Zweige der Entwicklung

Sollten durch einen dummen Zufall einmal nur die Server übrig bleiben, die Blogs dokumentieren, wird man zur Überzeugung gelangen, dass Wetterbilder und opulentes, langes Frühstück vor allem in Bayern stattfinden, nie aber in Berlin.







Dabei bin ich durchaus aktiv, schliesslich geht es gerade um das grundlegende Geschäftsmodell der Familie. Dabei kommen mir auch so lustige Gedanken wie: Angeblich ist die Krise vorbei, die Lage entspannt sich - aber da ist irgendwie noch diese unschöne Rekordarbeitslosigkeit in Europa, und wie das zusammenpasst, sieht man an den Immobilienpreisen in Deutschland. Man sollte sich da keine Illusionen machen, in den Randlagen des Kontinents werden ganze Regionen um Jahre und Jahrzehnte zurückgeworfen, man muss da gar nicht über den amerikanischen Traum lachen; auch der europäische Traum eines geeinten Kontinents ist nichts wert, wenn hier die Eltern eine Viertel Million für 1ZKB auf den Tisch legen und woanders halt eine Kammer freiräumen, damit das Kind nicht auf der Strasse schlafen muss. Die Biographien der Jugend laufen heftig auseinander, und unabhängig vom Targetsystem sind hier die Verwerfungen von morgen angelegt. Alles wird anders, auch Deutschland selbst; es entwickelt sich zu einem Land der Besitzenden und damit Unfelxiblen, was auch für diese Gesellschaft einschneidende Veränderungen nach sich ziehen wird. In Portugal zum Beispiel soll vor allem bei der Bildung gekürzt werden. Heisst auch: Später weniger qualifizierte Leute. Und weniger Chancen. Ich höre schon wieder das Geschrei, es gäbe zu wenig qualifitzierte Leute und man müsste sich mehr anstrengen, weil China und Indien un überhaupt.







Vielleicht wird der Unterschied zwischen "Ist bereit alles zu tun" und "Ist nur in Grenzen zu Kompromissen in der Lage" viel wichtiger werden, als die alte Teilung zwischen Arm und Reich. Mir fällt das schon etwas länger in meinem eigenen Umfeld auf, diese Zerissenheit zwischen den Wünschen und Anforderungen. Die Leute schauen sich englische Lordschaften beim Nichtstun an und hetzen dann gleich wieder in die Arbeit, sie haben klare Vorstellungen von der Erziehung der Kinder, die sie sich nicht leisten können, und wie sie den ewig fernen Garten anlegen, wissen sie auch schon. Ich habe eine Kleinigkeit vor ein paar Monaten in der Nähe von Waakirchen vergessen; da bin ich vorbeigeradelt, durch all diese gebaute Sicherheit und Zuverlässigkeit, die hier zur Schau gestellt wird. Man sollte es dann vermeiden, danach ins Netz zu gehen und nachzulesen, welche Jobs mario Sixtus momentan, vor der nächsten Sparrunde des ZDF, in Berlin anbieten kann. Und ich frage mich, ob sich Flexibilität angesichts der dadurch entstehenden Kosten überhaupt lohnt.







Also, jetzt mal vor dem Hintergrund, dass diese Kosten nicht einfach so per Garantie erstattet werden, wie das momentan beim Euro so läuft, damit die nächste krisenhafte Verschärfung nicht vor der Wahl kommt. Das Geld der Flexiblen muss ja wirklich verdient werden, und nur diejenigen an der Spitze bekommen die Umzüge voll erstattet und ein Penthouse. Der Rest muss das einpreisen und selbst übernehmen. Über all dem die Frage: Lohnt sich das überhaupt?

Draussen am Eingang hängt ein Zettel von den Bleibenden, die ihre Wohnung komplett überholen lassen, in der sie sich für die Unnanehmlichkeiten entschuldigen. Im Zweifelsfall könnte man auch hochgehen und um etwas mehr Ruhe bitten, aber vermutlich machen die Handwerker schon so leise wie möglich. Es stört kaum beim Lesen. Es ist sehr angenehm hier, und verlässlich. Zuerst erwischt es, wenn es hier auch krachen sollte, die Leute ohne Wetter- und Frühstücksbilder.

Mittwoch, 9. Januar 2013, 00:49, von donalphons | |comment

 
Katze müsste man sein.

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Vor allem Miet(z)-Katz mit Wechselmöglichkeit zwischen den Wohnungen.

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...und ganz ohne über das "Danaidenfaß des Defizits" nachdenken zu müssen...

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"Die Leute schauen sich englische Lordschaften beim Nichtstun an und hetzen dann gleich wieder in die Arbeit"

Aber war denn nicht schon immer so: panem et circences?

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Ich habe vor einer Weile mal bei einer Amerikanierin gelesen, die sowohl nervöses Schlitzen als auch Downton Abbey toll fand. Das gibt mir zu denken.

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Was ist denn bitte "nervöses Schlitzen"?
"(Haut)ritzen"? Oh je.

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In Downton Abbey ist es ab Season 2 mit dem dolce vita auch vorbei. Und Herr de Necker hat das Defizit nicht abgeschafft. Das Defizit schaffte ihn ab. Reiche Leute haben es auch nicht einfach.

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Stimmt. Wo ist der Schmiersklave, der mir das fertigsudeln meines neuen Geniestreiches für die FAZ abnimmt?

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3000 Zeichen fehlen noch.

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Diese Parolen von "Flexibilität" und "lebenslangem Lernen" bedeuten ja nix anderes, als dass niemand mehr ein Recht auf Sicherheit haben soll.
Mindestens 40 Berufsjahre im Hamsterrad, darauf soll es hinauslaufen, und immer in Konkurrenz mit billigen Chinesen oder schiffbrüchigen Südeuropäern, die es genauso gut können.
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Da unter diesen Bedingungen keiner mehr Kinder kriegen will, verschärft sich wiederum die demographische Krise, welche vom Brutto so wenig netto übriglässt.
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So schafft sich Europa tatsächlich selber ab: Hocheffizient und hochproduktiv bis zuletzt -- zumindest nach ökonomischen Kriterien.
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Dabei bin ich mir ganz sicher, dass viele Leute das bescheidenere Leben der 60er und 70er Jahre vorgezogen hätten, wo man viel weniger konsumieren und reisen konnte, aber dafür seinen Job zur Rente sicher hatte und eine Schwangerschaft keine Existenzkrise heraufbeschwor.

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das nomadentum haben sie noch unterschlagen, lieber hansmeier555.

mit sicherheit wird eine gewisse nostalgie in richtung 60er und 70er aufkommen, wobei man wohl nicht die geistig-moralische rolle rückwarts und die etwas merkwürdige mode vergessen sollte.

immerhin sind nun viele krankheiten recht gut in den griff zu bekommen.

lieber don, 3000 zeichen sind doch ein klacks für einen radiomenschen, hm?

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donna, so schlecht waren Jean Gabin oder Alain Delon in ihren 60er-Jahre-Rollen doch nicht angezogen. Von Piccoli oder Montand gar nicht zu reden.

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lieber il nonno, da haben sie sich ganz klassisch nun auf das aus humoristischen gründen angefügte beiwerk gestürzt.

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@hansmeier555, ja, so ist das, auch hier, und das obwohl ich komplett gegensätzlich erzogen wurde.
Ich hab vor ziemlich genau einem Jahr beschlossen, nicht mehr zu versuchen, die klassische Haus/Frau/Kinder/Bäume-Nummer abzuziehen, habe mich seitdem besitztechnisch verkleinert, um dafür mobiler zu werden.

Aber nicht mehr innerhalb der EU - in dieser ist scheinbar für die Leute meiner Generation (~40, studiert, kein Tag arbeitslos) nur vorgesehen zu arbeiten bis ins sozialverträglich frühe Grab und den Frust wegzukonsumieren. Ohne mich.

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Based in Berlin
Ich für meinen Teil präsentiere nur düstere Photographien von Berlin, male digital die Stadt in schwarzen Farben, zeige menschenverlassene, verrottete Straßen, so wie es ansonsten nur in der Pariser Banlieu oder in Dodge City ausschaut, wenn der Sheriff gerade im Urlaub ist: Und was geschieht?: Die Menschen kommen trotzdem. Wir sind unfreundlich, maulig, haben keine Eßkultur – zumindest zeigen wir das nicht nach außen –, der Service ist in dieser Stadt viertklassig, das „Guten Tag“ in der Bäckerei oder beim Fleischer erfolgt als bloß geraunzte Lautfolge, aber nicht als ein Satz, der zumindest aus der Weise der Artikulation so etwas wie Freundlichkeit ahnen läßt. Wir beschimpfen Zugezogene, ganz bewußt diskrimineriend, und fordern, an ewig-schmutzigen Fassaden gesprüht, die Deportation von Schwaben in ihre Heimatländer. Und was passiert? Die Menschen strömen nach Berlin. Sie kommen als Touristen. Sie bleiben. Kein schlechtes Wetter, keine schlechte Küche, keine Demütigung hält die Menschen ab, hierherzukommen.

Der großartige Schriftsteller Clemens Meyer, der in Leipzig lebt, wurde einmal gefragt, weshalb er nicht nach Berlin zöge, denn dort spiele sich schließlich das literarische Leben mit all den wichtigen Menschen ab. Er antwortete nur in seinem trockenen und freundlichen Sächsisch: „Was soll ich dort?“ Und diese Antwort rang mir Bewunderung ab. Der Leipziger ist wie der Berliner. Nur um einen Grad cooler.

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Der letzte mir bekannte Zuzug war nicht "die Menschen", sondern ein schlechter Witz an Versagertum namens Mario Sixtus. Das sagt so einiges über die Qualität des Zuzuges aus. Es iust halt ein bestimmter Ort, der bestimmte Leute anzieht.

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Gut, das mag sein. Aber dafür haben wir dann als Ausgleich immerhin Stefan Niggemeier und Sascha Lobo.

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haha, der war gut. Aber gemein.

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Jetzt muss ich doch lachen.

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@bersarin

Tsja, solange man nicht totgeschlagen wird ist das ja alles auch irgendwie witzig...


http://blog.stuttgarter-zeitung.de/wp-content/naumanns-katzeschinderei.jpg

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@bersarin (damals ein guter Russe, soviel man weiß):
Sie sollten Ihren Bäcker wechseln. Meine liebe Gattin jobt am Wochenende bei einem und da ist immer (voll &) gute Stimmung: Bäckerei Genc, Königsberger Str. 4, gleich hinter (oder vor, je nachdem woher Sie kommen) dem S-Bahnhof Lichterfelde-Ost.
Wenn Julia gut drauf ist, zitiert sie beim Servieren oder Verkaufen Volker Kriegel, Schiller, Goethe, Gernhardt freche Kindersprüche oder Wilhelm Busch (Brot schneiden? = "Ritze ratze, voller Tücke...")
Will sagen: Berlin besteht nicht nur aus den drei versifften Ecken, die Auswärtige oder vermeintlich kühle Insider kennen.

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@ jeeves
Dieser Bäckerei liegt nicht gar so weit von mir entfernt, wenngleich sie nicht fußläufig zu erreichen ist. Das zitierte Programm behagt mir, insbesondere Gernhardt. Verlasse ich mein bescheidenes Domizil, dann wohnt ein paar Straßen weiter einer der letzten Dinosaurier und Überlebenden der Neuen Frankfurter Schule: F.W. Bernstein.

Danke für diesen Hinweis. Ja, es gibt in Berlin wunderbare Ecken und Orte. Und tun Sie mir einen Gefallen: Verraten Sie die nicht. (Im doppelten Wortsinne.) Ich mache es auch nicht, obwohl es mir manchmal schwerfällt.

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Sie haben natürlich Recht. Ich verrate nix.

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auch ich werde nichts verraten - nichts über die langen, anregenden nächte, nichts über die lustigsten begegnungen, nichts über die freundlichkeit, nichts über die durchweg netten busfahrer, die es nie nicht gibt, klar. auch wenn das jetzt ein paar jahre her ist.

reden wir lieber über die nachts grund-, ankündigungs- und ersatzlos ausfallenden busse, den verflixt kalten wind, die dunklen wege, den dreck. und über putzige gestalten in den u-bahnen. und die adabeis und wichtix.

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wunderbarer text
ebensolche fotos. auch wir sind stolz und erfreut, dass er uns in seine privatheit mit einlud, gedanken, gespräch und gegenstände im abbild mit uns allen teilte, und werden uns entsprechend verhalten.
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und er stellt wie immer die richtigen fragen. "... ob sich Flexibilität angesichts der dadurch entstehenden Kosten überhaupt lohnt." nein, tun sie nicht. aber das volk macht laufend nahezu nur sachen, "die bwl-vwl-mässig" häufig kaum sinn machen. eben auch, weil sie davon keine ahnung haben, und viele auch nicht wollen können. bequemlichkeit vorgeht und selbstfeier. und auch das ganz eigene versagen bei leidlicher anstrengung des ich, als höchst lustvoll und allen anderen überlegen empfunden werden kann. und positiv steckt manchmal auch ganz viel hoffnung drin.
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und auch als historiker oder maschinenschlosser könnte man sich auskennen bei "schopenhauer und das geld" - zumindest am rande. und dann jeden unsinn lassen. sich aufs eigene werk konzentrieren. aber was ist das schon und warum? "und dann doch nicht halten, was man sich selbst versprach und auch ganz fest vornahm, das macht doch auch oft eigentlich jeder, nicht wahr?"
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und man könnte sogar in der schweiz ganz klassisch einen mba machen, nur so eben, auch wenn man hinterher weiter galeere rudern wollte. denn auch dabei hätte das ganz sicher nicht geschadet. aber das volk ist auch dumm und faul, was sowas angeht. oder schätzt die eigenen unfähigkeiten direkt richtig ein. auch die unlust. und was will man da machen. darum auch reden wir da längst nicht mehr drüber, sondern machen einfach unser ding. vorne ist voraus. so einfach.
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wie oft wir das schon verlinkten. und einfach keiner fährt hin und machts. zumindest in depth zur kenntnis nehmen. geht doch schnell. und ist kein aufwand. höchstens ein kleines jährchen, kaum eine hirnanstrengung für niemanden, reine freude lediglich. aber nein, bleibt für nicht einen von 10.000 auch nur der erwägung wert. http://www.imd.org/und jammern hier alle dumm weiter. hansmeier555 z. b. "zieht" auch immer bloß, stattt was zu bringen. oder öffentliche verantwortung übernehmbar als möglichkeit auch nur andeutungsweise der richtung nach erkennbar werden zu lassen.
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"Zwischen dem Genie und dem Wahnsinnigen ist die Ähnlichkeit, daß sie in einer andern Welt leben als der für alle vorhandenen."
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http://natune.net/zitate/autor/Arthur%20Schopenhauer
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und alles ist bekannt und vorhanden, man muss nur wollen ("aber auch der wille ist ungleich vorhanden", sagte uns früh schon die eigene mutter, von anderen nicht zuviel zu erwarten, "jedenfalls nicht dasselbe, wie von dir selbst", *g*).
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http://faustkultur.de/kategorie/literatur/otto-a-boehmer-schopenhauer-als-finanzberater.html#.UO8sgaw03qI
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man weiß: "Ich würde sogar bequem leben, aber unglücklicherweise habe ich einen Fehler begangen, indem ich eine beträchtliche Summe in Mexikanischen Fonds angelegt habe … Mein vermindertes Einkommen genügt noch für ein Leben als Junggeselle, in möblierten Zimmern, mit Essen an der Table d’hôte, alles ohne Luxus, aber anständig; ich habe das Notwendige und nichts weiter.“ In Wahrheit hatte Schopenhauer stets mehr als das Notwendige. Im Verlauf seines überaus selbstbewusst absolvierten Lebens gelang es ihm, trotz des mexikanischen Fehltritts, das väterliche Erbe fast zu verdoppeln. Er starb wohlhabend, rechnete aber bis zuletzt mit dem Schlimmsten, das er vor allem in seinen Mitmenschen verkörpert sah, denen er nicht über den Weg traute... "

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