Die bleiernen Jahre

Früher bekam man, wenn man den Radhändler kannte, die kleinen Metall- oder Plastikhülsen für Schalt- und Bremszug geschenkt. Heute sind da lauter junge Mitarbeiter, die sich mit Rädern nicht auskennen, aber für jeden Plastiknupsel 50 Cent, also eine Mark haben wollen.

Ich kenne zum Glück an beiden Wohnorten noch andere Radhändler. Und so treibt es mich immer wieder dorthin, und dann fachsimpeln wir etwas, oder sprechen über Verkehrspolitik oder was sonst noch so ansteht. Oder darüber, dass er etwas auf Kommission da hat.



Ein Chesini Arena von 1979 aus Verona, in einem ausgewaschenen Goldton, der damals modern war. Schon komisch, die Erinnerung an die Zeit hat genau diese Farbe, denn alles, was ich damals vom Umsturz in Persien mitbekam, war die Schwierigkeit, gute Teppiche zu beschaffen. Der Nachschub brach damals zusammen, und meine Eltern hatten es gar nicht leicht, die richtigen Exemplare zu finden und auszulegen. So kam bei uns das Schlechte der Welt an, als Einrichtungsproblem. Der deutsche Herbst? Da hatte ich genug mit dem Gymnasium zu tun, und auf meine Noten zu achten. Das war irgendwie alles weit weg, mit Ausnahme dessen, was in Bezug auf einen verhassten Chemielehrer auf dem Schulhof geschreiben wurde,

"Bubak, Ponto, Schleyer, der nächste ist der XXXXXXmeier"

Da kam dann der Staatsschutz. Aber das drang nicht durch, es ging ja allen doch recht gut und 1977, das weiss ich noch, war ein toller Sommer. Der künstlerisch begabte V. fälschte Freibadkarten. Wir kamen schon auf das 7,50er Brett. Und niemand hatte ein Telefon, um unsere Eltern davor zu warnen.



Das Chesini ist machbar und vielleicht das, was wir damals gern gehabt hätten, aber das dauerte noch eine Weile. Ich nehme es wegen der Farbe. Und weil es schade wäre, würde es verkommen.

Letztes Jahr habe ich mit G. in Italien viel über diese Zeit gesprochen. Die Epoche war in Italien überhaupt nicht golden, und das wurde auch uns Kindern im Urlaub klar: Überall Carabinieri mit Maschinenpistolen. G. kommt aus einer traditionell linken Familie, wie so viele in der Poebene, bevor die Lega Nord der neue Kommunismus wurde. Für G. sind das schlimme Zeiten gewesen, an die sich keiner gern erinnert. Terror von links, von rechts und vom Staat mit seinen Geheimdiensten. Ein Land am Rande des Bürgerkriegs. Auf der Linken verlor die Kommunistische Partei den Einfluss bei den Schlägerbanden, auf der rechten Seite unterwanderte die Jauche aus Neofaschisten, Geheimdienstlern und Mafia weite Teile der Parteienlandschaft.



Genauso fett und golden scheinen im Moment die Zeiten zu sein, und der Konflikt der Ukraine kommt hier bei uns auch nur durch den Gaspreis an. Man kann das so und so sehen, viele hier trauen auch den Ukrainern nicht, zu Recht vermutlich, aber was da gerade in Russland an Autokratie enthüllt wird, ist auch bitter. Man nennt es nicht Panslawismus, aber etwas in der Art wird es wohl werden. Mit vielen unschönen Folgen, und nach den Irakkriegen und dem Versagen beim Versuch, eine neue, friedlichere Welt zu schaffen, wird das alles wieder höchst unerfreulich. Mit einem Westen im Zeichen von NSA und GCHQ und anderer Dienste.

Wirtschaftlich ist alles golden, aber da ist die Ahnung, dass noch sehr viel Blei des Weges kommen wird. Grossmachtspolitik nimmt nun mal keine Rücksichten und so, wie wir in Zypern kommandiert haben, so wird man vielleicht auch mit uns umspringen, uns neuem Wirtschaftswundersuperland.



Da ist auch noch ein echtes Wirtschaftswunderdamenrad, seh gut erhalten, elfenbein und grün lackiert. So, wie man das eigentlich sonst nur in Italien sieht, da hat man die Räder ähnlich bemalt. Es war ja nicht alles Neorealismo, es gab Toni Renis und Mario Riva und zu denen radelte die Dame wohl eher so. Zweifarbig. Lusso. Man vergisst das Blei ja schnell, wenn das Wetter schön und die Musik anschmiegsam ist. Und jetzt kommt ja auch der Sommer, von der Donau bis zur Wolga.

Ich werde das Chesini wieder zum Leben erwecken und Putin Bestien, die lange Vergangenheit zu sein schienen. Und Obama wird derweilen alles tun, um Venezuela zu destabilisieren. Jeder, wie er es für richtig hält. Mir das goldene Rad und den anderen so viel Blei und Gift.

Donnerstag, 17. April 2014, 21:51, von donalphons | |comment

 
Um massig Cops mit MPs im Anschlag zu sehen, musste man in den späten 70ern nicht nach Italien fahren. Die, öööhm, wehrhafte Demokratie war auch hierzulande bisweilen geradezu körperlich spürbar, selbst wenn unsereins auf dem Rücksitz des elterlichen Familienkombis nicht im Raster der Terroristenfahndung war.

Die Farbe des Chesini erinnert tatsächlich sehr stark an diese Zeit, solche Farbtöne irgendwo zwischen Braun und Gold begegnen einem auch bei diversen Raleighs und Kogas aus jener Epoche. Bei den französischen Rädern, die bei uns im Südwesten traditionell stark vertreten waren, kamen solche Farben weitaus seltener vor.

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Das war nach dem Orange der frühen 70er die nächste Modetorheit. Aber sie sind inzwischen auch selten geworden. Die richtigen Aufkleber habe ich gerade bestellt, die sind auch orange - insofern ist es in der Zwischenzeit. Allerdings kenne ich auch Motobecanes in dieser Farbe.

Ich weiss es noch, weil wir damals in Italien mal in einen Bankraub gekommen sind. Danach war in der kleinen Stadt die Hölle los, man sah an jeder Ecke in eine MP. Das war schon ziemlich bedrohlich. Und weil die in Italien immer noch oft mit MP rumlaufen, ist e halt an Italien hängengeblieben. Vor zwei Jahren bin ich mal am Micio entlang und kurz vor Mantua durch ein kleines Dorf um die Ecke - und da standen sie dann mitten im Weg. Das ist für einen inzwischen sehr zivilen Staat wie die BRD schon erstaunlich, so als Erlebnis.

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Großaufgebote sieht man hier nicht allzu oft, das stimmt schon. Aber ich meine, seit der Umwidmung von Bahnpolizei/BGS zu Bundescops in den letzten Jahren wieder vermehrt MPs im Straßenbild wahrgenommen zu haben.

Motobecane, richtig! Der Damenrenner, mit dem meine Verflossene wegen fehlender Rücktrittbremse nicht klarkam, hatte so eine ähnliche Farbe. Aber ich habe die damals Ende der 70er, als mein Interesse an Rennrädern erwachte, nicht als sonderlich typisch für Franzosen wahrgenommen.

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Ich habe schon den Eindruck, dass die Polizei gehalten ist, ziviler aufzutreten. Alte Polizisten beschweren sich oft, dass der Nachwuchs so kumpelhaft daherkommt. Vor einem halben Jahr wurde ich mal Zeuge eines Einsatzes gegen Betrunkene (gegen Autos randaliert), da fand ich das Vorgehen irgendwie auch zu nett.

Das liegt vielleicht aber auch noch an meinen Wohnorten, wo die Polizei jetzt nicht so furchtbar viel zu tun hat.

In meiner Erinnerung verbinde ich besonders die Marke Moser mit dieser Farbe. Komischweise sind aber fast alle, die ich sehe, blau, wie mein eigenes. Hm.

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Die MP im Anschlag des grünbeige Befrackten 50 cm vor meiner Brust, um das ernste Anliegen der Ausweiskontrolle zu untermauern, hat vermutlich stark zu meinem bis heute differenzierten Rechtsstaatsverständnis beigetragen. Der langhaarige 17-jährige auf dem Weg zur Schule könnte ja am Ende den Schleyer versteckt haben. So ähnlich sahen die durchgekreuzten Terroristen auf dem Fahndungsplakat beim Metzger schließlich auch aus.
Vielleicht lags ja auch an meinem ROTEN Kalkhoff Rennrad ...

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Schwer zu verallgemeinern, ich selber habe mit Uniformierten keine schlechten Erfahrungen gemacht. Nicht mal in den skurrilen Fall, als ich fälschlicherweise verdächtigt wurde, in einem gestohlenen Fahrzeug unterwegs zu sein. Not to myself: Muss ich irgendwann malverbloggen, die Geschichte. Aber einmal war ich kurz davor, Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen dgegen einen Dreier-Trupp Zivilbullen im ICE, die ein ganzes Großraumwagen-Abteil nervten mit ihrer Herrenmenschen-Attitüde - und erst nach mehrmaliger Aufforderung bereit waren, selber mal die Dienstausweise zu zücken. Ich mein, da könnt ja jeder kommen.

Was anderes: Schreibe grad einem DeM-Beitrag, muss aber nicht zwangsäufig heute nachmittag damit raus, wenn ich Dir damit in die Quere komme.

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Ich bin gerade in den letzten Stützen-Zügen! Freitag wäre besser.

Neben Wackersdorf hatte ich auch nur mal Zivilpolizisten als Problem in München, die sich absolut sicher waren, dass ich gerade am Karolinenplatz eine Straftat in der Nacht begangen hätte. Dass mein Auto von der Anfahrt von daheim noch richtig heiss war, hat sie gerade mal so eben halb überzeugt und das auch nur mit Murren. Scary.

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Der "Kommen Sie mir nicht mit Tatsachen, ich habe meine Meinung" Spruch ist halt nicht überall ein Witz.

Mein prägendes Erlebnis mit der Münchener Polizei ist auch schon ein paar Jahre her. Oktoberfestzeit, als man noch nicht mit Lederhose/Janker/Dirndl/irgendwasmitTracht-Kitsch dort hin ging. War auch ein, zwei Jahre vor dem Wiesn-Anschlag.
Da wurde in der U-Bahn-Linie einer von 4 Polizisten bis auf die Unterhose gefilzt. Sein Vergehen war, im Cowboy-Kostüm mit Chaps und -oh, Waffe, Waffe! - einer Spielzeugpeitsche UBahn fahren zu wollen und es war nicht Karneval. Vermutlich war es sogar belastend dass er eine Fahrkarte hatte, die er den Leuten entgegenstreckte. Der Kerl war entweder Schausteller oder zu irgend einer BungaBunga Party unterwegs.
Einer der Gründe, weshalb ich mich huete auch immer noch mit einem Gauweiler schwertue.

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In Italien haben die Carabinieri bei jedem posto blocco die MP im Anschlag. Das war vor 1977 schon so und auch heute noch.

Gerade kürzlich an einem ruhigen Samstag Nachmittag mitten in den Apuanischen Alpen habe ich das gesehen. Da ging es nur um Überprüfung der Anschnallpflicht.

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1976...
...war der extrem warme, trockene, lange Sommer, an 77 hab ich keine solche Erinnerung.

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