Ihr schon wieder

Manchmal braucht man unbedingt ein paar Daten, die auf einem anderen Notebook sind. Das woanders ist. Zum Glück gibt es irgendwo unter den 12,492 CDs eine, wo sie auch drauf sind. Die Hülle hat man schnell, blöderweise fehlt die CD, und beim Stöbern fällt einem dann eine Visitenkarte entgegen:

Prof. Dr. Georg Irgendwas
Big Mobile Company Director Research & Development

Der Anlass, zu dem ich diese Karte bekam, war eher durchwachsen: Ausloten der Möglichkeiten, mit dieser Firma was zwischen WLAN und GPRS zu machen. Gerade waren die ersten Geräte aufgekommen, die sowas mit wahnsinnig teuren Zusatzelementen konnten. Immerhin, es war Munich Area, es gab eine Idee und schon ein paar erste nette Geschichten in den Medien, warum sollte man das Ding nicht reiten. Wir bekamen schnell einen Termin, und fuhren dann an einem bitterkalten Abend durch die noch nicht ganz zerstörte Area in einen Forschungskomplex, der in etwa so war, wie man sich das 2000 vorgestellt hat: Flexible Arbeitsplätze, keine Privatsphären, offen für alle und jeder nur einen Container, und überall frisches Obst.

Da sassen wir dann auf Eames Chairs und erklärten dem Mann, wie die Idee aussah. Grob gesagt, ging es um verbesserte Nutzung des Rückkanals durch spielerisch-kulturelle Anreize. Nichts, was einen IPO erzwungen hätte, aber eine nette Geschichte, was anderes als der übliche MailChatlocationbased Schwachsinn, der damals gehyped wurde. Eine eher kleine Aktion, mit der man einem speziellen Publikum hätte zeigen können, was so geht. Offen, keine Verpflichtung, einen Provider gab es schon und auch die Inhalte.

Er hörte uns an, war durchaus freundlich und das war´s. Nie mehr was gehört. Man fragt sich dann nicht gross, warum und wieso, man macht es eben anders, und das war auch nicht schlecht. Ganz im Gegenteil, und das kurze Ende der langen Geschichte ist, dass aufgrund dieser gescheiterten New Economy Idee eine wuderbare Frau in München jetzt Pralinen aus der Provinz isst. Kurz, ich bin gut gefahren.

Den Director gibt es heute so nicht mehr. Die Big Mobile Company denkt global und tötet lokal, das Gebäude vor der Stadt ist zu vermieten und die dort Arbeitenden werden wohl kaum mehr das Geld haben, sich solch schönes Obst auf dem Viktualienmarkt zu kaufen. Wir kamen in einen Komplex, der tot war, ohne es zu wissen. Aber zwei Jahre später habe ich den Director, dann in anderer Funktion nochmal getroffen. Und gefragt, warum das nicht ging, damals.

Die Antwort war sehr ehrlich. Mobile Companies interessieren sich nicht für echte Interaktion. Was Mobile Companies interessiert, ist Leistung in die eine und Geld in die andere Richtung. Was dazu beiträgt, ist gut, was nicht, ist schlecht. Diese Firmen glauben, dass der Mensch always on sein muss und dieses always on ihr Schlüssel zu Macht, Reichtum und Einfluss ist. Computer sind denen scheissegal, Computernutzer sind eine irrelevante Minderheit. Die will man gar nicht haben. Desto schlechtere Schriftinterfaces, desto besser, viel Bildschirm bitte und wenig Texteingabe, Konsumieren statt interagieren, und am liebsten hätten sie den einen Lokalisierungsfinanzierungs-Button, die ihnen zu jeder Sekunde Zugriff auf alle Daten des Kunden liefert. Sie verzichten lieber auf ein Geschäft, das ohne sie nicht laufen kann, als auf ihre internen Monopole. Sie möchten keinen mobilen Lifestyle, sondern einen an der unsichtbaren Datenstrippe. Alles soll viel Bandbreite brauchen, so viel wie man es den Kunden irgendwie zumuten kann. Und sie blockieren sich gegenseitig, weil es zwei unterschiedliche Arten der Monopole gibt: Die der Handyhersteller und die der Telcos. Da wird alles verteidigt, was geht. Bei so jemandem mit einem PDA von Compaq ankommen und einen reinen Internetprovider mitbringen, wie wir es gemacht haben - geht gar nicht.

Der Mann war etwas frustriert, denn mit seinem Laden hatte man diejenigen plattgemacht, die die Probleme der Monostrukturen erkannt hatten. Juckt aber bis heute keinen. Weil es dann wieder Firmen wie Yahoo oder Google gibt, die bereitwillig dieses System unterstützen. Sie kommen zwar aus dem freien Internet, wären aber auch gern so ein Telco-Brontosaurier, eine abgekapselte Welt in der ohne sie gar nichts geht. Und deshalb sagen sie langsam Tschüss zu uns, die wir am Kabel hängen, und mit Web2.0, sozialer Relevanz, lokalen Communities und Flickr aufgesextes Hallo zu den vorsintflutlichen Cretins, die an die grenzenlose Mobilität glauben, und daran, dass Leute das wollen, deren Heimat die 240 mal 360 Bildpunkte auf dem Display sind, und deren Kommunikation über ein gN8 nicht hinauskommt.

Ihr schon wieder. Neue Namen, neue Visitenkarten. Eigentlich könnte ich die alte Visitenkarte jetzt wegwerfen, denn ich habe die Geschichte erzählt, das ist alles, was ich tun kann. Und die neue Geschichte - die werden andere am eigenen Leib erleben. Nachdem da auch alles user generated content basiert ist - ich sag nur Qype - wird es aber diesmal noch weniger Leute geben, die sich das Verschicken von Pralinen später leisten können.

Dienstag, 18. Juli 2006, 20:39, von donalphons | |comment

 
Das ist doch ein Fake. Der Artikel ist doch von 2002?

Das erinnert mich an die Meldung vor ein paar Tagen, dass jetzt alle Berliner Flughäfen WLAN hätten.

Untote leben länger?

... link  

 
Ich hab ja mal ein Forschungsprojekt... egal. Was ich vergessen habe: Auch die Journaille hat nichts begriffen. Markt Markt Markt sind die drei Grundprobleme, und bitte - das Tor auf das Handy kenne ich als Businessplan-Idee seit 1998. In der Wüste ohne markt krepiert ein Startup auch nicht hässlicher als ein konvergenter 360°-Medienmoloch.

... link  

 
Wichsen befriedigt, und wenn es nur mit Worten ist.

... link  

 
Mit Porno auf dem Handy ganz bestimmt

... link  

 
Ja, das kann man ja auch user generated machen. es gab vor ein paar Wochen einen fall im sauberen Bayern, wo ein Haufen Kerle auf dem Dorf ein Mädchen vergewaltigt haben, die so betrunken war, dass sie sich nicht erinnern kann - aber die Videos waren auf den Handies.

... link  

 
Web sex null gewissermaßen

... link  


... comment
 
Vom Lesen
Diesen Text von Don muß man langsam lesen, und man muß ihn dreimal lesen, um ihn auszuloten, was aber nur für den altersbedingt demenznahen Nörgler gilt. Alle anderen verstehen schneller.

... link  

 
Ach komm, auf das innere Alter kommt es an.

... link  

 
Der salonmarxologische Literaturhistoriker
hat seine eigene Sicht auf die Dinge.
Dons Texte hier sind interpretierbar als Abfall-Produkte, nicht im Sinne von Müll, sondern als das, was im Verlauf des Tagewerks abfällt.

Don schreibt schnell, aber er kann nicht schnell gelesen werden. Seine hastige Textur: das an der Oberfläche mitgeführte Air der Atemlosigkeit, verführt die Hastigen zu hastigem Leseverhalten und wuschigen Reaktionen. Die Gefahr des Verlustes von Substanz und Tiefe liegt im Auge des Betrachters.

Wir halten hier inne, überlegen, was wir gerade gelesen haben, und hudeln nicht wieder mit den Augen über Zeichenfolgen hinweg.

OK, macht eh keiner. Daher stelle ich den die Szene beleuchtenden Scheinwerfer nun ganz anders auf.
Ginge es, wie behauptet, um Relevanz und Kompetenz, dann wäre nicht Lyschen Müller, sondern Don berufen worden. Ursächlich dafür, daß es nicht geschah, ist Lyschens herausragendes Mittelmaß einerseits und die unkalkulierbare kompetenzbasierte Freigeistigkeit Dons andererseits. Für so was haben die eine Wolfswitterung: Man guckte, wer mit dem Affirmationsausweis am kräftigsten wedelt. Ich wette meine Eier, daß die Nummer bei boocompany und an der blogbar landet.

Hätte ich eine Geschichte der deutschen Literatur zu schreiben, käme Don darin vor; Lyschen nicht.

... link  


... comment
 
Tröste dich - Geschichte kehrt nur als Farce wieder.

... link  

 
Im Vergleich mit der Pest 1348 waren die schwarzen Blattern gegen 1400 kein Problem mehr. Oder so.

... link  


... comment
 
> Leistung in die eine und Geld in die andere Richtung

... ist erst mal ein vernünftiger Geschäftsansatz. Soweit kann ich die beschriebenen Mobile Companies verstehen. Kein Quark, richtig Old-Economy.

Nur, wenn das Verständnis von dem, was man als Leistung erbringt, nicht mit dem Gefühl des Kunden übereinstimmt eine Gegenleistung für sein Geld zu bekommen ist essig. Always On wird vom Kunden nicht als Leistung gesehen. Always On ist ein Zustand der vielleicht andere Dinge ermöglicht, als solcher ist er wertlos, selbstverständlich. Ein Festnetztelefon ist auch Always On, jederzeit bereit. Wann mußte man das letzte Mal das Festnetztelefon einschalten? Wann einen GPRS, UMTS Account konfigurieren?

Der Kunde sieht ebenfalls keine Leistung darin, im Mobilfunk-Biotop eingeschlossen zu werden. MMS? WAP? Warum? Wozu? MIME-E-Mail, WWW tun es doch überall sonst weltweit. Hier hat man dummerweise, im Gegensatz zu SMS, auch noch den direkten Kostenvergleich. Die Moblifunkversionen unverschämt teuer, die Internetversionen gehören einfach zu diesem Internetding dazu.

So stehen die Mobilfunker in ihrer selbstgewählten Ecke und wissen nicht so richtig vor noch zurück. Phone-Flats und Discount-Anbieter sollen es richten. Weniger Geld für die vom Kunden verstandene Leistung - telefonieren können. Äh ja die Aldi-Brüder sind so reich geworden. Ob's bei den Mobilfunkern funktioniert bezweifele ich. Die Aldi-Brüder waren zu ihrer Zeit alleine auf weiter Flur. Die Mobilfunker sind es nicht.

... link  

 
Online mit dem Handy? Diese Revolution werde ich nicht mitmachen. Unter 1024 x 800 px Minimalauflösung maltraitiere ich mir doch nicht meine Augen. Und zeigt mir mal das Handy, auf dem InDesign und Photoshop 7 korrekt laufen, und bitte mit Cherry-Tastatur :-)

... link  

 
Noch mehr krankes Zeug?
Hier bitte: Spiegel Onschleim und die De:Bug (wann geht dieses erbärmliche Käseblatt endlich ein, bitte bitte) jubilieren Tim Renner, dessen Motor FM nicht so der Brüller war, zum nächsten Star der Mobile-Branche hoch.

http://www.spie
gel.de/netzwelt/telefonkultur/0,1518,427389,00.html

Man beachte die URL "Telefonkultur". Ja, denn findet man auch den Renner schnieke.

... link  

 
Und der übernächste Schritt: Fernsehen auf der Armbanduhr! Mit Sensurround-Sound! Na ja, führt in Gegenwart von Sicherheitskräften zu peinlichen Überreaktionen, wenn jemand gerade hyperrealistisch nen Actionthriller guckt und die Umgebung die realistischen MG-Salven falsch einordnet.

Aber ein paar Kollateralschäden sind ja immer....

... link  

 
Wichtigste Aussage:
Die Telekomm-Fuzzis wollen keine Interaktion.

Ja, das ist sicher richtig, so wie es in einer Konsumgesellschaft grundsätzlich richtig ist, dass die (ungesteuerte) Interaktion des Kunden mit den Unternehmen nicht gewünscht ist. Der Konsument soll im Rahmen der Mafo sagen, ob er lieber kackbraune oder braunweiß gestreifte Nussnougatcreme haben will. Ansonsten soll er tun, was sein Job ist: konsumieren.

Im Rahmen der so genannten Tele"kommunikation" soll er möglichst viele Zeiteinheiten am Rohr hängen und quacken. Mehr ist nicht.

Der Hund kann gar nicht sprechen.

... link  


... comment