Der essentielle Ernesto

Es begann vor ein paar Wochen am Gardasee.



Wir fuhren heim, und auf dem Gepäckträger war ein Rad. Nur ein Rad. Es hätten auch zwei sein können, aber leider war das gebrauchte Moser-Rennrad in diesem anderen Radladen zu gross für meine nicht wirklich langen Beine. Und wie es nun mal so ist: Man denkt an das schreiend bunte Ding zurück, und dann fahren sie einem auch schon entgegen, die de Rosas, die Bassos, die Tomassinis und die Colnagos, die klingenden italienischen Namen, idealerweise ausgerüstet mit Campagnolo, alles italienisch, so wie man es schon früher immer gern gehabt hätte. Als Schüler, als schon ein Rad für 1000 Mark eine Investition war. Heute bekäme man für 500 Euro keinen guten Rahmen aus Italien mehr, da gibt es nur noch Zeug aus Fernost. Ich fuhr also die Gardesana hinunter und dachte, vielleicht schaue ich mich doch mal nach einem ordentlichen Colnago um. Aus Frust heraus wurde es dann doch ein gepflegtes Müsing mit Shimano 600. Bis dann heute morgen mein Auge eigentlich auf einen Verkäufer von Berglaufrädern gefallen ist, und dessen Berglaufräder wiederum waren an dem hier:



Grossbild

Das ist ein Colnago Mapei Dream, gebaut ungefähr 2000. Mit der fast kompletten Chorus-Gruppe von Campagnolo. Ein papageienbunter, italienischer Kindertraum. Und weil der Besitzer wegen eines neuen Mountainbikes das Rad nicht mehr fuhr, gab es das quasi als Dreingabe zu den (hier nicht abgebildeten) Berglaufrädern. Heute habe ich keinen Frust mehr, es geht mir blendend, da nehme ich das doch gerne dazu.



Er ist, zugegeben, in einer harten Farbgestaltung. Es ist kein dezentes Rad, es verbirgt nicht seine Herkunft, nicht weniger als 17 Mal findet man darauf den Namen von Ernesto Colnago. Es gehört ein gewisses Selbstbewusstsein dazu, so etwas zu tun, aber Colnago ist halt der Traum vieler Kinder, da kann man sich das schon leisten, wenn aus den Kindern Männer wurden, die endlich die weit mehr als 3000 Euro auf den Tisch legen können, um sich den Traum zu erfüllen.



Schliesslich ist alles dran, was man haben möchte. Campagnolokurbeln zum Beispiel, mit ihren unnachahmlichen Oberflächen, die man sofort erkennt. Gedichte in Aluminium, Spitzenwerke italienischer Formgebung. Schwerer, teurer, aber eben auch schöner als der Krempel aus Fernost. Ein Fanal gegen den Fetisch Zweckmässigkeit.



Da sind die Laufräder von Campa, mit ihren hohen Felgen, den Messerspeichen und den klassisch geformten Naben, die von ihrer Grösse her recht gut zum voluminösen Rahmen passen. Der ist erheblich dicker als der Müsing: Auch aus Aluminium, und wenn man genau hinschaut, ahnt man auch, warum er so bunt ist:



Mit den dicken Schweissnähten und den gebeulten Rohren ist er nackt vielleicht doch nicht so schön wie das Müsing. Das Colnago ist brutal zerklüftet und nicht wirklich klassisch. Absolut kein Vergleich zu einem alten Stahlrahmen. Aber darauf kommt es nicht an, es ist ein sehr steifer und leichter Rahmen mit sehr schönen Komponenten, bis auf:



Die Carbonteile. Leider wurden die originalen Bremsschaltgriffe aus Aluminium gegen die Exemplare der höchsten Gruppe von Campa ausgetauscht. Und die sind aus Carbon, leicht und stilistisch nicht passend. Wie auch die Carbon-Sattenstütze.Aber - egal.

Warum noch ein Rennrad, wird die schnöde Vernunft jetzt fragen, die schon an Teekannen leidet, und die Antwort; nun, die lautet: Irgendwann muss es eben ein Edelitaliener mit Campa sein. Und in meinem Keller am Tegernsee ist noch viel Platz.

Donnerstag, 15. April 2010, 01:43, von donalphons | |comment

 
Was für ein wunderschöner Fund.
Mir gefällt der Kontrast von Gabel und Rahmen, der von der Lackierung so charmant umspielt wird.
Wenn die Geometrie paßt, sollte man sich schnell mit dem Karbon-blingbling versöhnen können.
(Immer noch schöner, und leichter, als jede Fernost-Variante.)
Damit kommen Sie locker unter acht Kilo, oder?
(Und die schnöde Vernunft hat bei Straßenrennrädern
ohnehin still zu schweigen!)

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Mit den leichten Rädern ist es gerade unter 8, aber die sind jetzt nicht besonders stabil und eigentlich nur für den Renneinsatz. So, wie es hier steht, sind es 8,8, wobei man am Sattel, am Vorbau und an den Pedalen leicht nochmal 300 Gramm schinden könnte - egal, ich lasse es, wie ich es bekommen habe.

Das Problem ist, dass es für den Mann ein wenig viel ist, aber das Kind im manne liebt es genau so. Man kann, man darf ja sonst nicht. Und wäre es weniger gut, wäre es peinlich. Aber so ist es natürlich zurecht auffällig. Gerade weil es eben das ist, was insgeheim jeder irgendwie gern hätte. Die Quintessenz der zweirädrigen Italianita.

Leider kann ich mit meinem Lüngerl keine Strecken von mehr als 90, 100 Kilometer fahren, aber immer noch besser so, als nie.

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Einfach wunderschön. Ich werde diesen Sommer mein Rennrad auch endlich wieder in Betrieb nehmen (Peugeot Aspin, Reynolds-Rohr, leider nur eine schnöde, aber bestens funktionierende Shimano 105-Gruppe drauf ;-))

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Danke, nach einer ersten 20-Kilometer-Runde gestern kann ich auch über die Fuktion von Campa nichts Schlechtes sagen. Vielleicht nicht diese leise Unauffälligkeit der Ultegra, eher ein wenig rustikal, aber das Auge fährt eben auch mit.
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(Schon mal die einschlägigen Kleinanzeigenseiten gesehen? Es ist immer wieder erstaunlich, was da alle zwei, drei tage mal aus Garagen auftaucht.)

((Und ich bin ja froh, wenn ich nicht der einzioge bin, der mit der Eiterbeulenfarbenorgie was anfangen kann))

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Ehrlich gesagt:
Soo unauffällig und idiotensicher schaltet das Ultegra-Geraffel auch nicht immer. Ich schieb es jetzt mal auf fehlende Feineinstellung, aber ich hatte gestern paar Mal erhebliche Mühe mit dem vorderen Umwerfer, vom mittleren aufs große Kettenblatt zu kommen. Und hinten sind 100 Prozent auch was anderes. Aber ich vermute, wenn da jemand, der was davon versteht, an den richtigen Schräubchen bisschen dreht, dann wird das schon wieder. Und irgendwann finde ich auch für die Klickies noch die richtige Einstellung...

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Shimano SPD-Pedale sind wirklich übel und funktionieren nur die ersten paar hundert Kilometer. Ich habe die MTB-Flotte fast komplett auf SPD mit Turnschuhseiten umgestellt und überlege jetzt, ob ich auf die Rennräder nicht doch wieder Look mache, weil das einfach immer passt.

Bei der Schaltung würde ich einfach mal die Züge fetten, das hilft meistens, gerade wenn das Ding eine Weile gestanden ist. Meine Ultegra läuft so ereignislos wie ein Audi A3. Und das auch mit Campa-Ritzeln, ganz erstaunlich.

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Die grundsätzliche Funktion
scheint mir im Moment (noch) gar nicht das Problem, ich finde halt nur schwer die richtige Einstellung. Habe das Gefühl, wenn ich gut reinkomme, dann komme ich dafür schlecht raus. Und dem optimalen Dreh des Schräubchens nähere ich mich halt mit der Versuch-und-Irrtum-Methode an.

Aber wenns mir zu blöd wird, dann mach ich einfach Hakenpedale dran. Was dolleres als die 105er (wie sie an Sir Walter dran sind) muss es auch gar nicht sein. Das Konzept der SPD mit Turnschuh-Seite finde ich zwar grundsätzlich nicht blöd, aber eigentlich "zieh" ich schon ganz gern, statt nur zu treten. Das ist mir im Osterurlaub wieder mal klar geworden, als meine Frau und ich mit geliehenen Rentner-Rädern (Breitarsch-Sattel und SRAM-7-Gang-Nabenschaltung) durch das Zonenrand-Hügelland der Göhrde eierten. Selbst wenn die Übersetzung klein genug ist, geht es doch viel mehr auf die Knie, und das liegt nicht am Gewicht des Rads.

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Es gibt halt so ein paar Bergpassagen, da stehe ich gern auf einem normalen Pedal und bin nicht eingeklickt. Ausserdem will man ja doch vielleicht mal zum Bäcker radeln, gerade wenn jetzt die Maut, aber kein Volksaufstand kommt. Wie man es macht, am Ende ist es immer ein Kompromiss. Auch bei den Schuhen am Berg - man muss hinradeln und bergsteigen können. Und sie müssen passen. Schwierig, sehr schwierig.

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Stimmt,
ein Kompromiss ist es immer. Und auf einen Rest Alltagstauglichkeit möchte auch ich ungern verzichten. Ich radel ja auch nicht nur zum Kalorienabbau in der Landschaft rum, sondern auch mal ganz praktisch zur Post oder zum Bioladen. Wenn ich die Riemchenlänge der 105er ganz ausschöpfe, komm ich sogar mit meinen nicht allzu schmalen Walkingschuhen (und mit den normalen Straßenschuhen auch) noch rein. Aber für richtige Luis-Trenker-Treter ist das natürlich keine gangbare Lösung, die würde dann doch vielleicht im Rucksack transportieren.

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Und gerade, wenn es auf den Berg geht... ich habe das ja mal probiert, das ging beim Rennrad gerade eben mal so mit Ach & Krach, also eigentlich gar nicht, und dann auch nur mit einem paar Schuhe auf kurze Strecke. Meine Idee ist mehr, mit dem Rad ins Kreuther Tal, eine Bergtour mit den langweiligen Passagen weiter unten noch im Sattel, dann die spannenden Passagen zu Fuss und dann zurück mit dem Rad. Mal schaun, ob das mit den neuen Schuhen geht.

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Du und die Fahrräder, das ist wie bei anderen Menschen mit Alkohol: wenn das Leben doof ist, muß man aus Frust trinken bzw. Du kaufen. Wenn das Leben gut ist, muß man besonders viel trinken bzw. kaufen. Ts.

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Und wenn es mir nur mittel geht, kommen mir Zweifel und ich bereue - hey, da ist ja noch ein Klein Quantum bei Ebay!

Spass beiseite: Es ist gesundheitsfördernd, es ist wirklich billig (das Damenrad aus Italien kostete mehr als dreimal so viel), und wenn das grosse Kommentatorenradeln diesen Sommer stattfindet, bin ich einigermassen gut gewappnet, wenn auch einer mehr kommt und kein Rad dabei hat.

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Bilder von den jeweiligen Neuerwerbungen haben wir ja jetzt genug gesehen und auch die ganzen Technikdetails erfahren.

Wann kommen denn nun endlich Berichte von den Ausfahrten mit entsprechenden Fotodokumentationen?
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Wurde nicht kürzlich auch die neueste Digi-Cam bei Madiamarkt erstanden?
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Das Wetter ist auch schön, also steht doch nichts mehr im Wege!!

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Morgen kommt ein Bekannter, aber der will nicht radeln, also nehmen wir das Auto. Das Wetter war hier ja nicht so toll. Die Kamera war, wie sich das gehört, von einem kleinen Leica-Händler in Verona. Nur Geduld! Dann ist auch mein Heuschnupfen nicht mehr so schlimm.

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look- Pedale sind sicher eine gute Wahl für ein Eselchen wie dieses, zumal, wenn man es mit respektablen Rampen zu tun bekommt, wie in Ihrem Revier.

Wenn man's flexibler mag, könnte man auch mal den 'eggbeater' probieren, von der Fa. Crank Brothers. Ein Pedal, das jede schöne Kurbel ziert, und ungeheuer robust und funktional ist, und selbst im größten Dreck noch perfekt arbeitet.

Viel Spaß, beim ersten längeren Ausritt!

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Ich habe noch ein paar Look-Pedale rumliegen, und die sind sehr, sehr solide. Ausserdem bedeutet jedes neue System neuen Aufwand.

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Ein Gedicht von einem Rad
Bevor ich meinen (Fernost-) Renner beim lokalen Händler im Dezember geradewegs aus dem Schaufenster wegkaufte, konnte ich den Hang zur Geschwindigkeit auch nicht ganz nachvollziehen – jetzt weiß ich, wie schön es ist, hart über die Straßen der Republik zu brettern, sich in die Kurven zu legen, die schnellen Sprints zwischen den Lücken der Freizeitradler, …

Jetzt kann ich nicht nachvollziehen, wieso jemand sein Rennrad für ein Mountain Bike aufgibt. Ich habe nun beides und beide Male in weiß; gerade beim MTB ist das natürlich ganz schön dekadent, weil das Rad nach jeder Tour wieder erstrahlen soll. Und auch der Renner nimmt einiges an Staub auf. Aber so ein Rad soll natürlich auch schön aussehen.

In diesem Sinne einen herzlichen Glückwunsch zu diesem Erwerb!

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Glückwunsch zu dem Rad! Bei der Kombination (Chorus mit Record Schalthebel) hat sich jemand was gedacht. Diese Schalthebel sind damals wirklich besser als die Chorusschalthebel gewesen. Die funktionieren jahrelang ohne Probleme. Sollte die Schaltqualität leiden, so kann man die Hebel öffnen und zwei kleine Federn für wenige Euro neu einsetzen. Schöne Beschäftigung für einen regnerischen Nachmittag. Deshalb liebe ich Campa, so einfach geht das bei Shimano nicht. Bei den Pedalen würde ich mal einen Blick auf die Shimano Rennrad Pedale (z.B. Ultegra) werfen. Die Look sehen mir zu klobig aus, vor allen Dingen die älteren Modelle.

Bonne Route.

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Ein Berglaufrad?
Was ist denn das?
Foto erbeten!

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Technisch schon ein Leckerli. Nur wenn ich mir jetzt den Don in farblich passender Kleidung damit vorstelle …

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Im historisch passenden Mangenta-Trikot des Team Telekom?

Vielleicht immer noch das kleinste Übel zu dem Mapei-Trikot von 2002:

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Zum Mapei-Rad
gehört natürlich das Mapei-Trikot.

Wobei ich nicht darauf wetten würde, dass dieses Papageientrikot zu der gleichen Saison gehört wie das Rad vom Don. Aber gemessen daran würde ich tatsächlich lieber im Fernmeldertrikot rumfahren.

EDIT: Ah, ich sehe grade, strappaton hats auch schon gefunden.

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Hier sind alle in den Jahren:

http://www.mapeicycling.com/lemaglie.htm

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