Am Wegesrand

Es gibt so kleine Freuden bei der L'Eroica. vor 7 Jahren konnte man eine einzige Alutrinkflasche im alten Stil kaufen. Jetzt gibt es davon mindestens 5 verschiedene Formen, wie in den alten Zeiten. Flaschenhalter für den Lenker musste man vor 7 Jahren teuer bezahlen - heute gibt es gute Reproduktionen, die von 2 Emme gibt es für günstige 25€, und man kann sie sogar im Internet bestellen. Nach einer Runde im regen sehn sie aus wie alt. Wolltrikots gibt es in vielen Farben und Mustern, und diesmal waren gleich drei Stände dort, die die so dringlich gesuchten Radschuhe im alten Stil neu produziert hatten. Es gibt immer noch ein paar Desiderate wie gute, robuste, nicht faltbare Drahtreifen mit 28mm Breite und Fischgrätprofil wie jene, die ich auf dem RUFA habe und die keinen Platten bekamen. Aber im Grossen und Ganzen haben viele die Chancen erkannt und bieten wieder Gutes in alter Qualität und neu an.

Zwei Beispiele. Für Leute, die nicht wochenlang schrauben wollen. Mustache Cycles baut Räder wie in der Zeit vor dem Krieg. Der Gründer der Firma war da und hatte ein wirklich schönes Rennrad dabei, gegen das die Colnagos der 80er blass aussehen.



Ich finde den Renner so heiss, dass ich mich im Winter selbst an so ein Projekt auf Basis eines DDR-Rahmens setzen werde.

Und dann war wieder das Faggin-Werksteam da. Faggin ist eine grosse, alte Marke, die dem Trend zum aus Fernorst importierten Carbonrahmen mit italienischer Aufschrift entsagt und jetzt wieder Stahlrahmen wie früher baut.



Das klingt zuerst einmal völlig irre - wie kann man nur 40 oder 80 Jahre Fortschritt ignorieren. Aber als Sammler merke auch ich, dass es zunehmend schwer wird, an gutes Material zu kommen. Es wird immer noch vieles weggeworfen, weil die Besitzer davon nichts verstehen, und nach den Rennrädern erwischt das jetrzt die MTBs der späten 80er. Gleichzeitig kann man sich schon fragen, ob die alten Räder wirklich schlechter waren. Mein RUFA war auf Schotter sagenhaft bequem. Der erwerb alter Stahlräder ist also keine schlechte Idee für jeden, der nicht die letzte Sekunde heraus holen will. Es gibt daher auch deutlich mehr Sammler und weniger Nachschub, und nicht jeder hat Lust, an alten Rädern zu schrauben und sich in die Materie einzuarbeiten. Man kann jetzt auch einfach kaufen. Bei Faggin gibt es auch wieder das seltene Chromovelato-Orange, mit dem Wilier berühmt wurde. Restaurierungsbedürftige Williers kosten gebraucht auf dem Markt 1700€. Da kann man sich auch ein neues Faggin kaufen.

Und wenn ich mit meinem RUFA auf den Jaufenpass komme, dann schafft das auch sonst jeder ohne Carbon, das nach 10 Jahren 90% seines Preises verloren hat, und das missachtet wird, weil es halt doch nur seelenlos chinesisch ist.

Samstag, 30. September 2017, 20:12, von donalphons | |comment

 
Nein, das klingt nicht irre
Es ist ja nicht so, daß beim Stahl die Entwicklung stehen geblieben ist. Es gibt auf der Werkstoffseite schöne neue Entwicklungen in Richtung hochfest und trotzdem noch im Überlastfall verformungsfähig. Auch beim Schweißen haben sich mit dem Laser durchaus interessante Stoßrichtungen aufgetan, die auch schon bei Fahrradrahmen Anwendung finden.
Wenn man sich das Gewicht eines "modernen" Carbonrades mit irgendwo zwischen 7 und 8 kg anschaut und das eines hochwertigen Stahlrades aus den 80ern mit so um die 9kg dann stellt sich die Frage, wer den Gewichtsvorteil ausser dem 1promille Profis nutzen soll? Zudem gibt es bei Carbon den Aspekt, der nicht notwendigerweise an die Oberfläche tretenden Risse, die nur mit aufwendigen Methoden detektierbar sind => nichts für Hobbynutzer.
Ein Indiz dafür, daß es nach Stahlflitzern Düstende gibt, ist, daß ich mit meinem restaurierten 80er Stahl-Bike (kein Hippster-Fixie!!) mindestens 2x pro Woche angesprochen werde.
Die Faggin Rahmen sind auch echt schön, mit verchromten Ketten- und Sitzstreben! Das wird was!

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auch beim stahlrahmen kann man einiges falsch machen. die hochwertigen rohrsätze sind ziemliche zicken in der verarbeitung und durch die geringen wandstärken auch recht empfindlich... einmal falsch auf dem radträger geklemmt und viel spass mit nem 0.4er Rohr

wer "richtig" MTB fährt hat auch schon Brüche in jedem material gesehen. stahllenker, rahmen (davon gibts auch wieder reichlich neuware mit modernen geos) alls frittiert genauso wie alu und karbonteile. mal gutmütig, mal plötzliches versagen.

das werthaltigkeitsargument ist sry, leider auch blödsinn. 1700 flocken zahlt man heute auch nur für irgendwelche stählernen orchideen. die hipsterretrowelle vor 7-10 jahren hat die preise bei stahl kurzfristig ziemlich verdorben, davor gabs die stahlmittelklasse (also ca 600er Gruppe und vergleichbares campa Gelumpe) für knapp über 100€, die einsteigerklasse (rsx, 105 usw) für sub 100. die gammeln natürlich jetzt leider alle in neukölln und kreuzberg weg. das waren auch alles mal räder, die ehekrisen auslösen konnten.

und der carbonkram ist auch werthaltig, wenn orchideeig genug. sollte dem hausherrn sein 4000er kestrel mal nicht mehr zusagen ... für 150 würd ich mich erbarmen... (oh ... nicht?)

dieses altherrenhipstertum und "früher war alles besser geseier" war der grund, warum ich dem klassikscheissdreck komplett entsagt habe. Stahl und titan der letzten Jahre fährt auch knorke und ich spar mir die voodoo-beschwörungen

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Stahlrahmen konnte man sich immer aufs Maß bauen lassen. Verglichen mit irgendwelchen gehypten italienischen Barockkünsten ist das sogar noch erschwinglich.
Worauf ich nicht verzichten will sind Schremshebel. Nie mehr am Unterrohr rumfummeln und vor dem Anstieg den richtigen Gang reinhauen, weil unter Kettenzug die Chose nur rattert statt schaltet. Daß Kette und Ritzel dafür schneller verschleißen, geschenkt. Die 15 euros für ein HG50 hab ich noch übrig. Teurer hat mehr bling und weniger Gewicht, aber nicht mehr Haltbarkeit.

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Ich bin mit Rahmenschalthebeln gross geworden, meine ersten Schremshebel bekam ich, glaube ich. so um 2003-2005. Allerdings hatte ich Suntour Lenkerschalthebel schon recht früh. Die Umstellung zwischen den Systemen ist für mich nie ein Problem, aber generell bin ich auch eher schaltfaul.

Ich habe kein 4000er Kestrel, sondern ein SCI 500, aber das war in Knallrir gar nicht teuer. Ich habe, wie gesagt, enorme Probleme, irgendwo hochwertige Stahlrahmen der 80er zu finden. Damals gab es einfach nicht so viele davon, speziell nicht in Deutschland.

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Das möchte ich jetzt doch mal genauer wissen
Rollproll sagt, 105 sei Einsteiger, während 600 Mittelklasse war? Unser Host müßte das doch im kleinen Finger haben. Ich dachte, die 600 sei die Vorgängerin der 105. Und ich muß mich mit ihr befassen, weil ich sie auf einem 80er-Bike drauf habe. (105 ist auch nicht wirklich Einsteiger - jedenfalls nicht in den älteren Baujahren, glaube ich. Darüber gab es einst nur Ultegra. Bitte anmerken, wenn ich falsch liege.)

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Die 600er
ist der Vorgänger der Ultegra und steht in der Hierarchie somit eins über der 105. Deren Vorgänger ist die Golden Arrow.

Dura Ace als Topgruppe gab es in 80ern aber auch schon, der Vorgänger in den 70ern hieß Crane.

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Es gibt auch bei der Golden Arrow gute Teile - die Naben zum Beispiel sind den älteren Dura Ace so ähnlich, dass man da von einer Übernahme sprechen kann. Wer also "alte" dura Ace Naben will, kann auch mit neueren Golden Arrow tricksen. Die 600 Arabesque finde ich persönlich nicht so schön, danach wird es aber deutlich besser. Mit Dura Ace liegt man nie falsch und der Aufpreis ist heute verschmerzbar, solange es nicht die komische Aerogruppe ist.

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klar der scheiss läuft und läuft. und wenn ich nicht die kohlen gehabt hätte um mir was neues aus stahl zu kaufen hätte ich weiter was altes aus stahl gefahren (die AX gruppe ist übrigens ganz großartig, hört nicht auf den grantelnden alten. läuft genausogut wie die non AX (except for the brakes) und voller innovativer kleiner Details, da hat shimano mal kurz gezeigt was so geht ... ).

das stahlrevival hat der welt eine fülle an rahmenformen geschenkt, die es vor 30 jahren nur beim maßlöter gab. und wenn mans leichter will halt alles auch in alu.

da konnte man sich auch irgendwann mal was gönnen, was den eigenen Bedürfnissen eher entgegenkommt als die reste von gestern und ich fahr auch im stadtverkehr mit unterrohrhebeln, aber lenkerend oder schremshebel sind bequemer und aufm trail auch sicherer. man nennt es fortschritt. s war net alles schlecht aber vieles ist heut besser.

wer was zeitgemäßes sucht in Stahl zu vertretbaren preisen: all city, soma, surly, bombtrack, Kona, veloheld, ritchey, niner, planet-x,

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