich beruhigen, die Nachbarn haben ein kurzes Hirn, man hat die Opposition in Österreich nach kurzem Aufschrei auch jahrelang mit den blau-braunen Regime der Haiders und Schüssels allein gelassen, statt hier mal ein Exempel zu statuieren, das noch weiter südlich anderen Verbrechern klar gemacht hätte, was in der EU absolut nicht geht. Österreich 2000, FPÖ/ÖVP, das war der innere Sündenfall der EU. Aber wie die Politiker, so auch die Bewohner der Nachbarstaaten, und gerade die Deutschen sind ganz leicht für den Alpenstaat zu erwärmen. Denn hier gibt es Dinge, die wichtiger sind als Politik, braune Sager und eine überforderte Verrwaltung, die trotzdem gern den Metternich machen würde, Dinge, die für Deutsche wirklich wichtig sind, und deshalb könnte eine Imagekampagne vielleicht so aussehen:



Unten in Hall ist es noch günstiger, 1,16, habe ich letzthin gesehen. Hall ist übrigens wirklich wunderschön, da kann man auch hinfahren, wenn man nicht tanken muss.

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Donnerstag, 1. Mai 2008

1180 Meter

Zugegeben: Der als Strasse eingezeichnete Weg zum Gassler Berg ist erheblich rennraduntauglich, und mit einem älteren Klassiker sollte man auch nicht solche Eröffnungstouren fahren. Oder schieben, denn manche Kurven sind für die grossen Übersetzungen definitiv zu steil. Aber es hat sich für die Sonnenstunden hoch über dem See gelohnt.



Auf dem Grat Richtung Norden dann der Aufmarsch der Wolkenformationen über dem flachen Land; über der Donau zieht es zu, Augsburg und München werden grau, nur im Osten über dem Chiemsee, hinter ins Salzburgische, bleibt es durchgehend sonnig. Vorerst.



Denn gegen halb sieben ist dann definitiv Schluss, und die Sonne geht hinter einer wirklich ernsten Wolkenfront unter.



Ohne Rennrad wäre ich irgendwo auf halbem Weg in einen formidablen Sturm marschiert. Mit Rennrad, auf losem Grund und grösseren Steinen im Weg, nicht zu vergessen die Weidegatter und mit praktisch profillosen Reifen ist das kein besonderer Spass, auch die Bremsen könnten besser sein, aber immer noch besser als oben eingesaut zu werden. In der Endzone dann als Bremsanlage freilaufende Hühner. Kein Federvieh musste für diesen Beitrag zur Seite gehen.

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Empfehlung heute - Aufspritzen

Frau S., die es wissen muss, schliesslich verdient ihre Schwiegertochter indirekt mit dem Verkauf neuer Kleider für die neue Haut sehr viel Geld, Frau S. also hat mir mal erklärt, wie das hier funktioniert: Da gibt es daheim in (beliebige Stadt mit einem besseren Viertel) eine Person, die natürlich alles mitnimmt, was so geboten wird, und einen ihr bekannten Arzt, der gegenüber der Allgemeinheit auch kein gutes Verhältnis hat, und der nun entdeckt an dieser armen Person ganz schreckliche Dinge, die eine Verbringung an einen möglichst mondänen Kurort zur Folge haben muss. Der Tegernsee beispielsweise steht da ziemlich weit oben auf der List, Bad Eining und Bad Abbach dagegen sind wirklich banal gerontokratisch dominiert.

Vor zwanzig Jahren, als die Medizin noch nicht so weit war, galten diese Gesundheitstouristen, nennen wir sie mal so, als die grosse Stunde der Juweliere. Im Rahmen der allgemeinen Wortverschönerung heisst die Kur inzwischen ohnehin Wellness, da passt das noch besser, und inzwischen gehören Zusatzleistungen zur Erfrischung von Körper und Haut einfach dazu, und ist dabei, auf den Einkaufslisten der Kommenden den Juwelieren den Spitzenplatz streitig zu machen. Da kommt also Frau Dr. P. aus B. hier an, sieht, dass alle, die schon zwei Wochen hier sind, bräuner und faltenfreier sind, und erfährt dann nebenbei, wer mit welchen Mitteln, keine 20 Minuten mit dem Taxi von hier entfernt, was machen kann. Ist gar nicht teuer. Daheim sehen sie dann aber sowas von erholt aus, nachdem man sie ein paar Wochen nicht sah. Und weil sich neue Haut mit alten Kleidern und Schmuck nicht verträgt, vermeldet man letztlich doch über alle Branchen hinweg steigende Umsätze. Schönheitsoperative Wellness, alles unter einem Hausdach mit einer Rechnung, der Juwelier hat auch seinen Schakasten in der Lobby, das ist die Zukunft des Sex on the beach mit Blick zum persönlichen Sonnenuntergang.



Aber nicht jede kann sich so eine Kur leisten, ausserdem gibt es da noch die Jungen, die auch gerne kleine Macken bereinigt sehen, und ich gehe mal davon aus, dass der von Strappato aufgezeigte Fall von Interessensverschränkungen tatsächlich das zum Ziel hat, was man gemeinhin als arbeitende Bevölkerung bezeichnet. Überhaupt frage ich mich, wann es eigentlich Schönheitsoperationspakete als Do-it-yourself neben der Bräunungscreme in der Drogiere gibt.

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Kulturpessimismus des Tages

Wie die Alten sungen



so pfeifen die Jungen.



Aber wenigstens hat Stefan einen dummen Feind.

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Mittwoch, 30. April 2008

Wetterwechsel II

Zweitwohnsitz, Ferienwohnung, der Garten, der zu bestellen ist: Leider gibt es am See auch noch etwas anderes als Vorruheständler, die das Sozialsystemdes Staates in den Wirtshäusern, Kliniken und Apotheken ruinieren. Am Südende des Sees ist alles mit Hotels zugepflastert, die in dieser Jahreszeit mit günstigen Angeboten für Kongressbuchung locken. Nicht ohne gute Gründe, schliesslich spricht es sich über Anlagen, sagen wir mal in weniger gut bestellten Regionen wie dem Osten, Berlin, dem Balkan und den unsicheren USA besser irgendwo, wo keine hässliche Realität hinter jeder Parkplatzmauer in Form von Platte, Investitionsruine, Aufbau Ost oder Leerstand mit den klapprigen Hüften wackelt. Hier lässt es sich fern von den Anfeindungen vorzüglich essen, reden, geniessen, und, äh, irgendwas war da noch, ach so, etwas zeichnen, zur Vermögenssicherung, nachdem die Rattenlinie von Rottach über Achensee nach Vorarlberg nicht mehr allzu weise ist. Mag sein, dass man in den mir bekannten Münchner Knochenbrecherkreisen gar nicht gut auf solche Anbieter zu sprechen ist, man könnte auch sagen, man ficht jurisistische Endkämpfe aus, aber dennoch ist es spannend zu wissen, was die jetzt so treiben, was sie erzählen, und was sie unerwähnt lassen.



Und während sie noch präsentierten und sich auf der Bühne die Hände schüttelten, und ich brav mit all den anderen Schafen applaudierte, verschwanden draussen die dichten, mehrlagigen Wolkendecken, Blau ward gesehen, Sonne gar, und als ich dann am Abend wieder Richtung Norden fuhr, in das, was unversehens zur Dienstwohnung geworden ist, war der Wetterwechsel wieder rückgängig gemacht. Das Wetter kann wandeln, viel leichter, als eine unvorsichtige Unterschrift, und fast so schnell wie die Jovalität derer, zu deren Gunsten sie geleistet wird, wenn man es endlich gewagt hat, und den grossen Sprung für das eigen Vermögen getan hat, wie es gerne von solchen Podien schallt.



Ich denke, es ist dieses latente Urlaubsszenario. So, wie man im Urlaub nicht auf den Preis schaut und die Köstlichkeiten ordert, für die man daheim acht Wochen am Knäckebrot mümmelt, verlieren sich Vernunft, scharfe Rechenkunst und Vorsicht, wenn es draussen plötzlich schön wird, und die Luft warm über dem Wasser zu flirren beginnt, ein paar Boote schaukeln im Wasser, und über die Hügel erheben sich die immer noch weissen Spitzen der Berge, als wären sie aus Zuckerguss. Hier ein Geschäft abgeschlossen zu haben, ist nochmal was ganz anderes als in einem Mietsaal draussen am Flughafen, wo die Kekse trocken und das einzig sehenswerte die scharfen Schutzmassnahmen für die Flugzeuge der El-Al sind. In der Ferne mag man vielleicht die Berge sehen, als Rand der Tiefebene, hier geht man einfach am Strand spazieren und kommt dann auch bei einem passenden Restaurant an, dessen Bedienungen ebenso schön wie die Portionen üppig sind.



Das alles hier macht milde. Es beschwert sich keiner, dass die Jugend durch den Pavillion ihre Skateboards hetzt, im Gegenteil, die Senioren auf den Bänken klatschen bei gelungenen Sprüngen. Man kann hier viel leichter glauben, dass alles gut ist und seine Ordnung hat, und wenn es morgen hell wird, werden wieder die Berge vor diesem einzigartigen Blau herüberleuchten, wenn man eben noch im Überschwang eine Nacht in einem *****plus-Hotel dranhängt. Das ist gut für einen selber, gut für das Hotel und auch nicht der Schaden des veranstaltenden Wirtschaftskriminellen, dessen Begleiter beim Portier nach dem Weg nach Österreich fragten, um dort schnell noch mal billig zu tanken, Benzin und Alk. Geht es nach denen, die mich bezahlen und mir somit die Überweisung der Grunderwerbssteuer mit meinem eigenen Geld erlauben (ein ärgerlicher, wiederkehrender Topos bis Mitte nächsten Monats, mindestens), werden sie den Alkohol schon bald zur Beruhigung und das Benzin zur Selbstverbrennung brauchen -

aber es ist schön hier. Wirklich schön. Zwei Stunden an der Strandpromenade, und solche Gedanken sind weltenfern.

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Empfehlung heute - Nach Frankfurt

mit Anke Groener zu ihr selbt ins Museum - als Historiker darf ich dazu vielleicht sagen, dass es ein eher seltsames Gefühl ist, sich musealisiert vorzufinden.

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