Hässliche Männer und eine hässliche Geschichte

Seit Jahr und Tag fahre ich nun in Mantua an einem Fahrradgeschäft vorbei, in dem die üblichen italienischen Renner im Schaufenster stehen. Nicht dass ich einen bräuchte, und so schaue ich nicht genau hin, und gehe froh meines Weges. Diesmal aber war zufällig in der Nähe ein Parkplatz frei. Diesmal blieb ich stehen. Diesmal las ich das Schild Occasione unter einem Rennrad. es war ein gebrauchtes Moser Leader AX, ein muffenlos verlöteter und verschliffener Traumrahmen der frühen 90er mit einer billigen Campagnologruppe, und für 250 Euro zu haben. Allein der Rahmen kostete damals 1800 DM. Und wäre der Rahmen nicht definitiv 2 Zentimeter zu hoch gewesen - hätte ich es genommen. Ich überlegte und dachte nach, ich unvernunftete in Gedanken und tatete rational. Und liess ihn hässlicherweise stehen.

Am Wochenende hatte ich etwas Zeit, und jemand meinte, ich sollte mir mal die Ebay-Kleinanzeigen anschauen, die gerade dabei sind, dem Auktionshaus in manchen Bereichen den Rang abzulaufen, weil viele Nutzer von den hohen Gebühren genervt sind. Idealerweise betrachtet man das bei Dingen, mit denen man sich auskennt. Warum nicht Räder? Und ganz oben stand, gleich bei mir um die Ecke, ein 97er Müsing Cayo, in weinrot und trotz Alurahmen immer noch in schlichter Anmutung, für 13% des Neupreises, eher selten und nur bei gutem Wetter gefahren, leicht verbessert und zufällig in meiner Rahmengrösse. Und diesmal dachte ich mir: Siehste, es ist manchmal doch gut, enthaltsam zu sein. Zumindest im ersten Moment.



Abgesehen von meinem Entsetzen darüber, wie wertinstabil inzwischen auch hochwertige Räder in erstklassigem Zustand sind: Ich bin noch immer kein Fan der verbauten Shimano-Ultegra-Gruppe, es ist mir irgendwie zu einfach und zu normal, aber es ist das, was ich für die Berge gut brauchen kann. Tuningmassnahmen lohnen sich da nicht mehr wirklich, das Gerät wiegt schon unter 9 Kilo. Für den Hausgang brauche ich dagegen diese Sammlung von wenig erbaulichen Gestalten des 16. und 17. Jahrhunderts:



Irgendwer hatte da ein Faible für die Täter und Betreiber der grossen Religionskriege von 1520 bis 1648. Ich weiss, warum ich mir den Wallenstein und den Gustav Adolf ins Haus hänge, sie passen perfekt in eine grössere Lücke und thematisch zum Gebäude, aber manchmal frage ich mich schon, was den Vorbesitzer so antrieb, ausgerechnet solche Herrschaften zu rahmen.

Sonntag, 28. März 2010, 21:56, von donalphons | |comment

 
Werter Don Alphonso,
ich lese Ihr Blog seit ungefähr einem Jahr und laufend kaufen Sie Sachen in drei und vierfacher Ausführung: Rodel, Silberkannen, Fahrräder.
Das hört sich fast wie ein richter cKaufrausch an!

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Konkret stand ich vor der Frage, ob ich 100 Euro für eine neue Kurbel mit kleineren Kettenrädern, 30 Euro für ein Innenlager, 30 Euro für einen neuen Umwerfer und 60 Euro für ein neues Schaltwerk mit längerem Käfig ausgebe, um ein Rennrad richtig bergtauglich zu machen, oder eben einmal weniger für ein ganzes Rad zu zahlen. Insofern ist das durchaus ein vernünftiges Verhalten.

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War es nicht eher die Frage, ob der filigrane Stahlrahmen mit dem Gewicht des Hausherren evtl. überfordert wäre?

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Dünne Alurahmen wie der Obige sind auch nicht stabiler als ein normaler SLX-Rahmen.

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Vielleicht ist es ja die eigene Familiengeschichte, die einen dazu antreibt diese Herren aufzuhängen. Zumindest gerahmt, wenns für den Strick schon zu spät ist ;-)

Und bei meiner täten der Gustav Adolf oder der Axel Oxenstjerna passen.

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Meines Erachtens könnte man die alle (ausser Melanchton) mit Musketenkugeln runterholen.

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Was soweit wohl zu Lebzeiten auch passiert ist...

Aber der Herr Schwarzerde, der ist mir auf den Bildern entgangen. Aber das gemalte Medaillion von ihm im Haus meiner Großmutter ist, wie ich finde, schöner als so ein gerahmter Stich.

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Sicher, sicher. Melanchton ist der Herr ganz rechts, der nicht im Verein mit dem restlichen Pack ist.

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Haben Sie denn noch ein, zwei Musketen, die die Erbauer Íhres Kollegs im Keller vergessen haben ??

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Das nicht, aber eine Reihe von Stichwaffen hat sich hier erhalten.

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Ich habe ein Turnierschwert, ein Florett und ein chinesisches Übungsschwert sogar noch in Benutzung.

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Bei mir ist das alles nur an die Wand genagelt. Die Zeiten der Gewalt sind lange vorbei.

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Na, Gewalt würde ich auch nicht nennen, was ich damit treibe, das ist zwischen Sport und Meditation angesiedelt. Mit dem Schwert habe ich allerdings auch schon Eiszapfen von Stalaktitengröße von der Dachrinne gekloppt.

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wäre übrigens was fürs blog, die bilder dieser herrn und dazu die entsprechende würdigung mitsamt den folgerungen für uns heutige.

die buchvorstellungen fehlen mir auch.

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Vielleicht wollte der Vorbesitzer einfach nur seine Vorbilder täglich im Blick haben?

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Das wäre dann aber eine krude Mischung gewesen.

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Es gab mal eine WG, da hingen an der Wand Portraits von Mao, Kropotkin, Moshe Dajan und Leila Khaled mit der Begründung, all diese Portraits stünden für revolutionäre Entschlossenheit.

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Die Bildersammlung entstand sicher in der Zeit, als sich die männlichen Nachkommen noch mit Waffennachbildungen und anderem Soldatenspielzeug beschäftigten, da es das Höchste schien als Erwachsener seine Tapferkeit im Krieg zu beweisen. *vermut*

Viele Grüße, Tatzelwurm

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Nachtrag: Schimmel
Werter Don,
folgenden Tipp zur Schimmelbekäpfung wollte ich Ihnen nicht vorenthalten: http://www.hygrosan.de. Ich mache nur ungern Werbung, weiß aber auch, dass es eine mühevolle Angelegenheit ist, den Schimmel wieder in den Griff zu bekommen. Dieses Mittel wird bei uns in Nachbarschaft und Freundeskreis als beste Lösung gehandelt. Vielleicht ist es ja auch was für Sie?
Beste Grüße
Windsbraut

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Wenn´s ganz gründlich sein soll: Tapete runter und Tiefengrund auf den Putz, der zieht ein, isoliert und härtet durch. Wir haben in unserer alten WG damit eine feuchte Lehmwand, die uns bereits entgegenbröselte wieder in Form gekriegt.

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tiefgrundieren ist eher was für mieter als für vermieter.

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Sehr schöner Fang,
das Rad. In dieser Darreichungsform kann man sich einen Alurahmen wirklich gefallen lassen.

Was nun die Komponentenfrage angeht, so bin ich ja nach wie vor mehr Novize denn Topchecker. Über das Ultegra-Geraffel, was am Koga dranhängt, kann ich nach bisherigen Erfahrungen überhaupt nichts schlechtes sagen. Das Zeug schaltet wie es soll, die Bremsen bremsen ordentlich, und das etwas unbeholfene Rumgehakel mit den Klickpedalen ist sicher nur meiner mangelnden Gewöhnung zuzuschreiben.

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Zum Glück wurde hier alles behutsam etwas dicker gestaltet, so dass die Gesamtproportionen doch wieder wie beim klassischen Rennrad sind - und dann ist auch nicht alles vollgeklebt mit Markennamen. So kann ich damit leben.

Was mir an der Ultegra nicht gefällt, ist a) die Marke und b) dieses Audi-A4-Gefühl, alles ist gut, alles passt, aber irgendwie bleibt das Abenteuer und das Besondere auf der Strecke. Deshalb überlge ich auch, ob ich nicht den ein oder anderen Kontrastpunkt setzen soll - vielleicht leichtere Schnellspanner, nachdem ich schon die Ultegra-Sattelstütze gegen eine von Heylight ausgetauscht habe. Ausserdem mache icn vielleicht noch Hakenpedale dran - gedacht ist es nämlich vor allem für die Anfahrt zum Bergwandern im Tegernseer Tal, gerade wenn es in die Blauberge geht.

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Vollgeklebt mit Markennamen,
tja, da kenn ich ja nichts, auch wenn orthodoxe Anhänger der Retro-Religion vermutlich die Hände überm Kopf zusammenschlagen. Dann knibble ich eben so lange dran rum, bis das weg ist. Das Emblem reicht mir völlig, auf weiteres nichtssagendes Wortgeklingel à la "Competition" oder "Top Checker pro" verzichte ich gerne. Jetzt habe ich zwar vergessen, was Sir Walter nun genau für einer ist, aber wenn ichs recht bedenke, lehrt mich das nur, dass es wohl auch nicht so wichtig ist.

@Hakenpedale vs. Klickies: Allein schon die 2 Stockwerke Holztreppe plus enge Kellertreppe sind mit den Klickpedaltretern eine halsbrecherische Angelegenheit. Den Weg auf Socken anzutreten ist auch keine Option bei zwei Hunden im Haus. Zudem nervt mich das Rumgehakel (auch wenn sich das mit etwas mehr Gewöhnung vielleicht gibt).

Ist bei dem Müsing eine sogenannte Kompaktkurbel dran mit 50 und 39 oder schon dreifach?

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Das sind SPD-Pedale, bei denen man auch so eine Art Turnschuh tragen könnte, ohne zu rutschen. (Hier nochmal in gross, das ganze Rad) Es hat auch eine Dreifachkurbel, was angesichts des Berges vor meinem Haus einfach ein Muss ist, sonst kommt man die letzte Steigung nicht hoch. Das war auch der Grund, warum ich überhaupt ein wenig suchte. Wir werden ja alle nicht jünger und wollen trotzdem hochkommen. Für den Achenpass bräuchte ich das dagegen nicht - nur der Osterberg, der ist hart. Kurz und hart.

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Ja, ich weiß.
Die Frage nach den letzten Metern lag mir auch schon auf der Tastatur. Ehrlich gesagt konnte ich mir nicht so recht vorstellen, dass Du das Motobecane da hochquälst, denn ich hätte es mit Sir Walter wahrscheinlich erst gar nicht versucht. Dabei habe ich im Wissen um meine eklatante Bergschwäche seinerzeit hinten Ritzel bis 28 Zähne draufpacken lassen, aber mit vorne 42 reicht es bei mir für so einen brachialen Anstieg trotzdem nicht.

Hach, ein wirklich schönes Rad. Glückwunsch zu diesem Griff!

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Ich bin mit dem Motobecane von Seeglas aushochgekommen, aber es war alles andere als ein Spass, und danach hatte ich zu nichts mehr Lust, ausser einem Liter Wasser und einer Dusche.

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Ich fahre ein K2, da kommt man ohne Probleme mit über den Reschenpass. Das ist dann aber wirklich ein reines Mountainbike, mit dem andere Leute noch auf 2300m Murmeltiere erschrecken fahren.


http://www.specializedmountainbike.org/specialized_mountain_bike.jpg

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@che: Das hat dann aber auch
entsprechende Übersetzungen. Beim Motobecane hätte ich nicht wetten mögen, was beim Versuch als erstes den Geist aufgibt, die Kette, das Tretlager oder eher die Knie.

Wobei es sicher auch einen Unterschied macht, ob man sich sowas in jüngeren Jahren öfters zugemutet hat. Was ich als Flachlandtiroler nicht von mir behaupten kann, und so bin ich bei seltenen Ausritten in den Odenwald mehr als einmal von der Altherrenclique rund um Rudi und Willi Altig übelst versägt worden.

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Bei mir sind es eher die älteren Jahre, in denen ich mir das zumute. Einlauftour für meinen Bergurlaub (also zu Fuß, nicht zu Rad) sind alljährlich 1000 Höhenmeter ohne Pause nach Zeit, die in maximal 2 Stunden bewältigt werden müssen. Ich bin allerdings letzten Sommer von zwei Leuten zersägt worden, mit denen ich nicht Schritt halten konnte. Das waren dann ein hauptberuflicher Streckengeher des Österreichischen Alpenvereins und seine Lebensgefährtin, eine frühere olympische Marathonläuferin. Und dass mir meine Bergführerin auf die Klage, sie gehe zu schnell "Gib mir Deinen Rucksack!" erwiderte kam auch vor. Die klettert aber in der Liga, über die Filme gedreht werden.

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