: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 31. Juli 2006

Was man sagen kann

Ich mag meinen Medienjob. Es ist Print, es ist nicht so schnelllebig wie das Internet, ich habe Zeit, mir Gedanken zu machen, und die Rezipienten sind auch anders drauf. Ich habe es meistens mit sehr gebildeten, freundlichen Menschen zu tun, mit denen ich meistens schnell klarkomme, weil wir oft vergleichbare Erfahrungshorizonte haben, unter denen sich das Leben einer Minderheit abspielt. Es sind erstaunlich wenig Idioten darunter, im Vergleich zum offiziellen Berlin, dem Münchner Landtag oder dem Trollschleim, der manchmal in manchen Kommentaren klebt. Es ist ein schönes Thema, allein die Distanz ist ein gewisses Problem, bis dann die volkseigenen Arschlöcher einen daran erinnern, bitte schön objektiv zu bleiben. So wie gerade eben.

Kriegszeiten sind in meinem Medienjob Boomzeiten. Momentan wird allenthalben angefragt, ob ich nicht was machen könnte über den Libanonkrieg und die Haltung "der Deutschen" zu Israel. Das meiste kann ich ablehnen, aber nicht alles. Und so sitze ich jetzt an zwei Beiträgen über dieses Thema und weiss auch nicht. Es ist komplex, sehr komplex.

Dabei ist es vergleichsweise leicht, die Sachlage zu klären. Behauptungen, dass Israel Frieden will und auf Zivilisten Rücksicht zu nehmen versucht, sind blanker Unsinn. Frieden macht man nicht, indem man ankündigt, Zitat "Dörfer zu Sandkästen" zu machen. Ein Pilot, der mit 600 km/h angedonnert kommt, kann keine Rücksicht nehmen. Die Feuergeschwindigkeit einer Gattling Gun in einem Apache-Hubschrauber ist so hoch, dass man damit in Sekunden Regionen von der Grösse eines Fussballfeldes umpflügt - und genau zu diesem Zweck wurden die Dinger auch entwickelt. Eine Artilleriegranate ist genauso dumm wie eine Clusterbombe und unterscheidet nicht zwischen UNO, Hibollah, einem Kind und einem Baum. Alles, was sich in bewohnten Gegenden abspielt, nimmt zivile Opfer bewusst in Kauf, und irgendwelche Flugblätter, die jemanden zur Flucht auffordern, sind auch nicht wirklich ehrlich, wenn man die Fluchtrouten bombardiert, die Infrastruktur zerstört und dafür sorgt, dass weiter weg keine Hilfsgüter durchkommen. Israel führt einen massiven destroy all you can Krieg, "total war" nennt es die konservative Jerusalem Post.

Das Ergebnis sind Opferzahlen, die auch nach israelischer Militärmeinung ausgesprochen einseitig sind: Auf einen toten Hisbollah-Aktivisten kommen zwischen 3 und 20 tote Zivilisten. So war das nicht geplant. Wie viele von ersteren dann noch zu den Kleingruppen gehören, die als Raketenteams eine ernsthafte Bedrohung darstellen, ist nochmal eine andere Frage. Die Relationen sind absolut erbärmlich, hinter den Zahlen steckt so viel Dummheit und menschlich-politisch-militärisches Versagen, man möchte Kotzen angesichts dessen, was da verbrochen wird. Wenn es wenigstens irgend einen Sinn machen würde, aber realitisch gesehen hält Israel das nur noch zwei Wochen durch, und dann möchte ich mal sehen, wer im Libanon dafür ist, die Hisbollah zu entwaffnen.

Israel hat als angegriffenes Land mit allen militärischen Optionen und Möglichkeiten der Aussendarstellung so viel Scheisse gebaut, dass es weltweit längst als Agressor dasteht. Es ist ohne Aufklärung in einen Konflikt gegangen, um dann erst festzustellen, dass die Hisbollah inzwischen mehr als WKII-Katjuschas und Anti-Schiff-Raketen hat. Und seit dem Rückzug aus der "Security Zone" auch nicht gerade geschlafen hat. Kein Freund der USA in der arabischen Welt kann es sich derzeit leisten, die Hisbollah scharf anzugehen. Die UNO steht diesmal zwischen zwei Feinden, die sich einen Dreck um die Sicherheit der Leute scheren. Wie da noch was Gutes draus werden soll, ist mir auch mit viel Nachdenken nicht ersichtlich. Zumal die USA sich seit dem Amtsantritt von Bush als Makler aus dem Nahen Osten weitgehend verabschiedet haben - was Rice jetzt tut, hätte sie besser mal gemacht, bevor die Welt Bilder präsentiert bekommt, die auch bei allem Verständnis für die Bedrohung Israels nicht mehr zu akzeptieren sind. Dass die israelische Armee die Hisbollah im momentanen Konflikt nicht entwaffnen kann, hat sie nicht gerade erst, sondern eigentlich seit 1982 bis 2000 ununterbrochen bewiesen. Nur mit dem feinen Unterschied, dass es jetzt keine verbündeten christlichen Milizen mehr gibt, die vor Ort Paroli bieten konnten - die wurden nämlich von Ehud Barak beim Rückzug im Frühjahr 2000 ziemlich hängen gelassen.

So verkommt der "Krieg", das Bombardieren ohne langfristige Strategie und realitische Ziele zu einer PR-Veranstaltung für die Regierung Olmert, zuerst Machtdemonstration und jetzt Krisen-PR mit Schuldzuweisungen, weil sich libanesische Kinder "trotz Warnungen" an einem Ort aufhalten, wo man die Bomben hinschmeisst. Man kann Krieg führen, man kann gegen Terror vorgehen, aber diesmal sind die positiven Ergebnisse gleich Null und die negativen Folgen gewaltig - wenn der französische Präsident den Iran (!) als stabilisierenden Faktor der Region preist, kann man sich denken, was das für Israels internationale Position bedeutet. In Israel beginnt gerade die gegenseitige Schuldzuweisung zwischen Geheimdiensten, Armee und Politik, und nebenbei "passiert" es, dass ein jüdischer Mob einen arabischen Knessetabgeordneten niedersticht, der seine Schwester beschützen will.

Die guten Nachrichten sind begrenzt. Angeblich wollten die Palästinenser den entführten israelischen Soldaten freilassen - aber dann kam das Massaker vom Wochenende dazwischen, was eine der beteiligten Gruppen gleich auf die Idee brachte, Terror gegen Juden im Ausland zu fordern. Es ist alles so sinnlos, es bringt niemanden was ausser den Radikalen, die man eigentlich isolieren müsste und die jetzt als Helden und Verteidiger des Libanon dastehen. ja, ich weiss, das sind Schweine, die man wegbomben sollte, das sind die, die angefangen haben, aber leider ist es nun mal so ausgegangen, und allein hat das die Hisbollah nicht geschafft.

Was soll man also sagen über das, was da gerade geschieht. Politik wäre die Kunst gewesen, mit den realen Gegebenheiten umzugehen. Statt dessen wurde aus einer Geiselbefreiung das illusorische Ziel, die Hisbollah gleich ganz auszuschalten, und jetzt der verzweifelte Versuch einer nachträglichen Sinnstiftung durch einen internationalen, illusorischen Einsatz, der die Schiiten entwaffnen soll. Und solange bombt man eben weiter. Was die deutschen davon halten? Man gehe heute in eine beliebige Veranstaltung einer jüdischen Gemeinde. Dann sieht man es. So verlassen von den Deutschen waren die Gemeinden noch nicht mal zu Beginn des Irakkriegs. Auch kein schönes Verhalten. Sagt viel aus über die jüdisch-deutsche Normalität, überrascht auch nicht weiter, aber ich sehe ums Verrecken absolut nichts Gutes in der Scheisse, die da gerade abgeht, diesem Catch 22 des nahen Ostens. Nicht für Israel, nicht für die Juden, nicht für den Westen und auch nicht für den Kampf gegen den Terror.

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Beobachtungen eines Restaurators

Es gibt jetzt übrigens von dem bekannten Scheisshauspapier mit der grossen Schrift auch die "Volksfarbe".

Aber nicht mal das bringen diese Versager hin, statt braun ist es weiss geworden.

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