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Donnerstag, 10. Dezember 2020

Ein frohes 2022

nachdem 2021 jetzt auch schon gelaufen ist, bevor es begonnen hat. Menschen neigen dazu in Jahren zu rechnen, der Natur und ihren Kleinstlebewesen ist das aber egal, und es dauert halt. einsam macht eine Mutter mit ihren Kindern trotz allem am See Picnic, weil, was soll man sonst tun. Irgendwann wird jede Wohnung eng, und nicht jeder hat dann eine zweite.



Ich habe Anfang dieser woche viele böse Widerworte gehört, als ich berichtete, dass viele Bekannte bei der Impfung eher vorsichtig sind. Niemand ist deshalb Impfverweigerer, aber man traut der Sache nicht voll. Heute jedenfalls wurde dann bekannt, dass die Briten chronischen Allergikern abraten, sich mit dem Pfizerstoff impfen zu lassen, was mich dann vermutlich auch einschliesst. Ich mein, ich habe mal in München nur einen Bissen einer Torte mit Paranüssen gegessen, die nicht ausreichend erhitzt war: Dass ich das Notfallmedikament brauchen würde, habe ich damals im September nicht erwartet. Das war noch übler als rohe Kirschen. Die Fahrt an den Tegernsee zum Spray war damals jedenfalls weniger schön als heute. Obwohl damals das Wetter schöner war.



Es ist trotzdem nett, den See heute zu betrachten. Natürlich wäre auch so jetzt die stille Zeit, bevor im Winter der Tourismus hereinbricht, aber jetzt ist es noch stiller. So still wie in einem verlassenen Grand Hotel in den Bergen. Und dennoch ist es voll, die Häuser hier sind alle belegt, und viele Kinder sind wohl auch da: Kennzeichen aus Wien, Frankfurt und anderen Orten zeigen überdeutlich, wie viele momentan die Gelegenheit zur Flucht nutzen. Wer sich sozial distanzieren will, kann das sehr viel leichter als in den Städten machen. Hier weiss auch jeder, dass ganz bestimmte Einrichtungen die grössten Probleme haben - dort gab es heute auch den ersten Toten des ganzen Landkreises seit Ende Mai. Niemand nimmt das auf die leichte Schulter, aber wenn man nur schnell zum italienischen Feinkostgeschäft geht, und nebenan ein paar Christbaumkugeln kauft, kann eigentlich nichts passieren.



Die Hotels sind geschlossen, aber es gibt Gerüchte dass, wer kann und nicht da ist, die privaten Liegenschaften über Weihnachten auch vergibt, sei es an Bekannte, was legal ist, sei es als Vermietung, was eigentlich nicht sein sollte. Es wird vor dem Hintergrund der langen Einsperrung gemacht - einfach, weil die Kunden da sind, und auch angeblich hohe Preise zahlen. Dass das hier jemand ernsthaft kontrolliert - so gut wie ausgeschlossen. Aber das ist auch nicht gerade Ballermann, und natürlich kann der Söder sagen, dass man keine Schlupflöcher suchen soll. Das ist aber auch nur wie ein Gefängnisdirektor, der sagt, dass Ausbruch verboten ist. Und Leute hier am See sind privilegiert - die lassen sich in aller Regel nicht gern herumkommendieren. Verhungern muss keiner - der Max, die alte Schmiede und Francesco haben Abholservice. Damit überlebt man schon 2 Wochen. Von den 4, während denen hier dicht gemacht wird,

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Mittwoch, 27. Januar 2016

Die Gans und das Dynamit.

Ganz ehrlich: Als ich vor ein paar Monaten vorgeschlagen habe, Berlin sollte doch das Tempelhofer Feld oder den Görlitzer Park zu einer Grossunterkunft für Migranten machen, habe ich das so gesagt, wie man anderen vorschlägt, die Gans mit einer Stange Dynamit zu tranchieren.

Als Witz.

Bei uns ist eine reiche Gemeinde wie Tegernsee nach einem halben Jahr mit 200 Flüchtligen längst am Limit. Es kracht dauernd, die Probleme und die Unzufriedenheit wachsen, und dass alles stabil bleibt, liegt an einem grossen Helferteam, enormen Ressourcen und am Umstand, dass bei uns Geld da ist. Die schwierige Lage ist das Best Case Szenario.

Berlin plant, drei Jahre lang zenhtausend Menschen in ein Lager am Tempelhofer Feld zu stecken. Das ist fünfzig mal so viel wie bei uns. Und sechs mal so lang, mindestens. Es wir nicht anders gehen, weil Berlin keine Wohnungen hat. Bei uns sagt man, die Turnhalle müsse sein, bis man dezentral unterbringen kann. Man will da schleunigst weg. In Berlin soll das Provisorium Bestand haben. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen., dass Berlin so eine doch eher komplexe Aufgabe lösen kann. Sie versagen beim Lageso. Ich sehe einfach keinen Grund, warum sie ein grosses Lager besser betreuen können sollten.

Wenn da ein Grosskonflikt ausbricht, tut mir die Polizei jezt schon leid. Das sind einfach viel zu viele auf einen Fleck.Und wie gut Berlin mit Konflikten umgehen kann, sah man bei der Gerhart Hauptmann Schule. Die Kontrolle so eines Areals ist sicher auch nicht unkomplex.

Naja. Auf der anderen Seite ist es schön, wenn das Drama dorthin kommt, wo es verantwortet wird. Es ist absehbar, dass man keine Migranten mit dem Bus aus Landshut wird iransportieren müssen. Die finden schon selbst ihren Weg zu Frau Merkel, um sich zu beschweren.

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Mittwoch, 13. Januar 2016

Moral und Politik

Erdogan ist ein kriegführender, korrupter Autokrat in einem theokratisch umgeformten Polizeistaat, in dem kritische Meinungen brutal unterrückt werden.

Polen ist zwar auch nicht schön. aber es führt keinen Krieg, geht mit Minderheiten sehr viel netter um, und auch, wenn viele in die Kirche gehen, ist es kein Polizeistaat. Sie sind rabiat im Staatsfunk, und die Meinung ist dort so einheitlich wie die von ARD und ZDF zu Merkel.

Mit der Türkei betreibt die EU Beitrittsverhandlumgen, damit sie keine Flüchtlinge mehr durchlassen. Polen will keine Flüchtlinge aufnehmen und bekommt wegen der Medienpolitik ein Verfahren der EU.

Ich glaube, als Historiker mit Abstand von 70 Jahren kann man da eine lustige Geschichte schreiben.

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Montag, 13. Juli 2015

Unbetretene Räume

Es gibt Orte, an denen ich oft war, die ich aber nicht mehr besuche. Sie sind nicht böse, sie tun mir nichts, aber sie tun mir auch nicht gut. Es gibt sie bei mir daheim, wie etwa eine Strasse, auf der ich einen Unfall miterlebt habe: Um dort nicht zu sein, nehme ich grosse Umwege in Kauf. Es sind ziemlich viele ärztliche Einrichtungen dabei. Eine Werkstatt, ein Feldweg, ein paar Gräber.

Und auch ein paar Blogs, weil ich weiss, dass die Leute keinen Wert darauf legen, dass ich sie lese. Sei es, weil ich mich verändert habe, sei es, weil ihre Frau Druck macht, sei es, weil es noch nie richtig war und ohne Gegner wäre das Leben ja auch langweilig. Es ist schon in Ordnung, einer Lesung nur zur Hälfte beizuwohnen, dann nach Hause zu gehen, zu ficken und später dann einen Verriss über etwas zu schreiben, das einen gar nicht interessiert hat. So ist das Leben. Das heisst noch lang nicht, dass am Ende eine schlechte, frustrierende Ehe dabei heraus kommt.

Er blogt schon lange nicht mehr, glaube ich. Er arbeitet wohl auch nicht mehr bei der windigen Klische von damals, worüber sich in Berlin ohnehin niemand aufgeregt hat. Und wenn irgendwo Links von ihr auftauchen, habe ich das ignoriert, weil ich sie einerseits meines Wissens nie persönlich kennen lernte und andererseits die Themen von Verheirateten jetzt nicht so die meinigen sind - auser, sie sind klug und charmant, was es auch gibt. Ich lese, was mir Freude bereitet oder, wenn es das nicht tut, mich wenigstens weiter bringt. Oder emotional berührt. Oder irgendwie relevant ist. Die privaten Probleme von Leuten, die mir nichts bedeuten, lassen mich kalt.

Aber manchmal sind Links eben hinter Shortenern versteckt, und dann drückt man drauf und liest.

Voll mit Aktivismus.

Das ist es aber nicht. Das ist ein krass schief gegangener, komplett anders als erwarteter Lebensweg in eine Ideologie, offenkundig abgedriftet wegen enttäuschter Erwartungen, Überforderung durch die körperliche Veränderung und die Unterforderung durch das, was Familienleben, Ehe und Mann so mit sich bringt. Dafür sind nun mal manche einfach nicht gemacht. Aktivismus, laut und wütend, ist eine bleibende Option, sich einzubringen und noch jene Bewunderung zu bekommen, die früher fraglos da war, denn damals galt sie - warum, weiss ich auch nicht - als ziemliche Granate unter den Bloggerinnen. Angeblich war klar, dass sie gleich in der ersten Generation der Prenzelmütter weggeheiratet wurde. Und das ist jetzt das Ergebnis: Pampig, mies gelaunt, unzufrieden, unausgeglichen und reizbar. Das sind so die Momente, da mir wieder klar wird, was ich alles in Berlin versäumt habe, und was mir in Bayern erspart blieb. Kann sein, dass man sich da oben so aufführen kann, aber ein Spass ist das Zusammenleben vermutlich nur begrenzt, wenn diese Themen in dieser Form auch in die Beziehung abstrahlen.

Beziehungen habe ich einige gesehen. Manche waren in Ordnung, andere für mich ausgesprochen überraschend gut, viele scheiterten und zum Glück waren einige noch jung genug, sich Alternativen zu angeln. Ein paar Mal hat es auch richtig gekracht und mitunter war das sehr, sehr schade. Eine Weile wurde auch viel geheiratet, und dagegen spricht natürlich auch nichts. Manche tragen die Probleme mit Humor. Bei anderen frage ich mich schon, wie die Partner das aushalten. Diese Launen, diese Zickigkeiten, die in den letzten zehn Jahren offensichtlich dazu kamen, zum sorglosen Geschlechtsverkehr, der nun nicht mehr in Hinterhöfen stattfindet. Glaubt man den Betroffenen, liegt es nicht an den Männern, sondern an den Umständen. Die ungerechte Umwelt, die nicht das liefert, was sie versprochen hat. Das ist schwer zu lösen, nehme ich an.

Wir alle sind seit meinen letzten Tagen in Berlin satte zehn Jahre, wenn schon nicht reifer und klüger, so doch älter geworden und für manche geht es schon eher wieder hinaus. Es gab erste öffentliche Tode auf Blogs und Twitter und es ist nur natürlich, dass es so weiter geht. Die meisten von damals kommen nun in ein Alter, ideal für die Mittlebenskrise, und viele sind darunter, die es gar nicht merken werden, weil ihr Leben schon immer ein Provisorium war. Anderen dagegen möchte man zurufen, sie sollten doch vom Leben nehmen, was sie jetzt noch kriegen können, hinausgehen, frei sein und sich trotz all der kleinen Falten und Zeichen des Verfalls schön finden.

Und dann liest man einen garstigen Artikel und noch einen und noch einen, diese ganze wutgetriebene Kloake, und denkt sich: Das wird kein Spass. Ich kenne Leute, denen so viel angetan wurde, und die sich trotz aller Probleme irgendwie zurecht fanden, und die angenehmsten Menschen der Welt sind: Das geht auch. Ich bewundere das. Ich sehe da auch über manche Petitesse mit Freuden hinweg. Man müsste es irgendwie schaffen, solche Fähigkeiten frühzeitig zu erkennen, bevor die Probleme des Lebens kommen werden. Statt dessen wird gelästert und hergezogen und verachtet und genau das dann auch später genau so gelebt. Man kann Probleme angehen, und man kann darüber bissig, schlecht gelaunt und garstig werden, mit der Aussicht auf weitere fünfzig Jahre Unzufriedenheit.

Man kann einen Mühlstein drumhängen, in einen Tümpel werfen und gehen. Oder auf einen Altar stellen und anbeten. Kann sein, dass ich vielleicht manchmal arg weit weg vom Tümpel bin, weiter als es nötoig wäre. aber ich habe das heute gelesen und finde den Abstand gerade eben so ausreichend. Es gibt in der bayerischen Mythologie die druckade Drud: Die hat der Kerl damals sicher nicht haben wollen, der war eher von der leichtlebigen Sorte. Das hat sich eventuell geändert.

Und ich bin frei, so frei, das jetzt wieder für die nächsten zehn Jahre vergessen zu dürfen.

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Samstag, 20. Juni 2015

Heimat

Es gibt schlimme Geschichten, denn 20 Kilometer von der nächsten grossen Stadt entfernt ist da nicht mehr genug Haushalt, den man hat und der ein Geschäft bräuchte. Man hat ein Auto für die Stadt, und da draussen schläft man. Wo sonst, wenn drinnen alles überfüllt ist.



Man könnte also zweifeln, wenn man so will, auch verzweifeln an dieser Entwicklung, und die Gasthöfe nebenan stehen auch leer. Einen kenne ich von früher, weil das Dorf am schönsten Weg in die nächste schöne Residenzstadt ist; da war ein grosser Bilderrahmen an der Wand und darauf die Bilder aller, die in den Kriegen gestorben, vermisst oder in Gefangenschaft gestorben sind. Ich fand diese unreflektierte Distanzlosigkeit zu Geschichte früher schlimm und fremdle immer noch damit sehr stark, aber es war vermutlich auch und vor allem ein Zeichen der Verbundenheit. Ob die neue, unreflektierte Distanz zum Ort, in dem man lebt, mit der totalen Verwendbarkeit für die Arbeit, besser ist?

Es ist nicht überall so. Ich kenne da auch ein Dorf, in dem die Leute wirklich noch beim Haushaltswarengeschäft einkaufen. Das liegt aber auch ein wenig daran, dass die Ziegelei, der Landmaschinenverleih, der Arzt, der halbe Gemeinderat und der Bundestagsabgeordnete alle zum gleichen, alten Grossfamilienverbund gehören. Meistens jedoch ist es so wie auf dem Bild. Was ist besser?

Das hier.



Das ist nur ein Dorf weiter, und man darf darüber nicht abschätzig reden, wenn eine, die den Hof besorgt, dann auch noch die ganzen Kinder mitnimmt, während die Mütter arbeiten gehen. Das ist so eine ganz kleine, aber nicht unwichtige Geschichte: Zuerst ändern sie den Hof, begrenzen sich auch das, was im Einklang mit der Natur ist, und erweitern es um das, was im Einklang mit dem Menschen ist. Niemand schreibt darüber in den Zeitungen, niemand macht sie dafür zum Star, als wäre sie eine psychisch kranke Schlitzerin, die einem ranzigen, alt wirkenden Pummel der taz gefällt, und es erfährt nur, wer die Gegend kennt und genau hinschaut.

Aber es mag vielleicht auch der Grund sein, warum nicht für immer eine Fahrschule im Haushaltsladen sein wird. Weil hier den Kindern nahe gebracht wird, wie schön die Welt ist. Und nicht, wie sie nach all den Ideologien sein sollte, die Heimat nur noch als Ausgangspunkt von Mobilität und Bewegungen betrachten.

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Freitag, 28. November 2014

Privileg

Zugegeben, es gibt natürlich auch Offline-Debatten über meine Beiträge, die so im Blog nicht stattfinden. Da geht es vor allem darum, ob ich die Lebenswirklichkeit richtig verorte. Eigentlich jeder in meinem Umfeld sagt, meine Texte würden deutlich übertreiben, und was ich dort darstellen würde, sei Durchschnitt, den ich krass überschätze. Und es ist natürlich richtig, dass ich für Tegernseeverhältnisse ganz klar nicht zu den Vermögenden gehöre, und dort keinesfalls mehr als der untere Durchschnitt habe. Allerdings - nicht zur Miete, sondern als Eigentum.

Ich halte dagegen, dass die Lebensrealität in Deutschland bei der echten Mittelschicht bei 40m² pro Person liegt und ich allein am Tegernsee dafür sorge, dass dieser Schnitt bei zwei anderen Menschen auf ein Niveau sinkt, das ich für unzumutbar halten würde - ungeachtet des Umstandes, dass woanders noch mehr Räume für mich da sind. Und nirgendwo wohne ich "zur Miete". Es ist halt immer eine Frage der Bezugsgrösse und des Umfelds, aus dem heraus man urteilt. Und so arrogant ich manchmal klingen mag: Ich weiss auch sehr genau, was andernorts üblich und gängig ist. Vielleicht gehe ich zu lässig mit meinen Privilegien um. Aber ich erkenne sie wenigstens.



Momentan macht dieses Schreiben einer GEO-Redakteurin die Runde, die sich auf dem Weg in die Altersarmut sieht - und vermutlich hat sie damit sogar recht. Wer im Journalismus reich werden will, muss darin entweder reich heiraten, reich erben oder auf einen Managerposten kommen. Alle anderen sollten sich eben überlegen, ob sie sich diese Arbeit, verbunden mit den Privilegien, die man dort hat, wirklich leisten können. Das ist nun mal so, und es ist nicht Schicksal oder eine Naturkatastrophe, das wurde so gemeinschaftlich von diesem Sektor mit sehr, sehr vielen Fehlentscheidungen vor die Wand gesetzt.

Fehlentscheidungen, deren Behebung dann auch unendlich lang dauern, weil man sich das alles nicht eingestehen möchte. Fehlentscheidungen, die ganz gross gemacht wurden, statt die Sache langsam und mit Bedacht zu entwickeln. Und man plötzlich Leute an Bord hat, die Kosten verursachen und die Sache verderben, ohne dass sie je einen Tritt kriegen, weil man ja nicht A oder B auf die Füsse treten will. Und dann kommen halt Entscheider wie in diesem Fall und machen Tabula Rasa. Das hat oft unschöne Konsequenzen, wenn man keinen Plan B hat. Und keine eigene Wohnung. Das ist bei sehr vielen über 40 die grosse Angst. Sie wissen, was sie monatlich als Sockeleinnahmen brauchen und oft, sehr oft, sind sie Singles und das ist sehr, sehr teuer, gerade wenn es um Wohnraum geht. Der Kauf ist aufgrund der Unwägbarkeiten und des Einkommens nicht möglich, und so darf fann eben auf gar keinen Fall eine Stütze wegbrechen - so sieht das aus. Gefühlt ist das bei der Mehrheit meiner Kollegen so.



Das aber zu verstehen - dauert. Das dauert mitunter eecht lang, heute erheblich länger als früher, als in den Medien oft und viel geschmähte Menschen mit 27 einen Partner für das Leben und ohne Twitter wollten, dann recht schnell den Bausparer füllten und sich bewusst waren, dass sie da jetzt durch und die begrenzten Optionen ideal nutzen müssen, auch unter Zuhilfenahme ihrer eltrn, selbst wenn die Zugeständnisse fordern. Das ist in meiner Heimat mit der extrem guten Beschäftigungslage und dem eher wenig konfliktträchtigen Gemüt der Menschen nicht so arg schwer, und nach weiteren 20 Jahren hat sich das, zumindest bei uns, auch finanziell rentiert.

Nur gibt es in so einem Lebensentwurf wenige Ausflüchte wie jene, die Menschen wie ich dauernd haben. Ich gehöre in diesem Bereich ja noch zu denen, die es sich wirklich aussuchen könnten. Und ich habe auch zudem keinen Grund, mich sofort dem nächsten an den Hals zu werfen, weil keine Reserven da sind. Allein das ist, wie man in diesem offenen Brief sieht, ein grosses Privileg. Aber auch andere sehen bei uns jede Menge Möglichkeiten, wenngleich mit minimaler Bezahlung. Das scheint aber zu reichen, weil die davon Angezogenen glauben, irgendwann würde es schon besser, selbst wenn die Realität etwas anderes aufzeigt. Dass die Propaganda oft in die andere Richtung geht und, wie aktuell mit der Frauenquote, die Illusion der grandiosen Zukunft der einsamen Kämpfer mit hinten angestellten Privatleben fördert, und später die Ausrede, das Scheitern läge an der gläsernen Decke des Patriarchats - das alles ist halt auch so ein grandioser Fehler der öffentlichen Darstellung, wie das Versagen des Journalismus vor Herausforerungen, die man falsch eingeschätzt hat.



Ich denke, wir werden in ein paar Jahrzehnten ganz deutlich sehr hässliche Folgen sehen, speziell bei jenen, die immer besonderen wert auf ihre vielen Optionen gelegt haben. Es wird ein sehr hässliches Äquivalent zum Thema der alleinerziehenden Mütter geben, die von der Gesellschaft jetzt so übel rangenommen werden, wie das anderen später zustossen wird. Versprochen wird ein Leben mit luxuriösen Vorteilen, aber ohne Vermögen und mit hohen Fixkosten, die jeden Aufbau von Polstern unmöglich machen. Die Vorteile sind schlagartig weg, wenn der Beruf weg ist, die Bedürfnisse werden aber bleiben, und gleichzeitig wird es mit der Reintegration in normale Verhältnisse sehr, sehr schwer.

Man sollte sich das leisten können. Ich kann es mir leisten, aber trotzdem bin ich froh, dass ich Rohre selbst reparieren und Räder bauen kann, denn Installateure sind sehr, sehr teuer und Leute, die etwas reparieren können, wird man immer brauchen.Es ist absehbar, dass es für mich nicht nötig sein wird, und dennoch: Es hat schon seine tiefere Bedeutung. Denn die neuen Privilegien sind wenig wert, sie sind die Lehman-Zertifikate auf eine Zukunft, die brutal aussortieren wird. Die alten Privilegien dagegen funktionieren, und sie funkionieren um so besser, je mehr man selbst tut und dabei ein Auge auf die Kosten hat. Ich wasche meine Hände, probiere die Spülung und lese dann den Jubel über eine Senator Card. Wenn ich Schnee räume, sehe ich nicht aus wie Elite.

Das macht mir nichts. Ich weiss, dass ich solche offenen Briefe in 2o Jahren nicht schreiben werde, und das ist auch ein Privileg, das man entweder hat, oder eben nicht.

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Mittwoch, 23. Juli 2014

7 Monate für 120 Seiten

Es ist Zeit, uns mal wieder den Michi anzuschauen, jenen leicht Urheberrechtsunkundigen, der mal bei der FAZ war und dessen Gesicht ich da zum Glück schon seit Jahren nicht mehr ertragen muss. Der Michi hat ja nach seinem Rauswurf erst rumgeblogt und dann seit Dezember 2013 versucht, ein Crowdfundingbuch zu machen. Von den früheren Versprechungen, dass man den Fortschritt quasi in echtzeit betrachten könnte, ist wegen Softwareproblemen wenig geblieben, aber jetzt hat er wenigstens mal bei Twitter den Stand verkündet:

"zwischenstand buch: 37.903 worte."

Da sollte ja noch eine Audioversion kommen und eine englische Zusammenfassung - Schreiben ist also noch nicht mal alles. Aber betrachten wir die Fakten: Was sind eigentlich rund 38.000 Wörter?

Rund 130 Seiten.

Ich meine mich erinnern zu können, dass eher das Doppelte geplant war.

Und das alles in 7 Monaten. Das sind, selbst wenn wir beim Schreiben die wiederverwustetete Blogbeiträge ignorieren, etwa 0.7 Seiten pro Tag. Das ist nicht sonderlich schnell, vor alleim vor dem Hintergrund, dass bei dieser Gewschwindigkeit (und einem möglicherweise dazwischen liegenden Urlaub, für den ein Flug gebucht wurde) nochmal 7 Monate reine Arbeitszeit am Text anstehen.

Und wer schon mal ein Buch geschrieben hat, weiss auch, dass man hinten raus für das Glätten und verbessern schnell mal einen Monat braucht. Lektorat dauert etwa einen Monat, und Layout, Druck und Auslieferung dauern auch etwas. Dazu kommen mitunter auch kleine Schreibblockaden. Lauter hässliches Zeug, mit dem viele beim Planen nicht rechnen.

Natürlich gibt es auch Fälle, da platzt der Knoten und dann geht alles wie von selbst. Aber ich habe meine Zweifel, ob dieses Buch vor Weihnachten erscheint und ja, die Jahreszahl lasse ich da auch erst mal offen. Ich würde jedenfalls auch nicht auf die Leipziger Buchmesse setzen. Mal schauen, ob sich der überhaupt nach Frankfurt traut, nach den grossen Ankündigungen und dem Zwischenergebnis.

Was ich spannend finde, ist aber die Frage der Finanzierungsverwendung. Das Geld war ja nicht geschenkt, sondern als Hilfe für die Zeit des Schreibens und Bezahlug der anfallenden Arbeiten gedacht. Etwa Audio, englische Übersetzung einer Kurzversion und die Release Party. Und je mehr Geld für das Schreiben draufgeht, desto weniger bleibt für die Zusatzdienste übrig. Nehmen wir aber mal an, er braucht noch 7 Monate - wieviel bleibt dann übrig für Übersetzung und Raummiete?

Ich meine das nicht persönlich, ich sehe nur im Moment, wie Krautreporter in Mitte ein Büro mit mehr als 100 Quadratmeter suchen, mit weniger als 10 Euro Miete pro m². Wenn das so im Businessplan stand, dann tut es mir leid - aber das Scheitern solcher optimistischen Annahmen geht dann halt auf Kosten anderer Leistungen, hier etwa der Autoren. Das alles ist so blauäugig, so sollte man besser keine Firmen aufziehen.

Und das sind dann halt so die absehbaren Ereignisse, die mich bei Crowdfunding so kritisch machen. Nicht, weil Leute nicht zahlen würden, sondern weil die, die es betreiben, so wenig Substanz liefern. Das "Kack-Buch" müsste er noch fertigschreiben, sagt der Michi jetzt. Das sollte man sich halt vorher überlegen. Kassieren ist nett, aber wer keine Leistung bringen will, wird am Ende ein Problem haben.

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Montag, 14. Juli 2014

La Crisi

Naja, könnte man sagen, diese bayerische Bank da gehört doch ohnehin der Unicredit, die ist italienisch und damit ist es auch ein italienisches Problem,. wenn neue, pikante Details zu den Cum-Ex-Geschäften der Hypo-Vereinsbank auftauchen.

Nun ist es aber im Gegensatz zu Derivaten, die man nicht versteht, bei Cum-Ex ganz anders: Dass der Staat Steuern erstattet, die nicht abgeführt wurden, ist da recht offensichtlich und dass das nicht legal sein kann, eigentlich auch. Und so ist dieser Fall ein zarter Hinweis darauf, was in den Banken üblich war. Und wie wenig da aufgearbeitet ist. Man macht halt, was Geld bringt, solange nur jemand sagt, das ist in Ordnung so.

Was mir Bauchschmerzen macht, sind vor diesem Hintergrund die gelockerten Bilanzierungsregeln in der EU - auch da geht jetzt legal mehr als früher. Das heisst nicht, dass die Banken früher sauber gearbeitet haben, sondern nur, dass sie noch immer zu Mitteln greifen können, deren Folgen man gerade in Portugal sieht - schwupps, ist wieder eine Bank am Zusammenbrechen. Denn irgendwann helfen auch all die schönen Tricks und die Geldschwemme nicht mehr, und das Vertrauen im krisengeschüttelten Portugal ist nicht so leichtsinnig wie hierzulande. Und wer weiss schon, was jenseits all der gelockerten Regeln in den Grauzonen sonst noch passiert. Jedenfalls, Bankenzusammenbrüche sollte es in der EU nicht mehr geben, hat man uns versprochen.

Bei der HVB bekommt man jetzt mal wieder einen kleinen Einblick, wie das funktionieren kann, wie Bedenken beseitigt und kurzfristige Gewinne generiert werden. In Italien herrscht immer noch die Krise, da kann keiner wollen, dass mal eben eine Bank zusammenkracht, also wird da nicht genau hingeschaut, und das alles gärt und brodelt unter der schönen Oberfläche weiter. Ist ja weit weg, das alles, Cum-Ex betrifft uns nicht und ausserdem haben wir ja was zu feiern. Und so sollte man sich halt nicht wundern, wenn das alles so weiter geht, wie gehabt, geraubt und genommen.

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Donnerstag, 3. Juli 2014

Nun denn...

Erinnert sich noch jemand an.... Krautreporter?

Dieses nach dem Abbuchen sehr schweigsam gewordene Netzmagazin, das mit 25 Topautoren im September starten wollte, um den Onlinejournalismus zu retten?

Das kommt laut Mitarbeiter jetzt erst ENDE September. Nein! Doch! Oh!

Und ausserdem kommt da jetzt auch einer gar nicht, weil er #ausgründen nicht mehr dabei ist.

Diese Nachrichten findet man hier und nicht bei Krautreporter und man kann sich ja überlegen, warum das so ist. Krautreporter - das Gewicht einer Million in bitcoins wert!

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Montag, 16. Juni 2014

Fragen, die ich habe

Das ist die Nadel am Penser Joch, und drei Kilometer davor hätte mich mal beinahe ein Raser in den Abgrund des Bergwalds geschoben. Ich habe ein enorm schlechtes Gefühl gehabt, und bin ganz langsam gefahren. Ich habe das gespürt. Ich bin kein Esokrempelgläubiger, aber ich glaube an Instinkte. Es gibt zum Beispiel einen Bergrücken, an dem ich dreimal einen Aufstig abbrechen musste und danach beschlossen habe, ihn nicht mehr zu gehen. Aber obwohl es hier einmal nur um Zentimeter ging, habe ich keine Probleme mit der Strecke. Ich mag das Penser Joch, besonders diese Nordseite.



Und trotz allem sind wir hier so runtergefahren, dass ungefähr hier die Bremsen des sich bedrängt fühlenden Opel stinkend den Geist aufgaben. Da sind viele Flicken im Asphalt, und es sieht recht abenteuerlich aus, wenn im Rückspiegel zwei Rennradler im kurvenreichen Formationsflug angebraust kommen.

Dieses Bild kann man übrigens vom Aito aus so nicht machen, es gibt keine Stellfläche, und man kann hier auch nicht raus. Mit dem Rad geht das. Mit dem Rad geht vieles, wenn man nur will.

Vor allem kann man nachher sagen, dass man auf 2211 Meter Höhe war. Mit dem Rad.

Wer kann das schon von sich sagen?



Die ganzen "Ihr seid viel zu fett"- und "Ihr ernährt euch falsch"- und "Ihr müsst mehr auf eure Gesundheit achten"-Freaks jedenfalls in aller Regel nicht. Es gibt wirklich viel davon, sie heissen Ehefrau und Geschwister, Freunde und irgendwelche dahergelaufenen Deppen, die meinen, sie müssten sich einmischen.

Und die ultimative Antwort, die ich dann gebe, ist:

"Fahr erst mal innerhalb eines Tages mit dem Rad erst auf den Jaufenpass und dann noch auf das Penser Joch. Ich warte dann droben auf Dich und wenn Du noch lebst und noch den Mund für etwas anderes als eine Bestellung von Kasnocken aufbekommst - dann, mein Lieber, höre ich mir das gern nochmal an."

Das wirkt immer, denn beide Pässe sind enorm einschüchternd, wenn man sie kennt und eine unfassbare Bedrohung, wenn man sie nur vom Hörensagen kennt. Ich habe sie ja auch lange Zeit für unbezwingbar gehalten, was sie aber überhaupt nicht sind - sogar ich schaffe das. Trotz Vitamin Marzipan, Fett und Butter, trotz meines Alters und des Umstandes, dass ich nicht der sportlichste Mensch dieser Erde bin. Wenn ich das kann, kann es so gut wie jeder und jeder hat diese Nerver an der Backe. Und gleichzeitig ist das Wissen, so etwas vollbringen zu können, jederzeit, wann immer man Lust hat, das wirklich gute Gefühl mit dem Körper. Zigtausende fahren im Tal, nur wenigen ist es vergönnt, hier anzukommen, und dabei könnte es doch zur inneren Zufriedenheit betragen.



Die das Wichtigste für die Gesundheit und das Leben ist.

Und deshalb frage ich mich, ob man darüber nicht mal schreiben sollte. Wie das ist, wenn man zu den Bezwingern solcher Pässe gehört und von da an alle Kritiker mit einem Satz zum Schweigen bringen kann. Denn so einen Pass, den kann einem keiner mehr nehmen.

Einerseits sollte man wirklich etwas fitter sein. Aber andererseits auch jene abwehren können, denen es nie genug ist und die einen mit all den Bildern und Idealen für immer unter Druck setzen. Dagegen ein im Stil der verfressenen 50er Jahre aufgemachtes Buch für jene, die Torten mögen und das Gefühl, oben anzukommen, ein Buch, das hilft und versteht, statt unter Druck zu setzen, eines, das es gut meint mit den Willigen und nett ist zu denen, die keinem Ideal entsprechen wollen, sondern nur sich selbst und das gern noch etwas länger. Und so nett geschrieben, dass man es auch lesen kann, wenn man lieber unten bleibt, oder denkt - na, für den Anfang tut es auch die Neureuth oder der Weg zum Schliersee.

Ein netter, kleiner, behäbiger Verführer, der viel freundlicher daherkommt als die Freaks oder auch die Warnschüsse, bei denen man nie weiss, ob sie daneben gehen wie damals am Penser Joch dieser Raser, oder vielleicht doch nicht. Das kleinste denkbare Übel ist so eine Passfahrt, denn natürlich bringt sie einen an Grenzen. Aber diese Schmerzen sind nur Schwäche, die den Körper verlässt, und danach gehört man zum 2000er Club.

Cita Mors Ruit, schnell eilt der Tod, sagt der Lateiner, aber auch ihn macht der Pass langsamer, und ganz ehrlich, was ich jetzt zwangsweise sein muss, weil es diesmal offensichtlich und öffentlich ist: Ich war in den letzten Jahren viel zu oft auf sinnlosen Beerdigungen.

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