Gestern, im versprochen Rosengarten

Man sagt ja, dass sich in Situationen gesellschaftlicher Konflikte die Kontrahenten dazu neigen, jene Extremformen anzunehmen, die ihnen die jeweils andere Seite zuschreibt. Nehmen wir mal die Fussballrandalierer: Elendes Pack, das mitbekommt, wie scharf die Medien auf Exzesse sind, und gerade deshalb Scheiben einwerfen. Oder die Sprayer: In Reinickendorf leben wenig reiche Menschen, aber es wird kaum gesprüht. Gesprüht und geschmiert wird in Mitte und Prenzlhain. Weil die Typen dorthin gehen, wo es auffällt, selbst wenn diese Bezirken längst nicht mehr autonom zugeht - aber sie haben den Ruf der Sprayerhochburg.



Bei mir ist das auch nicht anders. Draussen randaliert die nur in diesen Tagen fussballbegeisterte Unterschicht, macht Dreck und Exkremente auf der Strasse, und ich schaue oben einen Auktionskatalog durch und sage mir, eine kleine, wirklich kleine Summe kann ich ja mal auf etwas setzen, was zwar nicht wirklich meinen Wünschen entspricht. Aber eine amouröse Szene im Rosengarten wirkt lieblich und ansprechend, wenn die Welt da unten im Gegröle unterzugehen scheint, und man recht allein mit seiner Verachtung für das Treiben ist. Es ist zwar nicht wirklich so, aber es fühlt sich so an, und man sucht Schutz bei Persönlichkeiten, die ganz anders dargestellt werden.



Reich mir die Hands, mein Leben, wird er flöten, an sie gerichtet, die durch den Rosengarten tappst, ihn von unten anschaut und vorsichtig, wirklich, zu seiner Freude, die Hand hebt. Im vorletzten Jahrhundert liebte man diese Szenen, obwohl sie damals schon lange verschwunden waren, und in Plaue gab es eine Firma, die diese kleinen Meisterwerke, die heute so unsäglich kitschig anmuten, für den bürgerlichen Geschmack produzierte. Hier, an den Kerzenhaltern, konnte man Dinge ansprechen und ausleben, die ansonsten als fragwürdig galten, eine Reminsizenz eines Zeitalters, dessen Süsse man nach Talleyrand nur kennen konnte, wenn man sie erlebt hatte.



Natürlich finde ich sie auch, nun, sagen wir mal, heftig. Wenig dezent. Ich habe Kerzenhalter, die weniger auftragen. Aber als ich sie, unglaublich für mich, dann doch für geringes Geld bekam, weil, so der Auktionator, alle anwesenden Sammler ansonsten schon eingedeckt waren, und im Trubel der Grölerei nach Hause brachte und auspackte, und draussen gerade wieder gebrüllt wurde - da erschienen sie mir gar nicht mehr so schlimm. Eigentlich sogar wirklich ansprechend.

Dann verloren die Deutschen, und ich musste Besoffene anschreien, die auf die Strasse pinkeln wollten. Da weiss man schnell wieder, was einem besser gefällt.

Donnerstag, 8. Juli 2010, 17:12, von donalphons | |comment

 
Interessant daran finde ich, dass man die Kerzenhalter nie so nah zusammenstellen könnte, dass die beiden Hände sich tatsächlich berühren.
Hobby-Psychologen, aufgepasst!

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Das ist der Anfang, dem aller Zauber innewohnt. Und der stirbt oft bei der ersten Berührung.

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Immer wieder von vorn anfangen kann aber auch lästig werden.

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recht opulent, aber mit zauber: glückwunsch zum erwerb.

donalphons/15.33, man kann es so sehen, man sah es zurzeit der erschaffung sicher ganz ähnlich, aber doch ... ist der gedanke nicht ein wenig bedauerlich?

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What a cunning plan: Mitbieten, wenn alle Fußballaballa sind. Wann war nochmal die nächste WEh-Emm?

Mir gefallen sie, auch wenn ich sie wohl auf eine etwas breitere Kommode stellen würde.
Nur um mal die Maße zu erfahren: Sehe ich das anhand der am Bildrand hineinragenden Stuhllehne richtig, die Kerzenhalter sind so an die 40-50cm groß und unten oberschenkeldick?

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Danke!

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Diesen Samstag sind auch nochmal Auktionen, siehe Lot-issimo.

Die passende Kommode ist noch nicht da, aber schon gekauft:



Nachgemessen: 18 Zentimeter Durchmesser. 38 Zentimeter Höhe. Die grössten, die ich habe. Sehr heftig.

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Aus Plaue, sagen Sie?
Ist es der Ort in Thüringen, oder doch viel weiter südlich?

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Das ist Thüringen, richtig. Die Firma gibt es bis heute, nur nicht mehr am Ort.

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Die hier?
Einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte die Stadt mit der 1816 gegründeten „von Schierholz'schen Porzellanmanufactur Plaue“. Diese Manufaktur war besonders berühmt für ihre Tische, Kronleuchter und Figuren aus Porzellan. Diese Manufaktur befruchteter die Plausche Industrie derart enorm, dass sogar das Plausche Wappen um die drei Kronen ergänzt wurde, welche von Schierholz nach seiner Erhebung in den Adelsstand als Graf erhielt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Plaue

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Genau die. Übrigens hat nicht mal das Auktionshaus die Marke auflösen können. Da merkt man erst, wie schnell sich Wissen verflüchtigt.

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Gleich nebenan gab's so ein Doudez-Fürstenhaus, mit einer Obsession für's Pittoreske.
Dort haben sie, schon im frühen 18. Jhd., die Madame Tussot vorweg genommen, allerdings im Maßstab ca. 1:10 - als Wachs - Puppen - Stuben, mit wahrhaft enzyklopädischem Ehrgeiz.

Sicher sind Ihre Leuchter ein Reflex auf diese Schwarzburg-Sondershausenschen; nicht zu vergessen, 'Die Marlitt' ('Gartenlaube'!) stammt von hier.

Die Erden dort sind vorzüglich geeignet, praktisch brauchte man nur 1 Schubkarren, 1 Spaten, 1 Brennofen; und das knowhow.

Ab den 1870ern boomte die ganze Gegend, mit Labor- und Industriekeramik.

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