Über das Weglaufen
Mir ist natürlich bewusst, dass es weitgehend zwecklos ist, und die Vorstellung, erst mal raus zu kommen und alles andere wird sich dann schon finden, reichlich optimistisch ist. Aber vielleicht läuft man ja auch einfach nur weg um der Weglaufens willen, so wie ich all die Jahre ziemlich oft eine unschöne Statik gegen den Rausch der Bewegung eingetauscht habe. Das Instabile, das in sich aufrecht steht, gefällt einem um so besser, je mehr die klaren und unabänderlichen Entwicklungen unverrückbar in der felsenreichen Landschaft der Daseins stehen.
Im Übrigen bin ich nicht nur gelaufen, ich habe dabei auch das ein oder andere, das mir wichtig scheint, mitgenommen. Ich bin mehr wie ein Dieb oder ein Verräter gelaufen, denn als ein Flüchtender, und mit einer kleinen Bereicherung hier und da, die man unterwegs mehren kann, fühlt sich das auch gar nicht schlecht an, selbst falls es schlecht sein sollte.In unserer multimobilen Gesellschaft fällt es auch nicht weiter auf, es sind ja alle unterwegs nach irgendwohin, meist nach oben, da fällt so einer in Seitwärtsbewegung gar nicht auf, nur etwas, das die Drängler vorbei lässt und gaer nicht verlangt, dass sie sich entschuldigen. Ich möchte nicht nach vorne. Ich möchte an die Ränder, wo weniger Leute sind.
Sizilien war da grandios. Jemand hatte ein Navi dabei, das hochkompetent den Weg zu einer gesperrten Strada Interrotta führte, so gesperrt, dass das Gesperrtschild unlesbar verrostet war, und wenn ich den Berichten glauben schenken darf, dann waren da nur 3 Zentimeter zum Abgrund, in den die restliche Strasse gestürzt war. Und weil es eben eine Strada Interrotta zwichen zwei unbefahrenen Pässen und über ein unbewohntes Tal gewesen ist, war das Leben endlich einmal so unsicher, wie es vermutlich trotz allem ist. Wer weiss schon, was unsere Entscheidungen bewirken und warum, wen wir ins Glück stürzen und wer uns unabsichtlich, für ein Butterbrot den Dolch in den Rücken treiben würde, wären wir nicht längst an anderer Stelle, oder würden wir uns nicht ab und zu auch auflösen können in Ahnungen und Gerüchte.
Ich bin natürlich zu faul für eine neue Adresse oder eine URL, oberflächlich bleibt alles gleich, aber ansonsten ziehe ich es vor, gerade keinen allzu festen Wohnsitz zu haben. Vielleicht Ferrara. Ferrara ist eine schöne, ruhige Stadt, viel zu ruhig für schnelles Durchreisen. Dort kennt mich keiner, was ein angenehmes Gefühl sein kann, so ganz ohne Verpflichtungen und Vorgeschichte und all dem, was ich imjmer wieder neu erklären muss, und was mich zwingt, Geschichten zu beobachten, die ich gar nicht mehr sehen möchte. Ich möchte vielleicht auch im Weglaufen meine Ruhe und Beständigkeit, am besten durch das Vergessen: Meines und das der anderen. Ich brauche keine Vergebung für nichts und will auch keine Einsichten hören; ich möchte einfach in der Erinnerung verblassen. An den Stellen, die ich auch gern vergessen würde.
Im Übrigen bin ich nicht nur gelaufen, ich habe dabei auch das ein oder andere, das mir wichtig scheint, mitgenommen. Ich bin mehr wie ein Dieb oder ein Verräter gelaufen, denn als ein Flüchtender, und mit einer kleinen Bereicherung hier und da, die man unterwegs mehren kann, fühlt sich das auch gar nicht schlecht an, selbst falls es schlecht sein sollte.In unserer multimobilen Gesellschaft fällt es auch nicht weiter auf, es sind ja alle unterwegs nach irgendwohin, meist nach oben, da fällt so einer in Seitwärtsbewegung gar nicht auf, nur etwas, das die Drängler vorbei lässt und gaer nicht verlangt, dass sie sich entschuldigen. Ich möchte nicht nach vorne. Ich möchte an die Ränder, wo weniger Leute sind.
Sizilien war da grandios. Jemand hatte ein Navi dabei, das hochkompetent den Weg zu einer gesperrten Strada Interrotta führte, so gesperrt, dass das Gesperrtschild unlesbar verrostet war, und wenn ich den Berichten glauben schenken darf, dann waren da nur 3 Zentimeter zum Abgrund, in den die restliche Strasse gestürzt war. Und weil es eben eine Strada Interrotta zwichen zwei unbefahrenen Pässen und über ein unbewohntes Tal gewesen ist, war das Leben endlich einmal so unsicher, wie es vermutlich trotz allem ist. Wer weiss schon, was unsere Entscheidungen bewirken und warum, wen wir ins Glück stürzen und wer uns unabsichtlich, für ein Butterbrot den Dolch in den Rücken treiben würde, wären wir nicht längst an anderer Stelle, oder würden wir uns nicht ab und zu auch auflösen können in Ahnungen und Gerüchte.
Ich bin natürlich zu faul für eine neue Adresse oder eine URL, oberflächlich bleibt alles gleich, aber ansonsten ziehe ich es vor, gerade keinen allzu festen Wohnsitz zu haben. Vielleicht Ferrara. Ferrara ist eine schöne, ruhige Stadt, viel zu ruhig für schnelles Durchreisen. Dort kennt mich keiner, was ein angenehmes Gefühl sein kann, so ganz ohne Verpflichtungen und Vorgeschichte und all dem, was ich imjmer wieder neu erklären muss, und was mich zwingt, Geschichten zu beobachten, die ich gar nicht mehr sehen möchte. Ich möchte vielleicht auch im Weglaufen meine Ruhe und Beständigkeit, am besten durch das Vergessen: Meines und das der anderen. Ich brauche keine Vergebung für nichts und will auch keine Einsichten hören; ich möchte einfach in der Erinnerung verblassen. An den Stellen, die ich auch gern vergessen würde.
donalphons, 01:38h
Mittwoch, 1. Mai 2013, 01:38, von donalphons |
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itha,
Dienstag, 7. Mai 2013, 03:47
"Ich brauche keine Vergebung für nichts und will auch keine Einsichten hören; ich möchte einfach in der Erinnerung verblassen. An den Stellen, die ich auch gern vergessen würde."
no chance!:) ein grund fürs schreiben ist, partout nicht vergessen werden zu wollen. dabei schreibt man immer zu viel - und nicht der autor, sondern der leser entscheidet am ende, was davon vergessen wird.
no chance!:) ein grund fürs schreiben ist, partout nicht vergessen werden zu wollen. dabei schreibt man immer zu viel - und nicht der autor, sondern der leser entscheidet am ende, was davon vergessen wird.
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flederhund,
Dienstag, 7. Mai 2013, 05:45
imho, mit dem Weglaufen ist es wie mit Hase und Igel. Egal wie schnell und weit man läuft, wenn man sich irgendwann verschwitzt in Napoli, Naypyitaw oder sonstwo in den Cafestuhl fallen lässt, sitzt die eigene Vergangenheit schon am Nebentisch und zwinkert einem zu. Das ist natürlich überhaupt kein Grund, es nicht zu tun..
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donalphons,
Dienstag, 7. Mai 2013, 10:40
Als halböffentliche Kunstfigur hasst man natürlich die anonymen heckenschützen und möchte ihnen das Gehirn mit dem Korkenzieher extrapolieren, es reinigen und dann den wertlosen Rest mit dem Gummihammer wieder eindengeln. Man darf sich gern an Fussballergebnisse erinnern.
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flederhund,
Dienstag, 7. Mai 2013, 16:53
Dies sei mangels Ahnung ein ganz allgemeiner Antwortversuch: Angesichts der Vielen, die schon von der Don'schen Feder gepiekt wurden ist Heckenschützerei ein reales Risiko. Je höher der Baum desto stärker der Wind (javanisches Sprichwort). Die die hier lesen und kommentieren werden sich davon nicht beeindrucken lassen.
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donalphons,
Mittwoch, 8. Mai 2013, 02:40
Diejenigen, die ich hier mal sauber niederschreiben müsste, mitsamt Versionen und Erzählung, wie man mal mit dem Luxusliner durch das System fahren konnte, weil da irgendwelche Tüpen 3 Jahre veraltete Software aufspielten und sich von einem Knilchverein bestätigen liessen, das sei sicher, habe ich noch gar nicht öffentlich angeschrieben. Und der miese Stalker, der hier die Kommentare siebt, wird sich auch noch wundern.
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kay uru,
Dienstag, 7. Mai 2013, 12:35
Der Text berührt. Er lässt zögern, ob es taktvoll ist, die intimen Einblicke in die Erschöpfung der Kunstfigur zu kommentieren. Aber die Andeutung der Möglichkeit eines digitalen Weglaufens reicht dann doch, dass man aufmunternd zuruft: Halt, hier gebleiben!
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kay uru,
Dienstag, 7. Mai 2013, 12:40
Das wuchtige und erbarmungslose Angreifen. Das dem Müßiggang ähnelnde, genau beobachtende Innehalten. Und schließlich das zur Seite und an die Ränder strebende Weglaufen - sie ergeben gemeinsam die Eleganz dieses Film Noir...
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kittykoma,
Donnerstag, 9. Mai 2013, 14:47
Oh. Mein Hollywood-Hirn imaginierte Ihre Sizilienreise als Flitterwochen. Nun ja. Was soll man sagen...
Auf die Welt jenseits der Liebe angewendet: Ich stand gerade in Berlin mit vielen zusammen und merke, auch ich fühle mich am Rand am wohlsten.
Auf die Welt jenseits der Liebe angewendet: Ich stand gerade in Berlin mit vielen zusammen und merke, auch ich fühle mich am Rand am wohlsten.
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donalphons,
Donnerstag, 9. Mai 2013, 17:50
Das wäre dann in Marina di Ragusa oder eben in Falconara, das man als Schloss für Hochzeiten mieten kann.
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kleinedinge,
Freitag, 24. Mai 2013, 19:35
Natürlich....
.... laufe auch ich gerne weg. Das ist dann sehr befreiend so im Dauerlauf, dann im Schritttempo am Rand entlang. Urplötzlich bleibe ich dann stehen. Direkt am Rand. Genauso plötzlich gehe ich im Schritttempo den ganzen Weg zurück, bis hin zum Dauerlauf. Anschließend wunder ich mich. Und irgendwann geht das ganze von vorne los.
Doch nicht der Rand?
Doch nicht der Rand?
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