Der Druck des Gedruckten

Schulden sind ja immer wie eine Schlinge um den Hals. Zuerst sehen sie aus wie Geld und am Ende sind sie ein Strick, und machen panisch und zwingen zu Handlungen, die man sonst nie tun würde. Ich würde mich da nicht in einem Umfeld ausliefern, das ich mag - vor Angst, dass ich es dann vielleicht irgendwann nicht mehr schätze, wegen der Erfahrungen. Dazu gehören auch Bücher und Vorschüsse, die, genau genommen, ja auch eine Art Schulden bei einem Verlag sind. Man bekommt nicht nur Geld, sondern auch einen Vertrag und Deadlines und zahlt dafür mit Spontaneität und Freiheit - etwas, an das man sich noch mehr als an Geld gewöhnen kann. Und dann ist es gut, wenn man auch mal Nein sagen kann, so wie ich das 2012 gemacht habe. Das verstehen viele nicht, aber der Preis - Abhängigkeit von einem Verlag, dem ich nicht vertrauen kann - war mir einfach zu hoch. Hinweis: Der Verlag wollte das Buch von mir, nicht umgekehrt.



Indirekt, durch Erzählumgen bekomme ich im Moment mit, was es bedeutet, wenn man diese Freiheit nicht mehr hat und gezwungen ist, dieses Produkt dann eben auf Teufel komm raus zu schaffen und zu vermarkten. Da sind diese etwas peinlichen Behauptungen, man verdiene mit dem Buchverkauf kein Geld, weil der Vorschuss ja schon ausbezahlt wurde. Da ist das Umwidmen einer Aktion in eine Lesung, da ist diese Verquickung von Interessen und Tätigkeiten, nie weiss man, ob man es jetzt mit dem Politiker, dem Autor oder dem Mensch zu tun hat, oder wie sie gemischt sind - jedenfalls, so ein Buch darf auf gar keinen Fall ein Flop werden, sonst wird es beim nächsten Mal, beim nächsten Text schwierig. Das setzt Menschen unter Druck, das ist fern von aller Schönheit des Buches, zumal, wenn es um so etwas Hässliches wie das 2.876ste Aktivistensachbuch geht. Sowas erscheint mir wie ein Pakt mit vielen Teufeln und nichts, was einem auf Dauer Freude bereiten würde. Für andere mag es gehen, mir wären meine Magenwände für so etwas zu schade.



Das Gleiche betrifft übrigens auch Crowdfunding - ich finde das sogar doppelt übel. Es sieht zwar, weil der Verlag wegfällt und das Geld erst mal auf dem Konto ist, gut aus. Aber gleichzeitig verdammt es den Autor dazu, sich strikt an Pläne und Regeln zu halten. 10.000 Euro Vorschuss eines Verlages sind 10.000 Euro Vorschuss. 20.000 Euro für ein Buch sind ein nicht leicht schätzbarer Betrag für all das, was da kommen mag. Vielleicht hat der Drucker gerade keine Zeit und man muss einen teureren Kollegen nehmen, vielleicht hat der Lektor mehr als erwartet zu tun, vielleicht liegen einem manche Aspekte des Geschäfts, die man noch gar nicht kennt, nicht sonderlich - schliesslich braucht das Buch auch einen Vertrieb und das ist ein besonders schweres Thema, wenn das Sujet des Buches, sagen wir mal, nicht allgemein verständlich ist. Ein Verlag weiss, wie das geht. Aber ein Autor allein? Die Welt ist voll mit gescheiterten BoD-Projekten, und selbst, wenn alles klappt, ist es ein enormer Aufwand - zumal ja auch leichtfertig geäusserte Versprechungen bei Termin, Umfang und Releaseparty einzuhalten sind. Und für all das muss das Geld reichen.



Das wird noch schwieriger, wenn solche Netz-"Erfolge" dann doch noch auf die reale Verlagswelt treffen. Alles, was im Internet schön klang, wird im normalen Buchhandel kritisch gesehen. Ein Buch von jetzt bis zur Frankfurter Buchmesse zu machen, ist zwar eventuell möglich, aber nicht leicht, und der Vertrieb wird kotzen. Nächstes Jahr Leipzig wäre eher möglich, aber das entspricht nicht den Erwartungen der Crowdfunder, die eigentlich darauf zählen, dass es schneller gehen sollte. Denn dafür hat man das ja im Netz revolutionär gemacht, wie auch die Sache mit dem Urheberrecht - wenn da alles erlaubt ist, dann wird das für Verlage natürlich problematisch. Ausserdem sind mit dem Crowdfunding die sicheren Kunden schon weg, das heisst, der Verlag muss die anderen Kunden beschaffen, und den Druck und die PR und was halt so anfällt, und das alles möglichst schnell, während der Autor schon den Rahm selbst abgeschöpft hat. Macht das jemand dennoch? Es ist gut möglich, dass man sich irgendwo einigt. Aber wenn der Autor sein versprochenes Vollprogramm nicht durchbringt, dann heisst es schnell: Der verspricht im Internet die Revolution und dann lässt er sich doch vom Verlag dazu bringen, dieselbe abzublasen - und behält vermutlich das Geld.



Aber das sind halt so die Tücken des Geschäfts, man muss sich entscheiden zwischen den Verpflichtungen, die man ohnehin schon eingegangen ist und den anderen, die andere von einem erwarten. Das alles hat sicher Vorteile, aber es ist halt noch eine zweite Schlinge, die die Spielräume eingrenzt. Man verliert dabei die Kontrolle über das Projekt, und zwar mehr, als es einem normalen Autor bei einem gängigen Verlag je passieren könnte. Ein Mittelweg wäre da schön, aber wenn man gleich zu Beginn in das eine Extrem ging und nun das andere Extrem der Verlage befriedigen muss, dann ist das eine Entscheidung, die ich nicht gerne treffen wollen würde.

Will sagen: Ich glaube, es gibt gute Gründe, warum wir bislang sop wenige Crowdfundingexperimente gesehen haben. Beim Verlag weiss man - mit allen Vor- und Nachteilen - was man hat.



Blauschimmel oder Trüffel, Glühbirne oder Energiesparen, Rad oder Transporter, Liebe oder Hass, MTB oder Rennrad, man muss sich irgendwann entscheiden. Und ich glaube, je weniger man da am Band anderer Interessen ist, desto besser fühlt man sich dabei. Es macht den Entstehungsprozess finanziell nicht leichter, wenn man erst mal das Buch schreibt, aber es lässt viele Freiheiten bishin zum Punkt, dass man lieber etwas bleiben lässt, als etwas Schlechtes zu verantworten. Ich erlebe das dauernd bei der FAZ, jeden Monat schmeisse ich zwei Beiträge weg, weil sie mir nicht gefallen, und ich denke, so ist es richtig. Oder es kommt noch der Moment, da man sie anderweitig verwenden kann. Aber in den Verträgen sehen die Autoren meist nur die Zahlen und nicht die Risiken, und die Ketten, sie sie dann mit sich herum schleppen. Ich glaube, wer ein Buch schreiben will, macht es besser als einer, der jetzt ums Verrecken fertig werden mus, weil er schon zwei Deadlines gerissen hat. Und je einfacher und indirekter der Deal mit dem Kunden ist, desto besser ist es.

Zuletzt: Im Internet scheitert man immer vor dem ganz grossen Publikum. So stelle ich mir das Autorendasein einfach nicht vor. Nicht, weil ich Angst vor dem Scheitern habe, sondern weil es kein gutes Klima ist. Und ich will doch über Meran schreiben, und nicht über Berlin.

Samstag, 15. März 2014, 20:56, von donalphons | |comment

 
Das mit der Angst vor den Verträgen (Vorschüssen, Restriktionen, Pflichten, versteckte Fallen) gibt sich, wenn man das zum xten Male macht. Ich hab' damit (allerdings auf dem Musikmarkt) seit über 40 Jahren zu tun und der letzte Schreck, den ich erinnere, ist auch schon zwei Jahrzehnte her: ein 36-seitiger Plattenvertrag in englischer Juristensprache (also ohne Kommas etc.) - aber auch den brachte ich zu aller Zufriedenheit hinter mich und lernte sogar etwas dazu. Inzwischen bin ich derjenige, der die "Gegen"partei auf z.B. deren Verwechslung von licensee und licenser lächelnd hinweist (wie ich's mal bei einer holländische Plattenfirma ...)

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Ich habe zweimal sehr gute Erfahrungen gemacht und einmal eine sehr, sehr schlechte. Vielleicht war sie gar nicht so schlecht, aber ich wollte das einfach nicht in meinem Leben haben.

Und dann habe ich noch ein ungutes Gefühl beim Verkaufen einer zukünftigen Entwicklung. Ja es ist üblich und ja, es hilft vielen. Aber mir nicht.

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Schwarzkopf & Schwarzkopf? ...die "Guten"? Nun ja.
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Ich habe zwei Bücher von denen, die fallen schon auseinander. Dies zum handwerklichen.
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Dann: Jemand berichtete mir von einem neuen Rocklexikon bei Schw. & Schw. und es erinnerte ihn an irgendwas... Ich prüfte nach und sieh' da: der Verlag hat nicht gemerkt, dass ihm da jemand eine Kopie eines längst veröffentlichen & nicht ganz unbekannten Lexikons (Günter Ehnert: "Rock in Deutschland") unter anderem Namen verkauft hatte.
Ulkig fand ich, dass im SPIEGEL zur gleichen Zeit ein Jubelartikel über Schw. & Schw. stand, der besonders deren gute Kenntnisse über die deutsche Pop- und Sub-Kultur hervorhob (!). Was offensichtlich Quatsch war, als Insider kennt man natürlich das Rocklexikon von Ehnert und veröffentlicht das nicht "neu" und unter anderem Namen.
Ich wies den Verlag auf den Fehler hin (Herr Schw. war nicht begeistert und ließ seinen Frust an mir(!) aus) - aber die einigten sich dann wohl irgendwie mit dem richtigen Autor.

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Es gobt über den Verlag viele Geschichten, gute und weniger gute, aber er war sagenhaft fair und freundlich zu mir. Ich kann kein einziges böses Wort sagen. Und Fehler macht jeder mal. Für mich muss ein Verleger so sein wie dieser Verleger.

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Einverstanden. Ich kann & will ja auch nix Bösen über ihn sagen; kenn' ihn ja garnicht persönlich. War nur so'ne absurde Geschichte, damals.
Irgendwie ist er ja auch ein "Kollege" von mir, mein Geld verdien' ich als Musikverleger; dabei les' ich mehr als ich Musik höre. Verrückte Welt.

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Die Verlagswelt ist voll damit und zieht deshalb ja auch so schräge Autorenvögel an. Ernsthaft würde ich mein Dasein nicht so bestreiten wollen.

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Es gibt auch erfreuliche Buchprojekte durch Crowdfunding!

http://mark793.blogger.de/stories/2316993/

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Ja, die haben sich auf die Community verlassen und ein begrenztes Projekt gemacht. Das ist aber vielen nicht genug, und dann wird es kompliziert.

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Schön, wieder einmal moderne Kunst in Form eines Fahrrads im Blog zu sehen. Ich werde mich an die Traktorhaftigkeit der MTBs nie gewöhnen, fürchte ich.

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Mal ganz doof gefragt:
Sich für 10k oder 20k verknechten? Die dann auch noch versteuert werden müssen? Wenn wir den traurigen Fakten ins Antlitz blicken, dann sind das maximal 2 Monate IT oder WebDings Freelance. OK, als Spezialist - aber nicht mal Guru.
Das Geschäftsmodell Schriftsteller verstehe ich nicht.
Aber ich bin ja auch keiner.

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Andersrum wird ein Schuh draus. Wenn netto 3000 Euro übrigbleiben, kann der Schriftsteller davon immerhin 4 Jahre lang jeden Tag einen Döner essen oder alternativ rund 6000 Packungen Asia-Instantnudelsuppe erwerben. Was ist an dem Geschäftsmodell nicht zu verstehen?

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Was ich nicht verstehe ist die Aufwand-Ertrag-Relation.
Die gleichen 3.000 kann man auch einfacher haben. Und schneller.
Für ein Jahr lang Döner reicht es nicht mehr, wenn noch Hasch und Mate dazu kommen müssen. Um das traurige Dasein zu betäuben und zu versüßen.
Und nochmal: zuviel Arbeit, zuwenig Entlohnung. Da verdient meine Bekannte im Einzelhandel mehr.

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von meinem Umfeld werde ich oft als Lebenskünstler bezeichnet.
Ich kann dieses Leben hauptsächlich deswegen führen, weil einer dieser Verträge, die ich geschlossen habe mir so eine Art BGE beschert hat. Die anderen Verträge waren so lala. Da war z.B. dieser Maschinenbauer, der 2008 die Krise dazu genutzt hat, den Vertrag einseitig zu kündigen, mit dem Verweis: ich könne ja klagen.
Haha da steht man(n) dann einem Riesen gegenüber der einen am langen Arm verhungern lassen kann.
Morgen nun stehe ich vor dem gleichen Problem, und werde wieder einen Vertrag abschliessen, von dem ich weiss, das er auch nur soviel wert ist, wie das Papier auf dem er gedruckt ist.
Was solls - ich glaube ich mach es trotzdem.
Es kann ja auch was gutes dabei herrauskommen

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@booooster: Das Problem ist wohl, dass, um anderweitig Geld zu verdienen, man irgendeine Tätigkeit beherrschen sollte, für deren Ausübung andere Leute einem Geld zu geben bereit sind. IT und WebDings geht nicht ohne Kenntnisse. Und bei Einzelhandel muss man morgens um 8:30 auf der Matte stehen, das geht ja gar nicht.

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@boooster: "verknechten" ?
Ich kenn' das aus dem Musikgeschäft, da urteilen ahnungslose Außenstehende (und Erfolglose, die's nicht geschafft haben) ähnlich: Die Musiker sind alles Heilige, die ihre "ehrliche" Kunst machen, die Labels, Manager und
natürlich die GEMA etc. sind alle pöse, pöse, pöse. Ich kann als Insider ausplaudern: Dem ist nicht ganz so. ... Siehe auch oben, beim Don und Schwarzkopf.
"... Ein Kunstwerk ist ohne jede Bedeutung für die Gesellschaft. Von Bedeutung ist es nur für den Einzelnen. ..." (Vladimir Nabokov)

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@hockeystick: Hmm. Da könnte natürlich was dran sein.

@jeeves: du hast mich ein wenig missverstanden. Verknechten iSv viel arbeiten müssen (niemand wird bezweifeln, dass einen guten Text schreiben hatte Arbeit ist). Ein hochhalten der l'art pour l'art. Nichts läge mir ferner. Dürer, Michelangelo, Simmel, Konsalik: alles ihrer Zeit mit ihrer Kunst wirtschaftlich erfolgreiche Künstler.
Verknechten ist wahrscheinlich auch nur mein Slang... In meinem Freundeskreis heißt abhängige Beschäftigung: Schuldknechtschaft. Ich bitte um Entschuldigung für das Missverständnis.

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