Real Life 26.07.06 - Schatten über der Stadt

Wer es war, das würden sie gerne wissen. Den Namen, auch wenn sie damit nichts verbinden können. Du kommst doch von da draussen, wo die auch wohnen, dein Herr Papa kennt doch jeden, der weiss es doch sicher. Und sowas hier, also nein. Dabei hatte man gerade erst den Festzug mit all den Autos, und jetzt das. VW schien so weit weg, es ist immer VW, die es nicht können, hier ist alles in Ordnung, dachte man. Und jetzt sowas, die kleine Stadt bundesweit in den Medien mit einem Skandal. Dass der Oberbürgermeister am Wochenende nach einem Fest umgekippt ist, angeblich ohne Alkohol, das war ja noch eher lustig, dass manche ihre Arbeiter nicht versichern und das Geld in eine Villa stecken, ist nicht unnormal, aber das jetzt ist natürlich was Besonderes. Und wenn man den Namen hätte, könnte man ihn auch gleich weitertratschen am Wochenmarkt.

Du sagst gar nichts, obwohl es eigentlich klar ist, auch ohne Anruf, welche Ecke da etwas unsauberes gemacht hat. Jussuf kam vor 35 Jahren aus Marokko, um hier zu arbeiten, er ist inzwischen einer von hier und seine Kinder gehen in die bayerische Volkstanzgruppe, und er ist empört. Das, sagt er, kann nur passieren, weil sie die Manager in der Welt herumschicken. Wer hier arbeiten und bleiben würde, würde das einfach nicht tun, das wäre viel zu gefährlich. Aber heute wird da oben nur noch gewechselt und gereist, China USA Wolfsburg und so kommt das. Das war keiner von hier, sagt Jussuf. Ein Arbeiter würde sowas nicht machen, da fliegt man, wenn man ein Ersatzteil klaut, aber die da oben, die werden vielleicht sogar noch Abfindungen zahlen, wenn sie die Abteilung auswechseln.



In ein, zwei Tagen werden sie alle ein ungutes Gefühl haben, besonders die draussen im Westen, deren Geld auf dieser Firma basiert, sie wissen, dass die Stadt und sie selbst nichts wären ohne die grossen Hallen und ihre Produkte, und deshalb wird man sagen, man soll es doch hier machen, wo die Leute ehrlich sind und Anstand haben, als irgendwo im Ausland. Vielleicht holt man auch einen Teil inhouse, draussen sind noch viele Äcker, die man bebauen kann, dann hört das Gerede schon auf. Wenn da nicht noch mehr kommt. Denn zu glauben, dass einer sowas macht und der Rest nichts merkt, ist ein klein wenig blauäugig, und der bleierne Himmel, der sich am Abend über die kleine Stadt legt und ihre unschuldigen Abiturientenfeste mit den aufgedonnerten Eltern und Biergärten mit ihren nicht mehr so ganz entspannten Anwälten, der verheisst nichts Gutes.

Und wenn du erzählen würdest, dass am Vormittag ein paar VW-Busse bei euch draussen unterwegs waren, die sonst nie da sind, weil die Zivilstreife zum Schutz der Reichen anders aussieht, und auch gehalten haben und Leute ausstiegen, um wo reinzugehen, dann hätten sie noch mehr zu reden. Aber du sagst natürlich kein Wort.

Mittwoch, 26. Juli 2006, 22:55, von donalphons | |comment

 
Das Reingehen ist aber nur fürs Tratschen gut. Erst wenn sie nicht mit leeren Händen und/oder allein wieder herauskommen wird es richtig interessant.

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