: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 31. Oktober 2013

Jagdfieber

In Meran und besonders in Obermais - also dort, wo ich mich einquartiert habe - laufe ich mit der gleichen Anspannung herum, die ich auch aif Flohmärkten empfinde. Oder in den Werkstätten alter Radläden. Oder vor sechs Jahren am Tegernsee, als ich wusste, ich will hier her, aber noch nichts hatte. Das ist ein schlechtes zeichen für meinen Gemützszustand, aber ein gutes Zeichen für alle, die etwas anzubieten haben.

Leider ist Meran nicht billig. Der Reisebegleiter etwa fand das Hotel so lange nicht ganz günstig, bis er sich einmal angeschaut hat, was die Hotels in der Nähe kosten. Verona ist auch kein billiges Pflaster, aber dennoch wäre dort ein Luxushotel in der Altstadt nicht wirklich viel teurer. Und das setzt sich nahtlos bei den Immobilien fort. Es ist nicht so schlimm wie die Innenstadt von München, aber auch nicht wirklich günstig. Tegernseeniveau mit mehr Bergen und weniger See-







Vermutlich ist Meran auch die am besten sanierte Stadt in ganz Italien, was man auch daran sieht, wie wenige Ruinen es gibt, und die wiederum sind aufgelassene Burgen auf den Felshöhen - und sogar an die macht man sich inzwischen wieder heran. Es gibt noch ein paar zu entdeckende Plätzchen wie Algund, aber wenn man sich hier schon für immer einquartieren möchte, dann sollte es schon Obermais sein. So eine typische Obermais-Villa halt, Baujahr zwischen 1813 und 1914, Stuck, und im Gegenzug würde ich auch auf einen Park verzichten; davon gibt es hier ja genug, mir reicht das Anschauen, das Pflegen dürfen andere von ihren Gärtnern übernehmen lassen.

Und das ist keine Diskriminierung, so einen Libanonzeder kann man als Laie gar nicht beherrschen, wenn sie zwischen lauter Engelstrompeten und Pinien eingewachsen ist. Merqaneinsteigern wie mir bleibt also gar nichts anderes, als nach Altbestand zu suchen.







Meine Idee sieht nämlich so aus: Erst mal kaufen. Ab einer halben Million kann man mitspielen, und bekommt zu 200 Quadratmetern auch jede Menge Rückstand, Probleme und veraltete Elektrik. Dann erst mal klein anfangen, mit 1 Zimmer Küche Bad, während das, was wirklich getan werden muss, in einem Rutsch gemacht wird. Und dann sind da ja noch ein paar Jahre, in denen man sich vorarbeiten kann, Raum für Raum, Stockwerk für Stockwerk. Das muss nicht teuer sein, vieles kann man im Innenbereich selber machen. Oder auch so lassen. In Meran zum Beispiel verstehe ich Isolierfenster beim besten Willen nicht. Da kann man gerne das alte Bleiglas so lassen, wie es ist.

Es wäre dann sowieso das letzte Projekt des Lebens. Die Zeit wäre jetzt gar nicht so ungünstig, denn - es mag für Mietende hart klingen, aber es ist so - meine Münchner Kleinwohnung kostet im Moment so viel wie eine halbe, halbsanierte Villa in Obermais. Es ist also nicht völlig undenkbar, und meine Hoffmung ist, dass die wirklich Reichen gar kein Interesse an so einer alten Bude haben. Und deshalb gehe ich wie eine Raunkatze durch Meran und fühle die Anspannung im Rücken.







Bei Frasnelli kaufen jetzt nur die armen Deutschen die Plätzchenformen für den Winter, beim Darling denken sie gar nicht daran, die Stühle wegzuräumen, und über Weihnachten ist hier ohnehin alles ausgebucht, weil das Klima so mild ist. 6 Monate dauert in Deutschland der Winter, in Meran sind es dagegen nur 2 sonnige Monate; man gewinnt also 4 Monate Lebenszeit dazu, und jünger, liebe Freunde, werden wir alle nicht.

Das Leben ist in meinem Alter zu kurz für deutsche Winter. Diesmal nehme ich noch die Bilder und die Sehnsucht mit, aber irgendwann. Irgendwann mache Nägel mit Köpfen, die ich in meine Wand und Decke haue, und Bilder und Lüster daran aufhänge. Und das wird nicht nördlich der Alpen sein.

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Mittwoch, 30. Oktober 2013

Der Venezianer spritzt im Darling

Hat das mit den Rädern geklappt, fragt die Dame an der Rezeption, als ich hereinkomme. Natürlich hat es geklappt, in Meran fügt sich alles irgendwie, weil es halt ein bevorzugter Platz auf dieser Erde ist, und Obermais sowieso. Wenn ich einmal die Obermais-Kurdepesche mache, werde ich das jeden Tag belegen. Noch einmal bin ich fast genau die Strecke gefahren, auf der ich hierher geradelt bin, nur diesmal mit dem Auto und obendrein etwas unerwartet; gebucht habe ich noch in der Nacht davor, aber jetzt stehe ich hier und habe das Gefühl, eigentlich den ganzen Weg zu Hause angekommen zu sein. Das alles, von der Donau bis zum Po, ist meine Heimat. Und Meran liegt ziemlich genau in der Mitte.





Ab er auch hier kann man den Jahreszeiten nicht ganz entkommen, und zu einer Zeit, da vor zwei Monaten noch so viel Licht und Sonne im Tal war, ist es jetzt schon stockfinster. Stockfinster, aber warm, die 20 Grad in Meran sind schon etwas anderes als jene drei Grad, bei denen die Reise am Tegernsee begann. Oben am Jaufenpass lag Schnee bei Null Grad, aber man kann es sich ja ausrechnen: 0 Grad auf 2100 bedeutet bei 1 Grad Gewinn alle 100 Meter 16 Grad auf 300 Meter, und zwei Bonusgrade wegen Meran. Daher auch die Idee mit der Kur-Depesche von Obermais. Immer eine gute Nachricht und garantiert vier heiratswillige Töchter. An der Sommerpromenade sind noch fast alle Blätter an den Bäumen, die Menschen flanieren draussen, kaufen ein, als gäbe es drei Monate kein Essen mehr, und auch noch ganz spät sitzen manche am rauschenden Fluss, und verlangen nach Sprizz - wobei:





Wie mir im Cafe Darling erklärt wurde, nennt man das, was man in Italien als "Sprizz" bezeichnet, hier "Venezianer". Und das, was hier ein Sprizz ist, hat die umgekehrte Mischung.-Also bekommt man einen Vemezianer, wenn man nicht Südtiroler ist, weil die echten Südtiroler natürlich davon ausgehen, dass man den Unterschied nicht kennt. Abgerechnet wird dann aber auch tatsächlich der Venezianer. Das ist mir an diesem Abend zu hoch, aber das macht nichts, denn ich bin in Meran und damit ist alles erst mal gut, für die kommenden Tage.

Keine Schweinerei, leider, auch wenn die Überschrift so etwas impliziert. Meran ist überhaupt sehr unsexy, was öffentliche Nacktheit von Werbung angeht, dafür fallen um so mehr die schönen und attraktiven Menschen auf, und viele kommen natürlich ins Darling.





Ein paar Stunden widme ich mich dem Anschauen der Deutschen, der Südtiroler und der Italiener, die hier einen Raum zum Vergessen finden; das perfekte Art-deco-Cafe, das nie Art Deco gewesen ist, wie ja auch der Venezianer kein Spritz ist. Wir spielen Kurgäste, wie bestellen Torte und denken nicht an die Tage, da der Hut, der gerade gekauft wurde, bitter nötig sein wird. ich bin ausgewichen, geflohen, habe das Unvermeidliche gemieden und bin jetzt eine kleine Weile hier. Zu kurz natürlich, aber lang genug für einen guten Tee und Ideen, was man sonst noch alles tun könnte.

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Dienstag, 29. Oktober 2013

Was ist passiert?

Wo fing das an?

In Berlin, 2003. So ungefähr um diese Zeit vor einer Dekade, Gott ist das alles schon lang her. Letztlich war es nur eine unerwartete Schwangerschaft, die mich dorthin gehen liess. In die Stadt recht hoffnungsfrpher Anfänge, wo man tun konnte, was man wollte. Weitgehend ideologiefrei übrigens. Damals gab es sogar noch recht offen ausgelebte Dramen, die heute vielleicht als sexistisch gelten würden, aber manche Leute gab es damals noch nicht, da konnten man und frau einiges tun. Zum Glück. So konnte das alles erst mal recht schön vor sich hin köcheln. Das, was später mal die Netzszene werden sollte. Das Netz kam erst später. Damals wollte man mehr so erzählen.



Dass es dann so auseinander brach, hat sicher etwas mit dem Wunsch vieler zu tun, reich zu werden. Das kann man nicht nur auf Berlin schieben, auch in München gab und gibt es jede Menge kranker Leute, die halt nicht für das Profibloggen bezahlt werden wollten, sondern für das Profi-PR-Bloggen. Und wenn ich krank sage, dann meine ich auch: Bis an den Rand der Erschöpfung und die Klapse. Inzwischen sind manche von denen wieder gut bei der Huffington Post geerdet, wo sie kostenlos schreiben müssen, andere haben immer noch ihre Klitsche und Berliner ihre begrenzten Perspektiven; alt werden möchte man so auf gar keinen Fall und ich denke, die machen das nur, weil sie keine Alternative haben. Viel versprechend und nichts haltens seit 2003.



Aber da ist vielleicht noch etwas anderes gewesen. Die Unfähigkeit, mit der Freiheit, die man hatte, richtig umzugehen. Diese allgemeine Verfügbarkeit von Möglichkeiten, wegen derer es gar nicht nötig ist. so etwas wie Gemeinsamkeiten und Zusammengehörigkeit zu entwickeln. Das Internet ist fraglos einer der grossen Treiber der Differenzierung und Fragmentierung der Gesellschaft, und es ist irgendwie nur logisch, dass es zuerst jene trifft, die darin am meisten machen. Schon damals hat sich angedeutet, was man später bei den Piraten sah: Heterogene Egomanen scheitern im Kampf gegen ein fest gefügtes System. Damals waren es wirtschaftliche Prozesse und die Bedürfnisse der Medien, an denen die Bloggerei Interesse hatte, in Fraktionen zerbrach und von den Fleischtöpfen ausgeschlossen wurde, später wurden - und werden - es die betonierten Strukturen des Landes sein, die wir gerade an der grossen Koalition von Pest und Cholera sehen: Da kommt man nicht weit, wenn die Hälfte der Energie in die Bekämpfung er eigenen Leute geht. Wenn die einen im Übermut die eigene Partei ruinieren, die anderen ihr Netzwerk nur um den wirtschaftlichen Vorteil betrieben und wieder andre glauben, die Netzszene, die sie früher schon ruiniert haben, sollte mit Merkel koalieren.



Es gibt keinen Minimalkonsens, sondern nur Maximalforderungen widerstreitender Personen und Cliquen, die alle um Aufmerksamkeit buhlen. Und sogar innerhalb der verschiedenen Lager ist man sich mal offen, mal verdeckt, spinnefeind. Antikapitalisten, Netzpolitiker, Feministinnen, Postprifaschisten, Twitterakademien, überall geht es um die Frängelei nach vorne, um einen Weltentwurf, in der der eine etwas reden darf und der andere möglichst ausgegrenzt wird, und das auf Basis winziger Unterschiede: Es gibt 95% Übereinstimmung aus der Sicht vo Aussen und 0% aus Sicht von innen. Es geht, weil sich immer schnell Koalitionen bilden, so schnell wie PProjekte wieder vor die Hunde gehen, weil die Kraft zwar reicht, andere auszugrenzen, aber nicht, um etwas Sinnvolles aufzubauen. Erfolg wird da in einer zusammengelogenen Biographie der Beratung konstriert, einem Arbeitsamtzuschuss und einer Hilfskraft auf 450-Euro-Basis. Das ist die Realität 10 Jahre später, das und eine grosse Koalitopn der Überwachungscretins mit den dreckigen Verrätern. Die sind nicht so gut, sie können es einfach machen, weil auf der anderen Seite nichts als die Fragmnetierung des teils der Gesellschaft ist, der sich im Internet seine Filterbubbles eingerichtet hat.



Die einen brauchen dazu Google Adsense und die anderen zerfleddern so, wie sich das bei kleinerdrei (bekannt durch den Aufschrei) beobachten lässt. Das ist dann auch nichts anderes als die moderne Version vom Conveniant Chicken oder den Sixpack-Frauen von Ebay; etwas, über das man sich später bestenfalls wundern wird, oder sich gar schämt wie über diese Bilder bei StudiVZ, und sich fragt: Warum? Wo fing das an? Was hat euch bloss so ruiniert, in eurem Kaktusgarten?

Man kann so sein Leben und die Jugend verschwenden, man kann damit lang und ausgiebig scheitern und nach Schuldigen suchen, aber am Ende hat man halt jede Freiheit in Anspruch genommen, und die anderen, die weniger Individuellen konnten warten. Wir sind anders, hiess es 2003. In der Andersartigkeit hat sich nicht das Beste durchgesetzt, muss man leider festhalten.

Ich bekomme das heute nur noch aus der Ferne mit, diesen deutschen Sonderweg der Belanglosigkeit.

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Montag, 28. Oktober 2013

Umzug

Schräg fällt das Licht ins Zimmer, wirft Schatten auf das alte Parkett, die länger und länger werden, und so langsam verstehe ich, dass ich wohl kaum mehr dieses Jahr auf den Rädern fahren werde, die jetzt von der Post gebracht werden. Es ist die Zeit der fallenden Preise und glichzeitig der Moment, da ich meinen Platz am Sekretär räume, und Kannen, Geschirr, Rechner, Kuchengabeln und das ein oder andere Bild, nur aus Freude am Betrachten, ins andere Zimmer räume, das ich meine Bibliothek nenne.







Nach oben, in den Speicher, trage ich meine Gefährten des Sommers und die Helden des Herbstlaubes, nur zwei, drei Räder dürfen hier unten bleiben, und morgen kommt ohnehin einer, der eines nach unten tragen wird: Es gibt nun mal Zugänge und Abgänge und in dem fall weiss ich, es ist gut so. Denn der Kommende sollte ruhig etwas mehr tun, und wo er ist, wird er mit dem Rad dann auch Kopfsteinpflaster, Schwellen und mitunter herumliegende Matratzen und Flaschen überrollen. Man kann ja in Berlin nie wissen, welche verpeilte Feministinnen und Hipster darum betteln, überrollt zu werden. Darauf ein kawasakigrünes Trek, wohlgewartet, mit einem gut kadavergängigen Dart vorne und einem Smoke hinten, und, offen gesagt, etwas überflüssig.







Heute kommt der Sturm über Deutschland, seine Südflanke streift uns, der Wind fegt über die Felder, und trotzdem fege ich noch einmal über Wege und Strassen: Ich werde es missen. Ich sehe an den Trauben, dass cder Wein 2013 abgeschrieben hat, also wird es sicher kein allzu angenehmer Winter werden: Da muss man nehmen, was man kriegen kann. Diese Stunden auf dem Rad und noch ein paar Tage in Italien. Erst danach ziehe ich endgültig zurück zu meinen Büchern, liege auf dem Sofa und warte ab, in der Hoffnung, dass der Winter manch andere ausradiert, und sie in die Hölle umziehen lässt. Vortragsmillionäre, abgehörte Staatskassenluder, Waffenlobbyisten, Geheimdienstcretins, britisch-Amerikanisch-deutsche Organisationsverbrecher.

Aber andere dreckige Verräter würden dann einfach die grosse Koalition weiter machen.

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Sonntag, 27. Oktober 2013

Mitbringsel

Ich habe mir das letzte Mal in Italien kein Rad gekauft. Auch keine Schuhe. Nur Apfelstrudel, sonst nichts. Und dann war eh Sonntag und am Sonntag kann man nichts kaufen. Als ich dann am Brenner war, sah es so aus, als hätte ich mich endlich einmal beherrschen können. Und es stimmt ja auch, ich habe kein Rad aus Italien mitgebracht.







Allerdings war direkt hinter der Grenze zuu Österreich ein Geschäft für Radkleidung. Das machte Totalausverkauf, und weil man ja Trikots immer brauchen kann, und das heute zu Normalpreisen nicht weniger als normale Mode überteuert ist, hielt ich eben an.

Und kaufte Trikots, zwei, ganz billig. Allerdings sah ich dann an der Kasse, dass dort ein altes Simioncini im Schaufenster hing, eines von der ganz seltenen Sorte, und ich habe Blut und Wassr geschwitzt, weil da 10 vor mir waren und ich fürchtete, die würden es gleich einsacken. Haben sie aber nicht getan, und so habe ich eben aus Italien kein Rad mitgebracht, nur unterwegs war da halt eines im Schaufenster.







Aber ich habe mich beherrscht, habe nach keinem Rad gesucht und auch nicht bei Subito geguckt. Ich finde das - obwohl Eigenlob - sehr vorbildlich, und das Simoncini war keine Absicht, keine Planung und keine Jagd im eigentlichen Sinne, sondern nur die Verkettung von Umständen jenseits meiner Kontrolle und von Italien natürlich auch.

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Sonntag, 27. Oktober 2013

Der Berliner in München

Es fängt schon damit an, dass der Berliner S. um Sekunden, wirklich nur um Sekunden den Zug verpasst. Frechheit, wie kann der es wagen, auf die Minute genau abzufahren? Das ist blöd, denn er muss am Abend zu einer Debatte in München sein. Und da muss er sein, weil die Veranstalter das Ticket zahlen und wenn die das nicht tun, kann er Berlin nicht verlassen. Wütend nimmt der Berliner also, vorempört über diese Ungerechtigkeit, einen anderen Zug. Während dieser Zug sehr langsam Richtung Bayern und einer gehörigen Verspätung rollt, könnte sich der Berliner überlegen, dass das vielleicht damit zu tun hat, dass die Anbindung seines Slums an die zivilisierten Regionen des Landes für Letztere keine nennenswerte Bedeutung hat. Wer dorthin zieht, hat bald kein Geld mehr, um sich die Zugfahrt nach München leisten zu können und somit ist das überflüssig.



Jeder Münchner wüsste natürlich, dass Ausgehen in München nun nicht gerade zu den billigsten Freuden gehört, und so ein Fetzenrausch in der Schotterebene, auch wenn man es in Relation zu Berlin und dem dortigen Nichteinkommen berechnet, sehr teuer ist. Es gibt zwar Ausnahmen wie die mitgeschleppte Wodkaflasche an der Isar, aber dafür ist es jetzt zu kalt, also wird das kostspielig und, so man sich nicht mal die Bahnkarte leisten könnte, ruinös. Aber wenigstens hat er den Rausch vertwittert! Damit die in Berlin wissen, dass am Berliner Asiwesen die Münchner gern verwesen, oder so.

Am Morgen dann die Entdeckung, dass, Wohnen in München vorausgesetzt, das Wetter im Oktober keine graugelbe Abgasdecke über der Stadt sein muss. Fast ist es Sommer! Der Berliner S. bekleidet sich leicht und bald noch leichter, denn wie sich zeigt, hat sein Schuhwerk den Abend nicht überlebt. Er fragt sich nicht, wie zum Teufel man eigentlich nur mit einem Paar Schuhe verreisen kann, oder warum er keine Schuhe eines vernünftigen Schusters besitzt, sondern fragt bei Twitter, ob jemand weiss, wo es billige Schuhe gibt. Im Euroindustriepark vielleicht, würde man ihm antworten, aber jemand anderes empfiehlt einen nicht ganz billigen Laden in der Stadfmitte. Es endet bei 29 Euro teuren Turnschuhen, deren Produktion so nachhaltig wie die eines Berliner 1,50.Euro-Döners sein dürfte. Und vermutlich auch ähnlich lang halten.



Dann setzt er sich in den englischen Garten und plant den kommenden Abend. Jemand empfiehlt die wirklich gute FM4-Party. 20 EURO!!!!!1!!elf!! Das geht nicht, das ist - aus Berliner Sicht - zu viel. Dass das Motto in München nicht "Das kann ich mir nicht leisten" heisst, verschweigt man ihm gnädigerweise, man ist ja nett und freundlich zu Fremden. Ja, das Leben in München ist etwas teurer, aber diese 20 Euro des österreichischen Jugendsenders sind fast noch ein Sonderangebot. München ist halt etwas gehoben. Aber deshalb ist man ja auch hier, wenn man hier ist, und bleiben kann. Und deshalb kein ultraemocooler Hauptstädter ist.

In diesem Gefühl schreitet S. als kleiner König dieser Spiesserwelt weiter: Die Maximiliansstrasse ist Münchens erste Adresse. Man muss das nicht mögen, man kann sie meiden, und vielleicht ist die Strasse auch nicht erbaut, von Berliner Hipstern betreten zu werden. Vor allem nicht, wenn sie danach ihre Berliner Anhängerschaft wissen lassen, dass sie nun durch das Bertrachten der Strasse allein zum Kommunisten geworden sind. Das ging aber schnell! Dabei waren sie noch gar nicht bei Dallmayr, wo man für 20 Euro ein paar gute Pralinen bekommt, oder gar beim Käferstand in der Oper, an dem man wirklich zur Bombe greifen will, so fragwürdig wie da die Qualität und der Service ist, fast so gut wie in einem Berliner sog. "Nobelrestaurant". Käfer ist ja eigentlich auch nur was für Berliner, sowas wie die Real Life Neutrality für alle, die zu viel Geld haben.



Zwischenzeitlich hat der S nach seiner Zugfahrt auch seine Unterkunft irgendwie verpasst und obendrein sagen Leute ihre Treffen mit ihm ab. Ob das daran liegt, dass man an einem schönen Oktobertag in München keinen genervten, an Geldmangel plakativ leidenden Miesmacher sehen möchte? Komischer Gedanke, Emopostings sind doch das Salz in der Nudelsuppe der gekonnten Inszenierung eines Berliner Nonkonformisten, das muss so sein und in Berlin ist es doch nicht wichtig, ob jemand reich ist, solange auf der Sklavenseite nur die richtigen Neigungen stehen, und Essen kann man doch wirklich aus dem Styropor vom Inder! Immer diese Vorbehalte dieser verklemmten Münchner. Diese Münchner sind einfach nicht cool, sie ertragen es nicht, wenn jemand cool ist und deshalb sagen sie ab, ja, so muss das sein.

Tags darauf ruckelt der langsame Zug zurück in den Berliner Spreesumpf, und der Berliner versteht inzwischen auch, warum dieses Westdeutschland so schlecht an Berlin angebunden ist: da hält es ja kein normaler Mensch dauerhaft aus, da gibt es nicht an jeder Ecke Bierflaschen, die man mit sich herumtragen kann und diese ganzen saturierten Reichen, die alle Arbeit haben und nicht ständig schauen müssen, wie sie den Abend ohne Geld, aber mit ordentlich Dröhnung durchbringen - die wissen echt nichts vom Leben. Null. Die können gar nicht mitreden, wenn es um die Zukunft des Landes geht. Zum Glück ist das aber ganz weit weg vin der Haupstadt und hat hier nie eine Chance.

Und dass das alles Faschisten, Nazis, Macker, Kapitalisten, Sexisten und fiese Unterdrücker jeglicher freien Meinung sind, merkt man ja auch an den übersauberen Strassen. Und wird es gerne nochmal bestätigen, wenn man nochmal die Fahrt bezahlt bekommt, und sich irgendwo einqartieren kann.

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Freitag, 25. Oktober 2013

Schickt sie mir an einem Regentag

Man könnte einen eigene Seite machen, rund um das Thema "Kunstversand österreichischer Auktionshäuser und Händler". Gebrauchte deutsche Fahrradketten werden meistens besser verpackt und gesichert, während sie Nachbarn gar keinen Hehl daraus machen, was sie von dem Geraffel halten.



Meine Überraschung, dass eine leicht lädierte Biedermeieritalienerin nun doch sauber eingepackt und in einem Karton ganz ohne verächtliche Anspielungen kommt, ist unbeschreiblich; ich wohne ja in der Altstadt, wo man sich kennt, und der Postbote staunt manchmal nicht schlecht über Damenbinden, Bananen und billlige Waschmittel, die mich aus Wien erreichen. Aber ich kenne das ja aus meiner Wiener Zeit; da gibt es Läden, die wie Rumpelkammern aussehen und de facto auch Rumpelkammern sind, und wenn man dann hineingeht und nach den Preisen für das ruinierte Zeug fragt, bekommt man Antworten, die man nicht mal in München bekäme, so unverschämt sind sie.



Insofern sind dann das Ersteigern und der Versand über jene 400 Kilometer die Donau hinunter, die Wien von meiner Heimat scheiden, keine dumme Sachen. Lieber schlecht verpackt als gut ausgenommen, würde ich meinen. Und so tröpfelt dann doch einiges zu mir, was ich früher auf dem Naschmarkt vergeblich suchte. Es ist nicht so, dass es in Wien nicht reichlich gäbe; die Stadt hat sich besonders im 19. Jahrhundert vollgesogen mit allen Reichtümern der Provinzen, und ich bin immer wieder erstaunt, was in der Zeit vor der italienischen Einheit alles seinen Weg aus Oberitalien in die k.u,k,-Hauptstadt gefunden hat. Man schimpft ja gern über die Raubzüge Napoleons, aber unter österreichischer Herrschaft haben sich auch die Beamten und Verwalter offensichtlich gut beim niedergehenden Adel und Bürgertum von Bergamo bis Venedig bedient, und nach Wien verschleppt, was an die Wände passte.



Früher, das erzählte man mir in Italien vor "la Crisi", war das durchaus bekannt, und vieles, was im inzwischen Antiquitäten liebenden Land der blühenden Zitronen und Immobilienblasen zu kaufen ist, wurde in der Frühzeit dieses Jahrhunderts zurückgeholt. Vor ein paar Wochen war ich in Österreich bei einem Händler, der seinen Sitz nun aus Wien weg in Richtung Passau verlegt hat: Man geht halt mit der Kundschaft. Und reduziert auch die Preise, weil weniger Konkurrenz da ist. Früher hätte es ein Gezerre sondersgleichen zwischen Bietern nördlich und südlich der Alpen gegeben, heute lernt man im Westbalkan wieder die Vorzüge der Deutschen zu schätzen. Abgesehen davon: Biedermeier ist gerade unglaublich unbeliebt, weil all jene, die in den 90ern sich all die teuren Möbel leisten konnten, sich nun langsam verkleinern oder an Kinder vererben, die damit nichts anfangen können. La Crisi des Überflusses.



Dazu wohnen die Kinder dann auch oft noch in Städten unter vergleichsweise beengten Bedingungen, und nicht wie die Eltern in weiträumigen Villen, in denen man sich halt ein Biedermeierzimmer eingerichtet hat. Russische Ikonen wären noch schlimmer, aber auch das Elternhaus empfinden viele als Last, und das weite Land ist nicht zwingend die Grossregion München. Wer das Pech hat, ein Haus in Bayruth oder bei Fulda zu haben, merkt nichts von Immobilienboom und den immensen Erlösen, die man in München erzielen könnte. Biedermeier ist auch schwierig, aber irgendwie bekommt man das noch unter und die Einnahmen reichen für einen halben Kinderwagen der Mittelklasse.



Nun also ist sie da, an einem Regentag, zeigt mir ihre makellosen Schultern und erzählt von den Verwerfungen der Zeiten, nach denen man sich zu ihrer Zeit überhaupt nicht gesehnt hat. Erstmal bleibt sie hier, die nächsten Dekaden werden ruhig, und mag sich auch die Welt draussen verändern: Hier ist sie nicht fremd, hier passt sie durchaus her.

Ich mag ihr Lächeln.

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Freitag, 25. Oktober 2013

Gewinner und Verlustgewinner

In dreissig Jahren werden wir vielleicht wissen, wer vor der Wahl die ganzen Pädophiliegeschichten bei den Grünen so konzertiert in die Medien gebracht hat, und was es ihn gekostet hat. Die Geschwindigkeit, mit der das Thema nach der Wahl verschwuinden ist, deutet doch recht glaubwürdig darauf hin, dass es sich hier um einen Auftragsmord handelte. Selbst wenn draussen vermutlich der unglückliche Veggie day mehr Einfluss hatte. Zumindest bei manchen Unionswählern, die gut mit dem kirchlichen Kindesmissbrauch konnten, dürfte die Vorstellung von weniger Fleisch bedrückend sein. Wobei:



Na?

Und ausserdem, was die Verhandlungen Jeder mit Jedem angeht: Es bleiben noch vier Jahre für jede Schandtat und jeden Verrat, sei es, dass manche 690000 zahlen oder sei es einfach nur das abartig Böse, das da in der DDR gezüchtet wurde, und das jetzt am Liebsten gleich mitspionieren würde, würde man es in den Club der englischsprachigen Totalitaristen aufnehmen. Da wird noch so viel kommen, aber keine Freiheit, nur eine abgemildertte Form der DDR, die diese Frau und ihre Stiefelknechte für ausreichend halten. Militärexporte, Banksterschweinerein, freie Mafiamarktwirtschaft. Hauptsache, es läuft alles über die richtige Partei. Man beschwere sich bitte nicht über Italiens Herrn Craxi.



Hier läuft es auch gut, man kann sich nicht beklagen, und ein anderes Thema ist bislang auch verschwunden - ich vermute, man hat es längst weggebogen: Die Mietpreisbremse. Das hat meines Erachtens auch viel damit zu tun, dass man hierzulande wie in Amerika und England auch nicht die grosse Blase zum platzen bringen will, die sich inzwischen gebildet hat, und die obendrein aufgrund der historischen Versäumnisse sogar Sinn macht: Es wird ja tatsächlich wieder gebaut, es lohnt sich, hässliche Häuser ins Münchner Umland zu stellen, die Rendite kommt auch rein und das Geld bleibt im Land. Für Mieter ist es nicht gut, aber man muss es auch so sehen: Die einzigen, die sich wirklich laut beklagen, sind Berliner, die sowieso nichts anderes zu tun haben - so zumindest der Common Sense. In München dagegen, wo die Preise wirklich hoch und fern des Berliner Niveaus sind, arbeiten die Leute halt, um sich ihre drei Zimmer, uhter denen man es als Single nicht tut.leisten zu können. Dagegen demonstrieren allenfalls ein paar mit dem BR und der SZ verfilzte Künstler, die mal wieder in die Medien kommen wollen



Ich bin gegen das gewesen, was jetzt kommt, ich habe dagegen gewählt, mir teilweise sehr unsympathische Parteien übrigens, und jetzt kommen also die anderen und Sorgen müssen sich andere machen, und ganz ehrlich: Dass es so kam, liegt nicht nur an den Siegern, sondern auch an denen, die gegen dieses Pack immer noch verloren haben. Mir könnte es egal sein. Mir tut keiner was. Und solange man nicht Journaille in die Uranbergwerke schicken darf, wenn die den DAX jenseits von 9000 frenetisch feiern, wird sich in diesem Land auch kaum etwas zum Besseren wenden: Hauptsache, jeder darf sich irgendwo als Gewinner sehen. Und wenn nur der richtige Dopingverbrecherverein oder das Quietscheentchen in der Glotze gewinnt.

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Immer das gleiche

Wenn ich Zeit habe, denke ich viel nach, und wenn das Holz kommt und ich es aufschlichte, habe ich natürlich viel Zeit. Ich bin nur selten so lange in dem Viertel, in dem ich die meiste Zeit meiner Jugend verbracht habe, und dann sehe ich natürlich auch, was sich in Details verändert. Und so kommt es, dass ich jedes Jahr einen grösseren Beitrag über das Holz und seine Bedeutung und diesemal auch über die unglaubliche Überbetreuung von Blagen schreibe. In der FAZ und im Kommentarblog, das inzwischen das drittmeist kommentiere Blog der FAZ geworden ist, und das, ohne bei der FAZ zu sein. Es hat allein über 15000 Kommentare und mit einem Schnitt von 5.000 PIs pro Beitrag mehr als alle anderen FAZ-Blogs. Aber dort funktioniert der Spamfilter, die Datenbanken können miteinander, und ich kann gut arbeiten.

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