Peter Burke, Ludwig XIV.
Es ist, denke ich, eines der interessantesten Bücher, das man im Moment über Vladimir Putin lesen und kaufen kann. Gern wird Putin ja mit alten Sovietmachthabern verglichen, aber nach meiner Meinung liegt Ludwig XIV. da viel näher: Auch er kommt aus einer Zeit des Niedergang eines Reiches, und das hat ihn und sein Land und seine späteren Kriege um die Vormacht in Europa geprägt. Auch anderes kann man gut vergleichen: Der Fall Chodorkowski erinnert nicht umsonst an den unglückseligen Nicolas Fouquet. Ob er allerdings mit seinen Hanswursten ähnlich wie mit Pussy Riot verfuhr - das weiss ich nicht.
Peter Burke ist mir durch seine schöne Analyse des Werks von Baldassare Castiglione in Erinnerung geblieben, und das Buch über die Inszenierung vonPutinLudwig XIV schliesst stilistisch mit seinem trockenen Witz direkt daran an. Für mich ist es insofern von Interesse, dass alles von Napoleon und Ludwig XIV mit voller Absicht bei mir im Sanitärbereich hängt, um das höflich zu sagen. Einen der Drucke, die den Autokraten als Liebling der Musen zeigt, habe ich auch, und
Wie soll ich sagen, ich bin nun mal überzeugter Bürger und Demokrat. Da gehören solche Abgetreteten der Geschichte nun mal in den Abtritt. Ich mag unser System und unsere Spielregeln, und die Vorstellung, dass in Russland nur das geprobt wird, was früher oder später auch in der EU anschafft und kommandiert, das gefällt mir gar nicht. Zum Beispiel haben wir die rechtsautokratische Regierung in Ungarn einfach so geschluckt. Und natürlich ist mir bei der Analyse der abgebrühte Blick auf die Geschichte sehr viel lieber als die aktuelle, die langfristigen Linien verstellende Empörung. Weil, wer ist da schon Gut oder Böse?
Burke ist einer von den Autoren, die im Studium stets mein Verhängnis waren. So einer taucht oft in Literaturlisten auf, man braucht ihn eigentlich nur wegen 2, 3 Seiten, weil er einen Randaspekt streift - und dann denkt man sich, oh, das ist aber interessant und das wusste ich noch nicht und gut geschrieben ist es auch. Und damit ist dann der Vorsatz, weiter nach frühmittelalterlichen Flügellanzen zu suchen, erst mal obsolet gewesen; damals war es ein Buch über den nicht minder widerlichen Ambrosius von Mailand.
Heute, es ist ja nur noch Gaudium und ohne Druck, kann ich mich leichter und ohne schlechtes Gewissen darauf einlassen, und doch: Es bringt Erkenntnis. Natürlich habe ich von Russland so viel Ahnung wie alle anderen auch, aber ich kann einstreuen: Nun, wenn man etwa an Ludwig XIV denkt, da war das ja ganz ähnlich, auch der wurde blockiert und tatsächlich hat ihn der spanische Erbfolgekrieg an den Rand des Ruins gebracht, egal wie pompös das alte Kadaver sich hingestellt hat, nicht wahr. Und dann kann man elegant den Fouquetvergleich machen, auf den Merkantilismus kommen und da fällt einem ein, kennen Sie schon mein neues Service aus Sevres? Nein? Ah, Sie müssen an den Tegernsee...
Man entgeht dem Elend ja doch nicht. Aber es ist schön, ausweichen zu können
Peter Burke ist mir durch seine schöne Analyse des Werks von Baldassare Castiglione in Erinnerung geblieben, und das Buch über die Inszenierung von
Wie soll ich sagen, ich bin nun mal überzeugter Bürger und Demokrat. Da gehören solche Abgetreteten der Geschichte nun mal in den Abtritt. Ich mag unser System und unsere Spielregeln, und die Vorstellung, dass in Russland nur das geprobt wird, was früher oder später auch in der EU anschafft und kommandiert, das gefällt mir gar nicht. Zum Beispiel haben wir die rechtsautokratische Regierung in Ungarn einfach so geschluckt. Und natürlich ist mir bei der Analyse der abgebrühte Blick auf die Geschichte sehr viel lieber als die aktuelle, die langfristigen Linien verstellende Empörung. Weil, wer ist da schon Gut oder Böse?
Burke ist einer von den Autoren, die im Studium stets mein Verhängnis waren. So einer taucht oft in Literaturlisten auf, man braucht ihn eigentlich nur wegen 2, 3 Seiten, weil er einen Randaspekt streift - und dann denkt man sich, oh, das ist aber interessant und das wusste ich noch nicht und gut geschrieben ist es auch. Und damit ist dann der Vorsatz, weiter nach frühmittelalterlichen Flügellanzen zu suchen, erst mal obsolet gewesen; damals war es ein Buch über den nicht minder widerlichen Ambrosius von Mailand.
Heute, es ist ja nur noch Gaudium und ohne Druck, kann ich mich leichter und ohne schlechtes Gewissen darauf einlassen, und doch: Es bringt Erkenntnis. Natürlich habe ich von Russland so viel Ahnung wie alle anderen auch, aber ich kann einstreuen: Nun, wenn man etwa an Ludwig XIV denkt, da war das ja ganz ähnlich, auch der wurde blockiert und tatsächlich hat ihn der spanische Erbfolgekrieg an den Rand des Ruins gebracht, egal wie pompös das alte Kadaver sich hingestellt hat, nicht wahr. Und dann kann man elegant den Fouquetvergleich machen, auf den Merkantilismus kommen und da fällt einem ein, kennen Sie schon mein neues Service aus Sevres? Nein? Ah, Sie müssen an den Tegernsee...
Man entgeht dem Elend ja doch nicht. Aber es ist schön, ausweichen zu können
donalphons, 11:25h
Sonntag, 23. März 2014, 11:25, von donalphons |
|comment
marie_sophie,
Dienstag, 25. März 2014, 12:50
Ach, Peter Burke ist wirklich ein Großmeister historischen Erzählens nicht allein des tanzenden und doch fallenden Königs wegen, der nicht unumstrittene Horst Bredkamp versucht sich nicht ohne Charme am schwimmenden Karl und ertrinkendem Barbarossa.
... link
donalphons,
Dienstag, 25. März 2014, 13:04
Ich mache das immer abwechselnd, zweimal Literatur und dann einmal Fachbuch - es kann also noch etwas dauern bis zur nächsten Königsbiographie.
... link
... comment
10km_vom_autor_entfernt,
Dienstag, 25. März 2014, 12:57
übrigens Gmund
... link
donalphons,
Dienstag, 25. März 2014, 13:03
Ja, da hat er recht. Es ist übrigens kein Zufall, dass Röhrentechnik ausgerechnet dann wieder kommt, wenn man angeblich den Röhrenklang digital nachbauen kann. Ich kaufe da gern ein.
... link
... comment
olimdevona,
Dienstag, 25. März 2014, 13:31
ja, die grossen Erzähler
bei mir war es das Küchenlatein vom guten alten Peter Burke, das ist dann ein Prokastinieren auf hohem Niveau. Wer Sachbuch und einen grossen Erzähler über den Osten Europas geniessen will, dem empfehle ich Moskau 1937, vom Karl Schlögel. Niemand kann eleganter von Champagner, Weissmeerkanalausflügen und Arbeitslagern berichten...
... link
... comment
perfekt57a,
Dienstag, 25. März 2014, 23:13
@barrikadenverhinderer oder: was alle getrennt sind, ist a. in einer person
.
in der tat, so wie der eine überlebte, weil er gerade dieses als sein hauptkunst verstand und der andere, minderbemittelte, bei übrigens evtl. gleicher belesenheit, glücklich am rande einer barrikade zu grunde ging.
oder wie sagte ein bekannter, der männer liebt, als beifahrer nach der gemeinsamen, fast einstündigen fahrt nach thionville "auf die strasse habe ich fast nie geachtet, mich interessiert doch kein weg irgendwohin, oder wo so etwas dummes wie eine fremde stadt in der realität liegen tut, ABER von dir habe ich die ganze zeit jede bewegung auswendig gelernt, wie die saßt oder die hände hieltest, lächeltest oder argumentiertest" - jo mei, so hat halt jeder sein schicksal. der muss halt unsereinem die festplatte machen, ob er will oder nicht. hat und wird sich halt alles für immer merken, und sich selbst dabei ganz sicher niemals nicht selber in klörperliche gefahr bringen ganz vorneo der etwas weiter hinten geschossen oder gestochen zu werden, schon rein köperlich nicht, festplatten müssen schon mechanisch überleben sonst sind sie nichts. und viele ehefrauen sind genau so, ihre aufgabe ist nun einmal ein selbstgewähltes klug-sich-im-hintergrund halten, aber alles genau gesehen und für immer abgespeichert haben, nichts neues unter der sonne - und teflon ist keine erfindung der raumfahrt.
und ausweichen ist häßlich - männer wollen die barrikade und kordit und schweiß. darum auch, weil sie heute alle selbstbewusst und emanzipiert sind, können sie aber auf sich selbst am besten alleine aufpassen - und machen das auch.
wobei als text zur zeit dem, der keine unnatürliche oder vollkommen natürliche angst vor nähe und brutaler gefahr haben müsste, ein wiederlesen des "mann ohne eigenschaften", der kapitel 47 &48 z .b. also, ebenso ein gewinn sein könnte, lediglich als "parallelaktion in verantwortung" gedacht. also als reine textkenntnis zunächst ebenso - schon aus freude am wissen vom gedanken und an der formulierung:
"Er war ein Mann großen Formats. Seine Tätigkeit breitete sich über Kontinente der Erde wie des Wissens aus. Er kannte alles: die Philosophen, die Wirtschaft, die Musik, die Welt, den Sport. Er drückte sich geläufig in fünf Sprachen aus. Die berühmtesten Künstler der Welt waren seine Freunde, und die Kunst von morgen kaufte er am Halm, zu noch nicht hinaufgesetzten Preisen. Er verkehrte am kaiserlichen Hof und unterhielt sich mit Arbeitern. Er besaß eine Villa in modernstem Stil, die in allen Zeitschriften für zeitgenössische Baukunst abgebildet wurde, und ein wackliges altes Schloß irgendwo in der kargsten adeligen Mark, das geradezu wie die morsche Wiege des preußischen Gedankens aussah. Solche Ausbreitung und Aufnahmefähigkeit ist selten von eigenen Leistungen begleitet ... "
http://gutenberg.spiegel.de/buch/7588/48
http://gutenberg.spiegel.de/buch/7588/49
das hätten ja sowieso die meisten im schrank oder im salon, aber nur wenige nahmen es bisher in der tat bis mit aufs schlachtfeld, in den grabenpausen zu schmöckern, aber auszüge (s.o.) immerhin gäbe es inzwischen online - was zeiten und sitten, nun bereitete uns auch schon das internet auf den krieg vor?
klar das, sicher, nichts neues vom guten tee. und auch darjeeling liegt weiter unter der sonne.
den menschen immer evangelisch gleich den ganzen text schenken, nichts zurückhalten, keine vorteile ziehen aus dem internet der geheimnisse.
(was wollten wir gesagt haben? russland wäre auf dem wege zu uns, sobald wir es ließen, weil wir es wollten - die geschichte wird, was wir gestalten, es führt kein weg von uns zu ludwig.)
.
in der tat, so wie der eine überlebte, weil er gerade dieses als sein hauptkunst verstand und der andere, minderbemittelte, bei übrigens evtl. gleicher belesenheit, glücklich am rande einer barrikade zu grunde ging.
oder wie sagte ein bekannter, der männer liebt, als beifahrer nach der gemeinsamen, fast einstündigen fahrt nach thionville "auf die strasse habe ich fast nie geachtet, mich interessiert doch kein weg irgendwohin, oder wo so etwas dummes wie eine fremde stadt in der realität liegen tut, ABER von dir habe ich die ganze zeit jede bewegung auswendig gelernt, wie die saßt oder die hände hieltest, lächeltest oder argumentiertest" - jo mei, so hat halt jeder sein schicksal. der muss halt unsereinem die festplatte machen, ob er will oder nicht. hat und wird sich halt alles für immer merken, und sich selbst dabei ganz sicher niemals nicht selber in klörperliche gefahr bringen ganz vorneo der etwas weiter hinten geschossen oder gestochen zu werden, schon rein köperlich nicht, festplatten müssen schon mechanisch überleben sonst sind sie nichts. und viele ehefrauen sind genau so, ihre aufgabe ist nun einmal ein selbstgewähltes klug-sich-im-hintergrund halten, aber alles genau gesehen und für immer abgespeichert haben, nichts neues unter der sonne - und teflon ist keine erfindung der raumfahrt.
und ausweichen ist häßlich - männer wollen die barrikade und kordit und schweiß. darum auch, weil sie heute alle selbstbewusst und emanzipiert sind, können sie aber auf sich selbst am besten alleine aufpassen - und machen das auch.
wobei als text zur zeit dem, der keine unnatürliche oder vollkommen natürliche angst vor nähe und brutaler gefahr haben müsste, ein wiederlesen des "mann ohne eigenschaften", der kapitel 47 &48 z .b. also, ebenso ein gewinn sein könnte, lediglich als "parallelaktion in verantwortung" gedacht. also als reine textkenntnis zunächst ebenso - schon aus freude am wissen vom gedanken und an der formulierung:
"Er war ein Mann großen Formats. Seine Tätigkeit breitete sich über Kontinente der Erde wie des Wissens aus. Er kannte alles: die Philosophen, die Wirtschaft, die Musik, die Welt, den Sport. Er drückte sich geläufig in fünf Sprachen aus. Die berühmtesten Künstler der Welt waren seine Freunde, und die Kunst von morgen kaufte er am Halm, zu noch nicht hinaufgesetzten Preisen. Er verkehrte am kaiserlichen Hof und unterhielt sich mit Arbeitern. Er besaß eine Villa in modernstem Stil, die in allen Zeitschriften für zeitgenössische Baukunst abgebildet wurde, und ein wackliges altes Schloß irgendwo in der kargsten adeligen Mark, das geradezu wie die morsche Wiege des preußischen Gedankens aussah. Solche Ausbreitung und Aufnahmefähigkeit ist selten von eigenen Leistungen begleitet ... "
http://gutenberg.spiegel.de/buch/7588/48
http://gutenberg.spiegel.de/buch/7588/49
das hätten ja sowieso die meisten im schrank oder im salon, aber nur wenige nahmen es bisher in der tat bis mit aufs schlachtfeld, in den grabenpausen zu schmöckern, aber auszüge (s.o.) immerhin gäbe es inzwischen online - was zeiten und sitten, nun bereitete uns auch schon das internet auf den krieg vor?
klar das, sicher, nichts neues vom guten tee. und auch darjeeling liegt weiter unter der sonne.
den menschen immer evangelisch gleich den ganzen text schenken, nichts zurückhalten, keine vorteile ziehen aus dem internet der geheimnisse.
(was wollten wir gesagt haben? russland wäre auf dem wege zu uns, sobald wir es ließen, weil wir es wollten - die geschichte wird, was wir gestalten, es führt kein weg von uns zu ludwig.)
.
... link
... comment
colorcraze,
Mittwoch, 26. März 2014, 01:08
Louis Quatorze ist als Maßstab für Inszenierungskünste (und enorme Selbstdisziplin... denn eine solche Menge Leute um sich kann man nur durch ständige Präsenz in seinem Sinne kämmen), oder das Kleinformat davon, "Image", ohne Zweifel ein Thema, mit dem sich jeder nicht blöd sterben wollende Mensch mal befaßt haben sollte.
... link
... comment
florilector,
Sonntag, 28. Dezember 2014, 22:38
Ambrosius von Mailand
Sehr geehrter Don Alphonso,
ich bin nur etwas irritiert, meinen Sie nicht eher Peter Brown statt Burke, wenn Sie auf ein Buch über Ambrosius von Mailand verweisen? Allerdings kenne ich nur ein Buch zu Augustinus von Brown, nicht zu Ambrosius.
hochachtungsvoll,
f.
ich bin nur etwas irritiert, meinen Sie nicht eher Peter Brown statt Burke, wenn Sie auf ein Buch über Ambrosius von Mailand verweisen? Allerdings kenne ich nur ein Buch zu Augustinus von Brown, nicht zu Ambrosius.
hochachtungsvoll,
f.
... link
... comment