Hochzeit, Wurst und Fahne
Ich lebe momentan in der Provinz, und werde noch eine Weile - ein Jahr vielleicht oder zwei, mindestens aber bis Herbst - bleiben. Sommer ist hier viel zu schön, als dass ich in einer grossen Stadt sein wollte, wegen Ozon, Staub, Hitze, Lärm, das ist kein Sommer. Gerade jetzt sind die Amseln und das Sirren der Schwalben lauter als der Verkehr. Vorhin hat in der Kirche jemand geheiratet, und der Wind hat ein wenig den Chorgesang herübergetragen. Ich habe geratscht, man hat mich nach den Fortschritten meiner Wohnung gefragt, und eine Bekannte hat von einem Freund erzählt, der hierher versetzt wird und 120 m² braucht, ob ich da nicht was hätte. Am See ist man von hier aus in 15 Minuten mit dem Fahrrad. Es ist eine reiche, satte Provinz. Wenn ich weg will, setze ich mich an den Rechner und gehe ins Netz, da ist dann Münchenberlintokioalles. Mit dem Auto bin ich schneller in München, als andere in München mit der MVV unterweg sind. In München sind die Haifische, die Antworten für ihre Fragen kaufen, aber selbst das mache ich am liebsten über das Internet von der Dachterasse aus. Man kann es hier schon aushalten, wenn man weiss, dass man weg kann. Und dass man eigentlich nicht dazu gehört.
Denn die, die hier dazu gehören, hängen die deutsche Flagge in ihren Stand auf dem Wochenmarkt, der von totem Tier nur so überquillt. Silber glänzen die Kassler Ripperl, wie geronnenes Blut mit Eiter liegt der Speck in der Vitrine, hier und da sind Knochen, und darüber die selbst gemachten Würste, obszön saftig und verknorpelt. Und obendrauf sind die Bilder der Hochzeit, damit es auch jeder weiss, dass die rotwangige, unfassbar blonde Verkörperung der perfekten Rusticoschönheit, mit ihren riesigen blauen, vergifteten Belladonna-Augen und der weissen Haut, als hätte man sie gerade zur Ader gelassen, bevor sie die das Fleisch armer Schweine zum Markte trägt, damit also jeder begreift, dass dieses Geschöpf ab jetzt vergeben ist.
Sie hat einen Hof, sie hat einen Mann und ein Kind und Viecher und ein Bolzenschussgerät und wenn die Tiere tot sind, knetet sie mit ihren kräftigen Armen den Teig und backt ein phantastisches Olivenbrot im eigenen Holzbackofen, weshalb ich hier anstehe. Ich bin nett und höflich und gratuliere ihr, aber in mir brüllt alles: HAU AB DAS HIER IST DIE HÖLLE UND DER TEUFEL LEGT DAS HOLZ IN DEN OFEN.
Diesen Sommer bin ich noch da. Den nächsten auch noch. Sie wissen nicht, wer und was ich bin, ich könnte es ihnen auch gar nicht erklären, was für eine Welt der Haifische das eigentlich in München ist, denn hier wäre das Haifischfressen lediglich ein traditioneller Freundschaftsdienst und keine Wirtshaftskriminalität. Sie mit dem Fleisch, dem Bild und dem Plan, das Leben mit einem einigen Geschlechtspartner zuzubringen, und ich, wir haben einen Modus Vivendi gefunden, wir einigen uns auf gewisse Themen und verdrängen manchmal die Kluft zwischen uns. Ich bin hier nur körperlich, ich will das alles hier gar nicht so mitbekommen, ich mag die Fassaden sehen und die Farben und das Licht, aber ich will nichts mit dem zu tun haben, was hier ist, was hier lebt und sich vermehrt mit dieser abartigen Nettigkeit und dem freudestrahlenden Lachen, das sicher keine Sekunde aufhört, wenn im Stall daneben die Sau abgeknallt wird oder der Nachbar die Katzen ersäuft. Geschockt sind sie hier erst, wenn mal wieder einer mit 180 auf der Landstrasse mit drei anderen in einen Laster knallt, oder sich einer so umbringt, dass man es schlecht als Unfall hinstellen kann. So ist das, bei den Wüsten nach der Hochzeit unter der Fahne. Die sind Bayern, Provinz und Deutschland. Für einen Moment wird mir der international operierende Starnberger Kieferbrecher fast wieder sympathisch, der in seinem Marmorpalast dem im Spackenfond 13 versenkten Gegenwert von 3 weiteren Bentleys hinterherheult, und seine mufflige Tochter, die jetzt kein neues Auto für das nächste Semester an der Privatuni kriegt, an dessen Stossstange sie den Aufkleber vomZouz Zuoz-Club pappen könnte.
Denn die, die hier dazu gehören, hängen die deutsche Flagge in ihren Stand auf dem Wochenmarkt, der von totem Tier nur so überquillt. Silber glänzen die Kassler Ripperl, wie geronnenes Blut mit Eiter liegt der Speck in der Vitrine, hier und da sind Knochen, und darüber die selbst gemachten Würste, obszön saftig und verknorpelt. Und obendrauf sind die Bilder der Hochzeit, damit es auch jeder weiss, dass die rotwangige, unfassbar blonde Verkörperung der perfekten Rusticoschönheit, mit ihren riesigen blauen, vergifteten Belladonna-Augen und der weissen Haut, als hätte man sie gerade zur Ader gelassen, bevor sie die das Fleisch armer Schweine zum Markte trägt, damit also jeder begreift, dass dieses Geschöpf ab jetzt vergeben ist.
Sie hat einen Hof, sie hat einen Mann und ein Kind und Viecher und ein Bolzenschussgerät und wenn die Tiere tot sind, knetet sie mit ihren kräftigen Armen den Teig und backt ein phantastisches Olivenbrot im eigenen Holzbackofen, weshalb ich hier anstehe. Ich bin nett und höflich und gratuliere ihr, aber in mir brüllt alles: HAU AB DAS HIER IST DIE HÖLLE UND DER TEUFEL LEGT DAS HOLZ IN DEN OFEN.
Diesen Sommer bin ich noch da. Den nächsten auch noch. Sie wissen nicht, wer und was ich bin, ich könnte es ihnen auch gar nicht erklären, was für eine Welt der Haifische das eigentlich in München ist, denn hier wäre das Haifischfressen lediglich ein traditioneller Freundschaftsdienst und keine Wirtshaftskriminalität. Sie mit dem Fleisch, dem Bild und dem Plan, das Leben mit einem einigen Geschlechtspartner zuzubringen, und ich, wir haben einen Modus Vivendi gefunden, wir einigen uns auf gewisse Themen und verdrängen manchmal die Kluft zwischen uns. Ich bin hier nur körperlich, ich will das alles hier gar nicht so mitbekommen, ich mag die Fassaden sehen und die Farben und das Licht, aber ich will nichts mit dem zu tun haben, was hier ist, was hier lebt und sich vermehrt mit dieser abartigen Nettigkeit und dem freudestrahlenden Lachen, das sicher keine Sekunde aufhört, wenn im Stall daneben die Sau abgeknallt wird oder der Nachbar die Katzen ersäuft. Geschockt sind sie hier erst, wenn mal wieder einer mit 180 auf der Landstrasse mit drei anderen in einen Laster knallt, oder sich einer so umbringt, dass man es schlecht als Unfall hinstellen kann. So ist das, bei den Wüsten nach der Hochzeit unter der Fahne. Die sind Bayern, Provinz und Deutschland. Für einen Moment wird mir der international operierende Starnberger Kieferbrecher fast wieder sympathisch, der in seinem Marmorpalast dem im Spackenfond 13 versenkten Gegenwert von 3 weiteren Bentleys hinterherheult, und seine mufflige Tochter, die jetzt kein neues Auto für das nächste Semester an der Privatuni kriegt, an dessen Stossstange sie den Aufkleber vom
donalphons, 17:43h
Samstag, 8. Juli 2006, 17:43, von donalphons |
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strappato,
Samstag, 8. Juli 2006, 21:02
Du meinst sicher Zuoz-Club.
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donalphons,
Samstag, 8. Juli 2006, 21:07
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donalphons,
Samstag, 8. Juli 2006, 22:53
Manchmal wird es hier klaustrophobisch, dann geht die Phantasie mit mir durch. Ich muss dann immer an das frühe XVIII. Jahrhundert denken, an die Zeit vor der Aufklärung, an die Zerlinas und Masettos, und an das, was aus denen wird, die sich daran auch noch gewöhnen, wenn sie erst mal wieder daheim sind. Nichts mehr Königinnen der Nacht mit Höllenracheim Herzen, nichts mehr mit Auf zu dem Feste, froh soll es werden, nur noch
"Wir, mein Schatz, gehn Arm in Arme
Froh nach Haus zum Abendessen. "
"Wir, mein Schatz, gehn Arm in Arme
Froh nach Haus zum Abendessen. "
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donalphons,
Montag, 10. Juli 2006, 12:27
Das ist halt ein grosser Hof, und die machen alles: Brot, Eier, Kuchen - aber auch viel Fleisch.
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