: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Früher war weniger Lametta

Nehmen wir einmal an, ich würde mir vier Ballerspiele und vier CDs zeitgenössicher Popmusik kaufen, vielleicht dazu noch ein IPhone gegen das neueste Exemplar tauschen und das Alte bei Ebay verkaufen, und dann ein paar Tage vor der Kiste zocken: Kein Mensch könnte etwas sagen. Das ist normal in einer Zeit, da sich selbst im Zeitfeuilleton lobende Beiträge zu Spielen und Elektronik aus China finden.





So kann man natürlich auch den Winter honorig zubringen, allein, ich habe keine Neigung zum Telefonieren und auch eine zum Niederballern. Und für eine Summe, die anderen vielleicht die Betriebskosten ihrer digitalen Belustigung wären, schenke ich mir halt noch einen Plastikeimer. Wobei man auch hier sagen muss: Der Wertverlust auch teuerster Dinge ist in Radbereich auch nicht von geringen Dimensionen. Zum Glück übernehmen das andere.





Wie so oft kommt es darauf an, nicht zu ihnen zu gehören und den Moment zu erwischen, da

a) sowieso schon vieles daheim ist, und nur wenig neu nachgekauft werden muss und

b) sich die Gelegenheiten passend bieten.

So etwas ist dann eher ein Projekt über zwei, drei Wochen, man muss sich etwas umtun, aber letztlich ist es auch nicht anders als beim Kauf von Antiquitäten: Aus wenig viel machen, das ist die Kunst.





Dss Wetter ist im Moment nun wirklich nichts, gar nichts für etwas anderes als ein Winterrad, aber wenn es dann fertig ist, wird es gleich ausprobiert. So kalt kann es gar nicht sein, dass ich darauf verzichten würde. Immerhin passt es mit Silber und Rot zur Zeit dazu, so eine Art Lametta-und-Christbaumkugelrad, genau das richtige für den Baum - einfach davorstellen, und dann braucht man nur noch ein paar Kerzen.





Was noch fehlt, sind ein paar Kleinigkeiten: Andere Reifen, Schnellspanner und Pedale werden es nochmal ein Pfund leichter machen, andere Laufräder wären auch verfügbar, aber es soll ja kein Wettkampf werden. Es muss gar nicht so schnell sein. Hauptsache, es gleitet angenehm über das Land. Es ist nur eine Winterbastelei, andere bauen vielleicht Kriegsspielzeug oder Modelleisenbahnen, ich baue Träume von sommerlichen Landstrassen im Massstab 1:1.





Und eine Ermahnung natürlich auch. Schliesslich habe ich 2013 so einiges vor, und das hat nichts mit Ballerspielen oder Unterhaltungselektronik zu tun.

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Mittwoch, 19. Dezember 2012

Der schändliche Bube beschwichtigt.

Dass der neue Herr über das Restaurant K. natürlich nichts verändert hat, aber ganz exzellent kocht, hat sich schnell herumgesprochen. Es ist noch nicht so, dass man jetzt unter der Woche reservieren muss, aber man sollte sich schon überlegen, wann man und mit wie vielen dort erscheint. Das bedeutet für mich: Die Gadanken machen sich andere, ich muss nur rechtzeitig daheim sein, in die Dusche, und zivilisierte Formn ganz ohne den zähen Dreck annehmen, der sich überall festsetzen möchte.



Und dann gehen wir über Umwege zurück und kommen an Orten vorbei, die man nach einem Risotto und einem Zander vielleicht besser meiden sollte, schliesslich will man sich an den Feiertagen präsentieren, und das geht am besten, wenn man sich tagelang vorher keine Sorgen macht. Die Sorgen kommen aber ganz automatisch beim Betrachten enger und engster und sehr schöner Kleidet, für die jede Linie in der Körpermitte nach dem Ideal konkav sein sollte; gerade bei Glitzerzeug und fehlenden Spannvorrichtungen, die zwar brutal, aber effektiv waren.



Nein, auch was, aber bitte, wirklich, beim besten Willen, so jung wie Du bist, aber natürlich, ich rede wie ein Wasserfall und wenn es einen Moment im Leben gibt, da ich meine Formulierungskünste wirklich brauche, dann ist es jetzt und hier. Es sind nur fünf Minuten, aber sie entscheiden über den Fortgang des Abends, selbst wenn, wie verkündet, ohnehin schon bekannt ist, was sie am Festtag tragen wird: Einen alten Bademantel nämlich und einen Schlafanzug, und dann wird sie mit einem Topf Nudeln im Bett sitzen und Sissi anschauen und weinen, weil alle anderen so jung und so schön ist und sie eine alte Hexe... nochmal fünf Minuten gutes Zureden, man tut, was man kann.



Wobei sie natürlich nicht unrecht hat: So ganz einfach ist es mit 40 nicht. Die Jugend hat zwar kein Geld, aber eigene Vorstellungen von Attraktivität, bei denen sie nicht mithalten kann. Das müssen keine Körpermodifikationen sein, da reicht schon die heute Kunst des Nagelbemalens, und die Modebloggerinnenattitüde - das verschämte Hinstellen mit nach innen verdrehten Füssen - wirkt bei einer erwachsenen Frau irgendwie, also - sie versucht es, und wir lachen. Nein, das geht nicht. Also macht sie es anders, damenhaft, so wie wir das gelernt haben. Irgendwie haben damals die Frauen auch Partner gefunden, ohne die Lolita herauszukehren.



Wir einigen uns darauf, dass sie den Baum zur Lamettabombe macht, der alles übestrahlt, vor allem nur die Kerzen brennen lässt. Dunkle Kleidung vor dunklem Hintergrund lässt der Phantasie freien Lauf, und wen dann noch ein paar ablenkende Reflexe gleissen - Perlein, Eiswürfel in Platin und Sektgläser - dann wird das alles überlebbar und so eine gelöcherte Nichte zweiten Grades ist dann halt nur Kanonenfutter für's Casting.

Aber trotzdem, lass es Dir gesagt sein, schändlicher Bube: Keine Pralinen vom See mitbringen!

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Wein-achten

Mit Gutem aus deutschen Weinbaugebieten. In der FAZ - denn eine bessere Beratung bekommt Ihr nirgends.

Und hier noch die irrtümlich verlinkte Beratung zu weniger guten Dingen aus dem Apple-Laden

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Montag, 17. Dezember 2012

Traumpaare

Es gibt nicht gerade ideale Kombinationen: Meine berüchtigten Omeletts, die jede Pizza Calzone wie ein Diätprogramm aussehen lassen, und das, was gerade mit der Post hereinkam: Jemand wollte einem Kindergarten etwas Gutes tun, und verkaufte darüber so einen alten, OMG schon 7 Jahre alten Rahmen für ungefähr das, wofür man einen halben Einkaufswagen Plastikspielzeug bekommt. Aber ich hoffe, dass dieser Kindergarten so ist, wie sie sein sollen, und nur Holzspielzeug und Holzbaseballschläger und biologisch genähte Puppen anbietet. Ist eigentlich schon Barbie dem Bewusstseinswandel zum Opfer gefallen? Schön wäre es.





Schön wäre auch Sommer und eine Wiederkehr all der langen Tage, und wie ich da so über Matsch und modrige Blätter rase - irgendwie muss ich bei einer halbwegs schlanken Figur bleiben, sonst wird das im Frühling wieder schlimm und der Rahmen knaxt- frage ich mich schon Ach und Warum. Warum habe ich den Sommer nicht noch besser genutzt und eine Runde mehr gedreht, als es warm und schön war, warum bin ich immer erst so spät los, und warum habe ich nicht doch Meran - ach so, ich weiss es. Nächstes Jahr wird es besser, weil es gar nicht schlechter werden kann. Ausser natürlich für Ken und Barbie des Internets und in der Folge auch für mich, weil einem das Radeln keiner verbieten wird. Aber in anderen Bereichen wird es scheusslich. Wegen Ken. Und Barbie.





Und weil Winter ist, und das Wetter scheusslich, sind auch Ken und Barbie nicht gerade Traumfiguren mit hübschen Kleidern, sondern Johannes Ponader von den Piraten und Nadine Lantzsch von der Mädchenmannschaft. Man kann beiden zugute halten, dass sie die Debatten in ihren Bereichen, Gleichberechtigung, ihrer Teilhabe am Geschehen und der persönlichen eigenen Freiheit, so weit vorangebracht haben wie sonst kaum jemand, der durch das Netz bekannt wurde. Toleranz jetzt wenger, aber man kann nicht alles haben. Wir diskutieren heute über das BGE für jede Ratte Frederic und Küssverbote für Heterocismänner, die sonst Lesben diskriminieren würden, und über Binnen-I-Neusprech und darüber, was sonst noch alles skandalisierbar sein könnte -ausser den grossen Skandalen unserer Zeit zum Beispiel, wie etwa Nahrungsspekulation oder Fracking oder die Kostenverteilung der "Energiewende", die nach der Atomkraft der nächste Raubzug der Versorger ist. Die Stromrechnung kommt sicher schneller als das BGE und die Binnen-I-Regelung- Wir bekommen Schnappatmung, wenn wir sehen, wie zerfasert und intern verbiestert die Debatten geführt werden, wie Positionen in Extreme geschoben werden und sich Gutmeinende abwenden, wir sehen die Gründerinnen von Mädchenmannschaft aussteigen und einen fähigen Piratenvorstand seinen Rücktritt einreichen, weil es mit Ponader und den Berliner Senatsmobbern nicht geht - so weit ist diese Geisteslandschaft, und so wüst geworden. man kann alles denken und Andersdenkende kaputtquatschen oder fertigmachen, wenn sie dann nicht transparent genug sind. Wir reden über Schauprozesse, nichts anderes läuft bei Twitter.





Ich las, man könnte heute im Mainstream Dinge debattieren, die vor 10 Jahren noch als linksradikal oder gar undenkbar galten. Ich sehe aber auch, wie wenig diese Debatte tatsächlich Auswirkungen hat, wenn man einmal von den frei Diskutierenden weggeht, runter auf die Ebene der realen Gesellschaft. Wir leben in Zeiten krasser Umverteilung, und an der Debatte kann sich nur der freuen, der keine Altersvorsorge hat, die gerade geschlachtet wird. Wir haben tolle Theorien und jede Menge Mütter, die mit ihrer Situation nicht fertig werden. Wir haben eine Netzelite und einen riesigen Anteil der Bevölkerung, der das alles für Spinner hält, weil die Spinner in der Talkschow sitzen. Und wenn die Wahlen 2013 vorbei und die Piraten verdientermassen dank Ratte Frederic gescheitert sind, wird man sich auch mal gründlich um dieses Netz kümmern, gleich nach dem ersten Anschlag. Dazu werden dann die Nadine Lantzschs und Helga Hansens dieser Welt durchs Netz ziehen und nach einer Gleichstellungsstelle für ihre öffentlichen Pöbeileien schreien, Mädchenmannschaft halt, Theorie nach vorne und echte Belange der anderen nach hinten, selbst schuld, wenn sie mit Männern rummachen. Schön, wenn man sonst keine Probleme kennt, wie, sagen wir mal, der Irrsinn, dass Hundenahrung einen reduzierten Mehrwertsteuersatz hat, aber Babynahrung nicht. Das wird auch sicher so bleiben.





Wir werden über viele Theorien wieder reden können, nicht nur die des Bankstertums, auch dieTheorien der Überwacher und politische Korrektheitszwänge derer, die sie gern anderen aufbürden möchten. Wir, eher die Normalos, nicht die Weitvorausdenker, die ohnehin das komplette System ändern wollen. Wir werden dabei hübsch machtlos sein, und auch, wenn wir uns zusammenrotten, wird es nichts helfen; die Politiker wissen doch, was daraus wird, die Extremen, Doktrinären und Brüllaffen setzen sich bei sowas durch, und wenn ich heute so lese, was der selbsternannte Anti-Acta-Urbach von den Piraten so sagt, wundert es mich gar nicht, dass er seine Gruppe "Schwert und Schild der Partei" nannte, wie die Stasi. Man säubert erst mal die eigenen Reihen von abweichenden Meinungen, und wenn dann noch was übrig ist, hätte man gern ein Bundestagsmandat, mit Mitarbeitern, so wie der das der Höffinghof aus Berlin macht, der mit seiner Mitarbeiterin zusammen ist und sie lustige Sprüche twittern lässt, egal wie das bei den Wählern so ankommen mag. Aber was denn, das sind Piraten, das ist kein Nepotismus und kein schmutziges Geschäft wie bei den Altparteien, wenn ein Abgeordneter mit der Mitarbeiterin auf Steuerkosten - was auch immer. Morgen schreit er dann wieder, dass man Abweichler rauskanten soll, damit die Piraten eine stramm linke Bewegung sind, die sich für Benachteiligte einsetzt und ihnen Posten und





Kurz, ich glaube, die Politik wird das alles nach den letzten Erlebnissen - Occupy sei hier noch unter Ponader subsummiert - nicht wirklich ernster nehmen wird, als Ihr, liebe Leser, meine Behauptung, dass ich nächstes Jahr wieder 67 Kilo wiegen möchte. Ja, dann gibt es natürlich noch Nico Lummas Privatlobby namens D64 und die Kumpels vom Beckedahl mit DigiGes und obwohl ich allenfalls ein paar HTML-Tags kann, so überlege ich doch, unterstützendes Mitglied beim CCC zu werden. Da kenn ich welche, die vielleicht was tun können, wenn es so wird, wie ich befürchte: Einfach, weil sie durch dieses 2012 nicht so restlos kompromittiert sind wie alles, was irgendwie von den Piraten und ihrem weiteren Umfeld ruiniert wurde.Die werden dann auf die Schröder-Köhler und den Friedrich zeigen und sagen, ja, wenn Ihr uns gewählt hättet...

und damit begründen, warum sie Recht hatten und Recht haben werden, in ihrer kleinen, ideologieverstrahlten Stalinistenecke. Niemand wird uns ernster nehmen, als wenn Ken und Barbie über Trotzkis permanente Revolution reden. Man wird rechts durchregieren, während das Netz links weiterquatscht.

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Montag, 17. Dezember 2012

Festabbestellung

Das ist gerade nicht wirklich eine gute Zeit; erst im Nachhinein entwickelt sich da eine Geschichte, die tragischer kaum sein könnte, und in gewisser Weise so unnötig; aber so ist das wohl oft, und selbst, wenn man nun wirklich nichts damit zu tun hat, nur eben nach und nach die Fakten erfährt, von Ereignissen, die sich über Jahrzehnte so lang entwickelt haben, dass dieses Ende folgen musste, da ist man dann eben ein wenig, wie soll ich sagen, sprachlos. Wenn wir ein anderes Pflegegesetz hätten, wenn die Psychiatrie besser wäre, wenn man Menschen einbremsen würde, wenn noch Zeit ist, dann würde man nicht den Kopf wegdrehen, wenn man eine Boulevardzeitung sieht; Newton hat diese eine Geschichte jetzt völlig verdrängt, so schnell geht das, gestern noch die grosse Tragödie und heute schon relativ unwichtig. Was nichts an der Sache ändert, nur an ihrer Aufarbeitung.

Ja, also, einbremsen, oder wie man in Bayern sagt, jemandem das Standgas einstellen. Das ist in Zeiten elektronischer Autos natürlich nicht mehr üblich und in unseren gelackten, metaironischen Selbstdependancen im Internet auch nicht. Und man mag es glauben oder nicht, aber ich mag es nicht, wenn ich auf etwas zeigen kann und sagen: Da schaut, das ist wirklich so, wie ich es gesagt habe. Dieses Berliner Kreativprekariat, die ticken wirklich so. Momentan macht so ein Beitrag die Runde, gestern haben sich zwei Ex-FAZblogger noch über mich lustig gemacht, heute geht es dann zur, ich möchte sagen, richtigen Sache: Die eine sucht eine Arbeit. Wobei, nicht nur eine Arbeit, sondern eine Festanstellung. Oder halt, genau genommen will sie eine warme, helle Wohnung mit Balkon und wäre bereit, dafür auch zu arbeiten. Ja wenn es sein muss, sogar in den Süden gehen. Hier im Süden gibt es natürlich Arbeit, am Türenspezialisten prangt seit Monaten vergeblich ein Schild, dass er Mitarbeiter sucht: Das übliche Problem bei Vollbeschäftigung.







Ein Beruf sollte es wohl sein, wo es eine Kaffeecke gibt, und sie würde auch den Kaffee machen, und soziale Sicherheit sollte der Beruf bieten. Das kann man hier bei uns im Süden vergleichsweise leicht bekommen, wenn man das tut, was aber laut Beitrag doch eher abgelehnt wird: Sich selbst ein wenig optimieren. Das ist im Übrigen in einer Region des Fachkräftemangels nicht so schwer, da sind auch Quereinsteiger durchaus willkommen, und die werden dann halt umgeschult. Wenn sie wollen, und bleiben möchten. Mobilität interessiert hier nur in Sachen Zuzug, ansonsten möchten die Firmen nicht in Leute investieren, die nur da sind, weil es nichts anderes gibt, aber im Prinzip würden sie lieber für 300 Euro 100 Quadratmeter Altbau in Berlin mieten, 20 Stunden etwas Lässiges tun und, wenn sie mal ein kreatives Loch haben, ein paar Wochen auch mal krank sein. Und bei der erstrbesten Gelegenheit natürlich die Koffer packen und woanders wieder selbstverwirklichen.

Die Firma will einen, wenn man die Firma will, so hat sich diese meine Region hochgearbeitet; man mag das dumm oder spiessig finden, aber so habe ich in der FAZ auch gearbeitet, und wenn ich da nochmal anfangen würde, würde ich mir alle Beine ausreissen, um an diesem Don Alphonso vorbei zu kommen. Anstrengen gehört am Anfang mit dazu,und wer gut ist, hört nicht einfach auf - das ist etwas, das man sich in kreativen Berufen wirklich nicht leisten kann, nirgendwo. Natürlich gibt es hier auch Jobs, wo man als Anfänger halt tut, was man kann, und irgendwo mitschwimmt: Nur führt das hier bei diesen Preisen nicht in eine angenehme, helle Wohnung mit Balkon. Dafür muss man hier 2500 aufwärts verdienen, und es stimmt natürlich - quirlig-kreativ ist es hier auch nicht.







Überhaupt ist der Gedanke, ich brauch was also arbeite ich, einer, der, höflich gesagt, jeden anderen auch antreibt, und nicht mehr als ein Grundimpuls; er macht einen vielleicht zum Regaleinräumer oder zum Bandarbeiter, aber schon in der Motorenfertigung - ein Leben weit entfernt von lauschigen Kaffeeecken - sind nur die Besten und Sorgfältigsten.Der Weg nach Oben in die Büroetage ist hier leider nicht so wie in den Medien, wo man einen Co-Working-Space aufmacht und sich einen Titel verleiht; ohne Probezeit und Supervision geht hier wenig, weil die Firmen hier gerne überleben möchten und mal nicht so einfach auf einen Mitarbeiter verzichten können, wenn der trotz Prozessabläufen mal weniger Lust hat. Dir anstehende Arbeit ist zu erledigen, anders geht es nicht, und eine Deadline ist eine Deadline und keine vage Empfehlung oder Bitte, doch etwas zu tun.

Das ist in Berlin durchaus so; ich erinnere mich gut daran, wie ich panisch noch schnell die ein oder andere Seite vollgeschrieben habe, weil jemand, der das hätte machen sollen, drei Tage vor Abgabe unerreichbar wurde und erst wieder gesehen ward, als er Briefmarken brauchte. Firmen sind heute, wenn sie gute Mitarbeiter wollen, beileibe keine Ausbeutungsmaschinen mehr, da gibt es jede Menge Fortbildung und Motivation und Gruppendynamik und das funktioniert, weil alle etwas davon haben. Eine warme Wohnung, Qualität, Profit, und bis zum letzten Drehmaschinensumpfausräumer das Gefühl: Es ist durchaus richtig und wichtig, dass ich das mache. Ich habe mich bei meinem Amerikaaufenthalt nach dem Abitur gröbst verrechnet, und obwohl meine Eltern das hätten zahlen können, haben sie es nicht getan: Dann war ich halt drei Monate in der Firma und habe für gutes Geld unter anderem das getan. Drehbänke ausgeräumt. Und gelernt, wie man aus dem Vollen und hohl dreht, und Gewinde schneidet. Den Geruch von Drehöl und frischen Gummi vergisst man seinen Leben nicht, es waren nicht die schönsten Wochen meines Lebens und wer weiss, was ich mit der S. am See sonst hätte alles machen können: Trotzdem bin ich froh, dass ich diese Erfahrung mitgenommen habe. Das hat mir das Standgas eingestellt. Weil ich wusste, dass ich das kann und es auch gar nicht so schlimm ist. Aber in Berlin würde man vieles tun, um solchen Basisjobs zu entgehen: Nicht ohne meine Kaffeeecke. Lieber was Kreatives, wo man etwas schreibt, soziale Ungerechtigkeit, Bildungschancen, Migranten, Moral, und dann ab auf den Balkon.







Ja, also, einen festen Arbeitsplatz ohne besondere Leistung und Qualifikation, den wollen viele, und leider ist es auch so, dass viele dabei zu weit gehen, oder über Leichen, oder sich selbst übermotiviert kaputtarbeiten; recht oft kommen aber auch nur Social Media Berater dabei raus, oder Profilentwickler oder Leute, die auf ihre Netzwerke achten und sich durchwurschteln. Das ist kein Berliner Problem, das gibt es in München genauso, es ist prekär, aber anders. Aber wer in einer mittelständischen Firma arbeiten möchte - da, wo die ganzen echten Arbeitsplätze sind - sollte ein gewisses Mass an Flexibilität mitbringen, und die Erkenntnis, dass es zuerst einmal um den Beruf geht, und dann vielleicht um die helle Wohnung. Und dass man leider, leider bereit sein muss, ein paar persönliche Freiheiten, wie man sie im Rumhängen in Berlin hat, wird aufgeben müssen. Für mehr als nur den Winter. Spätestens die nächste Nebenkostenrechnung , der man im Süden nicht so leicht in die nächste Wohung zur gerechten Rache am bösen Vermieter entfleuchen kann, justiert da wieder das Standgas.

Trotzdem gibt es in diesem System viele glückliche Menschen, und das sind nicht nur die Reichen, sondern auch die Migranten, die bei der Zuwanderung nicht sagen konnten: Wenn nicht, dann züchte ich halt Gras in Cefalu und erfreue mich darüberhinaus an den Leistungen des Sozialstaates, wie das der Ponader macht. Vielleicht sehen wir das etwas flauschiger, weil wir Chancenlosigkeit als Zwang verstehen, etwas tun zu müssen, was uns keinen Spass macht. Und natürlich gibt es auch genug Bereiche, in denen es nicht leicht ist, oder - Journalismus ist ein prima Beispiel - zum Verzweifeln. Nur Hälfte ist das Dilemma eine Frage der Ansprüche der Firmen, und zum Teil auch der heftigen Konkurrenz. Da muss man wohl durch, und vielleicht, gern auch mit Hilfe anderer, die ein oder andere Marotte aufgeben. Ich so als Vermieter etwa würde meinen, dass die demnächst restaurierte, helle Wohnung mit Balkon tunlichst Bewohner haben sollte, die eine Weile bleiben, keine Rauschmittel anbauen und mich nicht im Zweifelsfall auf Rechnungen und Streit mit dem Mieterbund sitzen lassen, oder mal zwischendrin eine Herberge eröffnen. Das ist vielleicht etwas grausam, aber das ist nun mal der Preis, den man für Freiheiten zahlt.

Sollte man zum Entschluss kommen, dass es zu teuer ist, und man es sich im Vergleich zu jenen, die mit der Eltern Geld gerade nach Berlin kommen, nicht leisten kann. sollte man Abstriche machen. Wohnung, Wohnort, Freiheiten, alles schmerzt, besonders wenn man sieht, dass es bei anderen doch auch irgendwie geht,und wie sie das System surfen.

Das dachte man beim oben angesprochenen Fall übrigens auch, bis es krachte.

Man hat sich getäuscht. Und obwohl mir nichts passieren kann, habe ich lange nachgedacht, ob meine Existenz nicht auch sicherer werden sollte.

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Seehofer, Söder und wie das in Bayern so ist

An meinen guten Tagen gebe ich mir wirklich Mühe, bayerische Verhaltensweisen so zu erklären, dass auch Menschen aus anderen Bundesländern (Ausbundesländer) das verstehen, wie hier in der FAZ.

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Samstag, 15. Dezember 2012

Mobilversaut

Am Morgen, trotz Eis und Rutschpartien, sind sie doch wieder alle da und beleben den tristen Raum, den zwei Klassiker des grosskotzigen Fortschrittsversagens einrahmen: Das Rathaus und die Stadtsparkasse. Man hat den Platz so richtig tot gemacht und alle Chancen vertan, die man hatte, weil ja alles modern und der Zukunft zugetan sein muss, damit sich auch Gäste aus aller Welt wie daheim fühlen können. Bezeichnenderweise ist der Platz reine Durchgangsstation, es sei denn, es ist hier ausnahmsweise Wochenmarkt mit regionalen Spezialitäten. Dann ist hier was los. Und alle beschweren sich, dass hier immer der Wind so scheusslich weht. Haben sie toll gemacht, die Stadtoberen.



Da kann sich die Gemürlichkeit nicht richtig entwickeln, also mache ich meine Einkäufe und stapfe, rutsche und tapse zurück nach Hause, wobei, ein kleiner Abstecher zum Buchladen ist eingedenk des Klimas sicher auch keine ganz schlechte Idee. Dort jedoch wartet die nächste unschöne Begegnung mit der Zukunft auf mich: Manche Verlage verlangen jetzt zwei Euro mehr für ihre Bücher; dafür ist auch ein Code dabei, mit dem man das E-Book herunterladen kann. Und alle, die das nicht tun, zahlen das mit. Sprich, der Verlag verhält sich wie ein asoziales Stück Scheissdr die Stromkonzerne eine Bank die GEZ und kassiert von allen für eine Leistung, damit ein paar mobilversaute Nerds einfacher an ihr Wischzeug gelangen. Das ist der Moment, da ich in Kaufstreik gehe und mich anderen Büchern zuwende.



Mobilversaut ist übrigens nicht meine Wortschöpfung, ich habe das von Franziscript übernommen, die das vermutlich berufsbedingt sein muss. Kein Drama, bei mir müsste es ähnlich sein. Ist es aber nicht, ganz im Gegenteil, die paar tausend Leute bei G+ sind mir so egal wie das, was ich gerade bei Twitter erlebe; ich mache den Kanal auf, weil es nötig und für manche praktisch sein kann, und dann tue ich das, was ich am besten kann, und auch nur so lange, wie ich brauche. Bei Twitter bekommt man, viel schlimmer als im Blog, die volle Ladung der Onlineaktivitäten mit, und da fragt man sich als älterer Herr in einer bayerischen Kleinstadt schon, wann die mal Schluss machen. Es gibt so ein Video im Netz von einer Hochzeit, und im wichtigsten Moment klatschen sie nicht, sondern zücken alle ihre Mobiltelefone und machen verwaschene Telefonbilder: Würde ich so etwas machen, müssten die Leute Schusswaffen und Elektrogeräte draussen abgeben. Ich würde Menschen um mich haben wollen, und keine netzwerkenden Maschinenerweiterungen. Ich möchte es mit leuten zu tun haben, die wissen, wann Zeit für die Liebe und das Leben ist, und wie sie sich zu verhalten haben, wenn sie Zeuge der Intimität sein dürfen.



Oh, sicher, das wird die Normalität sein. In Raymond Chandlers "The big sleep" geht es unter anderem um eine Buchhandlung, in der heimlich Pr0neaux verliehen werden; das war damals auf der ganzen Strecke ein komplexes und riskantes Geschäft, und das Anrüchoge hätte man auch vor 20 Jahren sicher so empfunden. Heute ist das unvorstellbar; das, wofür der Buchhändler Frauen unter Drogen setzen musste, wird heute als mit dem Handy erstellte Taschengeldergänzung vertrieben und muss sich mit einer Unzahl von freien Angeboten im Netz herumschlagen. Photos leihen? Heimlich holen? Angst haben? Wegen ein wenig Geschlechtsverkehr im Bewegtbild? Kaum. Mit Geolokalisation, Facebook, Gesichtserkennung und Statusanzeigen wird sich vielleicht auch im privaten Bereich so einiges tun. Es gibt viele Möglichkeiten, gerade für all die gestressten Dauermobilisten; macht das mal. Ohne mich.



Für mich gibt es ein Geschenk, wie immer, man kennt sich aus einer Zeit lang vor dem Mobiltelefon und ist sich guter Nachbar. Ich könnte mir vermutlich auch meine Bücher als rezis beschaffen, wie es abgefyckte Anfangsfyckziger ohne Job aber mit Presseausweis in München tun, aber ich will das auf gar keine Fall. Ich möchte Bücher kaufen und besitzen. Ich habe gar kein Interesse an Downloads und lesen am Rechner, ich will ein Buch und ein Sofa und Tee in einer Silberkanne, und dann Stunde um Stunde nichts von diesem Netz mitbekommen. Und dann, wenn ich dort wieder arbeite, über die Versauten lachen, die in der Zeit wieder 30 wichtigtuerische Tweets veröffentlicht haben und nicht verstehen, warum man sie nicht endlich kauft: Ganz einfach, kulturloses Geschmeiss gibt es im Internet noch grenzen- un kostenloser als alle illegalen Downloads. Zahlen? Nie.



Jeder kann heute E-Book-Autor sein, es ist ganz leicht. Liest das wirklich jemand? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Die Mobilversauten vielleicht. Die digitale Elite, die Fortschrittlichen, zwische zwei Pr0neauxdownloads. Warum auch nicht, das ist eine eigene Welt.

Und meine ist die andere. Ich bin buchversaut. Und ich lache über jene, die Mobilität für ein Feature und keinen Bug halten, und von einem Haus, das wie die Stadtsparkasse aussieht, zum nächsten, das dem Rathaus ähnelt, hasten müssen, mit all den Insignien des Fortschritts, und sich wundern, warum man sie einst so überwischen wird, wie sie selbst Content überwischen.

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Samstag, 15. Dezember 2012

Liebe, Fürsorge und Zuneigung

Es ist nun diese Zeit, da man sich Gedanken macht um das, was da kommen wird, und was man den Menschen Gutes tun möchte. Das können Kleinigkeiten sein, wie echte Bienenwachskerzen, die für Besucher ein vielleicht noch etwas wärmeres Licht machen - seie wir ehrlich, die Stearinkerze ist die Energiesparlampe unter den Kerzen. (Übrigens, dass ausgerechnet das Büro des Berliner Finanzsenators ausbrannte, weil dort niemand sich bemüssigt sah, am Abend den Adventskranz zu löschen... ich sage jetzt nichts.)



Es ist die Zeit, da das grosse Vorbestellen beginnt, und man sich stets sagt, dieses und jenes könnte man auch noch nehmen, schliesslich kommt der ein oder andere vielleicht später auch noch vorbei und wenn man jene trifft, dann hätte man gern eine Kleinigkeit unterhalb eines venezianischen Spiegels, oder eines Gemäldes; so etwas ist immer nicht ganz leicht zu verschenken, aber etwas zum essen, das geht, hier zumindest, immer.



Selbst jene, die man nicht kennt, die nur auf der Strasse vorbeieilen, sollten einen warmen Gruss erhalten, wenn sie hoch schauen und durch das Fenster den Stuck und die Kristalle sehen; da reichen dann auch normale Kerzen, immerhin wurden wir uns nicht vorgestellt. Ich meine aber, dass so ein hübscher Schein die Seelen aufhellt und überlegen lässt, ob man zur Krönung des Abends wirklich noch Drogen nimmt, vor die Haustür kotzt und einem Auto die Tür eintritt. Allgemein sollte man netter miteinander umgehen, und ich mache gern den Anfang.



Natürlich schaue ich auch nach, wenn draussen jemand entsetzt schreit, denn dunkel ist die Nacht und ich will nicht, dass jemand Schlimmes erleidet. Ich öffne also das Fenster und schaue, ob da nur wieder jemand entdeckt hat, dass sein Mobiltelefon beim Tanzen gebrochen ist, oder eine andere Katastrophe droht - aber heute Nacht ist alles ganz anders, die Nüchternen und Betrunkenen fallen zusammen, denn es herrscht Blitzeis. Am Morgen, so lautet meine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht, müsste ich die Strasse räumen, aber ich bin ja nicht so: Es ist 2:33 Uhr, ich ziehe massives Schuhwerk an, gehe hinunter und befreie Hof und Bürgersteig vom Eis.



Um 2:47 kommen dann, sich aneinander festklammernd, Betrunkene auf der anderen Strassenseite daher. Das ist dumm, denn dorthin wird der Regen gepeitscht, und dort ist es auch stets kälter, glatter und gefährlicher. Also rufe ich ihnen zu, sie sollten vielleicht hier herüber kommen, hier wäre schon Salz und Streumaterial und der Eishacker im Einsatz, ja sogar bis zur Kreuzung und zum Nachbarn hätte ich mein fürsorgliches Werk getan. Sie betrachten das als Beleidigung, grölen zurück und schliddern weiter. Der erste rutscht aus, reisst den zweiten zuneigend mit, dessen Gesäss mit einem, ich würde sagen, knochenzermalmenden Ton aufschlägt, und ohne Halt stürzt der Dritte auf ihn, der ihm fürsorglich einen weichen Landeplatz bietet. Der Zweite kann nicht mehr gehen, läuft weiss an, und kriecht nach einer Pause auf allen Vieren weiter, bis ihn seine Kumpane dann hochziehen und weiterrutschen. Ob ich einen Krankenwagen rufen soll, frage ich, aber sie schreien mir Verwünschungen zu und bleiben weiterhin auf der falschen Seite. Als ich die Tpr schliesse, wieder die typischen Flüche der Fallenden.

Nun ja. Vielleicht nutze ich meine Zeit in Zukunft doch besser mit Staubwischen und dem Verfassen von Grusskarten.

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Suhrkamp ist zwar nur ein Verlag,

aber auch eine Form des Widerstandes und recht wichtig in Regionen, in denen die Aufklärung etwas länger brauchte, schreibe ich in der FAZ.

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Freitag, 14. Dezember 2012

Über das Weiss

Wenn man in diesem Blog fast beliebig einen Tag des Sommers aufschlägt, sieht man dort pralle Früchte und goldenes Getreide, das sich im warmen Wind über dem Jura wiegt. Nachdem ich ein positiv eingestellter Mensch bin, würde ich nun sagen: Dieses schöne Land ist zwar manchmal nicht ganz so schön, aber, wenn man es stets mit dem Rad durchmisst, sehr abwechslungsreich.





Abwechslungsreich ist auch die Ausgestaltung der Hoffnungen von Frühjahr und Sommer, die auf einen frostigen Winter treffen; so haben gleich 6 prominente deutsche Blogger und Internetaktivisten Bücher vorgelegt, Haeusler, Bunz, Passig/Lobo, Bekedahl und (hoho) die Schramm Frau, und vielleicht ist 2013 dann wieder eines der Jahre, in denen die Lust am netzbegleitenden Buch wieder schwerst nachlässt. Falls die geneigte Leserschaft nicht weiss, um welche Bücher es sich da handelt: Macht nichts, kaum jemand weiss das. Und während ich so durch Eis und Schnee knirsche, sage ich mir zwei Dinge; Rutsch nicht aus wie die. Und: Das hier wird alles wieder grünen und gedeihen. Vielleicht muss man noch mehr aus der Provinz zeigen, vielleicht muss man sie besser verstehen, um die richtigen Bücher zu machen. Hier quatscht niemand über die Bedeutung des Internets, man nutzt es halt, aber man hat auch sonst ein Leben, und zwar gar kein schlechtes. Nicht mal in diesen Tagen. (Dass man dann am Abend eine vollkommen gegenteilige Geschichte hört, die einem dann, wie man das hier sagt, das Standgas einstellt, ist eine andere Sache. Wie man so schön sagt: Gesundheit....)





An solchen Winternachmittagen. allein da draussen, gehen einem so Dinge durch den Kopf, die sich erweitern und Verschüttetes freilegen; da war beispielsweise mal diese Kulturveranstaltung eines längst vergangenen Berliner Prekariats, das damals noch Lesebühne hiess, wo sich einer ohne Vermögen darüber freute, dass der Friseur ein Sonderangebot von 4 Euro hatte. Man kann über Trickle-down-Effekte viel Schlechtes sagen, so richtig glaube ich auch nicht dran, aber diese Freude, dass man da auf dem letzten Cent genau hinkommt und so gut wie nichts weitergeben muss, und sich die Badreinigung auch noch gespart hat, das hat mir damals den Abend schlagartig verdorben. Würde ich mich hinstellen und mich freuen, weil die Orangen so billig sind, obwohl mir klar ist, dass diese Preise in Italien nur durch sklavenähnliche Ausbeutung von Migranten in Calabrien und Sizilien möglich ist, und EU-Förderung - ich würde mir allseits wenig Freude machen. Ich habe übrigens trotzdem Bücher aus diesem Umfeld gekauft, die allesamt von finanziell prekär lebenden Berlinern auf der Suche nach dem Nichts handelten, ich habe sie gelesen und nicht wirklich genossen; und mit dem Eindruck habe ich sie weggelegt, dass sie die Probleme nur erkennen, wenn es sie selbst betrifft. Das ist, was vom Wähnen und Denken übrig blieb.





Es ist kein Wetter für warme, freundliche Gedanken. Mein Mitleid hebe ich mir eher für die jungen Leute in Spanien und Italien auf, für die das Prekariat keine Attitüde, sondern Schicksal ist, und die das nicht einfach so beenden könnten, weil es dort nicht die immer noch vergleichsweise guten Möglichkeiten des deutschen Arbeitsmarktes gibt. Natürlich kommen da keine Romane heraus, oder Filme über Studienabbrecher und was da an Prekariatskreislaufwirtschaft sonst noch sein Geld letztlich zu Apple trägt. Die Geschichten, die ich privat aus Italien höre, sind extrem ätzend und launeverderbend, und so wenig Verständnis die deutschen Medien für die 5Stelle haben - ich glaube, man muss diese Menschen verstehen. Die ganze deutsche Debatte rund um BGE ist Ausdruck eines zynischen sozialen Luxus, abgestrengt und vorgetragen von Leuten, deren sozial Frage bei ihrer Wohnungtür anfängt, deren Miete sie nicht bezahlen, und bei der Füllung ihres Kühlschranks endet, weil: Wir haben es ja. Wir können es uns wirklich von unseren Überschüssen leisten, eine solche Schicht zu ernähren und zu erhalten. Es geht. Und dann wiederum verstehe ich meine italienischen Freunde, wenn die sagen: Dann gebt es lieber uns, wir hängen uns auch entsprechend rein. Das tun sie wirklich, wenn sie die Möglichkeit haben, auch wenn dabei Jahr für Jahr weniger bei ihnen ankommt. Dort bin ich in diesen kalten Gedanken. Und mein Hass auf alle, die ihre Ideologie des BGE vor den wichtigen ersten Schritt eines Mindestlohns setzen, der ist so grenzenlos wie das Weiss auf den Feldern.

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Übersetzungsdienst Don Alphonso

"Die belgischen Verleger haben sich mit Google geeinigt"

heisst

"Sich nach langen, schmerzvollen Erfahrungen demütig und bäuchlings in den kalten Schlamm der Verwertung gelegt habende Winzblättchen heben in chinesischer Kotau-Tradition die Bürzel und flehen um die Einführung der kleinsten Adword-Protuberanz Googles"

Da darf man sich jetzt schon auf die entwürdigende Zeremonie freuen, die man hierzuilande Keese und Döpfner angedeihen lassen wird - wenn das nachher nicht sowieso die ersten sein sollten, die die Fronten wechseln und zum besten Rabatt überlaufen. Dann gibt es vielleicht sowas wie Volksgmail und Volksdatenmissbrauch zum Fastnulltarif.

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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Penegal

Das nächste Mal, wenn ich in Italien bin, lasse ich mir bei Besia neue Visitenkarten drucken, mit der Anschrift

Grand Hotel Penegal
Mendelpass, IT
Zimmer 116
(um Voranmeldung wird gebeten)

Das Grand Hotel gibt es noch, aber natürlich ist es, wie so viele andere, längst geschlossen. Natürlich wohne ich dort nicht, aber ich finde es einfach nett, eine Anschrift dort zu haben, und die bekommen dann all die, von denen ich keine Post bekommen möchte. Sollten sie mich darauf ansprechen, so werde ich sagen, dass tatsächlich die Qualität der das Mauleseltreiber zum Pass hinauf abgenommen hat, und bis März wegen der Lawinen ohnehin kein Durchkommen ist: Meistens sind sogar die Telefon- und Telegraphenleitungen von den hungrigen Hausbären im Garten durchgekaut, aber ich frage das nachste Mal, ob es da nicht vielleicht Funk gibt, zum Anmorsen. Das wird das beste sein, denn alles andere, ich mein, bei den Bären weiss man nie...



Und dann werde ich solche Bilder von den Ebenen rund um Nürnberg zeigen und behaupten, da unten, unter dem Schnee, läge der Kalterer See begraben und gegenüber, das sei der Rittem, ja das ist schon hart im Winter, aber im Granhotel ist genug Essen für Monate, und einzige echte Problem sind die Leute, die in der Zeit sterben, denn man kann sie nicht im Schnee begraben, und in den Kühlräumen kann man sie auch nicht lagern. Aber im Hof steht eine uralte Tanne, da werden sie dann in bunten Ballkleidern aufgehängt und gehen als Christbaumkugeln durch, und wir passen schon auf, dass die Kinder an Sylvester nicht mit Böllern und Raketen darauf schiessen. Lustig geht es zu im Grand Hotel Penegal, und wenn uns gar nichts anderes mehr einfällt, dann machen wir eine Seance und schauen, ob man so eine Leiche nicht doch wieder auferwecken kann: Steh auf oder wir geben Dich den Bären zu fressen! Erfölbe blieben bislang aus, aber die Angehörigen haben sich noch nie beschwert, und die Bären auch nicht. Nur die Pailetten und Geschmeide zwischen den Zähnen, da muss man aufpassen.



So überstehen wir da oben also den Winter, spielen am Abend Rommee oder sitzen nur am Kamin und hören zu, wie das Feuer prasselt. Das Penegal war einst das modernste Haus, aber inzwischen, nun, man weiss ja, wie das geht, und man gewöhnt sich auch an die offen liegenden Rohre und die wacklige Electricität, Jeder zweite Kronleuchter kann deshalb auch mit Kerzen betrieben werden, und wenn es länger dauert, trifft man sich eben im Ballsaal und wärmt sich mit akrobatischem Engtanz. Ganz kalt wird es auch in strengsten Polarnächten nicht, denn man hat genug Bärenfelle, die einen warm halten. Man sieht also, trotz gewisser Eigenschaften, die aus der Zeit gefallen sind, kann man es im Penegal schon aushalten. Und deshalb kommen auch alle jedes Jahr wieder. Fast schon eine Familie, da oben auf dem Pass. Sie haben dort oben immer noch das Porzellan und das Benehmen aus den 20er Jahren. Und einen Monokelschleifer.



Ich denke, das ist eine ganz nette Geste für all die, die sich von solchen Lebenswelten noch ein erheblich weiter weg befinden, als ich das schon tue. Lebenswelten, in denen Wort wie entzückend und reizvoll gar keine Rolle mehr spielen, und das ganze Dasein im immer gleichen indirekten Licht der Neonröhren verläuft, mit uniformen Ritualen und vorgegebenen Einrichtungsgegenständen. Gleichzeitig aber frage ich mich, ob ich denn der einzige bin, dem das schmewrzhaft bewusst wird: Wie monoton und identisch durchgestaltet das Dasein wird, und wie frei von Abenteuern es ist. Das Penegal ist nur eine künstlerische Erweiterung des Tegernsees, aber eben nicht so weit weg,wie all die Videospiele von der Realität derer ist, die sich darum mehr bemühen sollten - man darf nicht vergessen, wie diese Branche inzwischen auch ältere Menschen und ihre Wünsche in ihr Geschäftsmodell integriert. Da sind Defizite, ich fühle sie, weil sie nicht so arg weit weg sind, aber andere überbrücken sie einfach und spielen das nach, am Ikratisch über dem Kabelsalat, den Becher mit Firmenaufdruck neben sich.



Man kann viel über Ungleichhheit und das Auseinanderbrechen der Gesellschaft reden, und ich finde auch, dass es stimmt - es gibt eine extreme Leistungsungerechtigkeit in vielen Berufen, Medien sind da sicher nur ein Beispiel, wenn man an die FTD denkt und welche seltsamen Leute trotzdem Karriere machn - aber letztzlich kümmern doch die meisten unter den immer gleichen Bedingungen vor sich hin. Immer dieses Licht, bei dem man schlechte Laune bekommt. Immer die gleichen 50x50 Zentimeter Stoff und Schaumstoff auf Rollen, und immer die gleichen, steuerlich absetzbaren Advenztskränze. Sehr ungleich ist das alles, und doch sehr gleich. Und deshalb also die Visitenkarten mit der falschen Adresse. Ein aus der Realität gefallenes Hotel für einen aus der Zeit und den Umständen gefallenen Menschen.

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