Wolken putzen

Eigentlich müsste und wollte ich ja etwas ganz anderes putzen, und zwar runter, und das gscheid. Eine Lust hätte ich, da hin zu gehen und denen zu sagen, was ich von ihnen so halte... aber Dreckschwein darf man ja nicht sagen, weil man weiss ja nicht, ob die wirklich dreckig sind. Jedenfalls, ein gscheider Saustall ist das, und überhaupt ist es ja so, dass, wenn man bei einem behördengeichen Unternehmen die Hälfte der Leute vor die Tür setzt, alles gleich viel besser laufen würde. Abstellgleisen oder abstellgegleist werden, das ist bei diesem Laden und seinen hinterfotzig grabenden Maulwürfen die Frage, und zum Glück bin ich nicht davon abhängig, ich kann mein Auto hinsteuern, wohin ich will. Etwa nach Pfaffenhofen.



Das letzte Mal war ich an dem Termin noch in Italien und davor auch, und davor war das Wetter schlecht, und diesmal war es auch nicht gut. Ein Blick auf das Konto zeigte, dass ich in Italien wegen der Miete tatsächlich mehr Geld zum Leben brauche, aber alles in allem - keine Antiquitäten und ein paar andere Dinge, die ich nur in Deutschland zu tun pflege - in Kombination mit den günstigeren Preisen Geld gespart habe (Schuhkäufe einmal herausgerechnet, was weise ist). Diesmal war es wie immer, ein archaischer Statuettenabguss für die Bibliothek, ein geschnitzter Kirchenleuchter für den Tegernsee, ein Stillleben für die Küche - und dann noch ein Capriccio für jene Wand, an der schon die anderen Landschaften aus Italien hängen.



Es war übrigens gar nicht teuer, eigentlich sogar billig. Und grau, als wäre es das Ruhrgebiet in den 60er Jahren. Verschmutzt und verstaubt. Man sollte das eigentlich nicht machen, aber ich lecke dann an meinem Finger und reibe ein wenig herum, wenn es keiner sieht - und die Händler waren ohnehin gerade am Einpacken. Wie man in der rechten Bildhälfte sieht, wurde das Blau sofort blauer, das Grün grüner und die Details sehr viel feiner. Man muss in der Lage sein, unter all dem Dreck und den Rissen zu ahnen, was es sonst sein könnte. In dem Fall - nun, nicht wirklich das, was ich suche. Alle anderen Gemälde an der Wand zeigen Italien, das hier ziemlich deutlich Bayern, und gut 100 Jahre ist es mindestens jünger: Münchner Schule. Wobei die durchaus in der Tradition der italienischen Landschaftsmalerei steht, da gab es viele, die ihre Inspirationen über die Alpen mitnahmen und dann in Gedanken, mit dem Pinsel, Italien nach Bayern verlängerten. Entsprechend schlecht wird die Münchner Schule dann auch in der Kunstgeschichte bewertet: Woanders wurde bereits heftig impressionistet. In Bayern griff man zurück auf frühere Epochen. Kein Zweifel möglich: Hinten auf der Leinwand steht "Richard Wurm, München". Wie so oft bei der Münchner Schule. Wurm war sowas wie der Hoflieferant der Schwabinger Malerfürsten. Damit ist das Bild auch schön auf die vorletzte Jahrhundertwende datiert, zwischen 1880 und 1914 liest man das oft, auch beim Blauen Reiter. Der ja in den Farben sehr viel von der Münchner Schule... ungerecht, aber ein Macke wäre auf dem Flohmarkt kaum zu erwarten gewesen. Jedenfalls, daheim putzte ich die Wolken weiter.



Und aus dem bedrohlichen Grau wurde blendendes Weiss. Ich mag es, wenn Zentimeter für Zetimeter das herauskommt, was ich ahne und andere nicht sehen können, wenn der Himmel wieder italienisch wird, und das Licht auf dem Wasser und den Bäumen spielt, wenn klar wird: Das war kein Schlechter, der das gemalt hat, das war auf jeden Fall sein Geld wert. Man fängt oben an und geht dann nach unten, die Berge im Hintergrund werden heller und das Wasser wird lebendig, man freut sich am gekonnt hingeworfenen Schatten der Ziegen, und findet keine Signatur, trotz allem. Aber es mag gefallen. Gut, es ist nicht im besten Zustand, jemand wird einmal die Risse schliessen müssen (die in Wirklichkeit nicht so drastisch wie auf dem Foto ausfallen), aber es ist die passende Fortsetzung Italiens an meiner Wand. Es könnte auch südlicher sein, aber



hinten steht auch klar drauf, was es ist "Bach bei Hofstetten". Und daneben: E. Böhm. Was nett ist, weil der Verdacht damit bestätigt wird. Tausende gingen vorbei, keiner hat etwas gemerkt, es hat nicht nur auf mich gewartet, nein, es passt auch genau in die Lücke, an der noch das eine Bild fehlte. Alles fügt sich, zumindest an meiner Wand.

Montag, 27. Juni 2011, 13:44, von donalphons | |comment

 
Hatte das Bild wenigstens einen gescheiten Rahmen?
;-)
Die Geschmäcker sind halt verschieden.

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Sicher. Dick und golden und ornamental und sehr München. Das passt auch.

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Und der große weiße Fleck in der Mitte? Haben Sie da womöglich zu stark gerieben? Oder waren das früher mal Wolken? Oder kann das Foto nicht so recht zeigen, was das Auge am Original sieht?
Ich finde nach langem Raufschauen das Bild nicht besonders gut. Der Wasserfall, die Steine... etwas amateurhaft. Aber wie gesagt, man sieht ja hier nur ein kleines Foto. Und nicht das Bild.
PS: Die Überschrift beantwortet natürlich meine Frage. Hatte ich übersehen, sorry.

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Ich kann nnachher mal ein anderes Bild davon machen, aber "zu viel gerieben" geht da nicht, da ist erst noch die Firnis drauf.

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Musste spontan an diese Szene denken:
http://www.youtube.com/watch?v=-Ggsh4Yrjm0

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Welch Zufall: ich auch.
Sellers ist Wiederholungstäter. Besonders Nasen auf klassischen Gemälden haben's ihm angetan:
http://www.youtube.com/watch?v=NK4jO80rmc0
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Das mit der Spucke zum reinigen ist überhaupt nicht verkehrt.
In meiner Zeit als Austellungsbauer in Berlin, habe ich viel an altem Öl aufgehängt, der weiße Handschuh war Pflicht und die Gegenwart eines Restaurators obligatorisch. Deren Reinigungsmittel: Zuerst Aqua destillata, dann Spucke. Weil die Enzyme im Speichel sehr gut und schonend organische Verschmutzungen anlösen.
Nur war es bei denen nicht der derbe Daumen, sondern immer ein zartes Wattestäbchen, mit dem man dem guten Stück zu Leibe rückte. ;-)

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Ich habe das mal bei einem Restaurator gesehen und sachte mir im ersten Moment: Der hat einen Knall. Aber man darf das tatsächlich machen.

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Das degeneriert hier ja allmählich zu einem Einrichtungs- und Zweirad - Lifestyle - Maga... ähm... blog.
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Bitte mal wieder Foto - Porn wie früher. Und wenn es schlimmstenfalls ein paar Worst - Case - Fotos von einem niederbayerischen Oldtimer-Teilehändler und den in Regalen liegenden Resten eines Sunbeam 90 sind.
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Tut mir leid, aber im Moment habe ich Zeit für

- eine kleine Radrunde am Abend

- Kochen

- Essen

- Schlafen.

Und sollte dann noch etwas übrig sein, gerne auch für mich. Das hier ist mein Vergnügen, Extrawünsche können ab August wieder erfüllt werden, davor sind mir meine eigenen Probleme erheblich wichtiger.

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